12
Das Licht des Wahren Wegs
Auf der Oberfläche eines fremden Planeten liegt ein Jedi-Ritter und träumt.
Organismen, die Geräte sind, verbinden sich mit Geräten, die Organismen sind, um sich um seine körperlichen Bedürfnisse zu kümmern; Glukose- und Salzlösung kreisen durch seinen Blutstrom, zusammen mit starken Alkaloiden, die sein Bewusstsein tief unter der Oberfläche des Traums halten. Auf dem Planeten, auf dem er sich befindet, überziehen Flecken eines wild wuchernden Dschungels das Skelett einer in Trümmern liegenden Stadt, und der Himmel wird von einer aus Regenbögen geflochtenen Brücke überspannt. Der Jedi-Ritter träumt von Yuuzhan Vong. Er träumt von Verrätern, die Jedi sind, und von Jedi, die Verräter sind. Und manchmal wendet sich der Verräter ihm in seinem Traum zu und sagt: Wenn ich kein Jedi bin, bin ich dann immer noch ein Verräter? Und wenn ich kein Verräter bin, bin ich immer noch ein Jedi?
Es gibt noch eine andere Gestalt in seinem Traum: ein dünner Yuuzhan Vong, von dem er irgendwie weiß, dass es Nom Anor ist, der Prophet von Rhommamool. Der Nom Anor von Duro.
Von Myrkr.
Und dann taucht eine dritte Gestalt auf: klein, schlank und agil, ein Wesen mit einem Federkamm, das einer Spezies angehört, die er nicht kennt, eine weiß sprudelnde Fontäne der Macht.
Der Jedi-Ritter träumt auch von sich selbst, träumt, dass er reglos daliegt, eingewickelt in ein Netz von Ranken und holzigen Zweigen, halb Hängematte, halb Spinnennetz. Er sieht sich selbst von außen: Er schwebt hoch, hoch oben in einer astralen Umlaufbahn, zu weit entfernt, um die Stimmen zu hören, obwohl er irgendwie weiß, was sie sagen; zu weit entfernt, um Gesichter zu erkennen, obwohl er irgendwie weiß, wie sie aussehen …
Und er weiß, dass sie darüber sprechen, ihn zu töten.
Er achtet nicht mehr besonders darauf; er hatte diesen Traum viele, viele Male. Er spult sich in seinem Kopf ab wie eine beschädigte Datenschleife.
Der Traum fängt immer auf diese Art an:
Nich,t dass ich die Ehrlichkeit Ihrer Bekehrung bezweifle, murmelt Nom Anor dem Verräter hinterhältig zu, aber Sie müssen verstehen, wie so etwas für, sagen wir mal, Kriegsmeister Tsavong Lah aussehen würde. Er ist sicher der Ansicht, wenn Sie tatsächlich dem Wahren Weg folgen, hätten Sie diesen jämmerlichen Jedi schon auf dem Lagerschiff gnadenlos abgeschlachtet, statt ihn den ganzen Weg bis hierher zu schleppen.
Der Verräter erwidert ausdruckslos: und den Wahren Göttern damit ein förmliches Opfer vorenthalten?
Das Geschöpf mit dem Federkamm nickt freundlich anerkennend, und bald schon muss der Prophet zustimmen. Jeder Jedi ist ein wertvoller Gefangener, gibt er zu. Wir können ihn noch heute opfern. Tatsächlich − hier zieht er die fleischlosen Lippen zurück, um ein Lächeln zu entblößen, das aussieht wie ein Mund voller Nadeln − können Sie ihn selbst opfern. Einen Ihrer ehemaligen Brüder zu töten würde viel dazu beitragen, die … äh, die Zweifel des Kriegsmeisters zu beschwichtigen.
Selbstverständlich. Der Verräter nickt zustimmend, und an dieser Stelle wandelt sich der Traum des Jedi-Ritters stets zu einem Albtraum: Er ist wieder in seinem reglosen, hilflosen, schweigenden Körper gefangen, als wäre er bereits eine Leiche, und ertrinkt in Entsetzen. Er versucht, in die Macht einzutauchen, versucht das kalte und heimtückische Herz des Verräters zu berühren − und stößt zu seinem Erstaunen dort auf eine deutliche Empfindung von Wärme und Ermutigung, als zwinkere der Verräter ihm zu und drücke ihm freundschaftlich den Arm. Aber wir können es noch besser machen. Wir können eine Generalprobe veranstalten, bei der dieser hier an der Stelle meiner Schwester steht.
Wie es in Träumen so ist, versteht der Jedi-Ritter sofort, dass die Falle, in die er gegangen ist, für Jaina gestellt worden war. Daran stimmt allerdings etwas nicht; etwas, woran er sich nicht recht erinnern kann. Wenn es wirklich die Absicht des Verräters gewesen wäre, Jaina gefangen zu nehmen, dann hätte es eine bessere Möglichkeit gegeben. Aber es fällt dem Jedi-Ritter einfach nicht ein, was für eine Möglichkeit das gewesen war.
Wie immer widerspricht der Prophet dem Plan des Verräters: Selbst die Existenz des Verräters ist ein strikt gewahrtes Geheimnis. Zu viele Personen, Yuuzhan Vong wie Sklaven, würden an dieser Probe teilnehmen müssen; das Geheimnis könnte nicht mehr gewahrt werden.
Geheimhaltung ist nun nicht mehr notwendig, erwidert der Verräter ruhig. Im Gegenteil: Mein Übertritt zum Wahren Weg hat keinen Sinn, wenn er geheim bleibt. Ich werde die Lehre der Wahren Götter an dem Tag, an dem wir meine Schwester gefangen nehmen, durch die gesamte Galaxis tragen − aber wir müssen vorbereitet sein. Wir müssen proben, wenn die Zeremonie makellos ausgeführt werden soll. Ich muss proben.
Was proben?, fragt der Prophet. Ein Opfer ist kein kompliziertes Ritual.
Das Geschöpf mit dem Federkamm mischt sich ein: Das Große Opfer wird ein williges Opfer sein: Auch der andere Zwilling wird eifrig in den Tod gehen, mit erhobenem Kopf und Freude im Herzen, denn sie wird wissen, dass sie dieser Galaxis die Wahrheit bringt.
Ebenso wie dieser Mann hier, behauptet der Verräter. Deshalb habt ihr mich zu dem gemacht, was ich bin. Ich muss ihn zur Wahrheit bringen, zum Licht. Er wird die Wahrheit aus meinem Mund vernehmen und das Licht des Gottes, der ich bin, aus meinen Augen leuchten sehen.
Der Prophet wirkt immer noch skeptisch, aber er sagt: Wir werden einige Zeit für Vorbereitungen brauchen.
Nehmen Sie sich so viel Zeit, wie Sie brauchen, sagt der Verräter. Wenn alles angemessen vorbereitet ist, werde ich mit diesem Jedi sprechen.
An diesem Punkt bedient der Jedi-Ritter sich erneut der Macht, diesmal, um das Hirn des Verräters mit dem Hammer seiner Weigerung zu zerschmettern, und erhält im Gegenzug ein weiteres Macht-Zwinkern. Darüber hinaus lässt sich der Verräter nie anmerken, dass er sich der Präsenz des Jedi-Ritters bewusst ist, und scheint sich stattdessen vollkommen auf den Propheten zu konzentrieren.
An diesem Tag wird Ganner Rhysode mir voller Stolz zum Schacht des Welthirns folgen, wo wir ihn gemeinsam zum Ruhm der Wahren Götter als Opfer darbringen.
Es geschieht immer an diesem Punkt, dass der vertraute Griff der Angst ihn abermals für einige Zeit wieder in die Dunkelheit zwingt, bis er erneut auftaucht und der Traum von vorn beginnt. So geht es wieder und wieder und ätzt sich seinem Hirn wie eine geistige Säure ein.
Wieder und wieder und wieder, bis … Ganner Rhysode mit einem gewaltigen schaudernden Keuchen erwacht.
Aufzuwachen tat weh.
Jemand hatte seinen Arm bis zum Ellbogen in Ganners Hals gesteckt und die Finger in seine Bronchien gerammt; nun wurden Finger, Hand, Handgelenk und Arm langsam herausgezogen, trocken und fest wie Schorf, und zerkratzten Ganners Hals von innen, während er würgte und spuckte und versuchte zu husten. Zur gleichen Zeit zogen sich Röhren und Drähte und Nadeln durch Löcher in seiner Haut aus seinen Adern und Nerven zurück …
Ganner Rhysode, erwache! Erwache und erhebe dich, wie dir befohlen wird.
Er wusste, dass er geträumt hatte, und er wusste, dass er nun aufwachte, aber er konnte den Traum irgendwie nicht abschütteln. Er umgab ihn weiterhin, kleisterig, schleimig, wie Membranen von klebrigem Zeug, die sich in dünne Strähnen und durchhängende Seile teilten, die ihn mit unmöglichen Dingen banden: wilde Fantasien darüber, von einem Dutzend Yuuzhan-Vong-Kriegern überwältigt worden zu sein, die alle wie Jacen Solo aussahen, verrückte Bilder von Opfern und fremden Spezies und Jaina und diesem Nom Anor. Seine Lider öffneten sich so mühsam wie zugerostete Luken.
Bei dem »Arm«, der aus seiner Luftröhre gezogen worden war, handelte es sich eher um einen Zweig, dessen Rinde mit blutverkrustetem Schleim überzogen war. Die Schläuche, die durch seine Haut aus seinen Adern gezogen wurden, sahen aus wie die Eierleg-Röhren riesiger aufgeblähter Wespen. Er lag in einer Hängematte, die offenbar aus Ranken bestand − aber die Ranken bewegten sich muskulös unter ihm, zogen sich zusammen und drückten ihn wie ein Netz aus miteinander verflochtenen Schlangen.
Weitere Ranken hingen von der Decke, lange, drahtige Ranken, knotig und aufgerollt − aber sie waren nicht wirklich Ranken, sondern eher Tentakel, denn Ranken konnten sich nicht aufrollen und wieder entrollen, sich zu komplizierten Knoten verbinden und wieder voneinander lösen. Und sie waren auch keine Tentakel, denn Tentakel endeten nicht in riesigen glühenden roten Augen, die sich trotz all ihres Windens und Verknotens stets mit vollkommener Konzentration auf ihn zu fixieren schienen …
Drogen, dachte er schwerfällig. Sie haben mir Drogen eingegeben. Ich halluziniere.
»Erwache, Ganner Rhysode! Erwache zur Wahrheit!«
Es musste einfach eine Halluzination sein, denn als er den Kopf zur Seite drehte, um die Person anzustarren, die ihm diese pompösen, irgendwie dumm klingenden Befehle gab, sah der Kerl genau wie Jacen Solo aus.
Ganner blinzelte und hob die Hand, um sich den Schlaf aus den Augen zu wischen − und entdeckte dabei, dass er nicht mehr gelähmt und auch nicht gefesselt war. Aber es hätte ebenso gut so sein können: Die Alkaloide, die sich immer noch in seinem Blut befanden, bewirkten, dass sich seine Hand anfühlte, als wäre sie nur ein paar Gramm leichter als der Sonnenhammer.
Als er wieder hinschaute und ein bisschen besser sehen konnte, war es immer noch Jacen.
Aber er war nicht mehr der Junge, an den sich Ganner erinnerte.
Jacen war nun größer und breitschultriger. Seine braunen Locken hatten von der Sonne goldblond gebleichte Strähnen, und an seinem Kinn wuchs ein dunkler, borstiger Bart. Sein Gesicht war schmaler, schärfer, verfeinert: Es hatte diese verschmitzte Weichheit verloren, diese spielerische Schalkhaftigkeit, die immer dafür gesorgt hatte, dass er seinem Vater ähnlich sah, und an ihre Stelle war eine kalt geschmiedete Durastahlmiene getreten, die Ganner an Leia erinnerte, wie sie vom Podium des Staatschefs in der Großen Rotunde einen korrupten Senator anprangerte.
Er trug ein langes, fließendes schwarzes Gewand, so dunkel, dass die Falten in formloser Nacht verschwanden. An den Ärmeln zog sich ein kunstvolles Muster entlang, das in seinem eigenen Licht leuchtete, ziseliert in Scharlachrot und leuchtendem Grün. Es sah wie ein Netz äußerlich verlaufender Adern aus, in denen statt Blut pulsierendes Licht rauschte. Über seine Schultern war eine Art Chorhemd aus leuchtendem Weiß drapiert, auf dem sich seltsame, nicht zu identifizierende Symbole in schimmernden goldene Drehungen bewegten.
Ganner öffnete den Mund, um Jacen zu fragen, welchen idiotischen Maskenball er in diesem lächerlichen Kostüm aufsuchen wollte, aber bevor seine von den Drogen betäubten Lippen die Worte formen konnten, erinnerte er sich:
Jacen Solo ist ein Verräter.
»Fürchte dich nicht, Ganner Rhysode«, sagte Jacen nun mit einer merkwürdig dunklen Stimme, die wie die schlechte Imitation eines Hypnotiseurs klang. »Freue dich stattdessen! Der Tag deiner segensreichen Erlösung ist gekommen!«
»Hat …« Ganner musste husten; immerhin hatte er seit Tagen keinen Laut von sich gegeben. »Bedeutet das … du lässt mich gehen?«
»Die Geschenke der Götter sind dreifaltig.« Seine Worte fielen wie Steinbrocken in einen Brunnen. »Sie geben uns Leben, damit wir ihrem Ruhm dienen; dies ist das geringste ihrer Geschenke. Schmerz geben sie uns, damit wir erkennen, dass der Wert des Lebens nur in ihrem Dienst liegt: Dies ist ein größeres Geschenk. Aber das größte Geschenk von allen ist der Tod: Mit dem Tod erlösen sie uns von der Last des Schmerzes und dem Fluch des Lebens. Er ist ihre Belohnung, ihre Gnade, ihre Gunst, die sie freizügig selbst den Ungerechten und Ungläubigen schenken.«
Gefangen. Betäubt. Hilflos. Kurz davor, ermordet zu werden. Mann, es ist gut, dass ich so vorsichtig und unauffällig war, dachte Ganner trübe. Ansonsten würde ich wirklich in der Patsche stecken.
»Äh, weißt du«, sagte er mit einem schwachen Lachen, »diese verrückten Götter … ich nehme an, sie meinen es gut, aber sie wissen einfach nicht, wann sie aufhören sollen. Sie sind viel zu großzügig. Ich komme mit dem ersten Geschenk allein schon prima zurecht. Die anderen beiden, ich denke, das kann noch warten …«
»Schweig!«, befahl Jacen und streckte die Arme aus, die Hände hoch erhoben, die Handflächen nach vorn gerichtet, als wollte er von einem Berggipfel herab einer Menschenmenge predigen. »Verschwende deine Kraft nicht für leeres Geschwätz! Höre nun die Überlieferung des Wahren Wegs!«
Ganner starrte ihn sprachlos an, aber statt weiterzusprechen, schloss Jacen die Augen. Er schwankte an Ort und Stelle, als stünde er kurz vor einer Ohnmacht.
»Jacen?«
Eine Hand wurde zu einer Faust geballt, dann streckte er den Zeigefinger aus: Warte.
»Jacen, was haben sie mit dir gemacht? Was immer es ist, wir kriegen das schon wieder hin. Du musst mit mir zurückkommen, Jacen. Du weißt nicht, was passiert ist. Jaina … alle brauchen dich. Ich weiß nicht, was sie mit dir gemacht haben, aber das ist egal. Was immer du getan hast, es ist nicht deine Schuld. Wir können dir helfen und …«
Jacens Augen öffneten sich, dann senkte sich sein linkes Lid zu einem langen, trägen Zwinkern. Ganner klappte den Mund zu.
Jacens Augen schlossen sich wieder.
Dann schlossen sich auch langsam, eins nach dem anderen, die Augen an den Enden der Tentakelranken, die von der Decke hingen: Das rote Glühen in den Augäpfeln trübte sich, bis sie vollkommen dunkel waren, ein paar vertikale Lider schlossen sich über ihnen, und die Tentakelranken entspannten sich langsam, bis sie schlaff und reglos herabhingen.
Jacen ließ die Arme sinken und öffnete die Augen. Auf seinem Gesicht zeichnete sich Erschöpfung ab, die zu tief schien, als dass er sie noch ertragen konnte. »Wie geht es dir? Kehrt deine Kraft zurück? Glaubst du, du kannst laufen?« Er klang wieder wie ein Teenager − aber wie ein Teenager, der vor der Zeit gealtert war.
Dieser Alterungsprozess war ein Teil dessen, was ihn so seltsam machte. Etwas in seinen Augen: ein altes, kaltes Wissen, ein gebrochenes Zugeben bitterer Wahrheiten, das dazu führte, dass er Jacen Solo so überhaupt nicht mehr ähnlich sah.
»Was hast du − was ist los? Jacen …«
»Wir können jetzt reden, aber nicht lange. Ich habe die Geschöpfe, die uns überwachen, überredet, ein Schläfchen zu halten.«
»Geschöpfe? Überwachen? Ich verstehe …«
»Sie haben uns beobachtet. Dabei ging es bei diesem albernen Theater vorhin. Die Yuuzhan Vong sind zu dem Schluss gekommen, dass ich der Avatar eines ihrer Zwillingsgötter bin.«
Ganner starrte ihn an. Sein Leben war zu einer Folge unerklärlicher Merkwürdigkeiten geworden.
»Ich hatte einen Traum − einen Traum über ein Opfer: Du wolltest mich umbringen und dann Jaina suchen, um sie ebenfalls zu töten … Das war doch nur ein Traum, oder?« Er schluckte. »Oder?«
Jacen griff in seinen Ärmel und holte einen Beutel heraus, der aussah wie der, aus dem er auf dem Lagerschiff diesen Giftstoff genommen hatte; auch in diesem Beutel befand sich ein Stück feuchten Stoffs, das Jacen nun direkt auf die blutenden Löcher drückte, durch die sich die Röhren-Ranken aus Ganners Körper zurückgezogen hatten.
»Sie können uns im Augenblick weder sehen noch hören. Bald schon wird jemand kommen und wissen wollen, warum. Wenn das geschieht, müssen wir bereit sein zu gehen.«
»Gehen? Wohin gehen? Wo sind wir, Jacen? Was − heh, was machst du mit mir? Was ist dieses Zeug?« Wo immer die Feuchtigkeit des Stoffes ihn berührte, hörte Ganner auf zu bluten. Neue Kraft strömte in seine betäubten Muskeln.
»Wir sind auf Yuuzhan’tar.« Jacen wischte ihn weiter mit dem Stoffstück ab. »Der Heimatwelt der Yuuzhan Vong.«
Ganner hatte den Namen von Flüchtlingen auf den Lagerschiffen gehört. »Du meinst Coruscant.«
»Nein. Das meine ich nicht.«
»Nur den Namen zu ändern bedeutet nicht …«
»Die Yuuzhan Vong machen alles neu, was sie berühren.« Jacens Hand fiel an die Seite, und eine finstere Distanziertheit ließ seinen Blick weit über die Wände dieser kleinen Kammer hinausgehen. »Es hat nichts mit Namen zu tun. Mein Name ist immer noch Jacen Solo.«
Ganner sah ihn stirnrunzelnd an.
Einen Augenblick später schien Jacen sich zu erinnern, wo er war. Er ließ das Stoffstück zu Boden fallen und schüttelte ein langes, fließendes weißes Gewand aus. »Komm, setz dich. Zieh das hier an.«
Ganner bemerkte zu seinem Erstaunen, dass er sich ohne Schmerzen bewegen konnte. Er setzte sich und schwang die Beine über den Rand der Hängematte. Die Yuuzhan Vong hatten ihm seine Stiefel und die Hose gelassen, aber er war Jacen seltsam dankbar für das Gewand; es verursachte ihm ein merkwürdig unangenehmes Gefühl, hier mit nacktem Oberkörper zu sitzen. Er stand auf, zog sich das Gewand über und staunte dabei immer noch darüber, wie gut er sich fühlte. Angekleidet sein. Imstande sein zu stehen. Er hätte sich nie vorstellen können, welch tiefe Freude man über solch schlichte Annehmlichkeiten empfinden konnte.
Das Schimmern einer Bewegung ließ ihn aufmerksam werden, und er schaute nach unten. Das Gewand, das er trug, hatte ebenfalls glühende Muster wie das von Jacen; Farben pulsierten durch arterielle Netze an den Ärmeln und der Vorderseite, nur dass die Muster auf Ganners Gewand in Schwarz und Grün auf dem Weiß leuchteten.
Er zog die Brauen hoch. »Was ist das?«
»Es ist dein Opfergewand. Für die Prozession zum Schacht des Welthirns.«
Ganner starrte ihn an. Plötzlich erinnerte er sich wieder an seinen Traum.
An diesem Tag wird Ganner Rhysode mir voller Stolz zum Schacht des Welthirns folgen, wo wir ihn gemeinsam zum Ruhm der Wahren Götter als Opfer darbringen.
»O nein, das wirst du nicht tun«, sagte er. Er fing an, das Gewand wieder auszuziehen.
»O doch.«
»Das hier ist ein Trick.« Hieß es nicht, dass einer der Yuuzhan-Vong-Zwillingsgötter eine Art Trickster oder so etwas war? Wie viel von der Wahrheit hatte Jacen ihm verraten? »Das ist alles eine Art Trick. Du belügst mich.«
»Nun ja, das tue ich tatsächlich.«
Ganner hielt inne und starrte Jacen durch das Halsloch des Gewands an, das er nun halb über den Kopf gezogen hatte. Jacen verzog die Lippen zu diesem unmissverständlichen Solo-Halblächeln. »Alles, was ich dir sage, ist eine Lüge.«
»Was?«
»Siehst du, die Sache ist die, dass alles, was alle dir sagen, eine Lüge ist. Die Wahrheit ist stets größer als die Worte, die wir benutzen, um sie zu beschreiben.«
»Ich wusste es! Es ist also tatsächlich ein Trick.«
»Ja. Aber nicht du bist derjenige, der betrogen wird.«
Ganner schüttelte wortlos den Kopf. Er konnte diesen Jacen. nicht mit seiner Erinnerung an den vergnügten dunkelhaarigen Jungen in Einklang bringen, den er einmal gekannt hatte. Er erlebte einen Augenblick wilder Hoffnung: Vielleicht war Jacen ja überhaupt nicht Jacen − vielleicht war dieser Verräter, der versprochen hatte, ihn umzubringen, eine Art Hochstapler, eine Art Klon, etwas, das in der Retorte eines Yuuzhan-Vong-Gestalters herangezüchtet worden war …
»Äh, Jacen? Du bist doch du, oder?« Ganner verzog das Gesicht. Das klang ziemlich dumm, sogar für mich.
»Nein«, sagte der Mann, der aussah wie ein trauriger, erwachsener Jacen Solo. »Das bin ich nicht. Aber ich war es.«
»Das verstehe ich nicht.«
Er seufzte. »Von mir als von Jacen Solo zu denken«, sagte er distanziert, »wird dich nur durcheinander bringen. Ich war der Junge, den du kanntest, Ganner, aber ich bin nicht der Junge, der dich kannte.«
»Aber du lebst.« Ganner zog sich das Gewand wieder über und strich es glatt. »Das ist alles, was zählt. Ich habe dich gefunden. Nach all dieser Zeit. Das ist das Wichtigste. Du bist am Leben.«
»Nein.«
»Doch, so ist es«, sagte er. »Du hast keine Ahnung, wie wichtig − du hast keine Ahnung, was es für die Neue Republik bedeuten wird, dass du am Leben bist! Was es für Jaina …«
»Aber ich bin es nicht.«
Ganner blinzelte.
Jacen sah nur traurig aus.
»Das verstehe ich nicht«, sagte Ganner.
»Da kann ich dir nicht helfen.«
»Aber … aber Jacen, komm schon, mach dich nicht lächerlich …«
Wieder trat diese dunkle Distanziertheit in seinen Blick. »Ich bin schon seit Monaten tot, Ganner. Ich bin kurz nach Myrkr gestorben. Ich hatte nur noch keine Zeit, mich hinzulegen.«
Kälte zog sich über Ganners Rücken. »Du bist … tot?«
»Genau«, sagte Jacen. »Und du ebenfalls.«
Einige der raschen Erklärungen, die Jacen gab, waren verständlich. Die bewusst in Umlauf gesetzten Gerüchte, die zu der »Falle« auf dem Lagerschiff führten, hatten nie wirklich jemanden herbeilocken sollen. Jacen hatte nur versucht, Zeit zu schinden. Er hatte gehofft, dass Nom Anor nach ein paar ereignislosen Wochen die Geduld verlieren und ihn wieder zurückholen würde. Wenn er wirklich vorgehabt hätte, Jaina zu erwischen, hätte er nur die Machtverbindung wieder öffnen müssen, die sie seit ihrer Geburt verbunden hatte. Nichts in der Galaxis hätte Jaina dann davon abhalten können, ihn zu finden. »Nichts in der Galaxis hält Jaina davon ab, so ziemlich alles zu tun, was sie will. Also muss ich diesen Teil von mir weiterhin abschließen. Wenn sie herausfindet, dass ich noch lebe, wird sie mich holen kommen − und das wird nur dazu führen, dass auch sie umgebracht wird. Wie Anakin. Und ich.« Die seltsame Traurigkeit sickerte wieder in seinen Blick. »Und du.«
Ganner ließ ihm das durchgehen. Es war klar, dass Jacen nicht aus allen Düsen feuerte − und nach dem, was er durchgemacht hatte, konnte Ganner ihm das nicht übel nehmen. »Was, wenn sie trotzdem auf dem Lagerschiff aufgetaucht wäre?«
Jacen schloss die Augen und öffnete sie wieder, eine zu langsame und entschlossene Bewegung, um es ein Blinzeln zu nennen. »Dann würde ich dieses Gespräch jetzt mit ihr führen. Und du hättest die Chance, ein reifes Alter zu erreichen.«
Jacen hatte Ganner schon Tage vor seiner Ankunft gespürt, und er hatte alles getan, was unter den Umständen möglich gewesen war, um ihn zu entmutigen. Das eisige schlechte Vorgefühl, diese wachsende Überzeugung, dass er in seinen Tod ging, schließlich sogar der offene Zwang, sich umzudrehen und davonzulaufen, das war alles auf Jacen zurückzuführen gewesen, der mithilfe der Macht versucht hatte, Ganner fern zu halten.
»Aber nichts funktionierte.« Jacen seufzte und schüttelte den Kopf. »Wenn du nicht so verdammt mutig wärst, hättest du vielleicht überlebt.«
»Äh … ja. Stimmt. Denke ich mal«, sagte Ganner zögernd. »Aber − äh, Jacen? Du verstehst doch, dass ich nicht wirklich tot bin, oder?«
»Du bist derjenige, der verstehen muss, Ganner. Du bist tatsächlich tot. Als du zu der Kammer auf dem Lagerschiff zurückgekommen bist, hat dich das umgebracht.« Jacen ließ sich erschöpft gegen die Wand sacken und rieb sich die geröteten Augen. »Die Krieger, die bei mir waren, wollten dich an Ort und Stelle töten. Du hättest nur fliehen können, wenn ich dir geholfen hätte − und das wäre für sie ein Beweis gewesen, dass ich im Herzen immer noch ein Jedi bin, und der Pilot hätte den Dovin-Basal ausgelöst und das gesamte Schiff zerstört.«
»Und sich selbst zusammen mit allen anderen getötet?«
»Die Yuuzhan Vong betrachten Selbstmordeinsätze als eine Ehre. Diese Sache mit der segensreichen Erlösung − das ist nicht nur eine religiöse Doktrin. Sie glauben es wirklich.«
Und die traurige, finstere Distanziertheit in seinem Blick bewirkte, dass Ganner sich fragte, ob Jacen es vielleicht auch selbst ein wenig glaubte.
»Wir sind beide schon lange tot, Ganner. Und heute …« Jacen bezog irgendwoher neue Kraft. Er schob sich von der Wand weg und stand aufrecht wie ein Mann, der Müdigkeit nur dem Namen nach kannte. »Heute ist der Tag, an dem wir aufhören zu atmen.«
Ganner rieb sich das Gesicht, als könne er sich Verständnis in die Haut massieren. »Warum hast du dann nicht einfach zugelassen, dass sie mich umbringen?«
»Weil ich dich brauche. Weil ich dich benutzen kann. Weil wir beide die Chance haben, dafür zu sorgen, dass unsere Tode zählen.«
Jacen erklärte, dass die Sache mit dem »Opfer« nur Theater war. Es war nichts weiter als eine Ausrede für ihn, an den Ort zu gelangen, den er als den Schacht des Welthirns bezeichnete. Ganner verstand, dass dieses »Welthirn« eine Art organischer planetarer Hauptcomputer war, gezüchtet von den Yuuzhan Vong, um die Ökologie ihrer wieder erschaffenen Heimatwelt zu organisieren. Jacen hatte seit Wochen versucht, einen Weg zu finden, in diesen Schacht zu gelangen, der eine Art verstärkter Bunker war, eine Art undurchdringlicher Schädel, der das Welthirn vor jedem erdenklichen Schaden schützen sollte. Die Yuuzhan Vong − besonders Nom Anor, der Jacen überwachte − hatten ihn nicht in die Nähe des Orts gelassen. Sie glaubten nicht vollkommen, dass Jacens »Bekehrung« echt war.
Ganner verstand das. Er glaubte nicht vollkommen, dass sie nur gespielt war.
»Ich habe lange auf die Gelegenheit gewartet, zehn Minuten allein im Schacht des Welthirns zu verbringen. Du, Ganner, lieferst mir mit deinem ›Opfer‹ den Schlüssel zur Tür des Schachts. Ich muss einfach nur hineingelangen.«
»Was ist an diesem Welthirn so wichtig? Was wirst du tun, sobald du dort drinnen bist?«
Jacen stand sehr, sehr still; auf seinem Gesicht zeichnete sich wieder diese unbeugsame Durastahl-Entschlossenheit ab.
»Ich werde«, sagte er mit stiller, absoluter Überzeugung, »den Yuuzhan Vong etwas darüber beibringen, wie das Universum tatsächlich funktioniert.«
Eine Welle von Kälte ließ Gauner schaudern, als wäre ein kalter Schatten in die Macht geflossen. »Das verstehe ich nicht.«
»Das brauchst du auch nicht. Wiederhole einfach nur: ›Ich habe das Licht des Wahren Wegs gesehen und gehe mit Freude im Herzen zu den Göttern, erfüllt von Dankbarkeit für ihr drittes Geschenk.‹«
»Du musst verrückt sein.«
Jacen nickte nachdenklich, als hätte er einige Zeit damit verbracht, über diese Möglichkeit nachzudenken, und als wäre er zu dem Schluss gekommen, dass man es nicht abstreiten konnte.
»Wie kommst du darauf, dass ich mitmachen werde?« Jacens Durastahlblick konzentrierte sich auf Ganner. »Ich bitte dich nicht, Ganner. Ich biete es dir an. Ich brauche deine Mitarbeit nicht. Zehn Minuten, nachdem ich durch die Tür des Schachts gehe, werden wir beide tot sein, ob du nun mitmachst oder nicht.«
»Warum sollte ich es also tun?«, Jacen zuckte die Achseln. »Warum nicht?«
»Woher weiß ich, dass ich dir trauen kann? Woher weiß ich, dass ich dich nicht auf der Stelle angreifen sollte?« Ganner verlagerte das Gewicht auf die Fußballen und nahm eine Haltung an, aus der er in jede Richtung springen konnte. »Ich weiß, dass du jetzt stärker bist, Jacen − stärker, als ich je war. Ich habe es auf dem Lagerschiff gespürt. Ich weiß, dass du mich umbringen kannst, wenn du willst. Aber ich kann dich dazu bringen, mich hier zu töten.«
Jacen spreizte die Finger. Seine Miene war erwartungsvoll. »Entscheide dich und handle.«
»Ich soll mich entscheiden? Wie meinst du das?«
»Entscheide dich, ob du hier für nichts sterben willst, oder im Schacht des Welthirns, wo dein Tod die Galaxis verändern kann.«
Ganner befeuchtete sich die Lippen. »Aber wie soll ich mich entscheiden? Wie kann ich wissen, ob ich dir trauen kann?«
»Das kannst du nicht.« Jacens Gesicht wurde wieder weicher, und eine Spur dieses bedauernden Solo-Halblächelns trat auf seine Lippen. »Vertrauen, Ganner, ist immer ein Glaubensakt.«
»Du hast leicht reden…«
»Wahrscheinlich. Willst du sehen, wie sehr ich dir vertraue?« Wieder griff er in sein Gewand. Als er die Hand herauszog, hielt er sie Ganner offen hin. »Hier.«
Auf seiner Handfläche lag der Griff eines Lichtschwerts.
Ganner blinzelte. Er rieb sich die Augen.
Als er wieder hinschaute, war es immer noch ein Lichtschwert. »Nimm es«, sagte Jacen. »Benutze es, wenn du musst. Selbst wenn du dich entscheidest, es gegen mich einzusetzen.«
»Du gibst mir dein Lichtschwert?«
Jacen schüttelte den Kopf. »Es ist nicht meins.« Er hob die Hand. »Mach schon. Nimm es.«
»Und was ist es? Eine Fälschung? Noch ein Trick? Wird es in meiner Hand explodieren?«
»Es ist keine Fälschung«, sagte Jacen mit tiefer Traurigkeit. »Es ist kein Trick.«
Zum dritten Mal hielt er Ganner das Lichtschwert hin. »Es ist Anakins Schwert.«
»Anakins …« Ein scharfes, heißes Prickeln zuckte durch Ganners gesamten Körper, als hätte ihn ein Blitzschlag nur knapp verfehlt. »Wie bist du an Anakins Lichtschwert gekommen?«
»Ein Freund hat es für mich aufbewahrt.« Jacen blinzelte, als wäre er milde überrascht, dass diese Worte aus seinem Mund kamen − dann nickte er und stimmte sich selbst widerstrebend zu. »Ein Freund.«
Ganner konnte ihn nur mit offenem Mund anstarren. Geblendet. Voller Ehrfurcht. »Und du willst es mir geben?«
»Du könntest es brauchen. Nachdem ich deins zerstört habe.«
Ganners Hand zitterte, als er nach dem Lichtschwert griff. Es lag warm in seiner Hand, warm von Jacens Körperwärme, glatt und schimmernd. Er konnte seine Struktur in der Macht spüren, konnte den einzigartigen Entwurf spüren, der deutlich machte, dass es wirklich Anakins Schwert war. Er konnte Anakin in dem Griff wahrnehmen.
Und er spürte eine Lücke: Wo sein eigenes Lichtschwert einen Corusca-Edelstein gehabt hatte, befand sich bei diesem eine in der Macht leere Stelle − aber für sein Auge und seine Hand gab es in dem Griff einen leuchtenden Amethyst, der über sein eigenes inneres Licht zu verfügen schien.
Er aktivierte die Klinge, und sie schoss zischend hervor, leuchtend, gleißend hell und auf eine Weise summend, die er in seinen Zähnen spüren konnte.
Sie erfüllte den Raum mit einem lebhaften, unnatürlichen lilafarbenen Leuchten.
»Was ist mit dir? Wo ist deins?«
Jacen schüttelte den Kopf. »Ich habe mein Lichtschwert seit Myrkr nicht mehr gesehen. Für das, was ich zu tun habe, sind Waffen irrelevant.«
»Aber … aber …«
Ein dumpfes Klopfen drang durch eine Wand, eine Wand, in der sich ein großer runzliger Vorsprung befand, wie ein aus Holz geschnitzter geschürzter Mund. Stimmen erklangen dünn von der anderen Seite in dem gutturalen, fauchenden, würgenden Husten der Yuuzhan-Vong-Sprache.
»Sie sind hier«, sagte Jacen. Er nickte zu dem Lichtschwert in Ganners Hand hin. »Du solltest das lieber wegstecken. Wenn sie es an dir finden, werden sie uns beide umbringen.« Ein sanftes, ironisches Lächeln umspielte seine Lippen. »Ich meine, sie bringen uns beide zu früh um.«
Ganner wusste nicht, was er tun sollte; er erstickte schier an einem Gefühl der Unwirklichkeit. Sein Traum kam ihm erheblich verständlicher vor als dieses Aufwachen. Er fuchtelte mit Anakins Lichtschwert herum, als hätte er vergessen, was es war. »Du musst mir helfen zu verstehen …«
»Merke dir einfach nur eins: ›Ich habe das Licht des Wahren Weges gesehen‹«, wiederholte Jacen entschlossen und bedeutungsschwer, »›und ich gehe mit Freude im Herzen zu den Göttern, erfüllt von Dankbarkeit für ihr drittes Geschenk.‹«
Während Ganner noch dastand und hilflos glotzte, öffnete sich der geschürzte Mund an der Wand plötzlich gähnend zu einer Luke, durch die man eine riesige Gewölbehalle sehen konnte Ganner zuckte zusammen und hätte beinahe Anakins Lichtschwert fallen lassen, so sehr musste er sich beeilen, es zu deaktivieren und in einen der weiten Ärmel seines weißen Gewands zu stecken.
Der Flur war voller narbiger Yuuzhan-Vong-Krieger, die in Hab-Acht-Stellung dastanden und die Waffen präsentierten.
Direkt hinter der Öffnung standen zwei nervöse, schwitzende Yuuzhan Vong von einer Kaste, die Ganner nicht erkannte. Beide hielten reptilische Geschöpfe in der Größe von Banthas an Leinen; die reptilischen Geschöpfe hockten auf den Hinterbeinen, während ihre klauenbewehrten Vorderbeine den Lukenschließmuskel weit aufzwangen. Mehrere Schritte weiter bildeten ein Dutzend oder mehr Yuuzhan Vong in beeindruckenden Kostümen, gehüllt in identische, fantastisch aussehende Kleidung, die leuchtete und schimmerte und sich vor ruhelosem Leben wand, einen Halbkreis um zwei Individuen.
Eines davon trug den immensen stachligen Kopfputz, von dem Ganner gehört hatte, dass Gestaltermeister ihn bevorzugten; das andere trug ein langes schwarzes Gewand und hatte ein lippenloses Nadelzahnlächeln, das Ganner aus seinem Traum erkannte.
Nom Anor.
Jacen wandte sich den Yuuzhan Vong scheinbar vollkommen sorglos zu. »Was hat diese Unterbrechung zu bedeuten?«, intonierte er erneut in dieser Grollender-Donner-Stimme, seiner Avatar-des-Gottes-Stimme. »Wie könnt ihr es wagen, Mich zu stören, wenn Ich das Licht weitergebe?«
Nom Anor trat vor und beugte sich näher zu Jacen Solo. Erstaunlicherweise murmelte er: »Sehr gut, Jacen Solo. Sie tragen diesen Mantel sehr beeindruckend.« Dann trat er zurück und sagte lauter, sodass alle in der Nähe es hören konnten: »Die Überwacher-Geschöpfe haben plötzlich das Bewusstsein verloren. Wir waren besorgt. Ist alles in Ordnung?«
»Ihre Sorge ist beleidigend«, fauchte Jacen mit hinreißender Arroganz.
Nom Anors Brauen zuckten, als er versuchte, sich ein Lächeln zu verkneifen, aber der Meistergestalter und der Ring von Yuuzhan Vong in den leuchtenden Kostümen − Angehörige der Priesterkaste, nahm Ganner an − schienen Jacen erheblich ernster zu nehmen. Einige von ihnen zuckten sichtlich zusammen.
»Nichts kann geschehen, das nicht Mein Wunsch ist: Wenn diese Geschöpfe schliefen, dann weil Ich es so wollte!«
Ganner blinzelte. Seltsam, dachte er, wie er die reine Wahrheit sagen kann, und es kommt wie eine Lüge heraus.
Jacen wandte sich mit großer Geste an Ganner »Erzähle diesen schwachen, ungläubigen Geschöpfen, was in dieser Kammer geschehen ist.«
Ganner blinzelte noch ein paar Mal. »Ich, äh, ich, ich meine …«
»Sprich! Denn Ich befehle es dir!« Auf der Seite seines Gesichts, das dem Flur abgewandt war, senkte sich Jacens Lid erneut für einen Sekundenbruchteil.
Ganner erlebte einen Augenblick vollkommener Klarheit.
Er brauchte nichts zu wissen.
Er musste sich nur entscheiden.
Der Tod wartete auf ihn, was immer auch geschah. Es ging nicht mehr darum, ob er sterben würde.
Es war nur noch eine Frage, wie.
»Ich habe das Licht des Wahren Wegs gesehen.« Seine Stimme kam überraschend fest heraus, wenn man das Flattern in seiner Brust bedachte und die Tatsache, dass seine Innereien sich in Wasser verwandelt hatten. Er hatte die Hände in die Ärmel gesteckt und drückte Anakins Lichtschwert, als wäre es ein Talisman, der ihm Kraft gab. »Und ich, äh, ich gehe mit Freude im Herzen zu den Göttern, äh, erfüllt von Dankbarkeit für ihr drittes Geschenk.«
Tatsächlich?, formten Nom Anors Lippen lautlos; er hatte ein boshaftes Glitzern im Auge, als hätte er sich kein bisschen täuschen lassen, aber ein Priester rief mit einer Stimme, die wie die Hupe eines Lufttaxis klang: »Tchurokk sen Khattazz al’Yun! Tchurokk’tiz!«
Die versammelten Krieger antworteten mit einem lawinenähnlichen Brüllen: »TCHUROKK!«
Begeisterte kleine Kerlchen, dachte Ganner erschüttert. Sie klangen, als jubelten sie. Er murmelte Jacen leise zu: »Was sagen sie da?«
»Sie bieten Mir einen Schatten des Respekts, der Mir zusteht«, erwiderte Jacen mit königlicher Sicherheit. »Die Worte bedeuten: ›Seht den Avatar des Gottes‹.«
»Tchurokk sen Jeedai Ganner! Tchurokk’tiz!«
»TCHUROKK!«
»Und sie, äh, mögen mich auch, wie?«
»Sie mögen Sie nicht«, warf Nom Anor ein, so vergnügt und bösartig wie ein gut genährter Hutt. »Niemand mag Sie; sie haben nur Respekt vor Ihrem willigen Opfer an die Wahren Götter.«
»Ja. Mein, äh, williges Opfer. Die Wahren Götter. So ist es. Und − worauf warten wir?«
»Auf nichts mehr«, sagte Nom Anor. »Die Vorstellung kann beginnen!«