22
Melvyn Hudson starrte Fry mit unverhohlenem
Hass an. Hinter seiner würdevollen Fassade war er für einen
Bestattungsunternehmer ziemlich temperamentvoll.
»Ich habe keine Ahnung, was dieser ganze Blödsinn
eigentlich soll«, sagte er. »Aber Sie können uns nicht von der
Arbeit abhalten.Wir müssen in zehn Minuten eine Bestattung
durchführen.«
»Alles, was Sie wissen müssen, steht auf dem
Durchsuchungsbefehl, Sir«, erwiderte Fry gelassen. »Und wir haben
nicht die Absicht, Sie auch nur einen Augenblick an der Arbeit zu
hindern. Bitte fahren Sie wie üblich fort. Meine Kollegen werden
sich bemühen, Sie so wenig wie möglich zu stören.«
»So wenig wie möglich zu stören? Wenn hier überall
Polizisten rumlaufen? Was denken Sie, was das für einen Eindruck
auf unsere Kundschaft machen wird? Heute Nachmittag kommt eine
Familie hierher, um einen geliebten Angehörigen zu
beerdigen.«
»Das wollen wir hoffen, Sir«, sagte Fry.
»Was meinen Sie damit?«
Hudson wurde immer lauter. Fry warf einen Blick auf
das Team, das sich vor der Tür versammelte.
»Wenn Sie meinen Kollegen zeigen, wo Sie die
Unterlagen zu den von Ihnen durchgeführten Bestattungen
aufbewahren, werden wir die Sache so diskret wie möglich
erledigen«, sagte sie. »Je früher wir anfangen, desto schneller
sind wir fertig. Und dann brauchen wir Sie nicht mehr zu
belästigen, Sir.«
»Das ist eine Unverschämtheit«, sagte Hudson, der
um die Ohren herum errötete. »Das ist eine verdammte
Unverschämtheit. Die Hinterbliebenen erwarten etwas völlig anderes,
wenn sie es mit Hudson und Slack zu tun haben.«
Fry war sich darüber im Klaren, dass mehrere
Angestellte ihre Unterhaltung hören konnten. Sie standen in der
Mitte des Büros, und verschiedene Türen waren offen. Auf der einen
Seite sah sie ein Zimmer, das aussah wie ein Aufenthaltsraum für
die Belegschaft, mit einem Tisch, Stühlen und einem Spülbecken.
Hinter dem Büro erspähte sie einen Aktenraum mit einer Reihe von
Metall- und Holzschränken.
»Bei allem Respekt, Sir«, sagte sie, »aber der
Einzige, der momentan eine Szene macht, sind Sie. Ich vermute, das
ist auch nicht gerade das, was Hinterbliebene von ihrem
Bestattungsunternehmer erwarten.«
»Also gut«, erwiderte er. »Aber ich bestehe darauf
hierzubleiben, während Sie tun, was auch immer Sie tun
müssen.«
»Das ist Ihr gutes Recht, Sir. Aber was ist mit
Ihrer Bestattung?«
»Meine Frau ist in der Kapelle. Ich werde sie
bitten, sich darum zu kümmern.«
Fry blickte sich um und sah eine Frau, die in einer
Türöffnung stand und sie beobachtete. Sie war mit einem eleganten
schwarzen Hosenanzug bekleidet und sah aus wie das weibliche
Gegenstück zu Hudson, wobei sie dunkles Haar hatte. Ihr
Gesichtsausdruck war nicht allzu freundlich.
Anstatt sich ihr zuzuwenden, drehte sich Fry zur
Werkstatt um. Aus den Hinterzimmern kamen alle möglichen Gerüche,
die nicht in den öffentlich zugänglichen Bereich vorgedrungen
waren. Sie fragte sich, wie ihnen das gelang.Vielleicht hätte sie
diese Methode in ihrer Wohnung anwenden können, um den Gestank der
Studenten draußen zu halten.
»Umfasst Ihr Durchsuchungsbefehl auch die
Werkstatt, Sergeant?«, fragte Hudson hinter ihrer Schulter.
»Stört es Sie, wenn ich mich umsehe, Sir?«
»Um ehrlich zu sein, ja.«
»Sie haben doch bestimmt nichts zu
verbergen?«
»Natürlich nicht.«
»Was befindet sich am Ende des Korridors?«
»Der Präparierungsraum.«
»Und was tun Sie da drin?«
»Wir vollbringen Wunder, wenn Sie es genau wissen
möchten«, sagte Hudson. »Die Leute haben keine Vorstellung davon,
was im Präparierungsraum vor sich geht. Und sie möchten es auch gar
nicht erfahren.«
»Aber ich frage Sie danach, Mr. Hudson«, erwiderte
Fry höflich. Und sie war auch höflich, insofern sie
überhaupt höflich sein konnte. »Könnten wir mal einen Blick
hineinwerfen?«
»Tut mir leid, aber wir haben gerade einen Fall in
Bearbeitung.«
»Einen was?«
Hudson neigte den Kopf leicht in ihre Richtung, als
nähme er eine Zurechtweisung zur Kenntnis. »Eine verstorbene
Person, die präpariert wird. Ich fürchte, ohne die Zustimmung der
Angehörigen...«
»Ich verstehe.«
Er drehte sich plötzlich um und rief über Frys
Schulter: »Vernon, lass den Wagen stehen. Komm rein und hilf Billy
mit den Blumen. Und dann zieh dich um. Du fährst.«
Offenbar antwortete Vernon nicht schnell genug, da
Hudson abermals rot wurde.
»Und setz dich in Bewegung, du fauler Sack!«
Fry drehte gerade noch rechtzeitig den Kopf, um zu
sehen, wie Vernon die Motorhaube einer der Limousinen zuschlug und
sich die Hände mit einem Lappen abwischte. Er hatte einen
missmutigen Gesichtsausdruck wie ein Teenager, der aufgefordert
wurde, sein Zimmer aufzuräumen.
»Dieser Kerl macht mich noch wahnsinnig«, sagte
Hudson, nachdem Vernon verschwunden war. »Aber ich werde ihn
einfach nicht los.«
»Wegen seines Großvaters?«
»Der alte Abraham, ja. Er sagt, ich soll dem Jungen
eine Chance geben. Aber Vernon steht die Hälfte der Zeit völlig
neben sich. Schauen Sie ihn sich nur an. Das Rad dreht sich noch,
aber der Hamster ist längst tot.«
»Wie lange ist er denn schon bei Ihnen?«
»Seit ein paar Jahren. Aber es kommt mir vor wie
eine Ewigkeit.«
»Spielt der alte Mr. Slack keine Rolle mehr in der
Firma?«
»Er ist inzwischen über siebzig. Abraham und ich
sind noch immer zu gleichen Teilen am Unternehmen beteiligt, aber
ich beziehe zusätzlich noch ein Gehalt als Geschäftsführer.«
»Ich verstehe. Also haben Sie mehr oder weniger die
alleinige Kontrolle über die Firma.«
»Tageweise vermutlich schon.«
»Und Ihr Partner ist gestorben, nicht wahr? Vernons
Vater?«
»Richard ist letztes Jahr bei einem Verkehrsunfall
ums Leben gekommen. Aber ich nehme an, das wissen Sie bereits,
Sergeant.«
»Und der andere Gentleman ist Mr. McGowan, wenn ich
mich recht erinnere?«
Als McGowan seinen Namen hörte, sah er zu Fry auf.
Dann stahl er sich durch die Tür davon. Als sie wieder im Büro
waren, warf Fry einen Blick auf die Reihe von Aktenschränken.
»Sie scheinen sehr beschäftigt zu sein, Mr.
Hudson«, sagte sie.
»Wir werden etwa hundertfünfzig Mal im Jahr
gerufen.«
»Hundertfünfzig Bestattungen?«
»Ja.«
»Und Ihre Aufgabe ist es, sämtliche Vorbereitungen
zu treffen?«
»Wir kümmern uns um die Bedürfnisse der
Familienangehörigen«, sagte Hudson. »So formulieren wir es
gerne.«
»Mr. Hudson, wir befassen uns derzeit mit einer
bestimmten Familie. Mit der Familie von Audrey Steele, deren
Bestattung Hudson und Slack vor achtzehn Monaten durchgeführt hat.
Am achten März letzten Jahres, um genau zu sein.«
»Bei so vielen Bestattungen kann ich mich unmöglich
an eine bestimmte erinnern«, sagte Hudson.
»Es sei denn, es gab dabei irgendeinen
ungewöhnlichen Zwischenfall, nehme ich an.«
»Nun ja.«
»Erinnern Sie sich an Audrey Steeles
Bestattung?«
»Nein. Hören Sie, lassen Sie mich im Terminkalender
nachsehen. Dann kann ich mich vielleicht erinnern. Wir notieren
darin die wichtigsten Details.«
»In Ordnung.«
»Letztes Jahr? Im März, sagten Sie?«
»Ja, am achten.«
Hudson blätterte einen dicken Tischkalender durch,
in dem jeder Tag auf einer Seite dargestellt war. »Ah, ja. Steele.
Ja, diese Bestattung haben wir durchgeführt. Ich kann mich nicht
mehr daran erinnern, aber die Details stehen hier.«
»Müssten Sie Audrey Steeles Leichnam vor der
Einäscherung gesehen haben, Sir?«
»Nicht persönlich. Das war eine
Vormittagsbestattung. Die Verstorbene muss bereits präpariert und
verpackt gewesen sein, als ich kam.«
»Meinen Sie damit, dass sich ihr Leichnam im Sarg
befunden hat?«
»Ja. Jemand anderer muss die Vorbereitungen
getroffen haben. Ich meine, den Leichnam präpariert und angekleidet
haben. Manchmal tragen wir Kosmetik auf und schmücken den Leichnam
mit Blumen, wenn die Trauergäste ihn sehen möchten.«
»Wollten die Angehörigen in diesem Fall den
Leichnam sehen?«
»Nein. Es war eine Bestattung mit geschlossenem
Sarg. Das ist sowieso viel besser. Ganz egal, wie gut die
Präparation ist, es kann trotzdem einen leichten Ausfluss
geben.«
»Ausfluss, Sir?«
»Das Austreten von Körperflüssigkeiten.«
»Aha. Das ist vermutlich nicht besonders angenehm,
oder?«, sagte Fry.
»Nein. Für die Hinterbliebenen ist es ziemlich
unangenehm. Wir legen Wert darauf, dass alles seine Ordnung hat und
unsere Kunden nach der Beerdigung oder Einäscherung ihrer geliebten
Angehörigen zufrieden nach Hause gehen.«
»Könnte Audrey Steeles Sarg unter Umständen leer
zur Bestattung gebracht worden sein?«, fragte Fry.
»Nein, nein, völlig unmöglich.«
»Wäre es möglich, dass der Leichnam entnommen und
der Sarg mit etwas anderem beschwert wurde, um die Tatsache zu
vertuschen, dass er leer war?«
»Sie verstehen nicht ganz«, sagte Hudson. »Dieser
Trick würde vielleicht bei einer Beerdigung funktionieren. Aber
Audrey Steele wurde eingeäschert. Wenn sich kein Leichnam im Sarg
befunden hätte, wäre das dem Krematoriumspersonal sofort
aufgefallen.«
»Ich verstehe.« Fry sah sich im Büro um. »Was für
Sicherheitsvorkehrungen gibt es hier?«
»Wir haben unsere Alarmanlage Anfang des Jahres
modernisieren lassen«, erwiderte Hudson.
»Nach dem Einbruch?«
»Ja. Hören Sie, Sergeant, verraten Sie mir jetzt
endlich, was das alles soll?«
»Während wir die Akten heraussuchen, könnten Sie
die übrigen Informationen beschaffen, die wir brauchen«, sagte Fry.
»Wir hätten gerne eine Liste mit allen Ihren Mitarbeitern,
einschließlich jener, die vor achtzehn Monaten hier beschäftigt
waren, aber die Firma inzwischen verlassen haben.«
»Das kann einige Zeit dauern«, sagte Hudson.
»Sind Ihre Personalakten etwa nicht auf dem
neuesten Stand, Sir?«
»Selbstverständlich sind sie das.«
»Dann dürfte es ja kein Problem sein.«
Hudson seufzte tief, ging dann jedoch weg, um mit
der Sekretärin zu sprechen.
Fry schlenderte zurück zur Tür, wo sie auf Cooper
stieß. »Warum können wir die Personalakten nicht ebenfalls
beschlagnahmen, Diane?«, fragte er.
»Die sind nicht im Durchsuchungsbefehl
aufgeführt.«
»Warum nicht?«
Fry sah ihn an. »Äußerst behutsam, weißt du noch?
Jemand hat sich für einen Kompromiss entschieden.«
Bevor sie gingen, warf Cooper noch einen Blick in
die Werkstatt, in der drei Männer arbeiteten. Einer von ihnen war
Vernon Slack, ein anderer der dickhalsige Bobby McGowan, den er
beim Tragen eines Sarges im Krematorium gesehen hatte. Heute hatte
McGowan sein Jackett ausgezogen und die Hemdsärmel hochgekrempelt,
als er einen Sarg mit satinartigem Material auskleidete und ein
Namensschild am Deckel befestigte. Er hatte so viele Tätowierungen
an den Armen, dass seine Haut aussah wie Schimmelkäse. Aus seinen
Ärmeln hätten ebenso gut zwei Rollen reifer Gorgonzola hängen
können.
Auf einer Seite der Werkstatt stand eine Reihe von
Sargwagen. In den Schränken und den Regalen an den Wänden befanden
sich Gummischläuche, Gefäße mit roter Flüssigkeit sowie ein Vorrat
an Griffen, Sargauskleidung und Namensschildern. Hinter den
Sargwagen sah Cooper mehrere Kleiderspinde. Er nahm an, dass die
Angestellten mehrere Garnituren Bekleidung benötigten: formelle
Bestattungsbekleidung, irgendetwas Elegantes zum Abholen von
Leichnamen, legere Bekleidung für die Arbeit in der Werkstatt oder
in der Leichenhalle. Einer der Spinde stand offen, und an der Tür
hing eine schwarze Lederjacke.
Cooper war der Ansicht, dass sie vorsichtig mit
Melvyn Hudson und seinen Angestellten umgehen sollten. Hudson und
Slack war eines von den Unternehmen, deren Überleben von ihrem Ruf
abhing und schwer unter Tratsch und unbegründeten Gerüchten leiden
würde. Außerdem hatten sie es mit Menschen zu tun, die ihre
Emotionen unter Kontrolle hatten und darin geübt waren, die Fassade
zu wahren. Es war schwer zu beurteilen, ob Hudson das aus
Gewohnheit tat oder ob er versuchte, eine Empfindung zu verbergen,
die man nicht im Gesicht eines Bestattungsunternehmers sehen
wollte.
McGowan blickte auf und sah Cooper. Er lächelte und
spannte die Muskeln an. Eine seiner Tätowierungen bewegte sich, als
die Haut sich dehnte: Ein Drache breitete seine Flügel aus, öffnete
sein Maul und spie bläuliche Flammen.
Als Cooper das Gebäude verließ, sah er Vernon Slack
in den Hof laufen, wo die Leichenwagen und Limousinen geparkt
waren. Vernons knochige Handgelenke ragten aus seinen Manschetten
heraus, als er versuchte, den Knoten seiner schwarzen Krawatte zu
korrigieren. Doch im Laufen machte er alles nur noch schlimmer. Die
Art, wie er sich bewegte, erinnerte Cooper an Tom Jarvis’ Hündin
Graceless. Er sah aus wie ein harmloser Tölpel, der sich letzten
Endes wehtun würde, weil er so unbeholfen war.
Der Baum, der über dem Leichnam gepflanzt worden
war, hatte eine Höhe von weniger als zwei Metern – eine junge
Trauerweide mit schlanken, biegsamen Zweigen und einer Rinde, die
in der Nachmittagssonne fast schon gelb aussah. Der Boden darunter
wirkte beinahe unberührt. Das Erdreich würde bald mit Gras
bewachsen sein, mit der Umgebung verschmelzen und zu einem Teil des
jungen Waldes werden. Nur eine kleine, mit Draht am Stamm des
Baumes befestigte Plakette verriet, dass es sich um ein Grab
handelte.
Knapp fünfzehn Meter entfernt machte Fry am Zaun
kehrt und ging über die Wiese zurück. Wie immer wirkte sie zwischen
Bäumen merkwürdig fehl am Platz. Sie krümmte instinktiv die
Schultern, um den Ästen auszuweichen, als könnten ihre Blätter sie
beißen. Cooper vermutete, dass Fry und die Natur in zwei
verschiedenen Welten existierten, die keine Berührungspunkte
hatten.
»Gibt es denn hier überhaupt keine
Sicherheitsmaßnahmen?«, wollte Fry wissen.
Die Frau im schwarzen Hosenanzug gehörte der
Verwaltung des grünen Friedhofs an. Sie sah Fry an und zog die
Augenbrauen hoch. »Sicherheitsmaßnahmen? Wir brauchen hier keine
Sicherheitsmaßnahmen.«
»Ach, tatsächlich? Vielleicht sollten Sie darüber
noch einmal nachdenken. Wir schicken Ihnen jemanden vorbei, der Sie
berät.«
Die Frau runzelte die Stirn und ging zu Vivien
Gill, die inmitten einer Gruppe von Angehörigen und Freunden
stand.
»Das ist doch bizarr, oder?«, sagte Fry, als sie
mit Cooper allein war.
»Warum?«
»Na ja, nachdem der Leichnam ihrer Tochter einfach
so in der Landschaft liegen gelassen wurde. Warum hat Mrs. Gill
Audrey ausgerechnet hier beerdigen lassen? Da hätte sie sie ebenso
gut dort lassen können, wo sie war.«
»Ich kann das schon verstehen.«
Cooper freundete sich immer mehr mit der
Vorstellung einer sogenannten »grünen Bestattung« an. Warum sollte
man einen Leichnam nicht einem sinnvollen Zweck zuführen, nachdem
all das, was mit dem Körper nach dem Tod geschah, ohnehin
unvermeidlich war? Hier spendeten Leichname Leben.
Der Verwalterin der Anlage zufolge entschlossen
sich landesweit immer mehr Prominente für eine grüne Bestattung.
Die geadelte Schriftstellerin Barbara Cartland hatte sich in einem
Sarg aus Karton neben einer Eiche in ihrem eigenen Garten beerdigen
lassen. Für Farmer stellte dieser Trend ebenfalls ein neues
Standbein dar. Sie brauchten dafür nichts weiter als ein Stück
Land, das nicht anderweitig verwendet wurde, und eine
Baugenehmigung von der Gemeindeverwaltung.
Cooper hoffte nur, dass Matt diese Idee nicht zu
Ohren kam. Er war ohnehin schon ziemlich schlecht auf seine
Kollegen zu sprechen, die ihre Felder zweckentfremdeten.
Golfplätze, Ferienhäuser, Angelseen – und jetzt auch noch
Friedhöfe.
»Äußerst ungesund, findest du nicht?«, sagte
Fry.
»Siehst du das denn nicht?« Cooper deutete auf den
Friedhof. In der Mitte bewegte die Trauerweide ihre schlanken
Zweige, die sie schützend über das Grab zu ihren Füßen hängen ließ.
»Audrey Steeles Baum ist mehr als ein Andenken an sie. In gewisser
Weise ist er sie. Er ist eine Fortsetzung ihres Lebens in
einer anderen Form. Die Menschen, die hier beerdigt wurden, werden
niemals tot sein. Nicht wirklich tot.«
»Tja, ich nehme an, so kann man es auch
sehen.«
Sie gingen zum Auto zurück, das sie außer
Sichtweite hinter den Bäumen geparkt hatten. Dann blieb Fry stehen,
als sie eine der Gestalten im schwarzen Anzug sah.
»Ben, ist das einer von Audrey Steeles
Verwandten?«
Cooper folgte ihrem Blick. Der Anzug des Mannes
passte überhaupt nicht. Er war an den Schultern und am Bauch viel
zu eng. Doch es handelte sich zweifellos um den Mann, der ihn an
jenem Vormittag in Vivien Gills Haus gelassen hatte.
»Ja. Warum?«
»Ich erinnere mich, dass ich ihn vor Gericht
gesehen habe.«
»Mir kommt er auch bekannt vor. Aber du hast
bestimmt ein besseres Namensgedächtnis als ich.«
»Na ja, das war auch erst am Mittwoch«, sagte Fry.
»Er saß bei meinem Mordprozess mit den Angehörigen des Angeklagten
in den Besucherrängen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er der
Bruder von Micky Ellis ist.«