26. Kapitel

 

 

Alexej und der hiesige Immobilienmakler namens Thomas saßen in einem Hotelzimmer, dass Thomas extra für die Unterzeichnung der Unterlagen gemietet hatte. Der Immobilienmakler hatte kein festes Büro, da er sowieso immer unterwegs war, und hatte deswegen das Hotelzimmer vorgeschlagen.

Alexej fand den jungen Incubus recht nett, auch sein Äußeres deutete nicht auf einen ausgefuchsten Geldabschneider hin. Dahingehend hatte Alexej ein unübertreffliches Gespür. Thomas hatte nachtschwarze, kurze Haare und strahlend blaue Augen, die durch die dunklen Haare sofort auffielen.

Sie waren gleich nach Alexejs Anruf zu drei Häusern gefahren, die in einer ruhigen und exklusiven Gegend von Alexandria lagen. In die dritte Villa hatte er sich schon auf den ersten Blick verliebt, da sie eine recht maskuline und herrschaftliche Ausstrahlung hatte. Leider waren nur die üblichen Wohn- und Esszimmer und ein Schlafzimmer bezugsbereit. Der Rest musste noch saniert werden.

Der Vorbesitzer war ein alter Herr, der wohl adelige Vorfahren hatte. Mit seinen 90 Jahren war er zu der Ansicht gekommen, dass ein hübsches kleines luxuriöses Altersheim wohl besser für ihn wäre. Seine Angestellten hatten das Haus gut in Schuss gehalten, aber da nie Gäste kamen, wurden die anderen Schlafzimmer vernachlässigt. Über Jahre.

Aber Alex wollte dieses Haus unbedingt, und da es ihm gefiel, zögerte er nicht lang und besprach mit Thomas alles Weitere und unterzeichnete schließlich den Kaufvertrag.

Seine Söhne hatte er am Morgen gleich nach dem Makler angerufen. In Russland lief alles wie gehabt und er brauchte sich keine Sorgen machen. Seine Söhne waren anders als Josi. Bodenständiger. Nicht so risikofreudig. Und vor allem hörten sie auf ihn, wenn er etwas sagte.

Josi ... Nun ja. Sie war ein kleiner Wildfang, deren Eskapaden ihn sicher schon graue Haare beschert hätten, wenn das möglich gewesen wäre. Auf einmal hörte Alexej ein leises Flüstern vor der Hotelzimmertür. Zwei Frauen. Und eine der Stimmen kam ihm seltsam bekannt vor.

»Jeanette. Ich weiß ich hab ja gesagt, aber ich glaube, das ist doch keine so gute Idee.« Die andere seufzte theatralisch und holte gleich danach tief Luft.

»Bitte. Du bist meine letzte Hoffnung. Du musst doch nicht mit dem Kerl ins Bett. Unterhaltet euch. Das mit Thomas dauert nicht lange. Bitteeee! Ich hab ihn seit zwei Tagen nicht mehr gesehen. Und morgen fliegt er nach Texas zu seinen Eltern.«

Anscheinend hatte sie stumm zugestimmt, denn im nächsten Moment klopfte es an der Zimmertür. Thomas stand grinsend auf und öffnete den beiden Frauen die Tür. Alex stand ebenfalls auf, gute Manieren konnte man einfach nicht ablegen, egal wie viele Jahrhunderte man schon auf dem Buckel hatte.

»Jeanette. Schön dich zu sehen.« Thomas umarmte sie und gab ihr ein zartes Küsschen auf die Wange. Dann ging er etwas zur Seite und winkte die beiden herein.

»Alex, ich hoffe, es stört dich nicht, dass ich meine Freundin eingeladen habe. Sie ist etwas zu zeitig.« Er warf ihr einen leicht angesäuerten Blick zu und deutete schließlich auf die beiden Frauen. »Das hier ist Jeanette und ...« Alexej starrte die junge, blonde Frau an. Er kannte nicht nur ihre Stimme, er kannte auch das Gesicht dazu. Er hätte hier wirklich jede erwartet. Cassandra, Josi, vielleicht sogar seine Exfrau. Aber mit diesem Frauenzimmer hatte er ganz und gar nicht gerechnet.

»Annika?« Diese wurde knallrot und brachte kein Wort mehr heraus. Es war irgendwie sogar komisch, dass die Frau, die ihn einfach hatte links liegen lassen, als sie mit Cass gesprochen hatte, nun verlegen stammelte.

Jeanette erfasste zuerst wieder das Wort: »Ihr kennt Euch? Das ist ja super.« Damit henkelte sie sich bei Thomas ein und ging Richtung Schlafzimmer, das durch eine extra Tür vom Wohnraum abgegrenzt war. Sie zwinkerte den beiden neckisch zu. »Wir versuchen leise zu sein. Bis dann.« Damit schloss Jeanette die Tür und ließ Annika allein mit dem Wolf. Und komischerweise sah er sie gern als das kleine Rotkäppchen, das ihm hilflos ausgeliefert war.

 

»Ich ... äh ...« Annika trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen und sah zu Boden. Das war so peinlich. Wenn das raus käme. Cassy würde nie wieder ein Wort mit ihr reden. Alex ging seelenruhig zu der Couch zurück und setzte sich. Mit einer geschmeidigen Bewegung nahm er eine Whiskyflasche in die Hand, die unter dem Tisch gestanden hatte, und schaukelte diese auffordernd im Kreis, um Annikas Aufmerksamkeit zu erlangen.

»Möchtest du etwas trinken?« Sie ließ sich in einigem Abstand in einen Sessel fallen und legte stöhnend den Kopf in die Hände. Wenigstens benannte er die Situation nicht beim Namen. Vielleicht hatte sie eine Chance, dass er Cassandra nichts davon erzählte.

»Ja, bitte!« Nachdem sie das ihr angebotene Glas in einem Zug geleert hatte, schenkte er ihr noch einmal nach. Der Alkohol wärmte sie von innen und vertrieb den Schock, den sie empfunden hatte, als sie ihn im Zimmer gesehen hatte. Ihr war förmlich das Herz in die Hose gerutscht. Sie beobachtete ihn verstohlen dabei, wie er nachdenklich an dem Whisky nippte. In die unerträgliche Stille, die mittlerweile entstanden war, fragte sie leise: »Du wirst doch Cassy nichts davon erzählen, oder?«

»Warum sollte ich ihr erzählen, dass wir uns zufällig im Hotel getroffen haben?«

Sie lächelte ihn dankbar an und ein riesiger Felsbrocken fiel ihr von den Schultern. Eine Sorge weniger. Sie hatte sich schon schwergetan, Cassy von ihrer Existenz als Hexe zu erzählen. Dass sie mit ihrer Cousine in einem Hotelzimmer auftauchte, in dem zwei Männer warteten, würde dann doch schwer zu erklären sein.

Jetzt musste sie sich nur ganz schnell eine gute Ausrede für ihn einfallen lassen. Obwohl sie ihn nur flüchtig kannte, hatte sie nicht vor, als Hure vor ihm dazustehen. Er schien doch recht nett zu sein. Vielleicht war ihr erster Eindruck von ihm völlig falsch.

Und das er auch noch aussah, wie der personifizierte Mann ihrer Träume, entschärfte die Situation kein bisschen. Zum Glück schien er einer der wenigen zu sein, die ihrer magischen Anziehung widerstehen konnten.

»Danke.«

 

Joel streckte sich, als er sich erhob und den Computer ausschaltete. Sie waren noch eine ganze Weile im Herrenhaus der Wölfe geblieben und Shirin hatte sich anscheinend prächtig mit Mark verstanden.

So kühl sie ihm gegenüber auftrat, so herzlich konnte sie mit anderen umgehen. Ungezwungen. Sogar mit Josephine hatte sie sich unterhalten. Allerdings kein typisches Mädchengespräch, sondern eine Aufzählung ihrer jeweiligen Talente mit und ohne Waffen.

Josi agierte mehr aus dem Hinterhalt, wohingegen Shirin wie auch Amam den direkten Angriff bevorzugte. Josi war eine Schützin, Shirin eine Nahkämpferin.

Später erzählte Josi mit leuchtenden Augen von ihrer Adoptivfamilie in Russland und wie es ihr in den Jahren bis jetzt ergangen war. Wie sie Erik kennengelernt hatte. Dieser schien sogar stolz darauf zu sein, dass ihm seine Freundin den Hintern gerettet hatte, als Dereks Männer ihn in einen Hinterhalt gelockt hatten.

Joel sah auf die Uhr. Es war schon nach Mitternacht und die Sonne würde in ein paar Stunden wieder aufgehen. Trotzdem fühlte er sich nicht müde. Vielleicht lag das auch an der hübschen Brünetten, die im Nebenzimmer schlief.

Er hatte das Internet und seine ganzen Bekannten in der Welt angegrast, aber Shirin war niemandem bekannt. So konnte er sich nur auf Amams Wort verlassen, dass sie wirklich zu den Guten gehörte.

Sein Blick wurde immer wieder magisch von der Wand angezogen, die ihn von ihr trennte. Sie war eine Schönheit, die sein Hirn völlig außer Kraft setzen konnte. Und das gab ihm zu denken. Würde er noch klar denken können, wenn er sie küsste oder sogar mit ihr schlief?

Er fuhr sich durch die Haare und ging zum Balkonfenster. Frische Luft. Er brauchte ganz dringend frische Luft. Dann würde er sich wieder auf die wichtigen Dinge im Leben konzentrieren können. Zum Beispiel, warum es diese Dämonen auf Josi und ihn abgesehen hatten.

Gegen Amams striktes Verbot, auf den Balkon zu gehen, öffnete er die Balkontür und trat in die Kälte, die draußen herrschte. Sein Atem bildete kleine Wölkchen und ihn überkam die plötzliche Lust auf eine Zigarette. Instinktiv griff er in seine Brusttasche, nur um sich daran zu erinnern, dass er sie weggeschmissen hatte, als Shirin Josi gegenüber erwähnt hatte, dass sie kein großer Fan von Rauchern war. Plötzlich bereute er diese Entscheidung. Kalter Entzug. Und das nach fast fünfzig Jahren Gelegenheitsrauchen. Mist.

Er warf einen grimmigen Blick zu Shirins Balkontür, nur um verwundert festzustellen, dass sie angelehnt war. Wer war nun unvorsichtig? Joel ging zu der Tür und wollte Shirin wecken, als er seine persönliche Göttin fast unbekleidet auf dem Bett liegen sah.

Nur ein paar Shorts und ein Top bedeckten ihre schöne Haut, die wie helle Vollmilchschokolade aussah. Wie sie wohl schmecken würde? Er schüttelte den Kopf, um die sinnlichen Gedanken zu vertreiben, die sich in seinem Kopf selbstständig machten.

Er drückte die Balkontür auf und betrat leise das Zimmer. Unter keinen Umständen würde er sie jetzt wecken, wo er sie endlich einmal in aller Ruhe betrachten konnte. Die wohlgeformten Schenkel, die weder schlank noch dick waren. Sie hatten genau das richtige Maß, um erotisch wirken zu können.

Sein Blick wanderte weiter nach oben zu ihrem Po. Ja, sie hatte einen tollen Po. Knackig, trainiert und kein Gramm Fett zu viel, wie an ihrem restlichen Körper auch. Auf ihrem Bauch deutete sich ein kleines Sixpack ab, um dass sie wohl einige Frauen beneiden würden. Dabei hatte er sie noch gar nicht trainieren sehen.

Es zuckte ihn förmlich in den Fingern, über ihren Körper und durch ihre Haare zu fahren. Er trat etwas näher an das Bett heran. Wie konnte sie nur bei diesen Temperaturen ohne Decke schlafen? Im Raum waren sicher nur siebzehn Grad Celsius und selbst ihm, der ein T-Shirt und eine Jeans trug, war es zu kalt.

Plötzlich regte sie sich und drehte sich im nächsten Moment auf den Rücken, schlief aber weiter. Jetzt lag sie wie ein hilfloses Opfer vor ihm. Aber eine hilflose Frau wäre sie nie.

Joel sah Shirin lächelnd an, während sein Blick ihre Lippen streifte. Er wusste, er sollte es nicht tun, aber der Drang war einfach zu stark. Er senkte den Kopf und küsste ihre weichen warmen Lippen.

Shirin riss die Augen auf und stieß ihn von sich.

 


Woelfe der Macht
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