12

Der folgende Tag begann mit unerträglicher Hitze. Einer Schwüle, wie sie Ravensburg lange nicht mehr erlebt hatte. Dazu lag über der ganzen Stadt eine seltsame, fast gespenstische Stille. Gerade als ob die Erde ihren Atem anhielt und das große Rad der Zeit stillstand. Als Luzia den grünen Innenhof des Apothekerhauses betrat, bemerkte sie, dass nicht einmal der Sperling zwitscherte, der in den Zweigen der Linde wohnte. Die ganze Welt schien auf etwas zu warten, selbst Nepomuk hatte sich geweigert, ihr hinaus in den Garten zu folgen. Zusammengerollt lag er unter ihrem Bett und ließ sich nicht einmal durch süßen Rahm hervorlocken.

Sie setzte sich für einen Moment auf die kleine Steinbank und sah zum Himmel hinauf. In einem bedrohlichen Schwefelgelb lag er wie Blei über der Stadt. Einzelne dunkelgraue Wolken türmten sich riesig auf. Luzia fürchtete, sie würden den Kirchturm verschlucken, so tief hingen die finsteren Gebilde. Abermals irritierte sie das beunruhigende Schweigen der Natur. Von der Straße kam ebenfalls kein Laut. Kein Lachen, kein Hundegebell, kein Rattern eines Fuhr werks. Nicht ein Lüftchen bewegte sich, dennoch ließ sie etwas schaudern.

Als sie zurück zum Haus ging, traf sie auf Johannes von der Wehr, der sie und Basilius zum gemeinsamen Kirchgang abholte, wie es sich in den letzten Wochen stillschweigend zwischen ihnen eingebürgert hatte. Selbst der junge Medicus wirkte heute still und verschlossen. Er nahm zwar Luzias Hand und küsste sie, doch nicht einmal die Schmetterlinge in ihrem Bauch wollten zum Leben erwachen. Johannes klagte über Kopfschmerzen.

»Spürt Ihr auch das herannahende Unwetter?«, fragte Luzia. »Wartet, ich hole Pfefferminzöl. Damit könnt Ihr Euch den Nacken kühlen.«

Von der Wehr nickte dankbar. »Mein Kopf fühlt sich an, als habe ich die Nacht durchzecht, dabei bin ich früher als sonst zu Bett gegangen.«

Luzia kam mit dem Fläschchen des kostbaren Öls aus der Apotheke. Johannes senkte den Kopf, und Luzia rieb ihm einige Tropfen in den Nacken.

»Die Nacht war für niemanden von uns erholsam«, sagte sie. Plötzlich wurde sie sich bewusst, dass ihre Hände zart über Johannes’ Haut strichen, und sie wurde verlegen. Rasch nahm sie ihre Hände weg. Er wandte den Kopf und sah sie auf eine Art an, die ihr das Blut in den Adern heiß werden ließ.

»Das kannst du laut sagen! Ich habe mich noch weit nach Mitternacht auf meinem Lager herumgewälzt«, polterte Basilius mit grimmiger Miene, und Luzia war ihm dankbar für die Ablenkung.

Sie nahm den Krug und goss auch Johannes etwas von der Weidenrindenabkochung ein, die sie bereitet hatte.

Der junge Medicus nickte zustimmend. »Mir ging es ganz ähnlich. Als ich in der Nacht noch einmal vor die Tür trat, zeigte der Himmel bereits die Vorboten eines gewaltigen Wetters. Eine so bedrohlich gelbe Verfärbung des Himmels habe ich nicht einmal während meiner Kindheit am See erlebt. Dabei zählt der Bodensee in der Tat zu einer sturmerprobten Gegend.«

 

Später, als sie sich gemeinsam auf den Weg zur Liebfrauenkirche machten, waren sie sich einig, dass die Luft noch ein wenig drückender über der Stadt lastete als noch eine Stunde zuvor. Unterwegs trafen sie auf andere Kirchgänger, und auch diese klagten über die unerträgliche Schwüle.

Im Westen türmten sich jetzt bedrohlich wirkende, dunkle Wolken zu einer düstergrauen Wand auf. Ein paar Böen trieben sie über den Himmel, und sie verdunkelten das letzte Licht einer trüben Sonne, die kaum die Kraft hatte, durch das schwefelgelbe Licht zu brechen. Die ersten hellen Blitze zuckten vom Himmel, ein lautes Donnergrollen folgte. Jemand schrie erschrocken auf, einzelne Frauen bekreuzigten sich. Alle beschleunigten ihren Schritt, sie wollten schnell in den Schutz der Kirche gelangen.

»Ich glaube, da kommt ein gewaltiges Unwetter auf uns zu«, sagte Johannes, während er besorgt zum Himmel sah.

»Gewöhnlich gibt es diese Wetterstimmung nur am Bodensee«, sagte Luzia mit einem Blick zum Himmel. »Doch so dunkel war es selbst dort nie.«

Wind kam auf und trieb ein paar Blätter in einem wilden Strudel vor sich her. Ein weiterer Blitz zuckte aus den Wolken und verfehlte den Kirchturm nur knapp.

In diesem Augenblick preschte ein Reiter auf den Kirchplatz und kündete die Rückkehr eines Handelszuges an.

»Glaubst du, die Leute schaffen es noch rechtzeitig in die Stadt, bevor es wirklich gefährlich wird?«, fragte Luzia an Basilius gewandt. Sie fürchtete um die Sicherheit und das Leben der Männer der Handelsgesellschaft.

»Das hoffe ich für sie«, erwiderte der alte Apotheker.

Nun begannen auch die Glocken der Liebfrauenkirche mit dem Sturmläuten. Von weiter unten ertönte das dringende Geläut der St.-Jodok-Kirche. Die Geistlichen hofften, durch den Klang der geweihten Glocken das Unwetter abzuwenden.

Während Luzia und ihre Begleiter die Kirche betraten, fielen die ersten großen Tropfen. Von weiter hinten drängten die Leute in das schützende Innere. Wobei der erhoffte Schutz nicht nur aus dem Dach über dem Kopf bestand. Auch die Nähe zu Gott ließ die Ravensburger hoffen.

Während sich auch die Bettler hinter den letzten Kirchenbänken in Sicherheit brachten, betrat Kaplan Grumper bereits mit düsterer Miene die Kanzel und wartete, bis Ruhe eingekehrt war. Als Luzia ein letztes Mal über die Schulter sah, blieb ihr Blick an dem verkrüppelten Bettler mit den Flusskieseln hängen. Obwohl auch in seinen Augen die Angst flackerte, bedachte er Luzia mit einem freundlichen Lächeln, ehe die laute Stimme des Kaplans Aufmerksamkeit gebot.

»Hört, ihr Brüder und Schwestern, ich sage, der Antichrist ist unter uns! Er greift nach uns und sucht uns hinabzuziehen in seinen Höllenschlund, auf dass wir ewig in der Verdammnis harren und das Licht Gottes nicht einmal mehr aus der Ferne sehen. Kehrt um und tuet Buße!«, wetterte Grumper aus schwindelnder Höhe auf seine Gemeinde herab.

Die Kirchgänger duckten sich unter den düsteren Prophezeiungen des aufgebrachten Kaplans und machten sich daran, das Unheil im Gebet abzuwenden. »Pater noster, qui es in caelis … sed libera nos a malo. Amen

Nachdem die letzten Worte verklungen waren, stimmte Kaplan Grumper das Ave-Maria an und die ganze Gemeinde betete laut: »Ave Maria gratia plena, Dominus tecum … Sancta Maria, Mater Dei … nunc et in hora mortis nostrae. Amen

Der Wind heulte mit einem schaurigen Lied um die Kirche und ließ die heiligen Steine unter der Macht seines Atems erzittern. Selbst das massive Eichenportal der Kirche ächzte unter der Kraft des Sturms. Als es schließlich unter lautem Krachen aufschwang, klagte die ganze Gemeinde, bekreuzigte sich mehrmals und rief nach Gottes Beistand. Einige Kinder begannen zu weinen. Während ihre Mütter sie zu beruhigen suchten, trug der wütende Sturm große Regentopfen ins Kircheninnere und färbte den grauen Stein schwarz.

Grete bekreuzigte sich hastig ein paar Mal und trat aus der ersten Bank. Ihr Gesicht wirkte eingefallen und starr vor Angst. Mit großen Schritten eilte sie Richtung Apsis, dort warf sie sich mit weit ausgebreiteten Armen und dem Gesicht nach unten vor das Allerheiligste und betete mit lauter Stimme: »Errette mich von den Blutschulden, Gott, der Du mein Gott und Heiland bist.«

Luzia spürte, wie sich Nannes Fingernägel schmerzhaft in ihren Arm gruben. Wie so oft saßen sie nebeneinander in einer der letzten Bänke, und einzelne Regentropfen, die nach wie vor durch das offene Portal gepeitscht wurden, erreichten die Plätze, auf denen sie saßen.

»Das ist doch kein gewöhnlicher Sturm mehr, oder?«, schluchzte Nanne entsetzt.

Luzia zog die Schultern hoch. »Nanne, ich weiß es auch nicht! Lass uns hoffen, dass wenigstens der Turm nicht einstürzt. Er würde uns alle unter sich begraben.« Sie hielten sich an den Händen, und Luzia spürte Nannes Angst. Doch heute konnte sie ihr keinen Trost spenden, sie fürchtete sich selbst. Sie warf einen Blick hinüber in die Bankreihe, in der ihr Onkel und Johannes saßen. Beide blickten besorgt nach oben zum Kirchendach.

»Betet, um Gottes willen! Betet weiter!«, schrie Kaplan Grumper von der Kanzel, sobald er das Gefühl hatte, die Bemühungen und die Ernsthaftigkeit der Leute ließen nach. Das Gebälk ächzte unter den scharfen Zähnen des Windes und drohte einzustürzen. Vereinzelt rieselten Sand und Mörtel zu Boden und bedeckten die Kirchgänger mit einer staubigen Puderschicht. Einige duckten sich ängstlich, manche schrien und zeigten entsetzt zur Decke hinauf. Kaplan Grumper stürzte die Treppe der Kanzel hinunter und hetzte in Richtung Altar. Dort hing an einer geschmiedeten Kette das ewige Licht. Die immerwährende Flamme hinter dem roten Lampenglas zeigte den Standort des Tabernakels, in dem das Allerheiligste aufbewahrt wurde. Daneben ruhte die Monstranz, in deren Inneren sich die geweihte Hostie befand.

Jetzt hing alles von ihm ab. Grumper griff nach der goldenen Monstranz und eilte zum Ausgang der Liebfrauenkirche.

Mühsam stemmte er sich gegen die Wand aus Regen und Sturm. Seine Soutane wurde vom Wind gepackt. Wie ein geblähtes Segel bauschte sie sich in seinem Rücken und drohte ihn von den Füßen zu reißen. Mit zitternden Händen hob er das edelsteinbesetzte Schmuckstück in die Höhe. Regen peitschte auf ihn herunter und schien die geweihte Hostie mit eisigem Wasser zu bespucken. Unter anderen Umständen würde er sich jetzt allen vier Himmelsrichtungen zuwenden, das Unwetter machte diese Handlung aber unmöglich, und so blieb er einfach vor der Kirche stehen. Ein Großteil der Gemeinde war ihm gefolgt und stand ebenfalls draußen auf dem Platz. Auch Nanne drängte, begleitet von Luzia, ins Freie. Luzia hörte, wie Johannes von der Wehr nach ihr rief und ihr ebenfalls folgte. Binnen weniger Augenblicke waren sie bis auf die Haut durchnässt. Das nasse Haar klebte ihnen am Kopf und ließ ein ganz unwirkliches Bild entstehen. Die Menschen wirkten wie aus dem Wasser ragende Felsen. Niemand bewegte sich. Dicht gedrängt, mit der Angst im Nacken warteten sie auf die rettenden Worte des Kaplans.

Mit lauter Stimme begann er den Wettersegen zu sprechen: »Fulgure, grandine et tempestate libera nos, domine Jesu Christe. Ostende nobis, Domine, misericordiam tuam et salutare tuum da nobis. Domine, exaudi orationem meam et clamor meus ad te veniat. Dominus vobiscum. Ex hoc nunc et usque in saeculum. Adjutorium nostrum in nomine Domini qui fecit caelum et terram. Benedictio Dei omnipotentis, Patris et Fili et Spiritus Sancti, descendat super vos, locum istum et fructus terrae et maneat semper. Amen.«

Luzia flüsterte: »Von Blitz, Hagel und Unwetter erlöse uns, Herr Jesus Christus. Erzeige uns Deine Huld, o Herr und schenke uns Dein Heil. Herr, erhöre mein Gebet und lass mein Rufen zu Dir kommen. Der Herr sei mit euch. Von nun an bis in Ewigkeit. Unsre Hilfe ist im Namen des Herrn, der Himmel und Erde erschaffen hat. Der Segen des allmächtigen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes komme herab auf euch, auf diesen Ort und auf die Früchte der Erde und verbleibe allezeit. Amen.«

Für eine Sekunde schien der Sturm ein wenig von seiner ungeheuren Wucht zu verlieren, doch nur wenige Augenblicke später brauste eine mächtige Böe über die Köpfe der Menschen hinweg und lehrte sie das Fürchten. Die Welt schien aus den Fugen zu sein. Der schwarze Himmel hatte sich wie ein gieriges Maul über Ravensburg gestülpt und versuchte die ganze Stadt zu ersticken. Kurze Zeit später mischten sich erste Hagelkörner unter die Wassermassen, die vom Himmel strömten. Überall sprachen die Menschen in ängstlichem Ton miteinander. Selbst Kaplan Grumper machte jetzt keine Anstalten mehr, das Gemurmel zu unterdrücken.

»Ich glaube nicht, dass dieses Unwetter noch mit rechten Dingen zugeht!«, schrie Nanne über das Heulen des Sturms hinweg. Dabei blickte sie sich um, als säße ihr der Leibhaftige im Nacken. Alle Umstehenden pflichteten ihr bei und nickten zu ihren Worten.

»Das ist Hexenzauber und Teufelswerk. Wenn wir nicht bald die Schuldige finden, wird ihr Tun uns alle vernichten! Wir alle werden daran zugrunde gehen!«, rief Kaplan Grumper mit dröhnender Stimme.

Mit ohrenbetäubendem Lärm schlugen bald münzgroße Eisklumpen auf den Platz, auf das Kirchendach und auf die Häupter der Menschen, die immer noch auf dem Kirchplatz ausharrten und auf Wetterbesserung hofften. Vergeblich versuchten sie, mit den Händen ihre Köpfe zu schützen.

 

»Nehmt das und gebt mir Eure Hand!«, brüllte Johannes von der Wehr über das Unwetter hinweg neben ihr und legte sein samtenes Wams über Luzias Kopf. Er trug jetzt nur noch sein Hemd und schlang den Arm um ihre Hüfte, um sie zu schützen und sie mit sich unter den schmalen Vorsprung des seitlichen Kirchendachs zu ziehen.

Wie eine wild gewordene Horde Stiere rannten die Menschen in die Kirche zurück. Auch Nanne war unter ihnen. Luzia konnte sehen, dass Michel Weidacher bei ihr war.

»Wartet, bis sich die Meute wieder im Inneren der Kirche befindet, sonst werden wir von den panischen Leuten niedergetrampelt.«

Luzia nickte. Sie würde alles tun, was Johannes von der Wehr von ihr verlangte, so erleichtert war sie, den Hagelkörnern, die wie Geschosse ihre Haut getroffen hatten, entkommen zu sein. Zitternd vor Kälte und Angst schmiegte sie sich eng an die Seite des jungen Medicus.

Inmitten der schreienden Menschenmasse hastete nun auch Kaplan Grumper zurück in das sichere Kirchenschiff.

Von der Wehr hatte seine Arme immer noch schützend um Luzia gelegt und wartete, bis der Platz sich leerte. Immer noch drängten sich gut hundert Menschen vor dem Kirchenportal. Sie versuchten sich in Sicherheit zu bringen, während Hagelkörner von Umfang und Größe eines Taubeneis auf sie niedergingen. Der Himmel über ihnen glich einer eisigen Hölle.

Luzias Wange ruhte an Johannes’ Schulter. Als ihr der holzige Duft seiner Marseiller Seife in die Nase stieg, wünschte sie sich, der Augenblick möge nie enden. Im nächsten Moment schämte sie sich der Gedanken, die in ihr aufstiegen, obwohl die Umstände furchtbarer nicht sein konnten.

Ihr Kleid war klatschnass, ihr kupferrotes Haar klebte ihr in nassen Strähnen im Gesicht. Johannes hielt sie die ganze Zeit gegen die Kirchenmauer gepresst und stand wie ein schützendes Schild vor ihr.

Auch er atmete den kostbaren Augenblick ihrer Nähe. Luzias Haar duftete nach Blumen und Honig. »Großer Gott, wie ich diese Frau liebe!«, dachte er und berührte eine Strähne ihrer glühenden Locken mit den Lippen. Durch sein nasses Hemd hindurch, das ihm wie eine zweite Haut am Körper klebte, spürte er jede weiche Rundung ihrer Weiblichkeit.

»Ihr holt Euch noch den Tod!«, flüsterte er zärtlich.

Obwohl Luzia zitterte, bis ihre Zähne aufeinanderschlugen, schüttelte sie den Kopf.

»Ihr seid klatschnass und friert, wir sollten langsam wieder hineingehen.« Zögernd löste er seine Arme von Luzias Hüfte. Er fürchtete auch um ihren Ruf, wenn sie noch längere Zeit allein hier draußen zubrachten. Die Leute redeten sowieso schon.

Mittlerweile hatte es aufgehört zu hageln, und die Welt hatte sich völlig verändert. Still und weiß erinnerte der Platz um die Kirche an einen Wintertag. Überall lagen die Eisklumpen zentimeterhoch und hatten den Weg zurück in eine halsbrecherische Eisbahn verwandelt. Weil der Medicus nicht wollte, dass Luzia fiel, trug er sie die wenigen Schritte zum Kirchenportal auf seinen Armen. Sanft setzte er sie ab. Als sie die Tür öffneten, verstummte Grumper, und alle drehten sich zu ihnen herum.

»Das Wetter ist vorbei!«, sagte von der Wehr laut.

Die Leute sahen sich an und bekreuzigten sich. Nach einem kurzen Dankgebet entließ der Kaplan die Gemeinde.

Draußen herrschte blendendes Weiß. Die Schwüle des Morgens war einem frostigen Eishauch gewichen. Über allem lag eine unheimliche Stille, als hätte das Himmelseis den ewigen Atem der Erde erstickt.

Die Aufräumarbeiten begannen noch am selben Tag. Überall schippten die Leute mit Schaufeln und Eimern, viele auch mit bloßen Händen die Unmengen von Hagel beiseite.

Der Handelszug hatte den Großteil seiner Ladung eingebüßt. Die Achsen der meisten Wagen waren gebrochen, weil die Pferde mit der kostbaren Fracht durchgegangen waren. Der größte Planwagen, der mit Gewürzen und Salz beladen war, lag umgekippt im Morast. Ein mit Stoffen beladener Karren hatte seine schimmernden Seidenballen beim Überqueren der Schussen verloren. Während die sterbenden Pferde gequälte Laute von sich gaben, irrten die verwundeten Männer umher.

Bald stellte sich heraus, dass einige Männer vermisst wurden. Keiner hatte sie, nachdem der Zug in Ravensburg eingetroffen war, wiedergesehen. Sicher waren auch sie in den reißenden Fluten der Schussen umgekommen, die nach dem sintflutartigen Regen so angeschwollen war, dass sie weite Teile der Felder überschwemmte. Die Obstbäume standen kahl und leer in ihren Reihen. Ohne ihre Knospen und Blüten sahen sie aus, als wäre es tiefster Winter. Sämtliche Reben, die rund um Ravensburg wuchsen, hatte der Hagel blattlos zurückgelassen. Das gesamte Sommergetreide, welches im Juli erntereif gewesen wäre, war zermalmt. Alle frühen Gemüse waren durch die Wucht des Hagels zerschmettert und die frisch gesäten Felder verheert. Ravensburg glich einem Bild des Jammers.