Kapitel 28
Dougs fahrbarer Untersatz entpuppt sich als zitronengelber Toyota Prius mit Heckspoiler, Leichtmetallfelgen und einem Wunschnummernschild, auf dem BOWWOW steht. Die Stereoanlage ist eine Sonderanfertigung mit acht Lautsprechern und einem Subwoofer im Kofferraum, aus der aktuell ein unidentifizierbarer Rap-Song mit reichlich Bass wummert – und mit einem Text, der einer Londoner Straßenhure die Schamesröte ins Gesicht treiben würde.
»Ich wusste gar nicht, dass man den Prius auch in dieser Farbe kriegen kann«, schreie ich über das Dröhnen hinweg.
»Sonderanfertigung, Holmes«, schreit er zurück. »Ganz schön heißer Flitzer, was? Die Jungs finden ihn alle ziemlich granate.«
Im Vermischen von Straßenslang mit überholten Vorstadt-Hipster-Ausdrücken ist Doug Weltmeister.
Wenn es nach mir geht, ist dieses Auto nicht ziemlich granate, sondern eher ein öffentliches Ärgernis. Die donnernde Anlage bringt mich dazu, mich besorgt umzuschauen, ob wir nicht von tanzenden Elefanten verfolgt werden. Zum Glück ist das O’Reilly’s nur fünf Minuten entfernt. Aber davon sind noch drei Minuten übrig, und mittlerweile versucht Doug auch noch mitzusingen. Was mir endgültig zeigt, dass ihm irgendjemand unbedingt mal die Sache mit der Coolness erklären muss.
»He, Doug.«
»Bow Wow, Holmes. Hier gibt’s keinen Doug.«
»Klar. Entschuldigung. Bow Wow«, sage ich und drehe die Lautstärke herunter, so dass aus den tanzenden Elefanten Gorillas bei einer Ballettprobe werden. »Kann ich dich mal was fragen?«
»Spuck’s aus, Holmes. Dr. Bow Wow hat Sprechstunde.«
»Klar«, entgegne ich und frage mich, wie der Doktor auf meine Analyse reagieren wird. »Hör mal. Ich weiß, es geht mich wahrscheinlich nichts an, aber warum machst du das alles?«
»Weil Bow Wow dir den Rücken freihält«, antwortet er und ballt solidarisch die Faust. Oder er hat einen Krampf in der Hand. »Du bist an einem Fall dran, und Bow Wow gibt dir Rückendeckung.«
»Ich meine nicht das Mitnehmen. Ich meine das hier«, sage ich und zeige auf den Innenraum des Autos.
Er zuckt die Schultern und lächelt. »Ich check nicht, was du meinst, Holmes.«
»Ich meine diese Person, die du erschaffen hast. Die Kleidung, die Stimme, das Auto.«
Aus meinem Mund klingt das hart, selbst für mich, aber die Sache muss mal ein Ende haben.
»Was stimmt nicht mit dem Auto?«, fragt er, und sein Lächeln wird schwächer.
»Es ist ein bisschen grell. Und diese Musik, die kann nicht gut für dich sein. Die hat mir schon jetzt bestimmt drei Jahre Lebenszeit geraubt. Hast du nie Green Day oder die Pixies gehört?«
»Ich weiß nicht, wovon du da redest, Holmes«, gibt er zurück. Er lässt die Schultern tiefer als sonst sinken, und sein typisches Dauerlächeln ist mit einem Mal wie weggewischt. Mit einem schnellen Griff dreht er die Lautstärke hoch und beschwört erneut die tanzenden Elefanten.
Vielleicht sollte ich die Sache einfach auf sich beruhen lassen, aber jetzt habe ich einmal angefangen und kann nicht mehr aufhören.
Also stelle ich die Musik wieder leiser.
»Hör zu, Doug.«
»Das heißt Bow Wow«, korrigiert er mich. Er klingt wie ein schmollendes Kind und sieht mich nicht an.
»Wie lange kennen wir uns schon?«
»Keine Ahnung. Ein paar Jahre.«
»Und habe ich dich in dieser Zeit jemals vorgeführt oder dir einen schlechten Rat gegeben?«
»Keine Ahnung«, sagt er. »Ich schätze nicht. Außer damals, als du mir erzählt hast, dass Frauen es mögen, wenn man sich die Eier mit Wachs enthaart.«
»Okay. Und davon mal abgesehen?«
»Nein, nicht dass ich mich erinnern könnte. Aber die Sache mit dem Wachs hat echt weh getan.«
»Da bin ich mir sicher«, erwidere ich. »Aber was ich damit sagen will, ist: Diese ganzen Sachen hier – diese Klamotten, dieses Geprotze und dieses Auto – stehen dir nicht. Um ehrlich zu sein, stehen sie niemandem. Ich weiß die Mühe durchaus zu schätzen, die du da reinsteckst. Aber ich glaube nicht, dass das wirklich du bist.«
Plötzlich kommt das Auto zum Stehen.
»Wir sind da«, erklärt er.
Ich schaue durch die Windschutzscheibe und sehe die Feiernden, die sich zur Happy Hour vor dem O’Reilly’s versammelt haben. Es ist zehn nach sechs. Das Gefährt des Roller-Mädchens steht nicht mehr vor dem Bestatter, und ich hoffe, dass Tuesday noch drinnen auf mich wartet.
Bow Wow sitzt einfach nur da, starrt nach vorn und trommelt mit den Daumen im Takt zu einem Song auf dem Lenkrad, in dem es um das »Verkloppen von Weibern« und das »Umballern von Bullen« geht. Positive, gesunde Texte. Die Art Musik, von der man sich wünscht, dass die eigenen heranwachsenden Kinder sie hören. Weil ich vermute, dass Doug mir keine Antwort geben wird, öffne ich die Tür und steige aus.
»Du irrst dich, Holmes. Das hier bin ich.«
Er sieht mich noch immer nicht an, und ich merke, dass mir darauf keine angemessene Antwort einfällt.
»Danke fürs Mitnehmen, Bow Wow«, sage ich.
Dann schließe ich die Tür, er fährt weg, und ich quetsche mich an den Horden von Happy-Hour-Trinkern vorbei ins O’Reilly’s.