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Boduragol, Erster Redakteur von Afaliah, saß auf seinem Schemel in der Mitte der mutterleibsdunklen Hautkammer, die Augen geschlossen, den Geist fast vollständig auf seine Arbeit konzentriert. Die umwälzend neue Methode war ein großer Erfolg gewesen. Beide Patienten hatten sich auffallend erholt, seit er auf den Gedanken gekommen war, ihre hochkompatiblen, sich spiegelbildlich zueinander verhaltenden psychokinetischen Funktionen unter dem leichten Joch seiner eigenen redigierenden Matrix zusammenzuspannen. Vor allem die verkümmerte rechte Hälfte des männlichen Gehirns hatte sich unter dem unwillkürlich erfolgenden weiblichen Einfluß wesentlich regeneriert. Die gleichzeitige Beschleunigung der Heilung bei der Frau war eine erfreuliche Zugabe. Der Wissenschaftler in Boduragol war fasziniert von dem Ergebnis, und als Mann von Gefühl war er wohltuend berührt.

Die Körper standen Seite an Seite in den Halterungen, keusch wie Alabasterstatuen, die man in anliegende, transparente Folien gewickelt hatte. Auf der einen mentalen Ebene arbeiteten der Tanu-Mann und die Menschenfrau aktiv mit dem Redakteur zusammen. Auf einer anderen, in einem intimeren Modus und hinter einer festen Barriere unterhielten sie sich miteinander.

CLOUD: Erkennst du denn nicht, daß es für deine Generation fast das gleiche war wie für die unsere? Eure Eltern entschieden im voraus über eure Zukunft. Ihr hattet nichts dabei mitzureden, und es war euch verboten, ihr Urteilsvermögen in Frage zu stellen. Genau wie bei uns.

KUHAL: Wie wäre es anders möglich? Unser Volk verließ die Duat-Galaxis, um frei zu sein. Frei, ein Leben zu führen, an das wir glauben. War es bei euren Eltern nicht ebenso?

CLOUD: Unsere Eltern behaupteten es. Und viele Jahre lang haben wir ihnen geglaubt.

KUHAL: Und jetzt glaubt ihr es nicht mehr. Nun ... auch wir Tanu haben unsere Häretiker.

CLOUD: Analytische Kritik ist keine Häresie, wenn man wirklich frei ist.

KUHAL: Du willst behaupten, wir seien es nicht?

CLOUD: Meine Generation wurde eingeengt von Unwissenheit, Trägheit, sogar Furcht. Es war schmerzhaft, gefährlich, Fragen zu stellen. Trotzdem war es unbedingt notwendig.

KUHAL: Ich verstehe nicht.

CLOUD: Soll ich dir etwas von unserer Geschichte erzählen?

KUHAL: Wir haben Zeit ... ja. Vielleicht haben auch wir Tanu uns von Unwissenheit und Trägheit beherrschen lassen. In unseren Beziehungen zu euch. Wir kennen nur eine kleine Guppe eurer Rasse: die freiwilligen Zeitreisenden. Die Nichtmetapsychiker schienen nützliche Diener zu sein. Die latenten wurden in unsere Familie des Geistes aufgenommen. Nur Nodonn erkannte die ungeheure Gefahr, die in der sich entwickelnden Abhängigkeit lag, aber die meisten von uns wollten auf seine Warnungen nicht hören. Blindheit war bequemer.

CLOUD: Ich weiß.

KUHAL: Laß dich durch mich nicht von deiner Erzählung ablenken! Fang ganz von vorn an! Sag mir, wie es kam, daß unter euch metapsychische Operante auftauchten! Sag mir, welche Ursachen die Rebellion hatte!

CLOUD: Du weißt, daß die Bewohner der Alten Erde schon Jahrtausende bevor fremde Rassen die Verbindung mit ihnen herstellten und sie ins Milieu aufnahmen sich langsam zur metapsychischen Operanz entwickelten.

KUHAL: Das ist von unserem menschlichen Genetik-Meister erklärt worden.

CLOUD: Die Operanten, die gegen Ende des 20. Jahrhunderts lebten, näherten sich schnell dem Adepten-Status der Erleuchtung. Sie waren sehr vorsichtig darin, ihre Fähigkeiten normalen Menschen zu enthüllen. Einige - besonders solche, die starke koerzible oder kreative Talente besaßen - benutzten ihre Metafunktionen zu ihrem persönlichen Vorteil. Andere, altruistischer eingestellt, studierten die mentalen Kräfte, indem sie sich selbst und andere Operante als Versuchspersonen benutzten. Schließlich entwickelten diese Wissenschaftler die speziellen Ausbildungstechniken, die einer Anzahl ihrer Gefährtinnen eine Quasi-Erleuchtung brachten. Sie bauten eine kleine, unvollkommene Kopie der Einheit des Milieus auf und sandten die Botschaft von ihrer Existenz ins All. Das war der »Strahl«, der das Milieu buchstäblich zu der Großen Intervention von 2013 zwang, ungeachtet der Tatsache, daß die meisten Menschen in ethischer Hinsicht noch Primitive waren ... höher auf der Leiter der psychosozialen Reife als ihr Tanu, aber verglichen mit den anderen fünf erleuchteten Rassen immer noch Barbaren.

KUHAL: Dann sind du und ich beide Primitive! Das Geheimnis unseres kompatiblen Erbgutes lichtet sich etwas. Aber ich will nicht abschweifen.

CLOUD: Eins unserer wichtigsten Zentren für metapsychische Forschung auf der Erde befand sich am Dartmouth College, einer kleinen Lehranstalt in Nordamerika. Vor der Intervention hatten Denis Remillard und Lucille Cartier die Leitung der Abteilung. Sie waren beide voll operant und besaßen einen ähnlichen ethnischen Hintergrund. Kurz nachdem sie Kollegen geworden waren, heirateten sie. Sie waren mein Urgroßvater und meine Urgroßmutter. Denis und Lucille hatten sieben Kinder, alle talentierte Operante. Das jüngste und talentierteste war Paul, mein Großvater. Er wurde im Jahr nach der Intervention geboren und mit dem neuen Verfahren, das später allgemeine Anwendung fand, in utero ausgebildet. Paul wurde als >Der Mann, der New Hampshire verkaufte< bekannt. Aufgrund seiner Bemühungen entstand in diesem kleinen Gebiet Nordamerikas das planetarische Zentrum metapsychischer Operanter, als die Erde dem Milieu beitrat.

KUHAL: Und deine Familie konsolidierte ihre Vorherrschaft.

CLOUD: Es war unvermeidlich. Paul wurde als erstes menschliches Wesen in den Rat gewählt, die regierende Körperschaft des Galaktischen Milieus. Ihre Mitglieder sind alle Metapsychiker der Meisterklasse und haben profunde Kenntnisse in der psychosozialen Analyse und der Problemlösung. Später dienten vier seiner fünf Kinder ebenfalls als Magnaten. Marc war das älteste. Er wurde ein Großmeister erster Klasse. Seine Geisteskräfte gehörten zu den stärksten der Galaxis.

KUHAL: Das ist dein Vater, der Mann, der Abaddon genannt wird?

CLOUD: Ja ... Das war der Beiname, den er während der Rebellion erhielt. In unserm heiligen Buch erzählt ein Abschnitt von den letzten Tagen der Welt, wenn die Mächte des Guten und des Bösen sich zur endgültigen Entscheidung entgegen treten. Abaddon ist der Anführer der Dämonen-Armee. Er hat noch andere Namen: der Engel des Abgrunds, der Zerstörer. Mein Papa ...

KUHAL: Der Krieg am Ende der Welt! Das ist auch Teil unseres religiösen Mythos. Wir nennen ihn den Letzten Krieg. Als die verfolgten Tanu und Firvulag von ihrem Heimatplaneten bis an den Rand der Duat-Galaxis getrieben wurden, glaubten sie, daß sie selbst den Letzten Krieg ausfechten würden. Aber Brede legte sich ins Mittel, und ihr Schiff trug uns in diese Sternenwolke. Jetzt glauben Celadeyr und einige seiner Gefolgsleute, der Letzte Krieg werde im Vielfarbenen Land stattfinden! ... Du mußt mir verzeihen, Cloud. Wieder habe ich dich unterbrochen. Erzähl mir von deines Vaters Rebellion!

CLOUD: Darüber kann ich nicht viel erzählen. Ich war ein Jahr alt. Mein Bruder Hagen war zwei. Unsere Eltern waren beide in eine kolossale Verschwörung verwickelt, die der menschlichen Rasse die absolute Kontrolle über das Milieu geben sollte. Papa und Dr. Steinbrenner und ein paar andere entwickelten einen Plan, nach dem eine Gruppe von uns Kindern in Superwesen, Ultra-Metapsychiker, verwandelt werden sollte. Die Rebellen wollten ihn nach dem Coup verwirklichen ... Doch natürlich schlug der Coup fehl. Papa hat zu uns nie darüber gesprochen, was er mit uns Kindern vorhatte, und der Bericht ist in dem Computer auf Ocala gelöscht worden. Ich fürchte, etwas daran muß grauenhaft gewesen sein, weil Mama ... Mama ...

KUHAL: Sprich den Gedanken nicht aus! Ich sehe ihn. Es tut mir sehr leid.

CLOUD: Papa liebt uns. Ich kann nicht glauben, daß er uns etwas Böses angetan hätte. Nicht wissentlich.

KUHAL: Erzähl mir den Rest der Geschichte.

CLOUD: Die Rebellion fand im Jahr 2083 statt. In ihrer offiziellen Phase dauerte sie nicht einmal acht Monate. Eine große Zahl menschlicher Operanter wurde hineingezogen, und Millionen von Normalen. Fast alle Rebellen auf untergeordneten Posten fanden dabei den Tod - und ebenso viele unschuldige Leute auf Planeten, die von Rebellen besetzt waren. Schließlich wurde Papa von seinem eigenen jüngeren Bruder Jon und dessen Frau Illusio geschlagen. Jon Remillard war ein Mutant. Er war vierzehn Jahre jünger als Marc. Als er das Erwachsenenalter erreichte, besaß er keinen Körper mehr - nur ein nacktes Gehirn, das jede Art von Gestalt trug, die ihm gerade einfiel. Ich weiß, das hört sich nach einem Ungeheuer an, aber das Milieu machte ihn zum Heiligen, als er die Rebellion niederschlug. Jons Frau war gleich ihm eine Großmeisterin erster Klasse, eine Metakonzert-Spezialistin. Infolge eines psychokreativen Unfalls hatte sie nur ein halbes Gesicht. Sie ließ es niemals regenerieren, weil die Entstellung eine Art Symbol für ihre Autorität geworden war. Sie trug eine Diamant-Maske.

KUHAL: Jack der Körperlose und Diamant-Maske. Gomnol sprach von ihnen ...

CLOUD: Beide starben, aber Papa blieb am Leben. Und er brachte Hagen und mich und etwa hundert Überlebende seiner Leute durch das Zeitportal.

KUHAL: Ich erinnere mich an den schwarzen Tag. Ich kämpfte in der Schlacht der Grottenwildnis gegen die Invasoren. Unsere Truppe wurde massakriert. Nachdem die menschlichen Angreifer über das westliche Meer verschwunden waren, befahl König Thagdal, daß der Vorfall aus unseren Geschichtsbüchern gelöscht wurde.

CLOUD: Papa brachte seine Leute nach Nordamerika. Er wollte nicht gegen euch kämpfen. Viele seiner Getreuen waren schwer verwundet, und er selbst hatte schreckliche Gehirnverbrennungen und war halb tot. Wir gründeten auf einer Insel vor der Südostküste Nordamerikas eine neue Heimat. Sie ist sehr schön.

Wir nennen sie Ocala. Alle anderen Kinder sind dort geboren.

KUHAL: Aber ihr seid fortgegangen. Warum?

CLOUD: In unseren jüngeren Jahren war es für uns unvorstellbar, daß wir dem von unsern Eltern erwählten Pfad nicht folgen würden. Papa hatte alle möglichen Ausrüstungen mit ins Pliozän gebracht. Sobald er sich erholt hatte, richtete er ein Fernwahrnehmungsobservatorium ein und suchte zwischen den Sternen nach einer anderen metapsychischen Rasse. Er wußte, wenn er eine solche Rasse fand, konnte er sie dazu bringen, zur Erde zu kommen und uns zu retten. Er hoffte, seinen großen Traum von der Vorherrschaft der Menschheit in einer Welt verwirklichen zu können, die sechs Millionen Jahre vor der Zeit des Milieus existierte. Eine ganze Anzahl seiner ursprünglichen Jünger glaubte, er werde es schaffen. Papa ... kann Leute an ihn glauben machen. Aber Jahr um Jahr verging, und Tausende und Abertausende von Sternen waren ohne Ergebnis überprüft worden. Da verzweifelten viele der Älteren. Es kam zu Selbstmorden -und Morden. Einige der alten Rebellen wurden wahnsinnig, und andere wandten sich Drogen zu. Sie ... sie zogen sich einfach zurück. Wir Kinder sahen das alles geschehen, während wir heranwuchsen. Schließlich fingen wir an, für uns selbst zu denken, über Papas nichtigen Traum hinaus. Felice war der Katalysator. Doch wir hatten euch schon lange Zeit vor ihrem Erscheinen beobachtet. Wir hatten zu unserer Unterhaltung eine primitive Fernsicht-Kombination zusammengestellt und bei euch hier in Europa spioniert.

KUHAL: Ah. Die gelangweilten Kinder vertreiben sich die Zeit, indem sie niedrigere Lebensformen betrachten! Wir waren überhaupt nicht wirklich, nicht wahr, Cloud? Nur Ameisen, die in ihrem Haufen herumrennen. Und eines Tages wolltet ihr gern einmal sehen, was passieren würde, wenn ihr den Haufen unter Wasser setztet ...

CLOUD: Nein!

KUHAL: Warum habt ihr Felice dann geholfen, uns zu vernichten?

CLOUD: Wir wollten euer Vielfarbenes Land haben. Nicht um seiner selbst willen, sondern als Trittstein für die Rückkehr ins Milieu.

KUHAL: Rückkehr? Zurück durch das Zeitportal? Aber das ist unmöglich!

CLOUD: Nein, unmöglich ist es nicht. Elaby Gathen, der Mann, der in Aikens Kampf gegen Felice fiel, war überzeugt, wir könnten ein Duplikat des ursprünglichen Zeitkrümmungsgerätes bauen, das im Milieu steht. Wir besitzen einen vollständigen Satz Pläne von unserem Computer. Und als mein Bruder und die anderen aus Ocala flohen, nahmen sie viele Herstellungsmaschinen und Karten der Bodenschätze mit.

KUHAL: Und dein Vater? Wie hat er darauf reagiert?

CLOUD: Anfangs erhob er heftigen Einspruch. Jetzt ... Ich weiß es nicht. Wir haben ihn gezwungen, seine eigenen Pläne zu überdenken. Er weiß, daß wir nie mehr nach Ocala zurückkehren werden. Vielleicht hat er sich entschlossen, uns unserem eigenen Geschick folgen zu lassen. Und nach dem, was mit Felice und Aiken Drum geschehen ist, hilft er uns vielleicht sogar. Ebenso, wie er euch helfen mag.

KUHAL: Was sagst du da?

CLOUD: Hagen und die anderen, die in Afrika gestrandet sind, haben einige Zeit damit verbracht, eine mentale Aufzeichnung des Kampfes mit Felice zu studieren. Ich habe mit ihnen darüber konferiert. Da ihr Tanu metapsychisch so primitiv seid, ist es euch wahrscheinlich gar nicht klar, wie viele fragwürdige Ereignisse es da unten am Genil gegeben hat! Hoffen wir, daß es Aiken Drum auch nicht merkt.

KUHAL: Erklär mir das!

CLOUD: Gut. Denk einmal an das Metakonzert-Programm, das Aiken von Papa gelernt hat. Wir Kinder sind in diesen Dingen längst nicht so versiert wie Papa. Aber es war offensichtlich sein Plan, daß Felice und Aiken bei dem Kampf sterben sollten.

KUHAL: Große Göttin!

CLOUD: Papa wußte ganz genau, daß er allein Felice nicht gewachsen gewesen wäre. Selbst wenn bei dem Metakonzert jedes bißchen an verfügbarer Geisteskraft gegen sie eingesetzt wurde, war bestenfalls mit einem knappen Sieg zu rechnen. (Natürlich, wenn es ihnen gelungen wäre, den Photonen-Speer rechtzeitig zu reparieren, hätten sie die Oberhand gehabt.) Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten für ein offensives Metakonzert. Einige bringen das ausführende Mitglied in größere Gefahr als andere. Papa gab Aiken ein Programm, das das letzte Erg an Psychoenergie aus dem organischen Geist quetschen mußte, wenn Aiken die höchste Leistungsstufe benutzte -was er wahrscheinlich instinktiv tun würde, wenn er in Panik geriet. Und eine volle Leistungsabgabe von diesem Potential, durch Aiken weitergeleitet, hätte ihn ebenso umbringen müssen wie Felice. Aber Aiken schleuderte beim ersten Schuß nicht den ganzen Korbvoll gegen sie. Sein Versuchsschuß oben auf dem Berg hatte ihn ängstlich gemacht, und so drosselte er die Kraft und hielt sie unter dem tödlichen Punkt. Wie du dich vielleicht erinnerst, nahm Papa irrtümlich an, der erste Schuß habe Felice erledigt.

KUHAL: Abaddon sagte, er könne weder ihre Masse noch ihre Energie entdecken. Dann - und ich gestehe, daß ich das nicht verstand - sagte er, Felice sei gesprungen.

CLOUD: Er sagte, sie sei d-gesprungen. Das ist ein Meta-Slangausdruck, eine Kurzform für die Vollführung eines Dimensionssprunges oder einer Translokation. Eine Fähigkeit, die im Milieu außerordentlich selten ist. Eine Variation davon wird manchmal Teleportieren genannt.

KUHAL: Bredes Schiff!

CLOUD: Was?

KUHAL: Der riesige Organismus, ihr Gatte. Die Schiffe sind der überlichtschnellen Reise durch den Hyperraum fähig und brauchen dazu allein ihre Geisteskräfte. Willst du sagen, daß Felice ...

CLOUD: Sie mag es unwillkürlich getan haben, als Verteidigungsmechanismus. Vielleicht ist sie einfach außer Reichweite geschlüpft. Hagen glaubt jedoch, daß sie Papas Fernwahrnehmungsstrahl folgte - er war im peripheralen Modus - und ihn erwischte!

KUHAL: Aber sie griff Aiken an -

CLOUD: Das könnte in einem Sekundenbruchteil geschehen sein. Als Felice über Aiken wiederauftauchte, hatte sich Papas psychokreativer Input verändert. Wir spielten unsere Erinnerungen ab und sahen es bestätigt. Er hatte die Verteidigung koordiniert, ausgenommen in dem Augenblick des ersten Schusses, als er sich kurz im offensiven Modus in den Hauptkanal einschaltete. Nach Felices D-Sprung drohte der ganze Schirm zusammenzubrechen. Owen Blanchard fiel tot um. Er muß von Papas Funkenschlag getroffen worden sein. Wir nehmen an, Papa konnte sich noch rechtzeitig zusammennehmen, um die sich auflösende Verteidigung wiederherzustellen und dann an dem letzten Schuß teilzunehmen.

KUHAL: Meinst du, daß Felice deinem Vater keinen wesentlichen Schaden zugefügt hat?

CLOUD: Im Gegenteil. Und wenn er verletzt worden ist, erklärt das seinen merkwürdigen Rückzug nach dem Kampf und die Tatsache, daß er seit mehr als einem Monat incommunicado ist.

KUHAL: Aber dein Vater hat nach dem D-Sprung weitergemacht.

CLOUD: Und er war an Gehirnverstärkungsgeräte angeschlossen, die die Energien einer kleinen H-Bombe halten könnten! Er ist ein Großmeister erster Klasse, und er arbeitete mit Gott weiß wie vielen Hilfsmitteln. Seine Kopfschmerzen werden erst dann beginnen, wenn er die Rüstung und das ultraleitende künstliche Nervensystem ablegt. Hagen weiß über diese Dinge mehr als ich. Er vermutet, Papa war am Empfängerende eines koerzibel-kreativen Strahls, der ausreichte, ihn in den Regenerierungstank zu schicken - und das ist der Grund, warum der Äther zwischen hier und Ocala in letzter Zeit so friedlich ist.

KUHAL: Welch glücklicher Zufall für dich und deine Gefährten.

CLOUD: Und vielleicht auch für euch.

KUHAL: ?

CLOUD: Hör zu, und versuch zu verstehen! Ich glaube, daß ihr Tanu und mein Volk und sogar Papa jetzt eine gemeinsame Nemesis habt. Wir werden wohl alle Zusammenarbeiten müssen, wenn wir noch einige Zeit weiterleben wollen.

KUHAL: Aiken Drum?

CLOUD: Aiken hätte sterben sollen. Er ist nicht gestorben. Es sah fast so aus, als habe Felice den größten Teil der Psychoenergie von Aiken abgesaugt. Gott weiß, wie und warum. Sie ist tot. Aber Aiken ist außerordentlich lebendig und nur ein bißchen wacklig auf den Beinen, und mittlerweile hat er herausgefunden, daß Papa darauf aus war, ihn sterben zu lassen. Dank dem Geschenk, das Papa ihm mit dem Metakonzert-Programm machte, ist er jetzt selbst in der Lage, einige schwierige geistige Arbeit zu tun. Es wird eine Kleinigkeit für ihn sein, das Programm für eine ungefährliche Benutzung umzugestalten. Er wird die mentalen Fallen abbauen und dann deinen Bruder Nodonn und seine Faktion erledigen - und wenn er eure Gehirne gegrillt hat, wird er seine Aufmerksamkeit Papa zuwenden.

KUHAL: Oder euch.

CLOUD: Alles, was meine Gefährten und ich wollen, ist die Rückkehr ins Milieu. Ihr würdet nichts dabei verlieren, wenn ihr uns Hilfe leistetet. Und wir haben euch eine Menge zu bieten.

KUHAL: Du hast mir bereits von dir selbst gegeben. CLOUD: Das war gegenseitig, bitte sehr. Ich bin fast geheilt - und dreimal schneller, als es in einem Tank in unserm Krankenhaus auf Ocala möglich gewesen wäre.

KUHAL: Anfangs habe ich von Boduragols Vorschlag gar nichts erwartet. Der Verlust meines Zwillingsbruders schien eine nicht wiedergutzumachende Katastrophe zu sein. Unsere Biotechnik mit der Haut bietet nur eine geringe Chance, daß eine ganze Gehirnhälfte regeneriert wird. Und doch sehen wir, was geschieht. CLOUD: Das ist wirklich eine Entdeckung. In der Geschichte der menschlichen Medizin wird von vielen Fällen berichtet, wo die linke Gehirnhälfte gelernt hat, als rechte zu funktionieren, und umgekehrt. KUHAL: Vielleicht hast du mich damit gelehrt, menschlich zu sein.

CLOUD: Du brauchst mehr Arbeit. Aber dafür kann gesorgt werden.

Boduragol öffnete die Augen und lächelte. Das Duett aus psychokinetischer und redigierender Kraft war von erhabener Harmonie. Er wurde wirklich nicht mehr benötigt. So stand er von seinem Schemel auf und trat vor die beiden regungslosen Körper, den Mann mit seinem goldenen Halsring, die Frau gekrönt von schweren Zöpfen aus glänzendem rötlich-gelben Haar.

»Am besten lasse ich euch beide mit dem, was ihr tut, allein weitermachen. Noch eine Woche, und ihr werdet wahrscheinlich gesund sein. Sehr zufriedenstellend.«

Boduragol bückte sich und zog die Haut an Cloud Remillards elfenbeinfarbenen Füßen um eine Winzigkeit zurecht.

»Zufriedenstellend«, konnte er nicht umhin zu wiederholen. Er ging, und der Heilungsprozeß setzte sich fort.