Kapitel 19

Sie sind also Tuesday Knight«, sage ich.

Was erklärt, warum sie mir bekannt vorkommt. Es erklärt allerdings nicht, warum es zwei von ihnen gibt.

»Mein Vater war schon immer ein großer Fan von Tuesday Weld«, erklärt sie, nimmt einen Zug von ihrer Zigarette und zeigt auf mehrere Bilder von der Schauspielerin an den Wänden der Bar. »Also hat er meine Mutter überzeugt, mich nach ihr zu benennen.«

»Ich war schon immer der Meinung, sie hätte für Auf der Suche nach Mr. Goodbar den Oscar bekommen müssen«, entgegne ich, ohne so genau zu wissen, was ich da rede. Aber manchmal muss man irgendetwas sagen, um Zeit zu gewinnen und herauszufinden, was zum Teufel eigentlich vor sich geht.

»Das war auch der Lieblingsfilm meines Vaters«, sagt sie.

»Und Ihr Vater ist Gordon Knight.« Ich wende mich wieder Tuesday zu. Der neuen Tuesday. Der zweiten Tuesday. Oder wie auch immer.

Sie nimmt noch einen Zug und pustet den Rauch zur Seite. »Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht.«

»Tja. Was wäre ich auch für ein Ermittler, wenn ich solche Dinge nicht wissen würde«, sage ich und hoffe, dass ich für den Mist, den ich da quassle, nicht festgenommen werde.

»Haben Sie mich ausspioniert, Mr. Monday?«

Ich lasse meinen Blick zu ihren Brüsten und Schenkeln wandern und sehe dann über meine Schulter: Der Gigant steht statuengleich in der Nähe der Aufzugtür und schüttelt missbilligend den Kopf.

»Nein«, antworte ich. »Nicht wirklich.«

»Was genau haben Sie denn dann getan?«

Ich kann mich nicht entscheiden, ob mir diese Tuesday besser gefällt. Die erste zeigte mehr Haut, gönnte mir einen Blick in ihren Ausschnitt und ließ mir die Verheißung von mehr. Andererseits haben wir hier natürlich auch gerade erst angefangen.

»Ich versuche nur, mir über ein paar Dinge Klarheit zu verschaffen«, sage ich.

»Und sind Sie damit erfolgreich, Mr. Monday?«

Ich setze mich an die Bar. »Nick. Nennen Sie mich Nick.«

»Sehr gern.« Sie nimmt neben mir Platz und drückt ihre Zigarette aus. »Warum erzählen Sie mir nicht, was Sie so getrieben haben, Nick?«

»Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihnen folgen kann.«

»Nein. Aber Sie sind jemandem gefolgt, der mir recht ähnlich sieht. Jemandem, der meinen Namen und meine gesellschaftliche Stellung ausnutzt, um kostenlos in Hotelzimmern abzusteigen, auf Kosten des Hauses zu speisen und alles zu tun, was ihm in den Sinn kommt.«

Tja. Das erklärt, warum es zwei von ihnen gibt. Es erklärt aber nicht, warum die andere Tuesday behauptet, die echte Tuesday zu sein.

»Ich habe sie heute erst getroffen«, sage ich und überlege, in was ich da wohl hineingeraten bin. Und ob die Chance besteht, den schrägen Film dieses Tages noch in einen Softporno zu verwandeln.

»Wie haben Sie sie getroffen?«

»Sie kam in mein Büro.«

»Um Sie anzuheuern?«

Ich nicke.

»Für was wollte sie Sie anheuern?«

»Das ist vertraulich.«

Dieses Mal ist es Tuesday, die nickt. »Wissen Sie, auch wenn die andere Tuesday anscheinend schon seit mehreren Wochen meine Rolle übernommen hat, wusste ich nichts von ihr – bis ich letzten Freitag im Tadich Grill zu Mittag essen wollte und der Oberkellner sich bei mir wegen des Missverständnisses bei meiner letzten Rechnung entschuldigte. In den letzten paar Tagen habe ich erfahren, dass sie in mehr als einem Dutzend Restaurants gegessen und in zwei Hotels unter meinem Namen übernachtet hat. Ich konnte sie aber erst aufspüren, als sie heute Morgen im Rulli am Union Square auftauchte.«

Das erklärt auch, warum Glatze so interessiert an ihr war. Und warum ich jetzt hier gelandet bin.

»Es scheint«, fährt sie fort, »als ob eine Betrügerin Sie angeheuert hat.«

Ich muss gestehen, dass diese Tuesday etwas freundlicher als die andere ist. Ihr Gesicht hat weichere Züge, ihr Körper mehr Kurven, ihr Duft, der zu mir herüberweht, macht mir meine Anatomie deutlich bewusster. Trotzdem arbeite ich theoretisch für die erste Tuesday. Das muss ich respektieren, auch wenn ich gern mit beiden schlafen würde. Am liebsten gleichzeitig.

Allerdings ist dieser Gedanke ist nicht besonders hilfreich dabei, konzentriert zu bleiben.

»Woher weiß ich denn, dass Sie sind, wer Sie zu sein vorgeben? Woher weiß ich, dass Sie nicht die falsche Tuesday sind und die andere die richtige ist?«

Sie zieht ihren Führerschein aus irgendeinem Versteck an ihrem Körper und zeigt ihn mir. Also den Führerschein, nicht den Körper.

»Das könnte eine Fälschung sein«, sage ich, obwohl ich weiß, dass es keine ist, aber ich will wenigstens versuchen, mich professionell zu geben. »Genauso wie Sie selbst eine Fälschung sein könnten.«

»Sie werden mir wohl vertrauen müssen.«

»Tja, in meinem Geschäft weiß man, dass man mit Vertrauen nicht besonders weit kommt.«

»Und wie läuft das Geschäft momentan, Mr. Monday?«

Vielleicht ist es der verspielte Ton in ihrer Stimme oder die Art, wie sie genau jetzt ihre Augenbrauen hochzieht, aber ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, dass sie das Wilderer-Geschäft meint.

Ich stehe auf, gehe ein paar Schritte und tue so, als ob mich die Sammlung signierter Autogramme an den Wänden besonders interessiert. »Was genau wollen Sie von mir?«

»Ich will wissen, wer diese Betrügerin ist.«

Als ich mich umdrehe, sitzt sie immer noch auf dem Hocker an der Bar, ein Bein über das andere geschlagen, ein Fuß wippt auf und ab. Es ist hypnotisierend.

»Leider kann ich Ihnen diesbezüglich nicht weiterhelfen«, erwidere ich. »Sie ist meine Klientin.«

»Sie verstehen nicht. Ich will Sie anheuern, um herauszufinden, wer sie ist.«

»Sie wollen mich anheuern?«

»Das ist doch Ihr Beruf, oder? Das Ermitteln? Das Herausfinden von Dingen?«

»An meinen besseren Tagen.«

»Dann betrachten Sie das als Anzahlung für Ihre Dienste.« Sie greift in ihre Handtasche mit Leopardenmuster, holt einen Umschlag heraus, legt ihn auf die Bar und schiebt ihn zu mir herüber.

Ich trete an den Tresen und nehme den Umschlag in die Hand, der rund zweitausend Dollar enthält. Nicht ganz so üppig wie die Anzahlung der ersten Tuesday, aber für den Augenblick eine ganz ordentliche Hausnummer. In Anbetracht der Tatsache, dass ich ohnehin herausbekommen wollte, wer die andere Tuesday ist, ist die Vorstellung, dafür auch noch bezahlt zu werden, ein echter Bonus.

»Sie wollen nur, dass ich herausfinde, wer sie ist?«, frage ich.

»Genau. Und ich bin bereit, Ihnen für diese Information zusätzliche zwanzigtausend Dollar zu zahlen. Das Doppelte, wenn Sie mir die Doppelgängerin liefern.«

Da ist er wieder, der Gedanke, mit beiden Tuesdays zu schlafen. Ich frage mich, ob ich das mal vorschlagen sollte. Meines Wissens verstößt das nicht gegen die Berufsehre oder irgendwelche professionellen Regeln – und falls doch, sollte man das dringend ändern.

»Die Chance, mir Ihr Geld zu verdienen, weiß ich durchaus zu schätzen«, gebe ich zurück. »Aber warum sollten Sie mich bezahlen, wenn einer Ihrer Beefeater-Schläger sie sich einfach schnappen und herbringen könnte, so wie sie es auch mit mir gemacht haben?«

»Das habe ich gehört«, sagt der Gigant neben der Aufzugtür.

»Sie waren eine Ausnahme«, meint Tuesday. »Und Sie sind uns geradezu in den Schoß gefallen. Außerdem waren Sie recht kooperativ. Hätten Sie eine Szene gemacht, hätte dieses Treffen in Ihrem Büro stattgefunden.«

»Ich schätze mal, dass Sie Publicity vermeiden wollen.«

»Meinem Vater gehört dieses Hotel, und ich helfe ihm dabei, es zu betreiben. Würde ich Angestellte des Hotels oder des Klubs losschicken, würde das unerwünschte Verbindungen nahelegen. Also greifen wir für solche Aufgaben lieber auf außerhäusige Unterstützung zurück, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

»Ich verstehe. Und vermutlich wäre Ihnen Verschwiegenheit in dieser Sache auch mehr als zwanzig große Scheine wert.«

Ihr Lächeln ist eher herablassend als wohlmeinend. »Wenn Sie denken, Sie könnten die Bekanntheit meines Vaters als Druckmittel einsetzen, um mehr Geld aus mir herauszuholen, seien Sie gewarnt: Wenn wir uns dann das nächste Mal sehen, bin ich weniger gastfreundlich.«

Der Gigant erscheint an meiner Seite, was wohl bedeutet, dass unser Gespräch beendet ist.

»Entschuldigen Sie den Schläger-Kommentar«, sage ich zu ihm. »Das war nicht respektlos gemeint. Seien Sie versichert, dass ich größte Achtung vor Ihnen habe.«

Er mustert mich mit einer Mischung aus Verbitterung und Abscheu. Na ja. Was auch immer es ist, ich kann beides ziemlich gut provozieren.

Ich schnappe mir das Geld aus dem Umschlag, stopfe es in meine Taschen und bedanke mich bei der zweiten Tuesday für ihre Zeit und ihre Großzügigkeit.

»Ich hoffe, dass Sie heute einen Ihrer besseren Tage haben, Mr. Monday«, sagt sie und zündet sich eine Zigarette an. »Ich hasse Enttäuschungen.«

»Geht mir genauso«, entgegne ich und folge dem Giganten zum Aufzug.

»Es war mir eine Freude, Sie kennenzulernen, Mr. Monday«, ruft Tuesday mir nach. »Viel Glück!«

Genau das werde ich brauchen.

Pechvogel: Roman
titlepage.xhtml
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_000.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_001.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_002.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_003.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_004.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_005.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_006.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_007.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_008.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_009.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_010.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_011.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_012.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_013.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_014.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_015.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_016.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_017.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_018.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_019.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_020.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_021.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_022.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_023.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_024.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_025.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_026.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_027.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_028.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_029.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_030.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_031.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_032.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_033.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_034.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_035.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_036.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_037.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_038.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_039.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_040.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_041.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_042.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_043.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_044.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_045.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_046.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_047.html
CR!30M2M0634X2J56GXQZ4P6W700K99_split_048.html