30
 
Ich schickte das Manuskript von Carrie an Doubleday, wo ich mir einen Freund namens William Thompson gemacht hatte. Ich dachte nicht weiter darüber nach, sondern führte mein Leben wie zuvor, das zu jener Zeit daraus bestand zu unterrichten, die Kinder großzuziehen, meine Frau zu lieben, mich am Freitagnachmittag zu besaufen und Geschichten zu schreiben.
In dem Schulhalbjahr hatte ich die fünfte Stunde frei, direkt nach der Mittagspause. Meistens saß ich dann im Lehrerzimmer, benotete die Arbeiten der Schüler und sehnte mich danach, mich auf der Couch auszustrecken und ein Nickerchen zu halten. Am frühen Nachmittag bin ich so energiegeladen wie eine Boa Constrictor, die gerade eine Ziege verschlungen hat. Plötzlich fragte die Sekretärin Colleen Sites über die Gegensprechanlage, ob ich da sei. Ich antwortete ihr, und sie bat mich, ins Büro zu kommen. Telefon für mich. Meine Frau.
Der Gang vom Lehrerzimmer im unteren Flügel zum Sekretariat erschien mir weit, obwohl Unterricht war und die Flure daher so gut wie leer waren. Ich beeilte mich, rannte beinahe. Mein Herz schlug schnell. Tabby musste den Kindern Schuhe und Jacke anziehen, wenn sie zum Telefonieren zu den Nachbarn ging, und dafür konnte ich mir nur zwei Gründe vorstellen: Entweder war Joe oder Naomi von der Veranda gefallen und hatte sich ein Bein gebrochen, oder ich hatte Carrie verkauft.
Meine Frau klang atemlos, aber überglücklich. Sie las mir ein Telegramm vor. Bill Thompson (der später einen Schreiberling aus Mississippi namens John Grisham entdecken sollte) hatte erst versucht anzurufen, dann aber gemerkt, dass die Kings kein Telefon mehr besaßen, und daher das Telegramm geschickt. »GLÜCKWUNSCH«, stand darin, »CARRIE OFFIZIELL VON DOUBLEDAY ANGENOMMEN. SIND $ 2500 ALS VORSCHUSS OKAY? DIE ZUKUNFT LIEGT VOR UNS. GRUSS, BILL.«
2500 Dollar war ein sehr kleiner Vorschuss, selbst für die frühen Siebziger, aber das wusste ich damals nicht und hatte auch keinen Literaturagenten, der das für mich gewusst hätte. Bevor ich auf die Idee kam, dass ich vielleicht einen brauchte, hatten meine Bücher bereits weit mehr als drei Millionen Dollar eingebracht, und davon ging ein beträchtlicher Anteil an den Verlag. (Der Standardvertrag von Doubleday war in jenen Tagen nicht viel mehr als vertraglich festgelegte Knechtschaft.) Und mein kleiner Highschool-Horror-Roman bewegte sich unerträglich langsam auf die Veröffentlichung zu. Obwohl das Buch Ende März oder Anfang April 1973 angenommen worden war, hatte man die Veröffentlichung erst für das Frühjahr 1974 vorgesehen. Das war nicht ungewöhnlich. Damals war Doubleday eine riesige Roman-Mühle, die jeden Monat fünfzig oder mehr Krimis, Liebesromane, Science-Fiction und Double D-Western ausstieß … und zwar zusätzlich zum beachtlichen Hauptprogramm, darunter Großmeister wie Leon Uris und Allen Drury. Ich war nur ein kleiner Fisch in einem fischreichen Fluss.
Tabby fragte mich, ob ich den Lehrerjob an den Nagel hängen könne. Ich verneinte – ein Vorschuss von 2500 Dollar und sehr nebulöse Aussichten reichten dafür nicht. Wenn ich allein gewesen wäre, dann vielleicht (höchstwahrscheinlich sogar!). Aber mit Frau und zwei Kindern? Das war nicht drin. Ich weiß noch, wie wir an dem Abend im Bett lagen, Toast aßen und uns bis in die frühen Morgenstunden unterhielten. Tabby wollte wissen, wie viel wir bekommen würden, wenn Doubleday die Taschenbuchrechte für Carrie verkaufte, und ich sagte, ich wüsste es nicht. Ich hatte gelesen, dass Mario Puzo gerade einen riesigen Vorschuss für den Verkauf der Taschenbuchrechte für Der Pate (Originaltitel: The Godfather) erzielt hatte – 400 000 Dollar behaupteten die Zeitungen -, aber ich glaubte nicht, dass Carrie auch nur in die Nähe dieser Summe käme … wenn sich die Taschenbuchrechte überhaupt verkaufen ließen.
Dann fragte mich Tabby – für meine normalerweise unverblümte Frau recht schüchtern -, ob ich glaube, dass das Buch überhaupt einen Verleger für das Taschenbuch finden würde. Ich antwortete, die Chancen dafür stünden ziemlich gut, vielleicht bei siebzig oder achtzig Prozent. Sie wollte wissen, wie viel wir daran wohl verdienen würden. Ich erklärte, dass es meiner Einschätzungen nach zwischen zehn-und sechzigtausend Dollar sein würden.
»Sechzigtausend Dollar?« Sie klang fast schockiert. »Ist so viel überhaupt möglich?«
Ich sagte, es war vielleicht nicht wahrscheinlich, möglich aber schon. Ich erinnerte Tabby auch daran, dass in meinem Vertrag eine Fifty-fifty-Klausel beim Taschenbuch eingebaut war, die bedeutete, dass wir nur dreißig Riesen bekämen, wenn Ballantine oder Dell sechzig für die Rechte bezahlten. Tabby würdigte diese Bemerkung keiner Antwort – und das war auch nicht nötig. Dreißigtausend Dollar war die Summe, die ich voraussichtlich in vier Jahren Schuldienst verdienen würde, jährliche Lohnerhöhungen schon eingerechnet. Es war eine Menge Geld. Wahrscheinlich nur ein schöner Traum, aber jene Nacht war zum Träumen da.
Das Leben und das Schreiben
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