11. KAPITEL

Light My Fire

„Das ist keine Party“, murrte Sarah. „Das ist eine Orgie.“

„Ja, und das ist es, was mir so gut gefällt“, antwortete Martika.

Die Anais.com-Party wurde in einer dieser Fabrikhallen mit geschwärzten Fenstern abgehalten, irgendwo in Venice. Die Schlange vor der Tür war geradezu lächerlich lang gewesen, und Leute ohne Einladung wurden sofort weggeschickt. Sarah hatte die übliche Mannschaft angeschleppt – Martika, Taylor, Luis, Pink und sogar Kit. Jedermann außer Kit hatte sich richtig aufgemotzt. Martika trug ein irisierendes Top und einen kurzen schwarzen Rock und die üblichen Stiefel. Pink hatte ein Kleid im Stil der sechziger Jahre an und weiße Boots. Taylor hatte sich für ein metallblaues, knallenges Hemd und schwarze Hosen entschieden. Luis hatte die Kombination einfach umgekehrt, enges schwarzes Hemd und blaue Hosen. Sarah selbst hatte sowohl Richards als auch Pinks Ratschläge berücksichtigt und ein hellblaues Babydoll-Kleid angezogen, Spangen in die Haare gesteckt und trug Pumps mit sehr hohen Absätzen. Kit … nun, Kit trug Jeans und ein weißes T-Shirt.

Sarah hoffte inbrünstig, dass es keine Kleiderordnung gab, stellte aber schnell fest, dass sie sich umsonst Sorgen gemacht hatte. Behelfsmäßig waren an beiden Seiten des Raumes zwei Theken aufgebaut, beide völlig überfüllt. Die Barkeeper trugen weiße DKNY-Unterhosen, die nichts der Fantasie überließen. Einige Frauen liefen in String-Tangas, BHs und High-Heels durch die Gegend. Auch auf der Tanzfläche und in Käfigen, die an den Wänden hingen, tummelten sich spärlich bekleidete Männer und Frauen. Die Party wurde von Bacardi gesponsert, der Geruch nach Rum war durchdringend.

„Eine Höllenparty!“ rief Taylor und starrte einen Mann an, der nur ein Suspensorium trug und mit einem Freund sprach, der in seinem Anzug ziemlich fehl am Platz wirkte … zumindest so lange, bis man bemerkte, dass sein Penis wie ein kleiner Elefantenrüssel aus seinem Hosenschlitz hing. „Ich glaube, ich habe … Moby gesehen!“

„Das ist die coolste Party, die ich je erlebt habe“, sagte Pink ehrfürchtig. „Irgendjemand hat mir gerade ein kleines Päckchen in die Hand gedrückt, und darin sind Ecstasy-Pillen.“

Sarah tat so, als hätte sie das nicht gehört.

„Also, suchst du nach einer neuen Zielscheibe, ja?“ fragte Martika lächelnd.

„Weißt du, ich glaube, ich bin so weit“, rief Sarah.

„Wofür?“ fragte Kit.

Sarah runzelte die Stirn. „Das geht dich nichts an, Kit.“

Er grinste. „Dann solltest du nicht so schreien“, brüllte er über den Höllenlärm, den der DJ mit seiner Musik verursachte. Sie verdrehte die Augen, lehnte sich an Martika und ignorierte ihn. „Ich glaube, heute Nacht werde ich jemanden mit nach Hause nehmen“, sagte sie und holte tief Luft.

„Braves Mädchen“. Tika lächelte breit. „Wen?“

„Das weiß ich noch nicht“, antwortete Sarah und durchsuchte die Menge. „Aber ich werde es dich wissen lassen.“

Sie schlenderte mit Martika und Pink umher, während Taylor, Luis und Kit versuchten, Getränke zu ergattern. Es gab eine Menge gut aussehender Männer hier, auch wenn sich Sarah nie ganz über deren sexuelle Neigungen im Klaren war.

Es gab nur Möchtegern-Promis hier … ein paar Sternchen aus Vorabendserien. Pink bildete sich zwar ein, dass sie ein paar richtige Stars gesehen hätte, aber die schienen in einem „Privatzimmer“ ihr eigenes Fest zu feiern.

„Der Barkeeper hat mich angemacht“, verkündete Taylor enthusiastisch. „Hier sind eure Drinks. Sarah, ich möchte auf dich trinken, du hast mit dieser Party einen echten Coup gelandet.“

„Ich habe doch nur eine Einladung von meinem Chef bekommen“, sagte sie abwehrend. „Das heißt lediglich, dass ich jemanden kenne, nicht dass ich etwas erreicht habe.“

„Kindchen, Kindchen, du wirst noch feststellen, dass du eine Menge tolle Leute kennst“, sagte Taylor wichtigtuerisch und schüttete beinahe sein Getränk über Martika. „Und eines Tages wird dir das noch sehr gelegen kommen, glaube mir … oh mein Gott!“

Sarah bemerkte, dass Martikas Mund offen stand. Sie drehte sich um, neugierig, was das wohl bewirkt hatte, und riss die Augen auf. Sie wollte nicht einmal blinzeln, um nicht auch nur einen Bruchteil von dem zu verpassen, was sie vor sich sah.

Er war einen Meter neunzig groß, trug ein ärmelloses Hemd, das seinen herrlich geformten Oberkörper betonte. Seine Haut war dunkel und glänzte irgendwie, sein schwarzbraunes Haar war leicht gewellt, und seine dunklen Augen hätten Stahl durchbohren können. Er sah sich interessiert um.

„Ich glaube ich spinne, das ist Raoul“, flüsterte Taylor ehrfürchtig. Sie lehnten sich alle aneinander und starrten ihn wie Schulmädchen an.

„Raoul, das Unterwäsche-Model?“ fragte Martika, die ihren Blick nicht von seiner Brust losreißen konnte.

„Wow. Ich vermute, er ist berühmt.“

„Machst du Witze?“ fragte Martika und schubste Sarah an. „Aber viel wichtiger ist, wie ich ihn dazu bringe, mich zu heiraten und mir den Lebensstandard zu garantieren, an den ich gewöhnt bin.“

Sarah war überrascht, Martika sah doch tatsächlich nervös aus. „Also, geh zu ihm und sprich ihn an“, sagte sie ermutigend, fasziniert über den plötzlichen Rollentausch.

„Vielleicht.“ Martika sah sich um. „Wenn ich noch was getrunken habe.“

„Wenn du noch eine Menge getrunken hast“, korrigierte Taylor. „Komm mit mir an die Theke.“

„Und bringt mir eine Flasche Wasser mit, wenn es so was hier gibt“, rief Sarah ihnen hinterher. Pink tanzte mit einem Mädchen, und sie hatte keine Ahnung, wo Kit war – und, dachte sie, als sie Raoul betrachtete, mir ist das ehrlich gesagt auch völlig egal. Dieser Mann sah absolut göttlich aus. Er war die Personifizierung eines Riesenschokoeisbechers auf einer Sex-Vergnügungsfahrt. Er sah sündhaft gut aus. Sie fragte sich, wie er wohl schmeckte. Das bin ich nicht! Sie versuchte, ihre Gedanken zu verscheuchen. Da bemerkte sie, dass er sie anstarrte. Er lächelte. Ihr Magen begann nervös zu flattern. So. Und was sollte sie als Nächstes tun? Er nahm ihr die Entscheidung ab, indem er sich langsam den Weg zu ihr bahnte, und der Knoten in ihrer Kehle wurde fester, je näher er kam. Schließlich war er nur noch ein paar Zentimeter entfernt.

„Hi!“ hörte sie eine fröhliche Stimme, und schon war Raoul von dem dynamischen Duo Taylor und Martika flankiert. „Du musst Raoul sein.“ Tika warf ihm ihren besten Komm-und-nimm-mich-Blick zu. Taylor starrte ihn an, und Sarah fragte sich, für wessen Annäherung Raoul wohl empfänglich sein würde. Vermutlich für beide, dachte sie traurig. Dann würde sie eben ihren Babydoll-Hintern einfach wieder auf die Couch platzieren und so tun, als habe sie sich nur strecken wollen. Er war völlig in das Gespräch mit den beiden vertieft. Martika lächelte ununterbrochen, und Taylor berührte ihn öfter, als nötig gewesen wäre … dann wandten sie sich an Sarah und zwinkerten verschwörerisch.

Sarah ärgerte sich über sich selbst. Klar wollte sie heute Nacht mit einem Mann ins Bett gehen … aber es musste ja nicht der Erstbeste sein.

Wenn Tika, wie sie annahm, Raoul später mit ins Apartment brachte, würde sie ihm am nächsten Morgen bei einer Grapefruit eben einfach höflich Hallo sagen. Warum nicht? Sie ging auf das Grüppchen zu, streckte ihm lächelnd die Hand entgegen und sagte: „Hi. Ich bin Sarah.“

Er beugte sich zu ihr. „Wie bitte?“

„Sarah“, rief sie ihm ins Ohr. „Mein Name ist Sarah.“

Sein Lächeln schien ausschließlich ihr zu gelten. „Sarah. Das ist hübsch. Klingt irgendwie gemütlich.“ Wegen seines Akzents klangen seine Worte süß wie Honig. „Mein Name ist Raoul.“

„Das weiß ich bereits.“ Sie musste ihren Drang unterdrücken, irgendetwas Lächerliches zu tun – ihn zu küssen etwa oder in Ohnmacht zu fallen.

„Tolle Party, oder?“ fragte er. Seine Zähne waren blendend weiß. Bestimmt machte er auch Werbung für Zahnpasta.

„Fantastisch“, antwortete Martika. „Woher kennst du anais.com?“

Sarah runzelte die Stirn. Soweit wie wusste, war Martika normalerweise nie aufdringlich!

Er zuckte die Achseln. „Ich habe mal Fotos für ihr Cover gemacht. Aktfotos. Nichts Besonderes.“

Martika sah so aus, als würde ihr jeden Moment das Wasser im Munde zusammenlaufen – bei Taylor war das offenbar schon passiert.

„Wir kennen Richard Peerson“, sagte Sarah. „Er hat mal einen Artikel für sie geschrieben.“

„Ich wäre auch ohne Einladung auf diese Party gegangen“, sagte Raoul unbeeindruckt.

Okay, starrt er mich an, dachte Sarah, oder bin ich verrückt? Der böse Blick von Martika überzeugte sie davon, dass sie nicht verrückt war. Wie sollte sie damit umgehen?

„Können wir dich zu einem Drink einladen?“ fragte Martika und begann, ihn Richtung Bar zu schieben.

Taylor riss sich zusammen. „Hat jemand Luis gesehen? Ich will ihm unbedingt Raoul vorstellen!“

„Ich glaube, er ist Richtung Ausgang gelaufen“, warf Sarah ein.

„Großartig.“ Taylor schüttelte sich. „Das riecht nach Drama. Verdammt.“ Und er verschwand in der Menge.

„Ich fand dich ja soooo sexy in der Luis-Vuitton-Werbung“, rief Martika drängend. „Ich hoffe, dass wir nicht zu lange anstehen müssen. Was würdest du gerne trinken?“

„Ehrlich gesagt, im Moment gar nichts.“ Raoul wirkte fast ein wenig überfordert. „Warum setzen wir uns nicht hin?“ Dabei sah er Sarah an, die den beiden folgte, als sie eine Berührung an ihrem Rücken spürte und sich erschrocken umdrehte. Es war Kit.

„Hast du Taylor und Luis gesehen?“

„Ich glaube, sie sind rausgegangen“, sagte sie.

„Wie bitte?“

Sie schrie ihm ins Ohr: „Ich sagte, ich glaube, sie sind rausgegangen!“

„Verdammt. Ich bin mit ihnen hergefahren. Ich hoffe nur, dass sie keinen Streit haben.“ Er sah sie von oben bis unten an. „Wenn sie Stress machen, könnte ich dann bei dir mitfahren?“

Sie dachte an ihren Vorsatz, jemanden mit nach Hause zu nehmen. „Äh, ich bin nicht sicher. Ich meine, ich weiß noch nicht genau, was ich hinterher mache, verstehst du?“

Er stupste sie leicht an und studierte ihr Gesicht. Aus irgendeinem Grund hatte sie plötzlich Gewissensbisse. Sie reckte das Kinn. Dafür gab es keinen Grund. Kit war bestimmt auch kein Kind von Traurigkeit, und wenn ein wunderhübsches Supermodel ihm schöne Augen machen würde, würde er sich auch keine Gedanken um sie, Sarah, machen.

„Pass auf dich auf“, sagte er, und sein Atem kitzelte in ihrem Nacken. „Okay?“

Sie nickte. „Natürlich.“

Er starrte sie noch kurz an, drehte sich dann weg und verschwand.

Sarah ging zu Martika und Raoul. Martika sah ziemlich nervös aus, obwohl sie sich alle Mühe gab, gelangweilt zu wirken. Raoul starrte Sarah an. „Wer war das? Dein Freund?“ fragte er, und seine Augen glühten wie Kohlen.

„Um Himmels willen, nein“, sagte Sarah lachend. Raoul klopfte auf den Platz neben sich. „Kit ist nur ein Freund.“

„Wie gesagt, es ist eine großartige Party.“ Er legte seinen Arm ganz unauffällig auf die Lehne hinter ihr. Nun sah Tika geradezu aggressiv gelangweilt aus mit ihren zusammengekniffenen Augen. Oh! Das ist kein gutes Zeichen!

„So, Raoul …“, sagte Tika, lehnte sich vor und zeigte viel Dekolleté. „Was machst du später noch?“

Raoul warf ihr einen Blick zu, zuckte mit den Schultern und wandte sich wieder an Sarah. „Kommt ganz darauf an.“

Sarah spürte, wie die Hitze in ihre Wangen schoss, und lächelte ihn dann an, in der Hoffnung, dass die Einladung deutlich genug war. Sie war in so was ja nicht wirklich geübt. Aber das wird sich ändern! Er wandte sich an Tika, und Sarah fühlte sich einen Moment lang verloren. Doch nur einen Moment lang.

„Würdest du uns entschuldigen?“ rief er und drehte sich wieder zu Sarah, noch bevor er den Schock in Martikas Gesicht sehen konnte. „Möchtest du tanzen?“

Sie versank in seinem dunklen Blick. „Wahnsinnig gerne.“

Würdest du uns entschuldigen? Martika schüttete den Rest Kamikaze in ihrem Glas runter. „Ich nehme noch einen“, rief sie Taylor zu. Er verdrehte die Augen und tat, wie befohlen. Die haben Nerven. Die haben verdammt noch mal Nerven!

Sie war es doch, die diese undankbare kleine Schlampe überhaupt so weit gebracht hatte. Sie hatte aus dem kleinen Landei aus Fairfield eine erfahrene Clubgängerin gemacht, und was war der Dank dafür? Sarah wusste doch, dass der Typ ihr gefiel. Wie oft hätte sie wohl sagen sollen „Ich will ihn“, damit sie das kapierte? Es gab einfach gewisse Regeln für solche Dinge, und eine davon war, wenn deine Freundin auf einen bestimmten Typen abfuhr, dann hatte man nicht in ihrem Gebiet zu wildern. Viel schlimmer, es war geradezu Betrug, wenn man dann vor ihren Augen auch noch mit ihm rumtanzte. Das habe ich ihr nicht beigebracht! Diese Demütigung. Sie hatte Sarah alles über Verführung und das Nachtleben in L.A. erklärt. Dass sie jetzt einfach so tat, als ob das ihre Party wäre und ihre Freunde, als ob sie irgendwie ein besserer Fang war, weil sie jünger war und ihr verdammtes Haar eisblond gesträhnt war und sie Klamotten trug, in die sie, Martika, nicht mal gepasst hatte, als sie in Sarahs Alter war … Sie unterbrach ihre eigene Tirade. Das war erschreckend! Ging es wirklich darum?

Taylor kam zurück. „Hast du Luis gesehen? Ich habe ihn überall in dieser verdammten Halle gesucht …“

„Das interessiert mich überhaupt nicht“, gab Martika zurück.

„Was ist denn heute bloß los?“ fragte Taylor. „Kit ist verschwunden, Luis ist abgehauen und schmollt wahrscheinlich irgendwo. Wir sind auf der besten Party, die wir je erlebt haben, und du sitzt hier rum und siehst aus wie Joan Crawford, die dem gottverdammten Grinch begegnet ist. Was hast du?“

„Ich … Sarah geht mir auf die Nerven. Ich hatte Raoul schon fast so weit, und dann hat sie ihn auf die Tanzfläche gezerrt.“ Ihr war klar, dass sie die Geschichte ein wenig abänderte, doch sie konnte der ganzen schrecklichen Wahrheit nicht ins Auge sehen. Sie knallte das limonengrüne Getränk, das Taylor ihr gereicht hatte, vor sich auf den Tisch. „Aber das ist schon in Ordnung. Ich werde mich später um ihn kümmern.“ Ihr war vom Alkohol ein wenig schwindlig, deshalb dauerte es eine Weile, bis sie bemerkte, dass Taylor wie ein Schaf schaute – und das tat er sonst nie.

„Was? Was denn?“ Sie zwickte ihn. „Raus damit.“

„Nun, ich glaube du solltest Raoul für heute Nacht vergessen“, sagte er und schob mit großem Aufwand die Gläser auf dem Tisch umher. „Ich glaube nämlich, dass er gerade mit Sarah nach Hause gegangen ist.“

„Er ist mit Sarah verschwunden?“ Sie blinzelte. Das war nicht möglich. Das war verdammt noch mal nicht möglich! „Wie meinst du das? Dass er sie nach Hause fährt oder so?“

Taylor hustete verlegen. „Es sah nicht so aus, als ob es sich nur um das Fahren handelte.“

Sie starrte ihn an. Raoul, das Unterwäsche-Model war mit Sarah, dem Landei, nach Hause gegangen.

Um Sex zu haben.

„Dieses Miststück!“

Taylor legte seine Hand über ihren Mund, so dass der Rest ihrer Beschimpfungen zu einem unverständlichen Murmeln wurde. Einige Leute beobachteten sie, wie sie weiter schimpfte und schließlich laut kreischte. Als sie sich beruhigt hatte, ließ er sie los. „Tika, du hättest dasselbe getan!“

„Ich habe einen Ruf zu verlieren.“

Er zog eine Augenbraue nach oben. „Oh. Und jeder in der Sweet Valley High School wird davon wissen, wenn die Schule am Montag wieder beginnt.“ Er schüttelte den Kopf. „Reiß dich zusammen, Mädchen. Ich für meinen Teil bin stolz darauf, dass unsere Kleine sich in der Nahrungskette vom artigen Kleinkind zum Unterwäsche-Model verführenden Vamp entwickelt hat. Wir haben ihr eine gewisse Klasse gegeben.“

„Das glaube ich nicht“, schimpfte Tika. „Ich dachte, dass ihr Freundschaft etwas bedeutet.“

Er schnalzte mit der Zunge. „Klar. Es geht ja nicht darum, dass ein herrliches Unterwäsche-Model dir deine Freundin vorzieht. Nein, nein.“

Sie starrte ihn an.

„Es dreht sich alles nur um dich, Liebling.“

Sie sah, wie Luis auf sie zustelzte, und wollte Taylor eigentlich vorwarnen, doch dazu war sie im Augenblick viel zu sauer. Luis schlug Taylor so hart auf den Rücken, dass der herumflog und fast ein Schleudertrauma bekam. Ein grausamer Teil in Martika freute sich darüber.

„Du Miststück!“

„Wie bitte? Was habe ich denn getan?“ schrie Taylor und versuchte, sich gegen die Schläge zu wehren, die auf ihn niederprasselten.

„Du hast mit dem DJ geschlafen!“

Taylor sah ihn schockiert an. „Das habe ich nicht! Ich habe ihn nur auf ein Getränk eingeladen.“

„Ich bin fertig mit dir, Taylor.“ Er schrie Taylor auf Spanisch noch eine Weile an und lief dann weg. Taylor folgte ihm, Martikas Problem schien ihm jetzt völlig egal zu sein.

Sie biss die Zähne zusammen. Sie freute sich darüber, dass Taylor für die Andeutung bestraft wurde, dass sie auf diese langweilige kleine Schlampe eifersüchtig sein könnte. Noch immer fühlte es sich an, als ob Gift durch ihre Adern rauschte. Sie musste ihre Wut irgendwie rauslassen. Sie brauchte Sex wie ein Junkie die Nadel. Hier würde sie das offenbar nicht finden. Sie verließ die Party, holte ihren Wagen und fuhr ins Probe. Das war ihr Club. Ihr Spielplatz. Sie drängte sich auf die volle Tanzfläche, auf der die Leute frenetisch zu dem hypnotisierenden Rhythmus tanzten. Sie bewegte sich mit der Musik, spürte sie und durchsuchte die Menschenmenge nach einem möglichen Kandidaten.

Sie fand ihn. Er trug Anzug und Krawatte, sah furchtbar fehl am Platz aus, und wenn sie seinen Gesichtsausdruck richtig deutete, wusste er das auch. Dass er reif war, merkte sie daran, wie eifrig er sich umsah. Sie schätzte ihn auf siebenundzwanzig, also nicht ganz so jung, wie sie es gerne gehabt hätte, aber das war ja egal, es würde sowieso nicht lange dauern, und niemand würde etwas davon erfahren. Sie tanzte auf ihn zu. Als sie nur noch ein paar Schritte von ihm entfernt war, starrte er sie wie hypnotisiert an. Sie brauchte ihn nicht einmal zu fragen, ob er tanzen wollte, sie drückte einfach ihren Körper gegen seinen und dirigierte ihn sanft. Die beste Möglichkeit herauszufinden, wie ein Typ im Bett ist, ist mit ihm zu tanzen, hatte sie Sarah erst vor kurzem erklärt. Und Sarah war offenbar eine sehr gute Schülerin, wenn auch eine miese Freundin. Sie würde ihr zeigen, wie man es richtig machte!

Er atmete jetzt schneller, und sie spürte, dass er bereits hart war. Gut, dachte sie, er hat was zu bieten. Es war Zeit, ihn auszuprobieren. Sie beugte sich zu ihm und rieb ihre Wange an seiner: „Willst du wohin gehen, wo es ruhiger ist?“

Er nickte wie ein kleiner Junge und folgte ihr. In der Eingangshalle war es nicht so laut. Der Typ sah ziemlich gut und irgendwie unschuldig aus. Wie eine Jungfrau. Sie liebte es, Männer zu verführen. Er war genau das Opfer, das sie gesucht hatte.

„Worüber wolltest du dich unterhalten?“ fragte er mit heiserer Stimme.

„Darüber“, sagte sie und gab ihm einen langen Kuss. Sie wusste, dass es unglaublich war, was sie mit ihrer Zunge anstellen konnte. Er schnappte nach Luft und fiel dann geradezu über sie her, gab ihr feuchte, hungrige Küsse. Als er eine ihrer Brüste packte, lächelte sie und begann seinen Nacken und seine Brust zu streicheln, dann griff sie tiefer – zwischen seine Schenkel. Er ächzte.

„Suchst du einen Ort, wo du ihn hintun kannst, Schätzchen?“

Er blinzelte. „Das wird mich doch, äh, nichts kosten, oder?“

Sie schüttelte den Kopf. „Bestimmt nicht, Kleiner.“

„Hier?“ Seine Stimme überschlug sich fast. Sofort sprach er leiser. „Auf der Stelle?“

„Nun …“ Sie dachte darüber nach, ihn mit nach Hause zu nehmen, aber die Tatsache, dass Sarah dort mit Raoul zugange war, verdarb ihr den Spaß. Außerdem würde sie den armen Jungen aus reinem Konkurrenzdenken wahrscheinlich im Bett umbringen. „Warte kurz.“ Sie nahm seine Hand und zog ihn auf die Hintertreppe, die Taylor ihr einmal gezeigt hatte und die zu einem Lagerraum führte. Sie hatten Glück, er war nicht abgeschlossen. „Das wird den Manager ganz schön ärgern“, sagte sie, schob ihn hinein und schloss die Tür hinter sich. Er riss sie an sich. Innerhalb weniger Minuten hatte er ihren Slip heruntergezogen und den Rock hochgeschoben. Er hätte vor Aufregung beinahe seinen Reißverschluss kaputt gemacht.

„Kondom?“

Er zog eine Geldbörse aus seiner Tasche und förderte eine kleines Päckchen zu Tage. Ich frage mich, wie lange es da schon auf seinen Einsatz wartet, dachte Martika. Es war ziemlich düster, sie konnte das Verlangen auf seinem Gesicht kaum sehen, und sie ärgerte sich darüber, wie ungeschickt er mit dem Kondom kämpfte. Sie lehnte sich gegen einen Stapel Kartons, und er machte einen Schritt auf sie zu und drang ohne zu zögern in sie ein. Er war ziemlich stark. Und auch nicht schlecht. Er bewegte sich immer schneller, sie drückten sich aneinander, die Kante eines Kartons schnitt ihr in den Rücken, und sie schlang ihre Beine um seine Hüften.

„Ah … aaah …“ Er atmete laut in ihr Ohr und stieß so fest zu, dass es fast wehtat.

„Ja. Genau so. So ist es gut.“ Sie verkrallte sich in sein Hemd und konzentrierte sich. Sie dachte an Raoul. Biss die Zähne zusammen und stöhnte teils vor Lust, teils vor Schmerz. Sie dachte an einige der Männer, mit denen sie in den letzten Jahren geschlafen hatte … in wie vielen Jahren? In wie vielen Zimmern? Oh, diese Gedanken halfen nicht. Sie schloss die Augen und ließ vor ihrem geistigen Augen ihre liebste Fantasie entstehen, die mit dem Gladiator und der Sklavin. Gott sei Dank kam sie fast augenblicklich und biss in seinen Nacken, um ihren Schrei zu unterdrücken.

„Ah … ah!“ Er stieß weiter in sie, und sie kam ihm entgegen. Schließlich zog er sich zurück, streifte das Kondom ab und steckte es zurück in die Folie. Süß, dachte sie, schob ihren Rock nach unten, nicht ohne zu bemerken, dass sie ganz schön nass war. Sie musste sofort auf die Toilette gehen. Oder nach Hause und duschen und dann vielleicht weiterziehen. Martika bemerkte, dass sie müde war, also würde sie vielleicht doch zu Hause bleiben. Oh, wie tief war sie gefallen. Sie zog den Slip hoch und war wütend darüber, dass er so feucht war.

Er wandte sich ihr zu. „Also. Möchtest du mir deine Telefonnummer geben?“

Sie lachte und fühlte sich mit einem Mal viel besser. „Warum nicht?“

Es war ein Uhr nachts, und Judiths Rücken begann zu schmerzen. Seit Stunden saß sie nun vor dem Computer, da war ein ergonomischer Stuhl auch keine Hilfe mehr. „Roger, ich muss jetzt wirklich aufhören“, tippte sie.

Roger: Müde?

„Vollkommen“, antwortete sie. „Normalerweise bleibe ich nicht so lange wach.“

Roger: Hier ist es bereits vier Uhr.

„Oh mein Gott, tut mir Leid!“ Es tat ihr wirklich Leid. Sie hatte mit ihm … sie zuckte zusammen … fünf Stunden gechattet. Nein, sechs. „Ich wollte dich nicht so lange wach halten.“

Roger: Gar kein Problem. Ich habe eine Zeit lang mit einer hübschen Frau sprechen dürfen … und korrigiere mich, falls ich falsch liege: Du hast es gebraucht!“

Obwohl er es nicht sehen konnte, errötete Judith ein wenig. „Die letzten Tage waren einfach ziemlich anstrengend“, gab sie zu. Nicht dass sie anders gewesen wären als alle anderen Tage – aber mit einem Mal schien sie sich der Probleme bewusster zu sein. „Außerdem habe ich ein wenig Angst.“ Sie dachte nach. „Vielleicht nicht Angst. Ich bin etwas nervös. Ich bin alleine im Haus.“

Roger: Und das bist du nicht gewöhnt?

„Man sollte meinen, ich hätte mich daran gewöhnt“, antwortete Judith. Sie wusste selbst nicht genau, warum sie in dieser Nacht nicht schlafen konnte, warum die Vorstellung, alleine ins Bett zu gehen und die Augen zu schließen, so erschreckend war. „Als David noch in der Ausbildung war, habe ich ihn fast nie gesehen. Aber heute Nacht fühle ich mich so seltsam.“

Roger: Bist du vielleicht ein bisschen einsam?

Judiths Kichern hallte in dem stillen Haus. „Genau, das ist es.“

Roger: Verstehe. Bei Sturm ist dir jeder Hafen recht.

„Nun, nachdem du über dreitausend Meilen entfernt bist, würde ich das nicht gerade einen passenden Hafen nennen“, tippte sie als Antwort und fühlte sich dabei sehr mutig. Es war wirklich spät, und sie war alleine. Dieses Gespräch war nicht real. Es kam ihr mehr wie ein Traum vor.

Roger: Das könnte ich aber sein, Judith. Selbst von hier aus.

Jetzt musste Judith lachen. „Ich habe keine Angst vor dir.“

Roger: Das kann nur daran liegen, dass du mich noch nie geküsst hast. Ich kann das nämlich ziemlich gut.

„Oh, was für eine Drohung!“ Das war albern. Das war völlig albern. „Was bist du, eine Art Don Juan?“

Roger: Lass mich das so beantworten: Was hältst du von langsamen, tiefen, zarten, nassen Küssen, die drei Tage dauern?

Judith spürte ein kleines Prickeln auf der Haut. „Schön, und?“

Roger: Bei mir dauert es noch länger.

Judith lachte noch immer, doch sie fühlte eine seltsame Wärme in sich aufsteigen, während ihr Lachen immer atemloser wurde. „Du magst also lange Küsse. Und? Das ist nichts Neues für mich.“

Roger: Nicht nur auf deinen Mund.

Judith war sich zuerst nicht sicher, ob sie das richtig gelesen hatte. Dann, als sie begriff, was er da geschrieben hatte, wurde sie puterrot. „Du bist unartig.“ Langsam wurde sie wirklich müde. Sie sollte das Gespräch beenden.

Roger: Ich mache es einfach gerne gründlich. Ein Mann kann mit zwei Lippen und einer Zunge eine Menge anstellen, glaube mir.

Plötzlich hatte sie eine Idee … oh Gott, sie konnte doch nicht … sie würde niemals. Aber aus irgendeinem Grund, so alleine im Haus, im Kontakt mit einem Fremden, fand sie die Idee nicht schlecht. Zur Hölle, die Idee war großartig. „Ja, ja!“ tippte sie und versuchte, wieder etwas Spaß in die Unterhaltung zu bringen und sich nicht anmerken zu lassen, wie nervös seine Worte sie gemacht hatten. „Alle Männer glauben, dass sie großartig im Bett sind. Ich glaube eher, dass du eine Menge Frauen hattest, die großartig im Vortäuschen waren!“

Roger: Das wirst du erst wissen, wenn du es probiert hast, nicht wahr?

Judith war es jetzt sehr, sehr warm. Sie rutschte nervös auf dem Stuhl herum. Sie war bereits ein wenig – oh, verdammt. Sie war bereits sehr erregt, wie lächerlich! „Nun, noch mal, du bist dreitausend Meilen entfernt …“

Roger: Ich könnte es dir von hier aus zeigen.

Es ist doch nur das Internet, dachte sie. Das war nicht echt. Niemand wird das je erfahren!

„Gut, gib mir ein Beispiel“, tippte sie. Inzwischen zitterte sie am ganzen Körper und starrte erwartungsvoll auf den Monitor.

Roger: Zunächst einmal, das Küssen ist wirklich sehr wichtig. Sagen wir mal, eine Stunde Küssen für den Anfang. Genussvolles Küssen. Dann ziehen wir uns langsam gegenseitig aus, wir küssen uns aber weiterhin. Und berühren uns. Ich lerne jeden Zentimeter deines Körpers kennen. Ich meine JEDEN Zentimeter.

Judith konnte nicht glaube, dass sie diese Worte wirklich las. Sie wollte aber auch nicht, dass er aufhörte. Wann habe ich David zum letzten Mal länger als die zehn Minuten geküsst, die er braucht, um erregt zu werden? Und wann war das Ausziehen zum letzten Mal etwas anderes gewesen als Mittel zu Zweck? Seine Berührungen erregten sie seit ewigen Zeiten nicht mehr. Nur hatte sie bis zu dem Augenblick, wo ein Fremder süße Worte an sie schrieb, gar nicht darüber nachgedacht.

Roger: Dann, wenn wir beide nackt sind, trage ich dich ins Bett. Ich beginne damit, dich weiter unten zu küssen. Deine Brüste verdienen auf jeden Fall eine Menge Aufmerksamkeit, was meinst du?

Judith dachte darüber nach. „Ja … aber nicht zu lange“, antwortete sie. Ich mache mit bei seinem Spiel! Es entstand eine Pause, und Judith fragte sich, ob sie ihn schockiert hatte, oder ob er das alles vielleicht doch nicht Ernst gemeint hatte. Oder, ob er eingeschlafen war. Doch noch bevor sie sich schämen konnte, kam seine nächste Botschaft.

Roger: Ich hoffe, du findest mich nicht zu unanständig. Denn ich weiß etwas, das du vielleicht gerne einmal ausprobieren würdest.

Ihr Magen krampfte sich zusammen. Sie war sehr erregt, und sie sehnte sich nach Sex. Nach gutem Sex. „Was hast du vor?“

Roger: Ich glaube, wenn du es zulässt, könnte ich dafür sorgen, dass es dir viel besser geht. Allerdings musst du mir dabei ein wenig helfen.

„Wie? Was soll ich tun?“

Roger: Mach mit deinen Händen, worum ich dich bitte. Und stell dir dabei vor, dass es meine Lippen sind.

Ihr wurde ganz heiß. Sie blickte sich um, als ob jemand sie sehen könnte. Der Rollladen war herunter gelassen, das Haus leer. Sie fühlte sich nur ein klein wenig schuldig, als sie ihr Nachthemd nach oben und die linke Hand unter ihren Slip schob. Es fühlte sich seltsam an. Unartig, dachte sie. „Und jetzt?“ schrieb sie unbeholfen mit der rechten Hand.

Roger: Wenn ich jetzt bei dir wäre, würde ich dich aufs Bett legen und deine Schenkel streicheln, die Innenseiten der Schenkel. Dann küsse ich sie, bis ich zu deiner Vagina komme. Ich öffne sie langsam, nur ein wenig, drückte mein Zunge darauf, umkreise sie …

Judith fühlte sich wie in Trance. Jetzt streichelte sie sich mit beiden Händen, ein Bein hatte sie auf den Tisch gelegt, und sie tat, was er beschrieb, während sie seine Worte durch halb geschlossene Augen las. Nach einiger Zeit begann sie heftiger zu reiben, ihr Atem wurde flach. Seine Worte blinkten auf dem Monitor auf, immer schneller, und sie bog sich zurück und presste ihren Rücken gegen die Stuhllehne. Sie konnte einfach nicht aufhören.

„Oh … oh … oh!“, schrie sie lauter, als sie es jemals bei David getan hatte. Der Orgasmus traf sie wie eine Faust, sie wäre beinahe vom Stuhl gefallen. Hinterher wusste sie nicht mehr, wie viele Nachrichten Roger ihr geschickt hatte.

Oh mein Gott!

Sie konnte nicht glauben, was da geschehen war. Sie fühlte sich benommen. Schuldig. Sie wollte …

„Was würdest du noch mit mir tun?“

Sarah trat in das dunkle Apartment ein, Raoul folgte ihr auf den Fersen. Auf der Party hatten sie sehr eng getanzt, in die Musik eingehüllt wie in einen Mantel, und sich im Rhythmus aneinander gerieben. Er wollte sie … so viel stand fest. Sie wollte ihn – oder vielmehr das, was er darstellte. Sein Aussehen war wichtiger als sein Charakter, und ihr gefiel, dass er den Augenblick genießen konnte, anstatt sich Sorgen über die Zukunft zu machen. Er sah unglaublich gut aus. Wie würde Martika sich ausdrücken? Sie wollte, dass Raoul, das Unterwäschemodel, es ihr die ganze Nacht lang besorgte. Martika. Sie fühlte sich ein klein wenig schuldbewusst, aber andererseits war Tika bestimmt stolz auf sie. Sie hatte sie so lange wegen Benjamin aufgezogen und sie ein Landei aus Fairfield geschimpft. Nun, jetzt war sie eindeutig ein echtes Stadtkind, das sich nahm, was es wollte.

Allerdings wäre es ihr lieber gewesen, nicht so nervös zu sein. Mit Benjamin war sie sechs Monate lang ausgegangen, bevor sie schließlich mit ihm schlief. Und ihren Freund davor, ihren ersten Freund, hatte sie noch aus der High School gekannt. Wie würde die Nacht wohl werden?

Nervenaufreibend! Sie holte tief Luft, als sie die Tür hinter sich abschloss.

„Hübsche Wohnung“, sagte er. Sie fragte sich, ob er auch nervös war, ob Männer überhaupt jemals nervös wurden.

„Danke.“ Sie räusperte sich. „Mein Zimmer ist dort drüben.“ Sie deutete auf die Tür. „Mein Schlafzimmer, meine ich.“

Er zeigte ein wissendes Lächeln. Natürlich. Schließlich hatte sie ihn auf der Tanzfläche gefragt, ob er gerne ihre Wohnung sehen würde. Eigentlich hatte sie ihn fragen wollen, ob er Lust hatte, mit ihr zu schlafen, hatte diese Worte jedoch einfach nicht über die Lippen gebracht. Aber das war auch nicht nötig gewesen, er hatte verstanden, was sie meinte.

Er ging voraus. Sie betete, dass ihr Zimmer einigermaßen aufgeräumt war. Womöglich war ihm das völlig egal, schließlich wurde er mit Sex belohnt, aber sie würde sich dann noch unwohler fühlen als jetzt schon. Zum Glück sah ihr Zimmer recht ordentlich aus. Die schmutzigen Klamotten hatte sie ordentlich auf dem Schaukelstuhl gestapelt. Schnell warf sie eine Decke darüber und blickte ihn nervös an.

Raoul nahm sie in die Arme und küsste sie, und Sarah spürte eine leichte Erregung. Es dauerte nicht lange, und beide atmeten schwer. Sie zupfte an seinem Hemd, er zog es sich über den Kopf, und dann überschlugen sich die Dinge. Sie versuchte, ihre Schuhe wegzukicken, aber es funktionierte nicht. Schließlich riss sie daran, verlor das Gleichgewicht und fiel auf den Berg schmutzige Wäsche. Er war bereits barfuß, öffnete den Reißverschluss und ließ seine Hosen fallen. Einen Moment lang stand er in seiner Marken-Unterwäsche vor ihr und starrte sie an.

Wow. Ich habe eine lebendige Unterwäsche-Werbung in meinem Schlafzimmer.

Schließlich zog er seinen Slip aus, und sie ließ einen Moment lang ihre Schuhe los, um ihn zu betrachten. „Nun gut“, murmelte sie atemlos. Er zog sie an sich, und sie küssten sich wieder. Ohne große Umstände zog er ihr das Oberteil über den Kopf und drückte sie aufs Bett. Problem! dachte sie. „Hast du ein Kondom?“

Er sah sie düster an. „Nun. Nein.“

Sie runzelte die Stirn. „Du hast doch nicht geglaubt, ohne Kondom mit mir schlafen zu können, oder?“

„Hast du eines?“ fragte er seinerseits.

„Ehrlich. Du könntest alle möglichen Krankheiten haben … und alle möglichen bekommen!“

Er seufzte, setzte sich auf, sein Körper war schön wie der einer griechischen Statue … und seine Erektion erinnerte sie an eine fleischfarbene Fahnenstange. „Ich dachte wir wären hier, um miteinander zu schlafen, nicht um ernsthafte Krankheiten zu diskutieren.“ Er zögerte. „Manchmal überkommt mich nun mal die Leidenschaft.“

Was für ein Dummkopf, dachte sie, und ihre Erregung ließ erheblich nach. Plötzlich warf er sich auf sie, küsste ihren Hals und ihre Brüste, und zu ihrer eigenen Überraschung begann sie wieder, schneller zu atmen. Sie spürte, wie hart er war.

„Warte. Warte eine Sekunde.“ Sie riss sich los und rannte nackt in Martikas Zimmer, das wie immer katastrophal aussah. Das Bett war nicht gemacht, Klamotten lagen überall verstreut, ein BH hing über der Nachttischlampe. Sarah öffnete eine Schublade des Nachttischs und starrte überrascht auf etwas, das wie ein Vibrator aussah. Okay, es war ein Vibrator. Schnell warf sie die Schublade wieder zu und öffnete die nächste. Bingo! Sie schnappte eine Handvoll Kondome, raste zurück in ihr Zimmer und knallte die Tür zu. Gut, die Fahnenstange war noch da und bereit loszulegen. Sie gab ihm ein Kondom, er lächelte sie ein wenig von oben herab an, riss die Folie auf und brummte verärgert, als seine Erektion nachließ.

Sarah war ziemlich stolz auf sich selbst, als sie ihre Unterhose auszog und vor dem Bett auf den Boden warf. „Äh, soll ich das Licht anlassen oder ausschalten?“

Er dachte darüber nach. „Ist mir egal. Wie du es lieber hast.“

„Unter der Bettdecke, ja?“

„Klar.“

Sie biss sich auf die Lippe, zog die Bettdecke zurück und wollte gerade das Licht löschen, als ihr etwas einfiel: „Du willst nicht vielleicht Musik hören, oder? Ich könnte …“

Er brachte sie mit einem Kuss zum Schweigen. Auf einmal schien er doppelt so viele Hände zu haben. Er berührte sie überall, seine Küsse hinterließen eine nasse Spur auf ihrem Gesicht, ihrem Hals und ihren Brüsten. Er schien überall zugleich zu sein, es war, als ob er sie völlig verschlingen wollte.

„Uff.“ Sie versuchte zu protestieren, doch da war plötzlich seine Zunge in ihrem Mund. Sie konzentrierte sich darauf und auf ihren Atem, damit sie nicht etwa ohnmächtig werden und alles verpassen würde. Sie fühlte sich wieder etwas erregt. Zumindest vermutete sie das. Es wäre einfacher festzustellen gewesen, wenn sie gewusst hätte, wo ihr Körper endete und seiner anfing. Da drang er plötzlich in sie ein. Sarah schnappte nach Luft. Wenn etwas so Gewaltiges in einen eindrang, ohne dass man es erwartet hatte, war das gar nicht zum Lachen. Sie warf den Kopf zurück und versuchte, sich bequemer hinzulegen. Alles ging schneller, als sie es gerne gehabt hätte, er atmete bereits schwer. Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Könntest du …“

„Oh ja. Ohhhh …“

Er stieß so tief in sie, dass sie das Gefühl hatte, einer ihrer Eierstöcke würde sich verschieben. Dann erschauerte er, ließ sich auf sie fallen und zerquetschte sie fast.

Das darf doch nicht wahr sein!

Sie tippte ihn ein paar Mal an: „Raoul?“ Er stöhnte, rollte von ihr herunter, und es dauerte eine Ewigkeit, bis er sich ganz aus ihr zurückgezogen hatte. Dann lag er einfach bewegungslos da, genau wie sie. Okay. Und jetzt?

Er begann zu schnarchen.

Sie konnte es nicht fassen. Das geschieht nicht wirklich! Das kann nicht sein!

Sie wartete noch ein wenig und stupste ihn dann etwas härter an. Er drehte sich zur Seite und zog ihr dabei die Bettdecke weg. Lieber Gott. Sarah stand auf, streifte schnell ein Paar Boxershorts und ein T-Shirt über und ging dann in die Küche, um etwas zu trinken. Sie hörte, dass die Dusche lief. Martika war zu Hause? Sarah überlegte, was sie ihr sagen sollte, wenn sie aus dem Bad kam. Sie schenkte sich ein Glas Orangensaft ein, überlegte kurz, ob sie etwas Wodka hineinschütten sollte, entschied sich dann aber dagegen. Schließlich setzte sie sich an den Tisch und wartete.

Martika kam mit einem Handtuch-Turban um den Kopf und einem engen Nachthemd bekleidet in die Küche. Ihr Blick, als sie Sarah entdeckte, zeigte ehrliches Erstaunen. „Seid ihr schon fertig?“

„Jawohl.“ Sarah schüttelte sich. „Nein, ich korrigiere. Er ist fertig. Ich bin fertig gemacht worden, bin aber nicht fertig. Macht das Sinn?“

Martikas perfekt gezupfte Augenbrauen schossen so weit in die Höhe, dass sie von dem Handtuch verdeckt wurden, dann brach sie in Gelächter aus.

„Ich weiß, es ist lustig“, gab Sarah zu und kicherte selbst ein bisschen. „Tika, es tut mir Leid. Ich weiß, dass du dich für ihn interessiert hast …“

„Mach dir keinen Kopf“, rief Martika großzügig, goss sich ein Glas Wasser ein und holte sich eine Handvoll Vitaminpillen. „Ich meine, zuerst war ich ganz schön sauer, aber schließlich habe ich dich ja unterrichtet. Es war dein erster One-Night-Stand, und du hast gleich einen Treffer gelandet. Warum hättest du das nicht ausnutzen sollen?“

Sarah lächelte. Das war die Martika, die sie kannte, die Mutter des Hollywood Boulevard. „Danke Tika. Ich schulde dir was.“

„Allerdings, aber eine ausführliche Schilderung über Raouls Bettfähigkeiten reicht völlig aus.“ Sie lachte, unterbrach sich dann jedoch plötzlich. „Nun, warte mal. Solltest du nicht …?“ Sie überlegte. „Sag nicht, dass er da drin ist und schläft.“

„Und schnarcht.“

Martika warf den Kopf zurück und brach in schallendes Gelächter aus. „Das wird ja immer besser. Hat er einen kleinen Penis?“

„Das ganz bestimmt nicht“, sagte Sarah und spürte noch immer seinen letzten, heftigen Stoß. „Aber er kann nicht besonders gut damit umgehen, wenn du weißt, was ich meine.“

„Oh, ich kann es kaum erwarten, Taylor davon zu erzählen!“

„Du willst das Taylor erzählen?“ fragte Sarah entsetzt.

„Aber natürlich“, gab Tika zurück, schluckte die Vitaminpillen und trank einen großen Schluck Wasser. „Daran führt kein Weg vorbei!“

„Nur noch eine Frage. Nun, da ich mit ihm … äh … geschlafen habe, wie werde ich ihn wieder los?“

Martika riss die Augen auf, dann zeigte sie ein teuflisches Grinsen. „Oh, ich hätte da eine Idee. Wenn du es wirklich wieder gutmachen willst … erlaubst du, dass ich ihn rausschmeiße?“

Sarah zeigte auf ihre Schlafzimmertür. „Viel Spaß dabei!“