Kapitel 21

 

 

 

»Wir haben Sterbliche entdeckt in der Welt der Toten«, sagte Aello, jene Harpyie, welche man auch Sturmwind nannte. »Bei dreien davon handelt es sich um jene, die Ihr töten wollt.«

Die Dunkle starrte sie hasserfüllt an. »Warum habt Ihr sie nicht getötet?«

»Das haben wir versucht.«

»Ihr werdet es wieder versuchen.«

»Um mir wieder einen Brandpfeil im Hintern einzufangen? Ihr vergesst, dass wir nicht unsterblich sind. Eine von uns ist bereits tot.«

»Undankbares Pack.«

»Wir sind nicht undankbar. Bringe unsere Schwester Podarge zurück ins Leben und wir tun alles, was du willst. Eine weitere Tote können wir uns nicht leisten. Außerdem kam Thanatos uns dazwischen.«

Die Dunkle schnaubte. Ihre schwarzen Flügelschwingen erbebten. »Thanatos? Der war die ganze Zeit über bei mir. Das war wohl wieder sein nichtsnutziger Neffe.«

Die Harpyie sträubte ihr Gefieder. »Ich wollte lieber nicht herausfinden, ob es sich um Thanatos oder Morpheus handelt. Ersterer ist mit Sicherheit tödlich, doch letzterer ist auch mit Vorsicht zu genießen. Als wir uns das letzte Mal mit ihm angelegt hatten, schüttete er etwas in unser Trinkwasser, sodass wir tagelang von Wahnvorstellungen getrieben durch die Gegend torkelten, weil wir nicht mehr richtig fliegen konnten. Wir sind in eines von Persephones Blumenbeeten abgestürzt und haben einiges zertrampelt, wofür uns Hades eine Woche lang in den Tartaros verbannt hat.«

»Der Tartaros wird nichts sein gegen meine Strafe. Ich werde euch alle langsam und qualvoll töten, wenn ihr nicht tut, was ich euch sage. Tötet die Sterblichen! Bald! Oder ich rupfe euch jede Feder einzeln heraus. Doch den blonden Mann bringt mir ganz. Sein Leib und Leben sollen verschont werden.« Die gewaltigen schwarzgefiederten Schwingen der Dunklen bebten. Ihr blauschwarzes Haar wogte um ihr bleiches Gesicht und ihren Rücken hinab über das ebenso schwarze, bodenlange Gewand. Sie sah fast ebenso furchterregend aus wie Thanatos. Die Harpyien wussten inzwischen, dass die Dunkle ihre eigenen Pläne hatte, die nicht unbedingt mit denen von Morpheus oder Hades konform gingen. Außerdem war sie mächtig, wovon die Harpyien profitieren wollten.

Ein Hund rannte auf sie zu. Bis auf sein schwarzes Gesicht und die dunkelbraunen Ohren war der mastiffähnliche Molossos hell, an manchen Stellen fast weiß. Auch in seinem Geisterstadium hatte er sich das Sabbern nicht abgewöhnt. Sogleich wichen die Harpyien zurück, um vom umherspritzenden Geifer nicht getroffen zu werden, auch wenn dieser nicht so viel Substanz hatte wie der eines lebenden Hundes.

Die Dunkle raufte sich die Haare. »Warum kann das Vieh fliegen? Entweder müsste es sein Gedächtnis verloren haben oder glauben, nicht fliegen zu können.« Sie floh zum anderen Ende des Raumes. »Tötet dieses verdammte Vieh endlich! Schafft es mir vom Hals! Wie ich ihn hasse. Sie werden alle dafür bezahlen! Alle!«

»Ich kann ihn nicht töten, Herrin. Er ist bereits tot.«

»Verschwindet endlich! Und nehmt den Hund mit!«

»Euer Wort sei uns Befehl. Auf uns liegt keine Verantwortung, was auch immer passiert.« Die Harpyien packten den Hund zu dritt und flogen schwankend mit ihm fort, wohlwissend, dass sie ihn nicht lange von der Dunklen fernhalten würden können. Er würde sich von ihnen losreißen und zurückkehren. Wieder und immer wieder, wie er es bereits seit Monaten tat. Womöglich hatte ihn die Dunkle deswegen getötet.

Doch eines konnten die Harpyien tun: die Lebendigen zerstören. Während des Fluges kam ihnen noch ein besserer Einfall, wie die Dunkle ihren Plan erfüllen konnte. Zwar würden die Menschen dadurch etwas länger überleben, doch ihr Tod war ohnehin schon gewiss – durch ihre Klauen und Schnäbel. Die Harpyien wollten Blut sehen.

 

Als Cel am nächsten Morgen erwachte, erhob sich auch Lysandra und rieb sich schlaftrunken die Augen. Beide kleideten sich an und liefen zur vorderen Höhle, wo sie den Abend zusammen mit Morpheus und seinen Brüdern verbracht hatten. Ein schwacher Opiumgeruch hing in der Luft.

Zu Cels Überraschung war Morpheus bereits wach und hantierte mit einer Schüssel, in der sich irgendein bräunliches Zeug befand. Schlief der Gott der Träume nie?

»Guten Morgen. Habt Ihr gut geträumt? Wollt Ihr nicht doch etwas Nepenthés?«, fragte Morpheus, der im Topf rührte.

»Ehrlich gesagt habe ich gar nichts geträumt«, sagte Lysandra.

Morpheus lächelte. »Wir versprachen Euch doch, Euch unbehelligt zu lassen.«

» Wo sind Eure Brüder?«

»Die ruhen noch«, sagte Morpheus.

»Wir danken Euch für Eure Gastfreundschaft. Wir werden nun weiterziehen«, sagte Cel.

Morpheus nickte. »Ich wünsche Euch eine gute Reise. Lasst Euch nicht von Hades oder Thanatos erwischen. Darf ich Euch Pilze anbieten?«

»Von den Pilzen hinter Eurer Höhle?«

»Sie wachsen auch an einigen Stellen innerhalb der Höhle. Sind noch besser als Fliegenpilze. Phantasos und Icelos mögen das am Morgen. Icelos kann daraufhin Farben schmecken und Töne sehen.«

»Aha, das klingt sehr interessant. Danke, das ist wirklich freundlich, aber wir haben noch keinen rechten Appetit«, sagte Cel. Er würde sich gewiss nicht schon am frühen Morgen vergiften. Er brauchte seine Sinne beieinander und seine klare Wahrnehmung.

Auch Sirona und Aiolos kamen aus ihrem Zimmer oder besser gesagt ihrer Höhle. Sie wirkten erfrischt und ausgeruht. Cel verteilte Brot und reichte den Bierschlauch herum. Danach verließen sie das Reich des Morpheus und mit ihm die trügerische Sicherheit der Träume.

 

»Ich glaube, ein Sturm zieht auf«, sagte Cel, als der Wind zunahm. Tief liegende bleigraue Wolken verdunkelten den ohnehin nie besonders hellen Himmel. Lysandras Haar flog wild um ihr Gesicht. Auch sie blickte besorgt zum Himmel empor.

Aiolos sah sie überrascht an. »Ein Sturm im Schattenreich?«

Cel erstarrte. Er deutete gen Himmel. »Die Harpyien! Die werden wir wohl nie los!«

Getarnt durch wogende Wolken waren die Unheilsvögel ihnen bereits sehr nahe. Ihre Schwingen zerteilten die Lüfte. Eine von ihnen rauschte an Lysandra vorbei, sodass sie fast der Gegenwind umgeworfen hätte. Doch schon war die Harpyie wieder hoch oben in den Lüften mit der zappelnden Sirona in ihren Klauen!

Cel verspürte Panik. Gegen diese Unheilsvögel würde die Katze nicht ankommen. Sie wirkte so klein in ihren Klauen. Er warf seinen Speer, verfehlte die Harpyie jedoch knapp, da sie sich rasch in die Höhe zurückzog. Jetzt wollte er sie nicht mehr treffen, da sie zu weit oben flog. Ein Sturz aus dieser Höhe wäre für Sirona zu gefährlich.

Auch ihre dunklen Schwestern flogen hinauf, ihr Hohngeschrei hallte vom Firmament wider. »Wenn Ihr sie wiederhaben wollt, so müsst Ihr kommen, Celtillos. Ihr müsst nur den falschen Namen der Zauberin nennen.« Unter kreischendem Gelächter rauschten sie davon und mit ihnen die Sturmwolken und die Finsternis.

»Sie haben meine Schwester!« Cel durchzuckte der Schmerz des Verlustes mit plötzlicher Heftigkeit. »Sirona! Diese Kreaturen haben sie mir genommen! Sie werden ihr doch hoffentlich nichts antun.« Er hatte sie in Gefahr gebracht, nicht nur Sirona, sondern sie alle, auch Lysandra. Immer hatte er seine jüngere Schwester, seine einzige lebende Verwandte, vor allem beschützen wollen, doch er hatte versagt. Wer wusste, was diese widerwärtigen Kreaturen mit ihr vorhatten?

»Vom wem sprachen sie?«, fragte Lysandra.

»Von Creusa. Sie war nach unserer Verwandlung noch einmal bei mir gewesen und hat mir angeboten, den Zauber von uns zu nehmen, sollte ich mich in ihre Gewalt begeben, doch dann kam Sirona und warf sie hinaus. Sirona sagte, es müsse noch eine andere Möglichkeit geben, als sich dieser Frau zu Füßen zu werfen. Ich hätte es dennoch tun sollen, denn jetzt hat sie Sirona und kann mich erpressen. Womöglich wird sie sie foltern und töten.«

»Warum will diese Frau dich unbedingt?«

»Ich weiß es nicht. Erst versuchte sie mich zu verführen und wob einen Liebeszauber, doch als dies alles misslang, verwandelte sie uns in ein Tier und ein Mischwesen.«

»Warum misslang der Liebeszauber, wenn doch der weitaus aufwendigere Verwandlungszauber gegriffen hat?«, fragte Aiolos.

Cel hob die Achseln. »Das weiß ich nicht. Ich glaube, Sirona hat etwas getan, wodurch der erste Zauber unschädlich wurde. Was genau, wollte sie mir nicht sagen. Ich hoffe nur, es war nichts Gefährliches, wofür sie jetzt bezahlen muss.« Ein schweres Gefühl breitete sich in seiner Brust aus. Seine Augen brannten und sein Kiefer schmerzte, so fest spannte er ihn an.

Lysandra legte ihm die Hand auf den Arm. »Wir werden einen Weg finden, sie zu befreien. Es muss einfach einen geben.«

»So etwas sagte Sirona auch immer. Sie ist eine wahre Kriegerin, die sich niemals unterkriegen lässt, selbst im Angesicht des Todes nicht.«

»Diese Frau, Creusa, oder wie auch immer sie sich nennen mag, will gewiss etwas von dir, das ihr sehr wichtig ist. Offenbar befürchtet sie, du könntest hier in der Unterwelt wirklich den Zauber brechen, sonst hätte sie sich nicht so viel Mühe gemacht, unsere Reise zu verhindern.«

»Warum? Ich frage mich, warum sie ausgerechnet mich will? Es gibt so viele Männer, die sie hätte haben können, die vor allem williger gewesen wären. Sie ist eine schöne Frau, die gewiss auch einen anderen gefunden hätte. Warum wollte sie ausgerechnet mich?«

»Hast du besondere Fähigkeiten?«, fragte Aiolos.

Cel starrte ihn an. Wie kam Aiolos darauf. Hatte er besondere Fähigkeiten, außer dass er ein hervorragender Krieger war und als zuverlässig galt? Er zögerte. »Warum fragst du das?«

»Nun, nach deiner bisherigen nicht alltäglichen Geschichte zu urteilen, könnte die Ursache ebenso ungewöhnlich sein.«

Cel überwand sich. Es sah ohnehin nicht gerade rosig für ihn aus. Was hatte er noch zu verlieren? »Ich kann die Toten sehen, doch würde ich dies nicht als besondere Fähigkeit betrachten, sondern eher als einen Fluch.«

»Du kannst die Toten sehen?«, fragten Aiolos und Lysandra wie aus einem Mund. Sie starrten ihn ebenso entsetzt wie erstaunt an.

»Das sagte ich doch soeben.«

Lysandra sah ihn jetzt nachdenklich an. »Das Totenreich und die Toten sehen. Da besteht ein Zusammenhang.«

»Diese Zauberin verfügt über eine große Macht, sonst hätte sie dich nicht verwandeln können«, sagte Aiolos. »Vermutlich weiß sie, dass wir hier sind und was wir hier treiben.«

»Hast du einen Vorschlag?«, fragte Cel.

»Beschwöre sie.«

»Was?« Cel starrte ihn völlig entgeistert an.

»Beschwöre sie, wie die Harpyie es gesagt hat, und frag sie, was der ganze Humbug soll.«

Sironas Leben war in Gefahr. Kam er gegen eine solch machtvolle Zauberin an? Er musste es wagen. Notfalls ging er mit ihr, wenn sie dafür Sirona freiließe. Sirona, ohne die er nicht weiterleben konnte.

»Ich sollte mit der Anrufung lieber warten, bis ich mich wieder in den Greif verwandelt habe«, sagte Cel.

Aiolos nickte. »Das wird dir nicht viel nützen. Im Gegenteil. Wenn sie es war, die dich verzaubert hat, dann kann sie dich sicher zurückverwandeln. Und für die Dauer der Rückverwandlung bist du erbärmlich hilflos.«

»Das ist ein Argument.« Cel nickte. »Da ist was dran. Hoffen wir, dass es funktioniert.« Er holte tief Luft. »Creusa, ich rufe dich bei deinem falschen Namen. Ich beschwöre dich. Zeige dich mir. Komm zu mir in deiner wahren Gestalt.«

Nichts geschah.

Cel sah Aiolos an. »Bist du dir sicher, dass das funktioniert?«

»Sicher ist nur der Tod.«

Cel folgte Aiolos’ Blick.

Die Schatten verdichteten sich. Dunkelheit erfüllte den Raum vor ihnen und wirbelte einmal spiralförmig um sich selbst. Eine schwarze Gestalt schälte sich aus der Finsternis. Creusa erschien. Und ein Tor, denn hinter ihr, durch den sie umgebenden aus Schatten geformten Ring, erkannte Cel dunkle Marmorfliesen.

»Es ist zu begrüßen, dass du dich doch noch anders entschieden hast, Celtillos«, sagte die Zauberin.

Er starrte die dunkle Erscheinung vor sich an. Sie war ebenso schön wie furchteinflößend. Machtvoll und gefährlich. Spätestens jetzt verbannte er alle Zweifel, dass sie nicht menschlich war.

»Lass Sirona gehen und nimm mich an ihrer statt«, sagte Cel.

»So sehr liebst du sie?«

»Sie ist meine Schwester.«

»Das ist mir gleichgültig.«

»Lass sie frei und nimm mich dafür.«

»Oh, wie edel von dir«, sagte sie in spöttischem Tonfall. Ein Lächeln trat auf ihr blasses, von langem schwarzen Haar eingerahmtes Gesicht. Auch ihr Gewand war schwarz wie ihre gefiederten Schwingen. Diese hatte sie zuvor nicht gehabt oder geschickt vor ihm verborgen.

Hinter ihr kam die Harpyie, die Sirona entführt hatte, mit dieser in den Klauen herbeigeflogen. »Ich hab das Katzenvieh!«

Sirona wand sich vergeblich in ihren Fängen und riss sich dabei ein wenig leicht blutiges Fell aus. In Cel stieg unbändige Wut auf bei diesem Anblick.

»Lass sie los, du Nebelkrähe!«, rief Cel.

Die Harpyie lachte meckernd. »Das hättest du wohl gerne, Menschlein?«

Menschlein war gut. Cel spürte bereits den ziehenden Schmerz, den Vorboten der Verwandlung, der rasch stärker wurde. Ausgerechnet jetzt! Es schien wirklich außerhalb seiner Kontrolle geraten zu sein. Der künstliche Tag-Nacht-Rhythmus der Totenwelt hatte alles durcheinandergebracht.

Er spähte zum Feind hinüber und hasste es, sich so hilflos zu fühlen in den Minuten der Verwandlung. Creusas dunkle Augen ruhten erbarmungslos auf ihm. Sie würde jede Schwäche ausnutzen, das wusste er. Womöglich hatte sie die Verwandlung eingeleitet. Er traute ihr jede Boshaftigkeit zu. Seine größten Schwächen waren Sirona und Lysandra. Sirona hatte sie bereits. Von seinen Gefühlen für Lysandra sollte sie nichts erfahren, wenn sie es nicht bereits wusste.

»Du hast mich hintergangen«, sagte die Frau, die er als Creusa kannte. »Dafür wirst du bezahlen. Komm mit mir.«

»Lass zuerst Sirona frei.«

Creusa trat zu ihm. Ihre Hand ruhte auf dem Knauf ihres Schwertes. Der Schmerz der Umwandlung ließ Cel taumeln. Keuchend ging er in die Knie.

»Gefällt dir der Schmerz?«, fragte Creusa maliziös lächelnd. »Ergib dich mir und du musst ihn nie wieder ertragen.«

Cel jedoch wehrte sich nicht gegen den Schmerz, sondern nahm ihn an und ging voll in ihn hinein. Die Erfahrung lehrte ihn, dass auf diese Weise die Umwandlung deutlich schneller vonstattenging. Denn gleichgültig, wie sehr man sich gegen sie wehrte, aufhalten konnte man sie niemals, sondern sie nur noch qualvoller machen.

Lag Erstaunen in Creusas Blick, als sie auf ihn nieder starrte? Sie trat tatsächlich ein paar Schritte zurück. Ein grausames Lächeln umspielte ihre Lippen.

»Komme mit mir, schwöre mir ewigen Gehorsam!«, sagte sie.

Cel setzte an, die Worte zu sagen, die sein Schicksal besiegeln sollten, doch wurde er von einer Männerstimme unterbrochen, die klar war wie Eis und ebenso kalt.

»Was ist hier los?« Morpheus stand dort, sein dunkles Gewand und sein hüftlanges rabenschwarzes Haar wehten im jenseitigen Wind. Er war absolut furchteinflößend.

»Sie hat Sirona entführt und verlangt von mir im Austausch für sie meinen Treueschwur«, sagte Cel zu Morpheus.

Dessen Augen blitzten »Ist das wahr, Ker?«

Ker? War dies Creusas wirklicher Name?

Ker nickte. »Er ist ein Eindringling in das Schattenreich des Hades. Dafür muss er bezahlen.«

»Das hat auch Hades entschieden und darum bin ich hier.«

»Dann seid Ihr gar nicht Morpheus?«, fragte Aiolos.

»Ich bin Thanatos, der Sohn von Nacht und Finsternis. Ich bin der Tod und gekommen, um Euch zu holen.« In seinen Worten lag Endgültigkeit. Thanatos zog sein mit schwarzen Juwelen besetztes Schwert. Er strahlte eine majestätische Präsenz und zugleich akute Gefahr aus, wie Cel sie nie zuvor in ihrem Leben verspürt hatte. Doch vor allem umgab ihn Kälte.

»Ob Greif oder Mann, deine letzte Stunde hat begonnen und verrinnt unaufhörlich.«

»Ich bin hier, weil Ker meine Schwester Sirona und mich verzaubert hat. Nur hier kann ich den Zauber lösen, sagte man mir. Sonst wäre ich nicht gekommen, um das Reich des Hades zu stören.«

»Ker ist meine Schwester. Über all dies können wir uns noch unterhalten, wenn du tot bist«, sagte Thanatos und holte mit dem Schwert aus. Cel sprang hastig zur Seite. Aus den Augenwinkeln sah er ein schwarzgeflügeltes Pferd, welches eine Frau trug, die am ausgestreckten Arm ein krugähnliches Gefäß hielt, das nach oben hin enger wurde und durch einen Stopfen verschlossen war. Durch Löcher an seiner Unterseite tröpfelte Wasser neben dem Flügelpferd auf den Boden. Die Nymphe mit dem geheimen Namen kam, um Cels Ende zu sehen. Doch das Antlitz des leibhaftigen Todes würde das letzte sein, was er in seinem Leben erblickte.

Erneut führte Thanatos die Klinge in seine Richtung und traf ihn am Rücken. Cel flog hinauf zum rauchigen Himmel, um einen Luftangriff zu wagen, doch auch Thanatos schwang sich auf schwarzgefiederten Schwingen zum Firmament empor wie ein Rachegott. Allein sein Anblick hätte einen weniger kampferprobten Mann als Cel in die Flucht geschlagen oder vor Furcht sterben lassen.

Er stürzte sich auf den leibhaftigen Tod und traf ihn auch, doch Thanatos holte erneut mit dem Schwert aus. Cel ließ Federn, doch glücklicherweise war der Treffer nur oberflächlich.

Thanatos riss das Schwert herum, um es in Cels Brust zu stoßen.