DIE WIDERSPENSTIGE PYTHON

Auf dem Wege nach Bafut wollten wir uns zehn Tage in der Stadt Mamfe aufhalten. Sie lag am Rande eines riesigen unbewohnten Gebietes, dort, wo der Cross-River beginnt schiffbar zu werden. Während meiner beiden früheren Aufenthalte in Kamerun hatte ich dort gute Fangergebnisse erzielt. Mit einem eindrucksvollen Geleitzug von drei Lastwagen zogen wir von Viktoria los. Jacquie und ich fuhren im ersten, Bob, unser junger Gehilfe, im zweiten und Sophie, meine leidgewohnte Sekretärin, im letzten Wagen. Die Fahrt war heiß und staubig. Hungrig, durstig und von Kopf bis Fuß mit einer dünnen roten Staubschicht bedeckt, kamen wir während der kurzen Dämmerung des dritten Reisetages in Mamfe an. Man hatte uns geraten, mit dem Leiter der »United Africa Company« Verbindung aufzunehmen. So dröhnten denn unsere Fahrzeuge die Anfahrt hinauf und hielten kreischend vor einem imponierenden, hellerleuchteten Haus.

Das Haus lag augenscheinlich am besten Platz von ganz Mamfe, auf einem konisch geformten Hügel, dessen eine Seite an die Schlucht grenzte, durch die der Cross-River floß. Vom Ende des Gartens, der mit der unvermeidlichen Hibiskushecke eingefaßt war, konnte man direkt in die 120 Meter tiefe Schlucht sehen, an deren Wänden ein Durcheinander von Gestrüpp und höheren Bäumen unsicher klebte. Es waren zehn Meter hohe Klippen aus gefaltetem Granit, überwuchert von wilden Begonien, Moosen und Farnen. Am Fuß der Klippen wand sich der Fluß wie ein brauner gekrümmter Muskel durch leuchtend-weiße Sandbänke und gerippte Felsplatten. Kleine Flecken Ackerland reihten sich auf der anderen Seite am Ufer entlang. Dahinter erhob sich der Wald in Hunderten von Farben und Schattierungen und erstreckte sich bis in die Unendlichkeit, bis er im Dunst der Entfernung nur noch wie ein undeutliches, zitterndes und schäumendes grünes Meer erschien.

Als ich mich aus dem glühenden Innern unseres Wagens gewunden hatte und auf festem Boden stand, war mir nicht gerade danach, die Aussicht zu bewundern. Was ich brauchte, war ein Drink, ein Bad und etwas zu essen — genau in dieser Reihenfolge. Aber fast genauso nötig schien mir eine Holzkiste für das erste Tier, das wir erworben hatten. Es war eine Rarität, ein junges, schwarzfüßiges Mungoweibchen, das ich von einem Eingeborenen erstand, als wir uns in einem etwa 40 Kilometer zurückliegenden Dorf etwas Obst kauften. Ich war entzückt, daß wir unsere Sammlung mit einer solchen Seltenheit beginnen sollten. Doch nach einem zweistündigen Kampf mit der jungen Dame auf dem Vordersitz des Wagens begann meine Begeisterung zu schwinden. Als erstes wollte das Mungofräulein jeden Winkel unseres Fahrzeugs inspizieren. Da ich fürchtete, sie würde sich in den Gängen des Motors verheddern und womöglich ein Bein brechen, sperrte ich sie in mein Hemd ein. Während der ersten halben Stunde kroch sie laut schniefend an mir herum. In der zweiten unternahm sie mehrere entschlossene Versuche, mit ihren scharfen Krallen ein Loch in meine Haut zu graben. Als ich sie schließlich überredete, diese Beschäftigung aufzugeben, begann sie heftig und voller Hoffnung an meinem Bauch herumzusaugen. Dabei berieselte sie mich mit einem warmen und stechenden, scheinbar endlosen Strom aus ihrer kleinen Blase. Meinem schon schmutzigen und verschwitzten Äußeren machte das nicht mehr viel aus. Als ich dann die Treppe zum Haus des U.A.C.-Managers hinaufstieg, und der Mungoschwanz aus meinem uringetränkten Hemd herausbaumelte, sah ich — gelinde gesagt — ziemlich exzentrisch aus. Ich holte tief Luft und versuchte, gelassen dreinzuschauen, als ich in das hellerleuchtete Wohnzimmer trat, in dem drei Männer um einen Kartentisch saßen. Fragend schauten sie auf. »Guten Abend«, sagte ich und fühlte mich ziemlich fehl am Platze. »Mein Name ist Durrell.«

Ich überlegte, daß dies seit Stanley und Livingstone wohl nicht gerade die vielsagendste Bemerkung in Afrika war. Ein kleiner, dunkler Herr stand auf und kam höflich lächelnd auf mich zu. Das lange schwarze Haar fiel ihm dabei in die Stirn. Er streckte die Hand aus und schüttelte die meine. Er überging mein unvermitteltes Auftreten und meine ungewöhnliche Aufmachung und sah mich aufmerksam an.

»Guten Abend«, sagte er, »spielen Sie etwa Kanasta?«

»Nein«, antwortete ich ziemlich erstaunt, »leider nicht.«

Er seufzte, als ob seine düstersten Befürchtungen sich bewahrheitet hätten. »Schade, wirklich schade«, sagte er. Dann legte er den Kopf zur Seite und blickte mich aufmerksam an. »Wie, sagten Sie, war Ihr Name?«

»Durrell, Gerald Durrell.«

»Ach, du meine Güte!« rief er aus. Ihm schien ein Licht aufzugehen. »Sind Sie etwa der verrückte Tigerfänger, vor dem der Chef mich gewarnt hat?«

»Vermutlich ja.«

»Aber, mein Freund, ich habe Sie schon vor zwei Tagen erwartet. Wo haben Sie so lange gesteckt?«

»Wir wären vor zwei Tagen hier gewesen, wenn unsere Laster nicht mit so eintöniger Regelmäßigkeit gestreikt hätten.«

»Diese einheimischen Wagen sind verflucht unzuverlässig«, sagte er, als ob er mir damit ein Geheimnis anvertraue. »Möchten Sie etwas trinken?«

»Nichts mehr als das«, sagte ich inbrünstig. »Kann ich die anderen hereinholen? Sie warten draußen.«

»Selbstverständlich, bringen Sie nur alle rein. Und für alle ist was zu trinken da.«

»Tausend Dank«, sagte ich und wandte mich zur Tür.

Mein Gastgeber ergriff meinen Arm und zog mich zurück. »Sagen Sie mal, alter Junge«, flüsterte er heiser, »ich will ja nicht aufdringlich sein, vielleicht macht das der Gin, den ich getrunken habe, aber wackelt Ihr Bauch immer so?«

»Nein«, sagte ich todernst, »das ist nicht mein Bauch. Ich habe einen Mungo in meinem Hemd.«

Einen Augenblick starrte er mich an. »Eine sehr einleuchtende Erklärung«, meinte er schließlich.

»Ja«, antwortete ich, »und der Wahrheit entsprechend.«

Er seufzte. »Nun, solange es nicht vom Gin kommt, ist es mir gleich, was Sie in Ihrem Hemd haben«, sagte er großzügig. »Holen Sie die anderen herein, und dann wollen wir einer oder zwei Flaschen den Hals brechen, bevor wir essen.«

Wir machten es uns also in John Hendersons Haus bequem. In wenigen Tagen wurde aus ihm der bedauernswerteste Gastgeber der afrikanischen Westküste. Es ist von einem Mann, der seine Ruhe liebt, schon großzügig, vier Fremde bei sich aufzunehmen. Wenn dieser Mann, der obendrein noch allem Getier gegenüber äußerst mißtrauisch ist, vier Tierfänger einlädt zu bleiben, fehlt es an Worten, seinen Heroismus zu beschreiben. Denn innerhalb von vierundzwanzig Stunden waren außer dem Mungo noch ein Eichhörnchen, ein Buschbaby und zwei Affen auf der Veranda untergebracht. Während John sich daran gewöhnte, daß seine Beine von einem halbausgewachsenen Pavian umarmt wurden, sobald er einen Fuß vor die Tür setzte, schickte ich an alle mir bekannten Jäger der Umgebung Nachricht, bat sie zu kommen und beschrieb ihnen die Tiere, die ich haben wollte. Dann legten wir die Hände in den Schoß und warteten. Es dauerte eine Weile, bis eines Nachmittags ein Jäger der Gegend mit Namen Agustine erschien. Wie er so den Weg heruntertrabte, sah er mit seinem knallrot und blau gemusterten Schurz wie ein eleganter mongolischer Fürst aus. Ihn begleitete der riesigste Westafrikaner, der mir je unter die Augen kam. Der große, finster dreinblickende Kerl war mindestens zwei Meter lang. Sein Gesicht war, im Gegensatz zu Agustines goldbraunem Teint, pechschwarz. Er stampfte auf riesigen Füßen neben ihm her; vor den Stufen der Veranda machten sie halt. Agustine strahlte. Sein Gefährte hingegen starrte uns so interessiert an, als schätze er unser Nettogewicht nach kulinarischen Gesichtspunkten ab.

»Guten Morgen, Sah«, sagte Agustine. Dabei zog er seinen leuchtend bunten Sarong enger um die schlanken Glieder.

»Guten Morgen, Sah«, intonierte der Riese mit einer Stimme, die wie ferner Donner dröhnte.

»Guten Morgen... ihr bringt Fleisch?« fragte ich hoffnungsvoll, obwohl sie allem Anschein nach keine Tiere bei sich hatten.

»Nein, Sah«, sagte Agustine betrübt, »wir haben nicht Fleisch, wir kommen fragen Mask, ob Masa uns will borgen Stückchen Strick.«

»Einen Strick? Was wollt ihr mit einem Strick?«

»Wir finden große Boa, Sah, im Busch. Aber wir können nicht fangen, wenn wir nicht haben Strick, Sah.«

Bob, der Spezialist für Reptilien war, fuhr hoch. »Boa?« fragte er aufgeregt, »was soll das heißen, Boa?«

»Sie meinen eine Python«, erklärte ich ihm. Das Schwierigste am Pidgin-Englisch für den Naturwissenschaftler ist, daß die Eingeborenen meistens falsche Namen auf die Tiere anwenden. Pythons nennen sie Boas, Leoparden Tiger und so weiter. Bobs Augen leuchteten fanatisch. Seit dem Augenblick, als wir in Southampton an Bord gegangen waren, hatte er fast ausschließlich von Pythonschlangen gesprochen. Er würde erst zufrieden sein, wenn wir auch eine Python in unserer Sammlung hätten. »Wo ist die Python?« fragte er. Seine Stimme zitterte vor schlecht verhohlenem Eifer.

»Da, im Busch«, sagte Agustine und umschrieb dabei mit dem Arm einige fünfhundert Quadratmeilen Urwald. »Sie da in irgendein Loch im Boden.«

»Große Boa?« fragte ich.

»Wah! Groß?« rief Agustine aus. »Sie ganz-ganz groß.«

»Sie groß wie das«, sagte der Riese und schlug dabei auf seine Schenkel, die so massig wie die eines Ochsen waren.

»Wir gehen in Busch seit Morgenzeit, Sah«, rief jetzt wieder Agustine. »Einmal wir sehen diese Boa. Wir laufen schnell-schnell, aber kein Glück. Diese Schlange zu viel Kraft. Sie kriechen in Loch im Boden. Wir keinen Strick. So wir nicht können fangen.«

»Ihr laßt einen Mann dieses Loch bewachen, damit Boa nicht davonrennt?« fragte ich.

»Ja, Sah. Wir lassen zwei Mann bei dies Loch.«

Ich wandte mich an Bob. »Also, hier ist deine Chance. Eine echte Python, versteckt in einer Höhle. Sollen wir hingehen und einen Versuch machen?«

»Selbstverständlich, ja! Laß uns sofort gehen und sie fangen!« rief Bob.

Ich wandte mich wieder an Agustine.

»Wir gehen diese Schlange ansehen, Agustine, eh?«

»Ja, Sah.«

»Ihr wartet kurze Zeit, wir kommen. Wir holen Strick und Fangnetz.«

Bob stürzte zu unseren Sachen, um Seil und Netz zu holen. Ich füllte einige Flaschen mit Wasser und stöberte unseren Stalljungen Ben auf, der vor der Hintertür hockte und mit einem jungen und charmanten schwarzen Mädchen flirtete. »Ben, laß das arme Weibsbild in Ruhe und mach dich fertig. Wir gehen in Busch und fangen Boa.«

»Ja, Sah.« Ben verließ nur zögernd seine Freundin. »Wo diese Boa?«

»Agustine sagt, sie sei in einem Loch im Boden. Darum brauche ich dich. Wenn Loch zu eng ist und Mr. Golding und ich nicht hineinpassen, mußt du hinein und Boa fangen.«

»Ich, Sah?«

»Ja, du. Ganz allein.«

»Gut.« Er grinste ergeben. »Ich nicht fürchten, Sah.«

»Du lügst«, sagte ich. »Du weißt, du fürchtest dich sehr.«

»Ich nicht fürchten, wirklich, Sah«, sagte Ben würdevoll. »Ich Masa nie erzählen, wie ich töten Buschkuh?«

»Ja, du hast mir’s zweimal erzählt; aber ich glaube dir nicht. Nun, lauf zu Mr. Golding, hol Seile und Fangnetze, schnell:«

Der Weg in die Gegend, in der unsere Beute auf uns wartete, führte uns den Hügel hinab ans Flußufer. Dann mußten wir den Fluß mit einer Fähre überqueren. Diese Fähre war ein großes bananenförmiges Kanu, das vor etwa dreihundert Jahren gebaut zu sein und seitdem langsam zu verfallen schien. Das Kanu bediente ein uralter Mann, der aussah, als wenn er jeden Augenblick einem Herzanfall erliegen würde. Begleitet wurde er von einem kleinen Jungen, der das Wasser ausschöpfen mußte. Der Kampf des Jungen mit dem Wasser war hoffnungslos; er arbeitete mit einer winzigen verrosteten Blechbüchse, und die Planken des Kanus schienen so wenig wasserdicht wie ein Küchensieb zu sein. Wenn man das gegenüberliegende Ufer erreicht hatte, saß man unweigerlich 15 Zentimeter tief im Wasser. Als wir mit unseren Siebensachen bei den ausgewaschenen Stufen der Granitklippe, die den Landeplatz darstellen, ankamen, lag die Fähre am anderen Ufer. Während Ben, Agustine und der riesige Afrikaner (den wir Gargantua getauft hatten) ihre Stimmen erhoben und dem Fährmann zuriefen, so schnell wie möglich zurückzukommen, hockten Bob und ich uns in den Schatten und beobachteten das Mamfe-Volk, das in dem braunen Wasser unter uns badete und seine Wäsche wusch.

Schwärme kleiner Jungen sprangen schreiend von den Klippen, platschten ins Wasser und schossen an die Oberfläche zurück. Ihre Handflächen und Fußsohlen schimmerten rosa wie Muscheln, ihre braunen Körper wie polierte Schokolade. Die etwas zimperlichen Mädchen behielten beim Baden ihren Sarong an, der, wenn sie den Fluten entstiegen, ihnen so fest am Körper klebte, daß für die Phantasie nichts mehr übrigblieb. Ein Knirps von kaum fünf Jahren bewegte sich behutsam die Klippen hinunter, die Zunge vor Eifer vorgestreckt, auf dem Kopf einen enormen Wasserkrug balancierend. Als er den Fluß erreichte, blieb er nicht etwa stehen, um den Krug abzusetzen oder den Sarong auszuziehen. Er ging geradewegs ins Wasser und watete langsam und entschlossen in den Fluß hinein, bis er verschwunden war. Nur ein Krug glitt geheimnisvoll über das Wasser. Schließlich verschwand auch er. Für einen Augenblick war nichts mehr zu sehen, dann kam der Krug wieder zum Vorschein, und schließlich tauchte auch der Junge darunter wieder auf. Laut prustend stieß er die Luft aus und kämpfte sich zielbewußt mit jetzt randvollem Krug auf dem Kopf ans Ufer. Dort schob er den Krug vorsichtig auf ein Felssims. Ohne den Sarong auszuziehen, ging er ins Wasser zurück. Aus irgendeiner Falte des Gewandes brachte er ein Stückchen Seife zum Vorschein, mit dem er sich und den Sarong gleichmäßig einseifte. Als er von Kopf bis Fuß so voller Schaum war, daß er wie ein rosa Schneemann aussah, tauchte er unter. Sauber und blank watete er ans Ufer zurück, hob den Krug auf den Kopf, kletterte langsam die Klippe hinauf und verschwand. Das war ein vollendetes Beispiel afrikanischer Anwendung der Rationalisierungstheorie.

Inzwischen war die Fähre zurückgekommen. Ben und Agustine verhandelten aufgeregt mit dem alten Besitzer. Er sollte uns nicht geradewegs ans andere Ufer bringen, sondern etwa 800 Meter stromaufwärts zu einer großen Sandbank. Hierdurch würden wir fast eine Meile Weg am Flußufer entlang sparen. Der alte Mann schien damit ganz und gar nicht einverstanden

»Was ist mit ihm los, Ben?« fragte ich.

»Eh! Dies sein dummer Mann«, sagte Ben und drehte sich ärgerlich zu mir um, »er nicht wollen stromauf fahren.«

»Warum willst du nicht, mein Freund?« fragte ich den alten Mann, »wenn du uns fahren, ich dir zahlen mehr Geld und...«

»Masa«, sagte der alte Mann entschieden, »dies sein mein Boot. Wenn ich verlieren, ich machen kein Geld mehr... ich nicht kriegen Fleisch für Bauch... ich nicht kriegen ein-ein Penny!«

»Aber, warum Boot verlieren?« fragte ich erstaunt. Ich kannte die Flußstrecke; es gab keine Stromschnellen und keine Strudel.

»Ipopo, Masa«, erklärte der Alte.

Ich starrte ihn an, um zu erraten, was um die Welt er wohl meinen könne. War Ipopo vielleicht ein mächtiger Fetisch in der Gegend, von dem ich bisher nichts gehört hatte?

»Dieser Ipopo«, fragte ich vorsichtig, »wo lebt er?«

»Wah! Masa ihn nie gesehen?« fragte der alte Mann erstaunt. »Er da in Wasser gleich bei D. O’s Haus. Er groß wie Auto... er gefährlich... er haben zu viel Kraft.«

»Wovon spricht er eigentlich?« fragte Bob neugierig. Plötzlich ging mir ein Licht auf. »Er redet von der Flußpferdherde unterhalb vom Haus des Distriktsbeamten. Aber diese Abkürzung ist so einzigartig, daß sie mich für einen Augenblick genarrt hat.«

»Hält er sie für gefährlich?«

»Anscheinend ja. Ich weiß nur noch nicht, warum. Sie waren ganz harmlos, als ich das letzte Mal hier war.«

»Nun, ich hoffe, sie sind immer noch harmlos«, meinte Bob. Ich wandte mich wieder zu dem Alten. »Höre, mein Freund, wenn du uns dieses Wasser hinaufbringen wirst, will ich dir sechs Schilling und obendrein Zigaretten geben. Und wenn dieses Ipopo dein Boot kaputtmacht, kaufe ich dir ein neues, hörst du?«

»Ich hören, Sah.«

»Einverstanden?«

»Ich einverstanden, Sah«, sagte der Alte, in dem Habgier und Vorsicht miteinander kämpften. Wir hockten im Kanu, in dem das Wasser einige Zentimeter hoch stand, und fuhren langsam stromauf.

»Ich glaube nicht, daß sie wirklich gefährlich sind«, sagte Bob beiläufig und zog die Hand nachlässig durchs Wasser. »Das letzte Mal bin ich öfter bis auf zehn Meter an sie herangefahren, um Aufnahmen zu machen«, sagte ich.

»Diese Ipopo haben starken Kopf, Sah«, sagte Ben brutal. »Zwei Monate früher sie töten drei Mann und brechen zwei Boote.«

»Eine sehr beruhigende Tatsache«, sagte Bob.

Vor uns war das braune Wasser an vielen Stellen von Felsen durchbrochen. Zu jeder anderen Zeit hätten sie genau wie gewöhnliche Felsen ausgesehen, doch heute glich jeder einzelne dem Kopf eines Flußpferdes, eines hinterlistigen, tollen Flußpferdes, das in den dunklen Fluten auf uns lauerte. Ben, der sich vermutlich an seine waghalsige Geschichte mit der Buschkuh erinnerte, versuchte zu pfeifen. Doch es blieb bei einem schwachen Versuch, und ich beobachtete, wie er aufmerksam und ängstlich das Wasser vor uns absuchte. Schließlich bekommt ein Flußpferd, das sich angewöhnt hatte, Kanus anzugreifen, Geschmack an der Sache, und es wird sich alles mögliche ausdenken, um einen zu ärgern, und sei es nur aus Spaß. Ich hingegen hatte keine Lust, mit sadistischen Flußpferden von einer halben Tonne Gewicht in fünf Meter tiefem Dreckwasser herumzuturnen.

Ich beobachtete, daß der Alte unser Fahrzeug nahe am Ufer hielt und so manövrierte, daß wir immer in ziemlich seichtem Wasser fuhren. Das Kliff am Ufer war steil, bot jedoch überall Halt für den Fall einer Gefahr. Die Felsen lagen in mächtigen Schichten wie unordentliche Packen versteinerter, mit Moos überwachsener Zeitschriften. Die Bäume auf den Klippen ließen ihre Zweige weit über das Wasser hängen. So fuhren wir in einem sich schlängelnden Kurs durch einen Schattentunnel. Von Zeit zu Zeit störten wir einen Königsfischer auf, der wie eine schnelle blaue Sternschnuppe über unseren Bug schoß; oder einen schwarz-weißen Kiebitz, der stromauf davonflatterte und närrisch in sich hineinkicherte; seine Füße streiften das Wasser, und die langen gelben Schläfenlappen flatterten grotesk zu beiden Seiten des Schnabels.

Allmählich fuhren wir die Flußschleife entlang. Jetzt lag etwa 300 Meter vor uns am gegenüberliegenden Ufer die weiße geriffelte Masse der Sandbank. Der alte Mann brummte erleichtert und paddelte schneller.

»Fast angekommen«, sagte ich fröhlich, »und nirgends ein Flußpferd.«

Die Worte waren mir kaum entschlüpft, als sich ein Fels, an dem wir in fünf Meter Entfernung vorbeifuhren, aus dem Wasser hob und uns mit runden, erstaunten Augen anstarrte. Gleichzeitig spie er wie ein kleiner Walfisch zwei zierliche Fontänen aus.

Zum Glück widerstand unsere tapfere Mannschaft der Versuchung, aus dem Boot zu springen und an Land zu schwimmen. Der alte Mann zog den Atem pfeifend ein, tauchte das Paddel tief ins Wasser und stoppte das Kanu mit einem kurzen, Blasen aufwirbelnden Schlag. Da saßen wir nun und starrten das Flußpferd an, und das Flußpferd saß da und starrte uns an. Das Flußpferd schien noch erstaunter als wir. Sein pausbäckiges, rosagraues Gesicht schwamm wie eine Geistererscheinung auf der Wasseroberfläche. Mit großen Augen, die uns so unschuldig wie ein Baby abschätzten, betrachtete es uns. Mit den vor- und zurückflappenden Ohren schien es uns zuzuwinken. Es seufzte tief und kam — mit zwei aufgesperrten Augen erstaunt dreinblickend — einen Meter näher. Da stieß Agustine auf einmal einen schrillen Schrei aus, daß wir hochsprangen und dabei das Kanu fast umkippten. Wütend stießen wir ihn an und brachten ihn zur Ruhe. Währenddessen schätzte uns das Flußpferd weiter unverfroren ab.

»Keine Angst«, sagte Agustine mit lauter Stimme, »das sein Frau.«

Er nahm dem widerstrebenden Alten das Paddel fort und schlug mit dem Blatt aufs Wasser. Ein Sprühregen schoß hoch. Das Flußpferd öffnete das Maul zu einem gigantischen Gähnen und präsentierte eine Zahnreihe, die man gesehen haben muß, um sie für möglich zu halten. Dann sank der Kopf plötzlich — anscheinend ohne jede Muskelbewegung — unter Wasser. Einen Augenblick geschah nichts. Doch waren wir alle überzeugt, daß das Tier unmittelbar unter uns durchs Wasser schwamm. Dann tauchte der Kopf wieder auf, zu unserer Erleichterung einige zwanzig Meter stromaufwärts. Es stieß zwei Fontänen aus, wackelte graziös mit den Ohren und versank wieder.

Der Alte brummte und zog Agustine das Paddel aus der Hand.

»Agustine, warum du machen so dumme Sachen?« fragte ich mit energischer, scharfer Stimme.

»Sah, das Ipopo kein Mann... das Ipopo Frau«, erklärte Agustine und schien über den Zweifel an ihm verletzt zu sein.

»Woher weißt du?« fragte ich.

»Masa, ich kennen all diese Ipopo in dies Wasser«, erklärte er.

»Dies Ipopo Frau, wenn Ipopo Mann, er uns alle auffressen. Aber Ipopo Frau nicht so starken Kopf wie Mann.«

»Nun, danken wir Gott für das schwächere Geschlecht«, sagte ich zu Bob. Der Alte, plötzlich von einer ungeheuren Energie besessen, schoß mit seinem Kanu quer über den Fluß, so daß es in die Kieselsteine auf der Sandbank stieß. Wir luden unsere Ausrüstung aus, sagten dem Alten, er solle auf uns warten und machten uns in Richtung auf das Pythonversteck auf.

Zuerst führte unser Weg durch Ackerland der Eingeborenen, auf dem gefällte Baumriesen herumlagen und verrotteten. Zwischen ihnen hatte sich niedrige Cassava angesiedelt, so daß der Boden brachlag und das Buschwerk des Waldes — Dornenpflanzen, Winden und andere Rankengewächse — in die Lichtung vorgedrungen war und alles zudeckte. Auf diesen unbebauten Feldern herrschte reges Leben. Als wir uns durch das undurchdringliche Gestrüpp zwängten, waren wir von Hunderten von Vögeln umgeben. Hübsche kleine Tyrannen schwebten in der Luft und hoben sich blau wie Pulverrauch von der grünen Fläche ab. In den dämmrigen Nischen der umrankten Baumstümpfe huschten Rotkehlchen-Schmätzer auf der Suche nach Grashüpfern keck umher und sahen dabei unseren englischen Rotkehlchen erstaunlich ähnlich. Eine Elster schoß vor uns in die Höhe und flog mit scharfem Warnruf schwerfällig davon. Im Dickicht eines Dornbuschs, der mit rosa Blüten bedeckt war, summten dicke, blaue Bienen, und eine Singdrossel überschüttete uns mit einem Wasserfall süßer Töne. Eine Strecke lang wand sich der Pfad durch das feucht-heiße, hüfthohe Gestrüpp, bis er ganz plötzlich ins Freie führte, hinaus in ein goldenes Grasfeld, das im Sonnenglast vibrierte.

Solche Grasfelder sind für das Auge sehr reizvoll, doch sind sie unbequem zu durchwandern. Das Gras ist hart und spitz und wächst in Büscheln, die dem unachtsamen Wanderer gern ein Bein stellen. An anderen Stellen lagen graue Felsflächen in der Sonne ausgebreitet, die von Millionen winziger Glimmersplitter übersät waren und die Augen blendeten. Die Sonne prallte auf unsere Nacken, ihr Widerschein wurde von der glänzenden Felsfläche zurückgeworfen und traf das Gesicht mit der Glut eines Ofens. Der Schweiß strömte an uns herunter.

»Ich hoffe, dieses verfluchte Reptil hat sich einen schattigen Platz für seine Höhle ausgesucht«, sagte ich zu Bob. »Auf den Felsen hier könnte man Spiegeleier braten.«

Agustine trottete eifrig vor uns her. Sein Sarong hatte sich allmählich von Scharlachrot in Weinrot verfärbt, so naß war er geschwitzt. Er drehte sich um und grinste mich mit einem von Schweißtropfen gesprenkelten Gesicht an. »Masa heiß?« fragte er besorgt.

»Ja, zu heiß«, antwortete ich. »Diese Stelle noch weit?«

»Nein, Sah, sein da«, sagte er und zeigte nach vorn. »Masa nicht sehen Mann, ich lassen für Wache?«

Ich folgte seinem ausgestreckten Finger und konnte in der Ferne ein Gebiet erkennen, in dem die Felsen durch einen vulkanischen Ausbruch der Vergangenheit wie Bettzeug zusammengeworfen und zerknittert waren und ein kleines Kliff bildeten, das diagonal durch das Grasfeld lief. Oben auf dem Kliff konnte ich die Gestalten zweier Jäger erkennen, die geduldig in der Sonne hockten. Als sie uns sahen, standen sie auf und schwenkten ihre gefährlich aussehenden Speere zu unserer Begrüßung.

»Sie sein in Loch?« bellte Agustine ängstlich.

»Sie da, sie da!« riefen sie zurück.

Als wir am Fuß des kleinen Kliffs ankamen, wußte ich, warum die Python sich diesen Fleck zum Quartier gewählt hatte. Die Felsfläche war von einer Reihe flacher Höhlen aufgespalten, die Wind und Wasser glattgewaschen hatten. Alle diese Höhlen waren miteinander verbunden; die ganze Reihe stieg leicht auf das Kliff zu, so daß ein Bewohner keine Sorge zu haben brauchte, in der feuchten Jahreszeit naß zu werden. Die Öffnung jeder Höhle war etwa zweieinhalb Meter breit und einen Meter hoch. Da blieb jedem anderen Lebewesen außer einer Schlange kaum Platz zum Manövrieren. Die Jäger hatten das Gras um die Höhle herum in Brand gesetzt in der Hoffnung, die Schlange auszuräuchern. Die Python hatte nicht darauf reagiert. Wir jedoch mußten uns jetzt bis zu den Knöcheln in einer dicken Schicht von Holzkohle und federleichter Asche bewegen.

Bob und ich legten uns auf den Bauch und schlängelten uns Schulter an Schulter in die Öffnung der Höhle, um die Python auszumachen und einen Schlachtplan zu entwerfen. Es stellte sich heraus, daß sich die Höhle etwa einen Meter einwärts verengte und nur noch Platz für einen Menschen ließ, der sich fest an den Boden pressen mußte. Nach dem blendenden Sonnenschein draußen schien es drinnen doppelt düster. Wir konnten nichts erkennen. Das einzige Anzeichen für das Vorhandensein der Schlange war ihr vernehmliches mürrisches Zischen, sobald wir uns bewegten. Wir riefen nach einer Taschenlampe. Als sie ausgepackt und zu uns hereingereicht war, richteten wir ihren Strahl in die enge Öffnung.

Ewa drei Meter vor uns endete der Gang in einer runden Vertiefung. Darin lag die Python zusammengerollt und glänzte im Lichtstrahl wie frisch poliert. Sie war etwa viereinhalb Meter lang und so dick, daß wir Gargantua verziehen, ihren Umfang mit seinem Schenkel verglichen zu haben. Außerdem war das Tier äußerst schlechter Laune. Je länger wir den Strahl der Taschenlampe auf sie richteten, desto ausdauernder und schriller wurde das Zischen, bis es zu einem furchtsamen Schrei anschwoll. Wir krochen zurück in die Sonne und richteten uns auf. Die dicke Aschenschicht, die sich an unsere verschwitzten Körper geheftet hatte, färbte uns fast so schwarz wie unsere Jäger.

»Die Sache ist ganz einfach«, sagte Bob, »wir müssen eine Schlinge um ihren Hals bekommen und dann mit allen Kräften daran ziehen.«

»Stimmt. Aber die Frage ist, wie bekommen wir die Schlinge um ihren Hals. Ich möchte nicht gern in der Öffnung eingezwängt sein und von einer Schlange angegriffen werden. Da ist kein Platz zum Ausweichen und kein Platz für Hilfe, wenn du mit ihr in ein Handgemenge gerätst.«

»Da hast du recht«, gab Bob zu.

»Es gibt nur eine Möglichkeit«, entschied ich, »Agustine, geh’ schnell-schnell, hole einen Gabelstock für mich... einen dicken... du hören?«

»Ja, Sah«, sagte Agustine. Er zog seine breite, scharfe Machete heraus und trottete auf den etwa 300 Meter entfernten Waldrand zu.

»Denk daran, wenn es uns wirklich gelingt, die Schlange herauszuziehen, können wir uns nicht auf die Jäger verlassen«, schärfte ich Bob ein. »In Kamerun ist man davon überzeugt, daß die Python giftig ist. Man hält nicht nur den Biß für tödlich, sondern meint auch, die Python könne den Menschen mit ihren Sporen unter dem Schwanz vergiften. Wenn wir sie also herausbekommen, dürfen wir sie nicht am Kopf fassen und damit rechnen, daß die Jäger den Schwanz ergreifen. Du mußt das eine Ende nehmen und ich das andere. Dann können wir hoffen, daß die Jäger in der Mitte mit uns zusammenarbeiten.«

»Eine reizende Idee«, sagte Bob und pfiff nachdenklich durch die Zähne.

Bald kam Agustine mit einem geraden Ast zurück, der am Ende gegabelt war. An diesem Ende befestigte ich einen Ziehknoten aus feiner Schnur, die, wie man mir versichert hatte, eine Belastung von drei Zentnern aushalten würde. Dann wickelte ich 15 Meter der Schnur ab und gab den Rest des Knäuels Agustine.

»Jetzt krieche ich hinein. Ich versuche, diese Schnur um Hals von Boa zu werfen, eh? Wenn ich Hals gefangen, rufe ich >holla<, und dann ziehen alle diese Jäger auf einmal. Verstanden?«

»Verstanden, Sah.«

»Wenn ich >ziehen< rufe«, sagte ich, während ich mich vorsichtig in den Aschenteppich legte, »laß um Himmels willen nicht zu fest ziehen. Ich möchte nicht unter das verfluchte Ding geraten.«

Ich schlängelte mich vorsichtig in die Höhle hinein. Astgabel und Schnur in der Hand, die Taschenlampe im Mund. Die Python zischte mit unverminderter Wildheit und Stärke. Dann kam die heikle Aufgabe, die Gabel nach vorn zu bringen und zu versuchen, die herunterhängende Schlinge über den Kopf der Schlange zu schieben. Mit der Taschenlampe im Mund war das unmöglich; denn bei der leisesten Bewegung glitt der Strahl überall hin, nur nicht auf meine Beute. Ich legte die Lampe auf den Boden und schob einige Steine darunter, so daß der Strahl direkt auf die Schlange fiel. Dann schob ich mit unendlicher Vorsicht den Ast in die Höhle hinein auf das Reptil zu. Die Python hatte sich natürlich unterdessen zu einem festen Knäuel zusammengerollt. Der Kopf lag mitten darauf. Wenn ich den Ast in der richtigen Lage hatte, mußte ich die Schlange veranlassen, den Kopf zu heben. Das konnte ich nur erreichen, wenn ich sie heftig mit dem Ende des Stocks anstieß.

Nach dem ersten Stupser schien das leuchtende Knäuel des Körpers vor Wut anzuschwellen. Ein so schrilles und mit Bosheit geladenes Zischen scholl mir entgegen, daß ich um ein Haar den Ast fallengelassen hätte. Ich nahm ihn fester in meine feuchten Hände und stupste noch einmal. Schrill fuhr mir das Zischen entgegen. Fünfmal mußte ich stupsen, bevor ich Erfolg hatte. Plötzlich erschien der Kopf der Schlange über dem Knoten und schoß auf das Ende des Stocks zu. Die Mundöffnung stand weit offen und leuchtete rosa im Licht der Taschenlampe. Die Bewegung war zu rasch gewesen; ich hatte keine Möglichkeit, die Schlinge über den Kopf der Schlange zu schieben. Das Manöver war so schwierig für mich, weil ich nicht dicht genug an meine Beute herankriechen konnte und mit ausgestrecktem Arm arbeiten mußte. Dazu kam das Gewicht des Stabes, das meine Bewegungen ungeschickt machte. Schließlich kroch ich, triefend vor Schweiß und mit schmerzendem Arm, wieder ans Tageslicht. »Es geht nicht«, sagte ich zu Bob. »Sie hält den Kopf in ihrem Knäuel begraben und schießt nur damit hervor, um zu schlagen.«

»Laß mich einmal versuchen«, sagte er eifrig.

Er nahm den Stock und kroch in die Höhle. Während langer Minuten konnten wir nur seine großen Füße sehen, die am Eingang der Höhle nach einem Halt suchten. Dann kam er wild fluchend wieder zum Vorschein.

»Es geht nicht, mit diesem Ding werden wir sie nie fangen.«

»Wenn sie uns einen Ast, wie ein Hirtenstab gebogen, bringen, glaubst du dann, daß du das ganze Schlangenknäuel fassen und herausziehen kannst?« fragte ich.

»Ich denke schon. Oder ich könnte sie damit wenigstens zwingen, sich aufzurollen, damit wir sie dann am Kopf schnappen können«, sagte Bob.

Agustine wurde also mit genauen Anweisungen aufs neue fortgeschickt. Kurz darauf kam er mit einem 6 Meter langen Ast zurück, dessen Ende wie ein Angelhaken gebogen war.

»Es wäre leichter, wenn du mit mir zusammen in die Höhle kriechen und die Lampe halten würdest«, meinte Bob. »Wenn ich sie auf den Boden lege, werfe ich sie bei jeder Bewegung um.«

Wir krochen also gemeinsam in die Höhle und lagen eng zusammengedrängt da. Ich leuchtete in den Tunnel hinein, und Bob bewegte seinen riesigen Haken auf die Schlange zu. Ganz langsam, um das Tier nicht unnötig aufzuregen, führte er den Haken über die oberste Windung des Schlangenbündels, brachte es in Stellung, rückte sich in eine bequemere Lage und zog dann mit Leibeskräften.

Das Ergebnis war prompt und verwirrend. Zu unserem Erstaunen glitt die ganze Schlangenmasse nach anfänglichem Zögern auf uns zu. Begeistert schob Bob sich zurück — dadurch zwängte er uns beide noch enger in den Tunnel — und zog wieder. Das Schlangenbündel glitt noch näher und begann sich zu entwirren. Bob zog aufs neue. Die Schlange rollte sich weiter auf. Kopf und Hals kamen aus dem Knäuel hervor und schlugen nach uns. Eingezwängt wie ein Paar großer Sardinen in einer zu kleinen Büchse, gab es für uns nur eine Richtung. Wir glitten so schnell wir konnten auf unseren Bäuchen zurück. Hier war die Höhle etwas breiter, so daß wir uns besser bewegen konnten. Bob ergriff den Stock und zog wütend daran. Er erinnerte mich an eine schmächtige Amsel, die wie besessen einen übermäßig großen Wurm aus der Erde zieht. Die Schlange kam näher. Sie zischte wie verrückt. Ihr Körper zitterte vor Muskelanspannung bei dem Versuch, sich von dem Haken zu befreien. Noch ein tüchtiger Zug, schätzte ich, und Bob würde sie am Ausgang der Höhle haben. Ich kroch schnell hinaus.

»Schnell das Seil«, schrie ich den Jägern zu. »Schnell, schnell... Seil!« Sie gehorchten und sprangen herbei. Im gleichen Augenblick erschien Bob in der Öffnung, stolperte auf seine Füße und trat zurück für den letzten Zug, der die Schlange ins Freie bringen sollte, wo wir uns ihrer annehmen würden. Als er jedoch zurücktrat, kam er mit dem Fuß auf einen losen Stein, der unter ihm wegrutschte. Bob fiel flach auf den Rücken. Der Stock entglitt seinen Händen. Die Schlange zog mächtig an, und der Haken gab ihren Körper frei. Mit der leichten Geschmeidigkeit von Wasser, das in Löschpapier eindringt, glitt sie in einen Felsspalt, der aussah, als könne kaum eine Maus darin Platz finden. Als der letzte Meter ihres Körpers im Innern des Felsens verschwand, stürzten Bob und ich uns darauf und klammerten uns ingrimmig daran. Wir konnten die Anspannung der kräftigen Muskeln spüren, als die tief im felsigen Versteck begrabene Schlange versuchte, ihren Schwanz aus unserem Griff zu befreien. Langsam, Zentimeter für Zentimeter, glitten die glatten Schuppen durch unsere schweißfeuchten Hände, und plötzlich war die Schlange verschwunden. Irgendwoher aus dem tiefen Felsen kam ihr triumphierendes Zischen.

»Ah, sie weglaufen, Masa«, stellte Agustine fest, der die besondere Begabung hatte, das Augenfällige zu bekräftigen. »Diese Schlange zu viel Kraft«, bemerkte Gargantua schwermütig.

»Kein Mann kann halten Schlange in Loch«, versuchte uns Agustine zu trösten.

»Sie haben viel-viel Kraft«, fing Gargantua wieder an. »Sie haben mehr Kraft als Mensch.«

Schweigend reichte ich Zigaretten herum. Wir hockten auf dem Aschenteppich und rauchten.

»Gut«, sagte ich schließlich resigniert. »Wir haben getan, was wir konnten. Vielleicht haben wir nächstes Mal mehr Glück.«

Bob jedoch wollte sich nicht trösten lassen. Der Gedanke, die Python seiner Träume zum Greifen nahe gehabt und dann verloren zu haben, war fast nicht zu ertragen. Er schlich umher und fluchte wütend in sich hinein, während wir Netz und Seile zusammenpackten.

Die Sonne stand jetzt tief am Himmel. Als wir das Grasfeld hinter uns gebracht hatten und zu dem verlassenen Ackerland kamen, lag grünes Zwielicht über der Landschaft. Überall im Gestrüpp leuchteten riesige Glühwürmchen wie zitternde Saphire. Leuchtkäfer glitten durch die warme Luft und glitzerten wie rosa Perlen in den dunklen Büschen. Die Luft war getränkt mit abendlichen Düften, dem Rauch des Holzfeuers, feuchter Erde und dem süßen Duft der schon taufeuchten Blüten. Eine Eule rief mit alter, brüchiger Stimme, und eine zweite antwortete ihr.

Der Fluß wirkte im Zwielicht wie eine gleitende Bronzefläche, als wir knirschend über die milchweiße Sandbank schritten. Der alte Mann und der Junge lagen zusammengerollt im Bug des Kanus und schliefen. Sie wachten auf und paddelten uns schweigend den Fluß hinunter. Hoch über uns auf dem Hügel sahen wir die Lampen unseres Quartiers zu uns herüberschimmern. Ganz schwach, als Untermalung des Gurgelns und Plätscherns unserer Paddel, hörte man das Grammophon. Ein Schwarm kleiner weißer Motten hüllte das Kanu ein, als es aufs Ufer zuhielt. Zart und mit mattem Licht zog der Mond seine Bahn durch das Filigran des Waldes hinter uns, und wieder riefen die Eulen traurig und sehnsüchtig im Dämmer der Bäume.