In den Bitterfelsen
Nie zuvor in ihrem Leben hatte Mea solche Pein ausstehen müssen.
»Nein! Nein!«, rief sie immer wieder. »Hört endlich auf damit!«
Doch alles Flehen half nichts. Immer wieder formten die Nebelschleier neue Bilder, in denen zu sehen war, wie sie im ganzen Reich umherreiste und vor begeisterten Bauern ihren Bann aussprach, der das Ungeziefer von den Feldern vertrieb. Aber auch, wie gefräßige Nager und das fliegendes Geschmeiß danach in den Nachbarländern einfielen und dort Hunger, Seuchen und Tod verbreiteten.
Schluchzend kniff sie die Augen zusammen und presste ihre Hände auf die Ohren, aber das hatte nur zur Folge, dass die Stimmen und Bilder direkt in ihrem Kopf entstanden. Ja, mehr noch, sie fühlte die Verzweiflung der Mütter, die ihre verhungerten Kinder zu Grabe trugen, als wären es ihre eigenen.
Eine Jadeträgerin muss unschuldig sein, wisperte eine gehässige Stimme, während kahl gefressene Landschaften in ihrem Kopf entstanden, in denen kein einziges Grün mehr zu sehen war. Nur wenn sie nicht weiß, was sie mit ihrem Bann anrichtet, kann sie ihn mit der nötigen Inbrunst sprechen. Verhärmte Gesichter, aus denen die Wangenknochen hart hervortraten, starrten sie klagend an, und das Leid der Iskander wurde erneut zu ihrem eigenen. Wenn wir mit dir fertig sind, wirst du wissen, was dein Geschmeide anrichtet, und dann hast du deine Unschuld verloren.
»So gebt doch endlich Ruhe!«, schrie sie erneut. »Ich habe längst verstanden, was ihr mir sagen wollt!«
Doch jene, die sie mit der Wahrheit quälten, waren anderer Meinung. Und so musste Mea weiter mit ansehen und mit jeder Faser ihres Körpers durchleben, was sie längst nicht mehr ertragen konnte. Selbst als der Druck so groß geworden war, dass sie sich auf dem harten Boden wälzte und ihren Schmerz laut in die Berge hinausschrie.