FILM-STARS

Für das Drehen von Tierfilmen hat man verschiedene Möglichkeiten. Die beste ist ohne Zweifel, eine Gruppe von Kameraleuten mindestens zwei Jahre in die Tropen zu schicken, und die Tiere in ihrer natürlichen Umwelt zu filmen. Unglücklicherweise ist diese Methode sehr kostspielig und deshalb undurchführbar, es sei denn, man hat die Geldmittel Hollywoods hinter sich.

Für Menschen wie mich mit weniger Zeit und Geld gibt es nur den Weg, die Tiere unter geschaffenen Bedingungen zu filmen. Im Urwald sind die Schwierigkeiten so groß, daß selbst der mutigste Fotograf kapituliert. Zunächst bekommt man — wie schon gesagt — kaum wilde Tiere zu Gesicht, und wenn schon einmal eins auftaucht, dann nur für einen kurzen Augenblick, bis es hastig im Unterholz verschwindet. Es wäre wirklich ein Wunder, sollte man einmal zur rechten Zeit, am rechten Platz, die Kamera bereit und richtig eingestellt, das Tier vor der Nase und obendrein in passender Haltung und fotogener Beschäftigung finden. Darum muß man die Tiere fangen und an die Gefangenschaft gewöhnen. Haben sie die Furcht vor dem Menschen verloren, dann kann man mit der Arbeit beginnen. In einem großen, mit Netzen abgesicherten »Raum« baut man eine Szene auf, die der natürlichen Umwelt des Tieres so weit wie möglich gleicht und die — vom fotografischen Standpunkt aus — passend sein muß. Das heißt, sie darf nicht zu viele Verstecke haben, in die ein scheues Wesen schlüpfen kann; das Unterholz darf nicht zu dicht sein, sonst gibt das unglückliche Schattenflecken und so weiter. Dann macht man seinen »Helden« mit der Szene bekannt und gibt ihm genügend Zeit, sich daran zu gewöhnen. Das kann eine Stunde, aber auch mehrere Tage dauern.

Voraussetzung dafür ist natürlich, daß man die Gewohnheiten des Tieres kennt, und daß man weiß, wie es sich unter bestimmten Umständen verhalten wird. Eine hungrige Beutelratte zum Beispiel wird in einer ihr gemäßen Umgebung mit einer üppigen Auswahl von Waldfrüchten auf dem Boden sofort damit beginnen, so viel wie möglich davon in ihre riesigen Backentaschen zu stopfen und am Ende aussehen, als litte sie an Ziegenpeter. Wenn du mehr zeigen willst als Bilder von einem Tier, das wahllos zwischen Büschen und Gras herumwandert, mußt du für Umstände sorgen, in denen das Tier typische Angewohnheiten oder interessante Handlungen zeigt. Aber auch dann, wenn alles nach Wunsch vorbereitet ist, brauchst du Geduld und Glück. Nicht einmal einem zahmen Tier kannst du wie einem Schauspieler sagen, wie es sich bewegen soll. Nicht selten wird das Tier, das wochenlang die gleiche Vorstellung gegeben hat, vor der Kamera Lampenfieber bekommen und sich weigern, in Aktion zu treten. Hat man nach stundenlangem Mühen in der heißen, tropischen Sonne alles vorbereitet und wird dann so enttäuscht, möchte man am liebsten Selbstmord begehen.

Ein Musterbeispiel für Schwierigkeiten bei der Tierfotografie bot das Zwergmoschustier. Diese reizenden kleinen Antilopen sind so groß wie Foxterrier. Sie haben ein dichtes, walnußbraunes Fell, hübsch gezeichnet mit weißen Streifen und Flecken. Die kleinen, zierlichen, schön gemusterten Tiere sind außergewöhnlich fotogen. Vom Zwergmoschustier gibt es viel Interessantes zu berichten, zum Beispiel das amphibische Leben, das es in der Freiheit führt. Es watet und schwimmt meistens in den Waldbächen und ist sogar in der Lage, ziemlich lange unter Wasser zu schwimmen. Seltsam ist auch die Vorliebe der Zwergmoschustiere für Schnecken und Käfer. Diese Ernährungsweise ist für Antilopen zumindest ungewöhnlich. Schließlich sind die Tiere ganz besonders friedlich und zahm. Ich hatte einmal ein Zwergmoschustier, das eine Stunde nach dem Fang von mir Futter annahm und sich die Ohren kraulen ließ. Es tat, als sei es in der Gefangenschaft geboren.

Auch unser Zwergmoschustier, eine reizende junge Dame, bildete keine Ausnahme. Sie war ungewöhnlich zahm, liebte es, sich Kopf und Bauch streicheln zu lassen, und verschlang mit größtem Genuß jede Menge an Schnecken und Käfern, die man ihr brachte. Außerdem suchte sie zu jeder Zeit in ihrem Trinknapf zu baden, in den sie mit großer Anstrengung gerade eben das Hinterteil hineinzwängen konnte.

Um also ihre Vorliebe für Fleisch und Wasser zu demonstrieren, baute ich eine Bühne an einem kleinen Fluß auf. Der Hintergrund war sorgfältig gewählt, um die anpassungsfähige Schutzfärbung so gut wie möglich zu zeigen. An einem wolkenlosen Morgen, als die Sonne günstig am Himmel stand, trugen wir den Käfig auf unsere Bühne und machten alles fertig, das Tier auszusetzen.

»Ich fürchte nur eins, daß sie sich nicht lebhaft genug zeigen wird; du weißt, wie still sie äst«, sagte ich zu Jacquie, »sie wird vermutlich in die Mitte der Szene laufen und sich nicht mehr bewegen.«

»Nun, wenn wir ihr von der anderen Seite eine Schnecke oder sonst einen Leckerbissen zeigen, wird sie schon über die Bühne laufen«, beruhigte mich Jacquie.

»Wenn sie nur nicht wie eine Kuh auf einer Wiese dasteht. Ich möchte sie irgendwie in Bewegung bringen«, sagte ich. Unsere Antilope geriet viel mehr in Bewegung, als ich erhofft hatte. Sobald die Käfigtür offen war, trat sie mit zierlichen Schritten heraus, dann zögerte sie einen Augenblick, den schlanken Fuß erhoben. Ich machte die Kamera parat und wartete auf die nächste Bewegung. Diese war ganz und gar unprogrammäßig. Das Tier schoß wie eine Rakete durch meine sorgfältig vorbereitete Bühne, rannte durch das Netz, als sei es nicht vorhanden, und verschwand in der Bildmitte im Unterholz, bevor wir eine Hand rühren konnten. Wir reagierten zu langsam, denn so etwas hatten wir nicht erwarten können. Doch als ich meine wertvolle Zwergmoschusdame verschwinden sah, stieß ich ein solches Angstgeheul aus, daß jedermann, sogar unser Koch Philipp, alles stehen und liegen ließ und wie von Zauberhand auf der Bildfläche erschien.

»Wasser-Beef forgelaufen!« brüllte ich, »ich gebe dem Mann zehn Schilling, der es fängt.«

Der Erfolg dieses großzügigen Angebots war überwältigend. Eine Meute von Eingeborenen schoß wie ein Schwarm hungriger Heuschrecken in das Unterholz, in dem die Antilope verschwunden war. Nach fünf Minuten tauchte Philipp mit Feldwebelgebrüll aus dem Gebüsch auf, die um sich schlagende Antilope fest an die Brust gedrückt. Als wir sie wieder in ihrem Käfig hatten, stand sie ruhig da und starrte uns mit unschuldigen Augen an, als sei sie erstaunt über die Aufregung. Freundlich leckte sie meine Hand; ich kraulte sie hinter den Ohren, sie schloß die Augen und ließ es sich unbeteiligt gefallen. Den Rest des Tages verbrachten wir damit, das Unglückswurm zu filmen. Solange sie im Käfig war, führte sie sich mustergültig auf; sie planschte in der Wasserschüssel herum, um zu zeigen, wie sehr sie Wasser liebte; sie fraß Käfer und Schnecken, um zu zeigen, wie gern sie Fleisch fraß. In dem Augenblick jedoch, in dem wir sie auf die Bühne brachten, stürzte sie davon, als sei ihr ein Rudel Leoparden auf den Fersen. Am Abend war ich verschwitzt und erschöpft und hatte 20 Meter Film verkurbelt, auf dem sie stocksteif vor dem Käfig stand. Enttäuscht trugen wir den Käfig ins Gästehaus zurück. Das Zwergmoschustier lag derweil friedlich auf einem Bananenblatt und kaute Käfer. Wir haben keinen Versuch mehr unternommen, unsere Heldin zu filmen.

Auch eine junge Woodford-Eule, die wir in einem einzigartigen Mangel an Originalität Woody getauft hatten, bereitete mir ungeahnte Aufregung beim Fotografieren. Die Woodfords sind sehr schöne Eulen. Sie haben ein dichtes schokoladenbraunes Gefieder mit weißen Klecksen und wohl den schönsten Augen der ganzen Eulenfamilie. Die Augen sind groß, schwarz und feucht mit schweren, rosa-malven-farbenen Lidern. Wenn die Eulen die Lider mit langsamer Bewegung heben, sehen sie wie eine Filmdiva aus, die über ein Come-back nachdenkt. Dieses verführerische Heben der Wimpern wird von einem lauten kastagnettenähnlichen Klicken des Schnabels begleitet. In der Aufregung ist die Bewegung der Lider ganz besonders ausgeprägt, und die Eulen schwingen dabei auf ihrer Sitzstange hin und her, als ob sie Hula-Hula tanzen wollten. Plötzlich breiten sie ihre Schwingen aus, klicken mit dem Schnabel nach dir und machen den Eindruck eines zornigen Racheengels auf einem Grabstein. Alles, was ich hier beschrieben habe, führte Woody in ihrem Käfig mit höchster Vollkommenheit aus. Sie gab sogar eine Vorstellung auf Befehl, wenn man ihr nur einen saftigen Leckerbissen hinhielt. Ich war darum sicher, daß ich Woody ohne Schwierigkeiten filmen könnte und nur für eine passende Szenerie zu sorgen brauchte.

In dem Netzzelt, das ich zum Fotografieren von Vögeln benutzte, baute ich als Kulisse einen Waldbaum auf, der mit Schlingpflanzen und Parasiten dicht überwachsen war und grünes Laub und blauen Himmel als Hintergrund hatte. Dann brachte ich Woody heraus und setzte sie auf einen Zweig. Die Rolle, die sie spielen sollte, war einfach und natürlich und beanspruchte nach meiner Meinung das Gehirn einer Eule nicht zu sehr. Bei einigermaßen gutem Willen konnte die ganze Angelegenheit in zehn Minuten erledigt sein. Unsere Freundin saß auf ihrem Zweig und betrachtete uns mit großäugigem Entsetzen. Unterdessen ging ich hinter meine Kamera in Stellung. Gerade in dem Augenblick, in dem ich auf den Auslöser drückte, zwinkerte sie einmal rasch mit den Lidern und drehte uns und der Kamera dann entschlossen den Rücken, als habe sie tiefe Abneigung gegen uns ergriffen. Ich hielt mir vor, daß Geduld das wichtigste Requisit des Tierfotografen ist, wischte mir den Schweiß von der Stirn, ging zu Woody, drehte sie herum und wandte mich zur Kamera. Als ich dort angelangt war, hatte Woody uns bereits wieder den Rücken gekehrt. Ich nahm an, das Licht sei vielleicht zu grell. Darum schickte ich einige meiner Leute los, um Zweige zu holen. Ich ordnete sie dann so an, daß Woody nicht direkt von den Sonnenstrahlen getroffen wurde. Trotzdem drehte sie uns fortgesetzt den Rücken zu. Wollte ich die Eule filmen, blieb mir also nur eins übrig, ich mußte die ganze Szene umkehren. Mit erheblichen Anstrengungen bewegten wir etwa eine Tonne Unterholz und ordneten es so an, daß Woody in die von ihr bevorzugte Richtung blickte. Während wir schwitzten und uns abmühten, saß Woody da und betrachtete uns erstaunt mit ihren großen Augen. Sie erlaubte mir großzügig, die Kamera in die richtige Stellung zu bringen — das war nicht so einfach, weil ich jetzt Gegenlicht hatte —, doch dann drehte sie mir gelassen den Rücken zu. Am liebsten hätte ich sie erwürgt. Verdächtige schwarze Wolken zogen herauf, die bald die Sonne verdunkeln würden; so war weiteres Fotografieren unmöglich. Ich packte darum meine Kamera zusammen. Mit Mordgelüsten ging ich zu dem Ast, um meinen Star einzupacken. Als ich näher kam, wandte Woody sich um, klickte vergnügt mit dem Schnabel, vollführte einen rasenden Hula-Hula und breitete dann die Schwingen aus, um sich vor mir mit dem gemacht-schüchternen Ausdruck eines Schauspielers beim siebzehnten Vorhang zu verbeugen.

Natürlich ärgerten uns nicht alle unsere Filmstars. Der beste Streifen gelang mir tatsächlich mit einem Minimum an Anstrengung und in Rekordzeit, Wenn man ihn jetzt sieht, meint man, es müsse viel schwieriger gewesen sein, die Vorstellung zu inszenieren, als eine Eule zu veranlassen, die Flügel auszubreiten. Ich brauchte einige Aufnahmen von einer Eierschlange, die ein Nest ausraubt. Die Eierschlangen sind etwa 60 Zentimeter lang und sehr dünn. Sie haben eine rosa-braune Haut mit dunkleren Sprenkeln und hervorstehende, silbernschimmernde Augen mit vertikalen Pupillen wie Katzen. Das Eigenartige an ihnen ist, daß etwa 8 Zentimeter hinter dem Rachen die Wirbel hervortreten und wie Stalaktiten herunterhängen — innerlich natürlich. Wenn das Reptil ein Ei verschluckt, gleitet es bis unmittelbar unter diese Wirbel. Dann zieht die Schlange die Muskeln zusammen, und die Wirbelspitzen brechen das Ei auf. Dotter und Eiweiß werden aufgenommen, die zerbrochene Schale wird als plattgedrücktes Kügelchen ausgeschieden. Der ganze Prozeß ist außergewöhnlich und — soweit ich weiß — bisher nicht im Film festgehalten.

Wir hatten damals sechs Eierschlangen und alle glichen einander zu meiner Freude in Größe und Färbung. Die Kinder des Dorfes trieben einen schwunghaften Handel mit den Eiern der Webervögel, mit denen wir die Schlangen fütterten, und die sie in großen Mengen fraßen. Tatsächlich genügte es, ein Ei in den Käfig zu legen, um einen verschlafenen Haufen von Schlangen in ein ringelndes Bündel zu verwandeln, wobei jede Schlange versuchte, zuerst an die Beute zu gelangen. Wenn sie sich auch im Käfig vorbildlich zeigten, war ich nach meinen Erfahrungen mit Woody und mit dem Zwergmoschustier etwas skeptisch. Ich erfand also mit einem blühenden Busch, in dessen Zweigen ein Nest lag, eine passende Szene. In das Nest legte ich ein Dutzend blaue Eier. Dann bekamen die Schlangen drei Tage lang keine Eier, damit sie hungrig wurden. Das schadet ihnen nicht; alle Schlangen vertragen lange Fastenzeiten, einige größere Boa-Arten sogar Monate und Jahre. Als ich annehmen konnte, meine Stars wären hungrig genug, begann ich mit der Arbeit.

Der Käfig mit den Schlangen wurde auf die Bühne gebracht. Die leuchtend blauen Eier lagen im Nest, über dem ich eins der Reptilien in die Zweige setzte. Ich löste die Kamera aus und wartete. Die Schlange lag schlapp auf den Zweigen und schien nach der kühlen Dämmerung des Käfigs etwas benommen. Dann züngelte sie, wandte aufmerksam den Kopf hin und her und glitt schließlich mit eleganter Geschmeidigkeit durch die Zweige auf das Nest zu. Langsam schlängelte sie sich näher heran. Als sie den Rand des Nestes erreicht hatte, spähte sie hinein und erblickte mit ihren scharfen, silbrigen Augen die Eier. Die Zunge schoß hervor, und als ob sie damit die Eier beröche, beschnüffelte sie sie behutsam wie ein Hund ein Paket Hundekuchen. Dann schob sie sich noch etwas mehr in das Nest hinein, wandte den Kopf zur Seite und verschlang ein Ei. Schlangen können die Kinnladen aushaken und so eine Beute passieren lassen, die auf den ersten Blick viel zu groß erscheint. Der Eierfresser bildete keine Ausnahme. Er hakte jetzt vorsichtig die Kinnladen aus, die Haut des Schlundes streckte sich, bis jede Schuppe einzeln hervortrat und das Blau des Eies durch die feine, angespannte Haut hindurchschimmerte, als es sich langsam weiterschob. Als das Ei etwa 3 Zentimeter geglitten war, hielt das Tier einen Augenblick nachdenklich an und schwang sich aus dem Nest heraus ins Geäst. Dabei rieb es die Schwellung in seinem Leib, die durch das Ei entstanden war, an den Zweigen, so daß es weiter und weiter geschoben wurde.

Ermutigt durch diesen Erfolg, beförderten wir die Schlange wieder in ihren Behälter, damit sie ihre Mahlzeit in Ruhe verdaue. Ich veränderte die Stellung der Kamera und setzte ein größeres Objektiv ein, legte ein neues Ei ins Nest und nahm dann eine zweite Schlange heraus. Jetzt kam uns zustatten, daß alle Schlangen die gleiche Größe und Farbe hatten. Da die erste ihr Ei verdauen mußte, bevor sie wieder Hunger bekam, konnten wir sie für die Nahaufnahmen nicht verwenden. Die neue jedoch, die der ersten vollkommen glich, war hungrig wie ein Wolf. Ohne Mühe bekam ich meine Nahaufnahmen, wie die Schlange rasch den Ast hinunterglitt und ein Ei nahm. Mit zwei weiteren Schlangen wiederholte ich das Schauspiel. Am Ende schnitten wir die vier einzelnen Folgen und niemand erriet, daß in dem Film vier verschiedene Schlangen auftraten.

Alle Bafuter, der Fon eingeschlossen, waren von unserer Filmarbeit fasziniert, denn vor einiger Zeit hatten sie den ersten Film ihres Lebens gesehen. Ein Cinemobil führte in Bafut den Farbfilm von der Krönung der englischen Königin vor, der sie sehr begeisterte. Noch während unseres Aufenthalts war dieses Ereignis, das länger als anderthalb Jahre zurücklag, der Gegenstand vieler Gespräche. Ich nahm darum an, es würde den Fon und seine Ratgeber interessieren, mehr über das Filmen zu erfahren. So lud ich sie ein, uns an einem Morgen beim Filmen zuzusehen. Sie nahmen begeistert an. »Was wirst du filmen?« fragte Jacquie.

»Solange es etwas Harmloses ist, ist es eigentlich ganz gleich«, meinte ich.

»Warum soll es harmlos sein?« fragte Jacquie.

»Ich möchte kein Risiko eingehen, denn ich glaube, ich würde nicht länger Persona grata bleiben, wenn der Fon von irgendeinem Ungeheuer gebissen wird.«

»Du liebe Güte, das wäre das Letzte«, mischte Bob sich ein, »was willst du also filmen?«

»Ich brauche ein paar Aufnahmen von den Beutelratten. Wir können sie also bei der Gelegenheit machen. Die Tiere tun keiner Fliege etwas.«

Am nächsten Morgen bereiteten wir alles vor. Die Szenerie stellte ein Stückchen Waldboden dar, den ich auf einem Dexion-Gestell aufgebaut hatte. Aus einer Spezial-Nylon-Plane hatten wir einen Baldachin gemacht, unter dem der Fon und sein Hofstaat Platz nehmen sollten. Dann benachrichtigten wir den Fon, daß wir ihn erwarteten.

Es war ein köstliches Schauspiel, wie er und seine Ratgeber über den großen Hof auf uns zukamen. Voran der Fon in kleidsamer blau-weißer Robe. Neben ihm trottete seine Lieblingsfrau und schützte ihn vor der Sonne mit einem riesigen orangeroten Schirm; es folgten die Ratgeber in ihren fließenden Gewändern von grüner, roter, orangegelber, scharlachroter, weißer und gelber Farbe. Um diese Phalanx herum schoben und drückten sich ungefähr vierzig Kinder des Fon wie kleine schwarze Käfer um einen großen, farbenprächtigen Schmetterling. Langsam zog die Prozession um das Gästehaus herum zu unserem improvisierten Studio. »Morgen, mein Freund, wir sind gekommen, dein Kino zu sehen«, rief der Fon lachend.

»Willkommen, mein Freund«, entgegnete ich, »wollen wir erst ein Glas zusammen trinken?«

»Wah! Natürlich!« antwortete der Fon und ließ sich vorsichtig auf einem unserer Feldstühle nieder.

Ich schenkte ein. Beim Trinken erklärte ich dem Fon die Geheimnisse der Fotografie. Ich zeigte ihm, wie die Kamera funktionierte und erklärte, daß jedes winzige Bild eine andere Bewegung festhält.

»Werden wir den Film sehen, den du jetzt machst?« fragte der Fon, als er die Grundlagen der Fotografie begriffen hatte. »Ich muß ihn mit in mein Land nehmen und dort fertigmachen«, sagte ich betrübt, »so kann ich ihn dir erst zeigen, wenn ich wieder nach Kamerun komme.«

»Ah, gut«, sagte der Fon, »wenn du also zurückkommst in mein Land, werden wir eine glückliche Zeit haben, und du wirst mir zeigen deinen Film.«

Wir genehmigten ein weiteres Glas auf meine baldige Rückkehr.

Unterdessen war alles so weit, und wir konnten dem Fon den Ablauf der Filmaufnahmen vorführen. Sophie fungierte als Regieassistentin. Sie trug Hemd und Hosen, Sonnenbrille und einen überdimensionalen Strohhut und hockte zusammengekrümmt auf einem kleinen Feldstuhl, Papier und Bleistift zur Hand, um über jede Aufnahme Notizen zu machen. Nicht weit von ihr kauerte neben dem Aufnahmegerät Jacquie, eine Batterie Reservekameras um den Nacken. Bob stand nahe der Bühne als »Einpauker«, bewaffnet mit einem Zweig und dem Käfig, in dem unsere Stars mit voller Lautstärke quietschten. Ich stellte die Kamera ein, postierte mich hinter sie und gab das Zeichen zum Anfängen. Der Fon und seine Minister beobachteten schweigend und hingerissen, wie Bob die beiden Beutelratten vorsichtig auf die Bühne setzte und sie mit dem Zweig in meine Richtung dirigierte. Ich löste aus. Der hohe, summende Ton des Geräts entlockte den Zuschauern anerkennende Ah-Rufe.

Gerade in dem Augenblick trabte ein kleiner Junge mit einer Kalebasse auf die Bühne und ging, ohne sich um die Versammlung zu kümmern, auf Bob zu, dem er seine Gaben anbot. Ich war ganz damit beschäftigt, im Sucher meine Stars zu erhaschen, so daß ich der Unterhaltung zwischen Bob und dem Kind keine Beachtung schenkte.

»Nun, was ist das?« fragte Bob und nahm die Kalebasse, deren Öffnung mit grünen Palmblättern verschlossen war. »Fleisch«, war die bündige Antwort.

Anstatt das Kind weiter über das Fleisch auszufragen, zog Bob den Palmblätterstöpsel aus der Öffnung. Die Folgen überraschten nicht nur ihn, sondern alle Anwesenden. Eine zwei Meter lange Mamba schoß wie ein »Teufel aus der Kiste« und fiel auf den Boden.

»Gebt auf eure Füße acht!« schrie Bob.

Ich nahm das Auge vom Sucher und sah mich einer grünen Mamba gegenüber, die durch die Beine des Stativs zielsicher auf mich zuglitt. Mit zierlicher Anmut, die einer Primaballerina in Ballettschuhen alle Ehre gemacht hätte, sprang ich hoch und zurück. Im gleichen Augenblick brach die Hölle los. Die Schlange glitt an mir vorbei und mit ziemlicher Geschwindigkeit auf Sophie zu. Sophie dachte daran, daß Vorsicht die Mutter der Weisheit ist, ergriff Bleistift, Block und aus einem unerfindlichen Grund auch ihren Feldstuhl und rannte wie ein Hase auf die dicht gedrängten Reihen der Ratgeber zu. Unglücklicherweise war das die Richtung, in die es auch die Schlange zog. Sie folgte Sophie hart auf den Fersen. Den Räten genügte ein Blick auf Sophie, die offensichtlich die Schlange auf sie lenkte, und sie zögerten keinen Augenblick. Wie ein Mann machten sie kehrt und flohen. Nur der Fon blieb wie festgewurzelt auf seinem Stuhl sitzen; denn er war hinter dem Tisch mit den Getränken so eingeklemmt, daß er sich nicht bewegen konnte. »Nimm einen Stock!« rief ich Bob zu und rannte hinter der Schlange her. Ich wußte natürlich, daß die Schlange niemanden vorsätzlich angreifen würde, sie versuchte nur, einen möglichst großen Abstand von uns zu gewinnen. Bei fünfzig von Panik ergriffenen Afrikanern jedoch, die barfuß in alle Richtungen laufen, ist natürlich ein Unfall möglich, wenn sie von einer aufgestörten Schlange verfolgt werden. Nach Jacquies Aussage war die Szene unbeschreiblich. Die Räte rannten quer über den Hof, verfolgt von Sophie, die wiederum von der Schlange verfolgt wurde; dann kam ich und hinterher schließlich Bob mit einem Stock. Zu meiner Erleichterung hatte die Mamba den Fon links liegenlassen.

Endlich gelang es Bob und mir, die Mamba gegen die Stufen des Gästehauses zu treiben. Wir hielten sie mit dem Stock nieder, hoben sie auf und sperrten sie in einen unserer weiträumigen Schlangensäcke. Ich ging zum Fon, zu dem auch seine Räte aus allen Himmelsrichtungen zurückkehrten. Wenn man in irgendeinem Teil der Welt auf eine Schar Würdenträger eine Schlange gehetzt und sie damit in die Flucht getrieben hätte, müßte man sich auf endlose Beschuldigungen, auf schlechte Laune, gekränkte Würde und andere unerfreuliche Reaktionen der menschlichen Eitelkeit gefaßt machen. Nicht so in Afrika. Der Fon saß strahlend auf seinem Stuhl; die Räte schwatzten und lachten. Sie machten sich lustig über die Gefahr, die vorüber war, zogen sich gegenseitig auf, weil sie so schnell gerannt waren, und genossen im ganzen ausgiebig die komische Seite der Situation.

»Hast du sie festgehalten?« fragte der Fon und goß mir großzügig eine riesige Menge von meinem Whisky ein.

»Ja, wir haben sie«, dankbar nahm ich den Whisky. Der Fon beugte sich vor und grinste mich verschlagen an.

»Hast du gesehen, wie sie alle gerannt sind?« fragte er.

»Ja, sie rannten wie verrückt«, stimmte ich zu.

»Sie hatten Angst«, erklärte der Fon.

»Ja, das war eine böse Schlange.«

»Das ist wahr. All diese klein-kleinen Leute fürchten Schlangen zu sehr«, bestätigte der Fon. »Ich fürchte diese Schlange nicht. Alle meine Leute rennen... sie haben Angst... aber ich renne nicht.«

»Ja, mein Freund, das stimmt, du rennst nicht.«

»Ich hatte keine Angst«, wiederholte er, für den Fall, daß ich nicht verstanden hätte.

»Das stimmt, aber diese Schlange hatte Angst vor dir.«

»Sie hat Angst vor mir?« fragte der Fon überrascht.

» Ja, diese Schlange konnte dich nicht beißen... es ist eine böse Schlange, aber sie beißt nicht den Fon von Bafut.«

Der Fon lachte schallend über diese dreiste Schmeichelei. Dann, als er daran dachte, wie seine Räte gelaufen waren, lachte er noch mehr. Die Räte lachten mit. Schließlich brachen sie auf wie betrunken vor Vergnügen. Lange, nachdem sie verschwunden waren, hörten wir noch ihr ausgelassenes Gelächter und Geschwätz.