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Der Wille der Götter

 

Ein zerschlagener, unfruchtbarer Planet kreiste um den blauweißen Funken eines Fusionsfeuers. Diese Welt hatte den Aufstieg und Fall vieler Nationen erlebt, von schlichten Provinzialstaaten über planetare Konföderationen bis hin zu interstellaren Imperien und galaktischen Republiken. Er war Schauplatz von Tausenden Kämpfen gewesen, von schlichten Oberflächenscharmützeln bis zur Zerstörung ganzer Zivilisationen. Er war von Krieg und Wiederaufbau erschüttert worden, bis seine ursprüngliche Umwelt nur noch unter sterilen Polareiskappen überlebt hatte; er war der künstlichste Planet einer galaktischen Kultur, die sich der Künstlichkeit verschrieben hatte. Der gesamte Planet war zur Maschine geworden.

Das sollte sich nun ändern.

Die neuen Herren begannen damit, die Monde zu stehlen.

Sie rissen die drei kleineren Monde mithilfe von Dovin-Basalen aus der Umlaufbahn und lenkten sie weit weg, während der größte durch Gezeitenbelastung pulverisiert wurde; bewirkt wurde dies durch Impulse von anderen durch einen Yammosk koordinierten Dovin-Basalen. Eine verfeinerte Anwendung ähnlicher Techniken organisierte die dadurch entstehende Masse von Staub, Kies und fest werdendem Magma zu einem weiten Ring aus Trümmern, der in einem Winkel um den Planeten rotierte, der siebzehn Grad von der Sonnenbahn abwich.

Dies war schon dramatisch genug, aber es handelte sich nur um ein Vorspiel.

Dovin-Basale waren auf der Planetenoberfläche gezüchtet worden. Man kann die Auswirkungen von Schwerkraft recht gut topografisch als eine veränderte Krümmung der Raum-Zeit beschreiben. Die Dovin-Basale auf der Planetenoberfläche veränderten die Krümmung der örtlichen Raum-Zeit so, dass der Planet langsamer wurde. Allmählich fiel er auf seine Sonne zu.

Es wurde wärmer.

Während seines langen, trägen Sturzes auf die Sonne zu musste der Planet ein Bombardement kleiner Meteore hinnehmen, die sorgfältig bemessen und in ihrem Eintrittswinkel in die Atmosphäre präzise berechnet waren, sodass sie eine Durchschnittstemperatur erreichten, die genügte, um ihr primäres Mineral verdampfen zu lassen, ohne dass es in seine Komponentenmoleküle aus Wasserstoff und Sauerstoff zerfiel. Das Primärmineral dieser kleinen Meteore war nur in der schwarzen Kälte des interplanetaren Raums ein Mineral; als es die wärmer werdende Oberfläche erreichte, hatte es seine kristalline Struktur verloren und war nur noch Wasser.

Zum ersten Mal seit tausend Jahren fiel wieder natürlicher Regen auf die Planetenoberfläche.

Sobald der Planet seine revidierte Umlaufbahn erreicht hatte, verstummten die Dovin-Basale, und der Raum kehrte zu seiner gewohnten Topografie zurück. Die drei verbliebenen Monde wurden in neue, kompliziertere Umlaufbahnen gebracht, deren Gezeitenwirkung schließlich die gestreifte Scheibe aus Geröll, die einen Ring um den Planeten bildete, zu einer dauerhaften Himmelsbrücke aus regenbogenfarbener Spitze flechten würde.

Als das Saatschiff in den normalen Raum zurückfiel und auf den Planeten zusteuerte, war dieser, was Länge der Umlaufbahn, Drehung, Monde und Ringe anging, zu einem Spiegelbild der vor Zeitaltern verlorenen Heimatwelt der Yuuzhan Vong geworden. Nun musste nur noch die Oberfläche wiederhergestellt und neues Leben zu den zertrümmerten Überresten dessen gebracht werden, was einmal eine einzige, den gesamten Planeten bedeckende Stadt gewesen war, damit der Planet des Namens würdig wurde, den er erhalten sollte: Yuuzhan’tar, die Wiege der Götter.

Coruscant war bereit für den Saatfall.

 

In der Zuchtstation war der Tizo’pil Yun’tchilat angebrochen: der Tag, an dem die Götter ihren Willen kundtaten.

In diesen letzten Stunden vor dem Saatfall schwärmten Gruppen von Gestaltern in die Domänen der Dhuryams aus, maßen, berechneten, sortierten und werteten aus. Jedes Gestalterteam war von einer Einheit hoch aufragender, schlaksiger Krieger begleitet: schwer gepanzert, die Waffen bereit, mit glitzernden Augen ununterbrochen die Umgebung überwachend, bewegten sie sich mit der gewichtigen, Unheil verkündenden Haltung von Reeks in der Brunftzeit.

Vier Gruppen bewachten das Shreeyam’tiz: eine kleine spezialisierte Unterart der Yammosks; dieses Geschöpf von der Größe eines Speeders hatte nur eine Aufgabe: ein machtvolles Störsignal in dem telepathischen Band zu senden, das sowohl von Yammosks als auch von Dhuryams benutzt wurde. Die Krieger trugen das fassförmige Shreeyam’tiz in einem riesigen Becken voller Nährflüssigkeit in die Zuchtstation. Dies war der erste Akt des Tizo’pil Yun’tchilat. Jedes Dhuryam wusste, dass an diesem Tag die Entscheidung über Leben und Tod fallen würde. Das Shreeyam’tiz sorgte dafür, dass keins von ihnen seine Sklaven für einen verzweifelten Akt der Sabotage oder Selbstverteidigung nutzen konnte.

Die Sklavensamen waren mit einer Art Notfallvorrichtung versehen: Wenn der telepathische Kontakt mit einem Dhuryam unterbrochen wurde, sorgte der Sklavensamen sofort dafür, dass der Sklave automatisch aus dem Gefecht gezogen wurde, indem er ihn gnadenlos auf seine Elternpflanze zutrieb, den Korallenbaum-Basal, der die Sklavenkorallen hervorgebracht hatte. Vor plötzlicher unerklärlicher Qual schreiend, rannten die Sklaven jeweils auf den Korallenbaum-Basal ihrer Domäne zu. Nur körperlicher Kontakt mit dem Korallenbaum-Basal konnte die Schmerzen erleichtern; selbst die Kranken und Verwundeten schleppten sich heulend über Felsen und durch Sümpfe. Dies organisierte die Sklaven in ordentliche kleine Gruppen und sorgte dafür, dass sie nicht im Weg waren, bis man sich ihrer auf die beste Weise entledigen konnte.

Den Sklaven war es gleich, welches Dhuryam siegte.

Es war nicht vorgesehen, dass einer von ihnen lange genug lebte, um es herauszufinden.

 

Nom Anor starrte das Bild in dem Geleesack an, der unter der Sichtspinne hing.

»Wieso tut er nichts?«

Vergere vollzog ihr flüssiges Achselzucken und lehnte sich zur Seite, um besser an den Beinen der Sichtspinne vorbeispähen zu können. »Er tut etwas. Nur nicht das, was Sie erwartet haben.«

»Er weiß es, oder? Er weiß, dass die Sklaven demnächst getötet werden?«

»Er weiß es.«

Das Bild in dem optischen Gelee war kaum mehr als ein Schatten im Zwielichtnebel. Das Shreeyam’tiz blockierte auch die Verbindungen, die der Sichtspinne üblicherweise ihr Bild lieferten; um Jacen Solo weiterhin zeigen zu können, war sie gezwungen, ein Schattenbild zu erzeugen, indem sie die infrarotempfindlichen Augenflecken der ungestielten Polypen im Amphistabhain benutzte.

»Er steht einfach nur da«, knurrte Nom Anor. Er verlagerte das Gewicht und starrte das Bild erbost an. »Wie kann er einfach nur dastehen? Die Schmerzen …«

»Schmerzen, ja. Leid? Vielleicht. Er hat viel gelernt.«

»Versteckt er sich? Ist es das?«

Wieder zuckte Vergere die Achseln. »Wenn das der Fall sein sollte, hat er einen hervorragenden Platz dafür gefunden.«

Der Schatten von Jacen Solo stand im Herzen des Amphistabhains.

»Und die Polypen greifen nicht an«, murmelte Nom Anor und kaute zerstreut am Rand eines Fingerknöchels. »Sie haben seit Wochen alle angegriffen, die in Reichweite kamen, und unterschiedslos Sklaven, Krieger und Gestalter getötet. Aber dieser Solo − er ist wie einer von diesen … wie nennt man sie noch, diesen Auslöservögeln, die vollkommen sicher inmitten der Fresstentakel eines bespinischen Beldons sitzen.«

»Vielleicht sind er und die Polypen zu einer, äh, Übereinkunft gekommen.«

»Ich finde diese Vorstellung alles andere als beruhigend.«

»Tatsächlich? Das sollten Sie aber, Exekutor. Schließlich habe ich ihn dazu ausgebildet.«

Nom Anor nahm die Hand vom Mund und sah sie blinzelnd an. »Dazu?«

»Selbstverständlich. Und nun, an diesem kritischen Punkt des Tages der Entscheidung, steht Jacen Solo nicht bei den anderen seiner Art. Trotz der schlimmsten Schmerzen, die ihm sein Nervensystem zufügen kann, hat er sich entschlossen, sich unter Lebensformen aus einer fremden Galaxis aufzuhalten. Unserer Galaxis, Exekutor. Er hat mehr mit den Herren gemeinsam als mit den Sklaven, und er fängt an, das zu erkennen.«

»Sind Sie sicher?«

»Er ist vielleicht auf dem Wahren Weg schon so weit fortgeschritten, dass das Schicksal der Sklaven ihn nicht mehr interessiert.«

»Das glaube ich einfach nicht«, knurre Nom Anor. »Ich glaube es keinen Nanoblip lang. Sie kennen diese Jedi nicht so gut wie ich.«

»Das mag sein.« Vergeres Kamm nahm ein schwaches, amüsiertes Grün an. »Tut das denn überhaupt jemand?«

Abrupt griff Nom Anor in eine kopfgroße Blasenhöhle in der Wand nahe seinem Knie und holte einen Villip heraus. »Ein Sklave versteckt sich im Amphistabhain«, sagte er. »Nehmt ihn gefangen. Fesselt ihn und bringt ihn in mein Korallenschiff.«

Der Villip flüsterte die Antwort des Kommandanten von Nom Anors getarnten Kriegern: »Ich höre und gehorche, Exekutor.«

»Wenn Ihnen die Gebeine Ihres Vaters etwas wert sind, dann sollten Sie bei dieser Mission nicht versagen. Dieser Sklave ist ein Jedi-Unterwanderer, der auf keinen Fall das Tizo’pil Yun’tchilat stören darf.«

»Was, wenn er sich widersetzt?«

»Ich würde es vorziehen, dass er überlebt − aber ich verlange es nicht. Gehen Sie auf keinen Fall das Risiko ein, dass das Saatschiff Schaden nimmt. Halten Sie die Störungen so gering wie möglich.«

»Ich höre und gehorche, Exekutor.«

Nom Anor befahl dem Villip, seine ursprüngliche Form wieder anzunehmen. »So.« Er wandte sich Vergere zu. »Wie Sie sagen: Unser Solo-Projekt hat sich gut entwickelt. Die Zuchtstation hat ihren Zweck erfüllt. Wir müssen ihn ohnehin vor den Hinrichtungen entfernen; es ist besser, sich jetzt gleich darum zu kümmern, für den Fall, dass er sich immer noch gewisse heldenhafte Illusionen macht. Die Zeremonie muss ungestört weitergehen. Sie sollten die nächste Phase seiner Ausbildung planen; Sie wollen bestimmt gleich damit anfangen, sobald er sich sicher an Bord meines Korallenschiffs befindet.«

»Mein Volk, Nom Anor«, sagte Vergere nachdenklich, »hat ein Sprichwort, das davor warnt, die Glitterfliegen bereits zu zählen, wenn man es noch mit Maden zu tun hat.«

»Was?« Nom Anor verzog verärgert das Gesicht. »Was bedeutet das?«

»Ich glaube« − sie nickte zum Bildsack der Sichtspinne hin −, »Sie werden es bald herausfinden.«

 

Jacen steht im Amphistabhain und beobachtet.

Die Schreie des Sklavensamens flackern durch jeden Nerv in seinem Körper: Sie geben ihm den Befehl zu laufen, so schnell wie möglich zu dem Korallenbaum-Basal zu eilen, der nur dreißig Meter entfernt steht. Er glüht innerlich von diesem Feuer, wird aber nicht verschlungen.

Das Feuer ist eine Retorte, die alles, was er ist, was er jemals war und jemals sein wird, zu einem einzigen Augenblick destilliert; wie zuvor das Weiß, hat jetzt das Feuer die Zeit weggewaschen.

Jacens gesamte Zeit ist nun ein einziges Jetzt, und das Feuer in ihm nährt seine Kraft.

Plötzlich lassen vier Sklaven die Wedel des ihm am nächsten stehenden Korallenbaum-Basals los, entfernen sich von der Pflanze und treten ins blauweiße Licht des konstanten Mittags der Zuchtstation. Sie tun dies lässig und effizient, ohne Eile, aber auch ohne eine Bewegung zu verschwenden, und sie schauen dabei Richtung Amphistabhain, zu dem tiefen Schatten, in dem Jacen steht.

Sie scheinen keine Schmerzen zu haben.

Das, so weiß Jacen bereits, liegt daran, dass sie keine Sklaven sind.

Er fragt sich flüchtig, ob sich Anakin so gefühlt hat: ruhig. Bereit. Mit einem Blick auf den Preis, den er zahlen wird, und dann zu dem Schluss kommend, dass er einen guten Handel abgeschlossen hat.

Draußen im blauweißen Mittag drücken die vier Sklaven an die Seiten ihrer Nasen, und die Ooglith-Masken, die sie getragen haben, schälen sich ab. Fäden lösen sich aus Poren und hinterlassen verschmierte Blutströpfchen wie Schweiß. Die Masken fließen an den enttarnten Kriegern herunter, dann verschwinden sie im Gras.

Die Krieger gehen auf den Amphistabhain zu.

Jacen schließt die Augen, und für eine Sekunde befindet er sich bei seiner Familie: Sein Vater zaust ihm das Haar, er spürt den Arm seiner Mutter warm um die Schultern, Jaina und Lowie ächzen, und Mara macht eine sarkastische Bemerkung, weil Jacen wieder einmal versucht, Tenel Ka einen Witz zu erzählen …

Aber Chewbacca ist nicht da.

Und Anakin auch nicht.

Die vier Krieger bleiben direkt am Rand des Hains stehen. Heranwachsende Amphistäbe peitschen drohend die Luft, und die Grundmäuler der Polypen klaffen weit und erwarten stumm einen Regen von Blut und Fleisch. Ein Krieger ruft in harschem, gutturalem Basic: »Jeedai-Sklave, komm heraus!«

Jacens einzige Reaktion besteht darin, die Augen zu öffnen.

»Jeedai-Sklave! Komm aus dem Hain!« Sie tragen keine Rüstung; die einzigen Vonduun-Krabben in der Nähe sind die wilden Formen im Sumpf hinter dem Korallenbaum-Basal, die nachts herauskommen, um sich von den Polypen am Rand des Hains zu ernähren. Krieger ohne Rüstung haben keine Chance, in dem zischenden Schwingen junger Amphistäbe auch nur für Sekunden zu überleben.

Jacen verändert seine Haltung ein wenig und ordnet seine Gedanken und seinen Atem zu einer Jedi-Meditation, die tief in ihn hineinreicht, tiefer als der brennende Schmerz des Sklavensamens, bis in die Erinnerungen an das, was er durch die mentale Verbundenheit mit dem Dhuryam gelernt hat: Erinnerungen so lebhaft, dass sie ihm wie ein Wachtraum vorkommen Nun bemerken auch die in volle Rüstung gekleideten Krieger, die das Shreeyam’tiz bewachen, die Unruhe. Einige fangen an, sich auf den Amphistabhain zuzubewegen, und die Krieger, die rings um den Stock-Teich stehen, verlagern nervös das Gewicht und rücken ihre Waffen zurecht.

»Jeedai-Sklave! Wenn wir reinkommen müssen, geht es schlimmer für dich aus!«

Jacen ist jetzt tief in Meditation versunken; er kann das tiefe Summen emotiver Hormone durch die rudimentären Hirne der Amphistabpolypen ringsumher spüren. Er kann ihren Bluthunger spüren, als hätte er ein Stück rohes Fleisch im Mund.

Der Krieger dreht sich um und brüllt einen Befehl in der Sprache der Yuuzhan Vong. Zwei weitere falsche Sklaven entfernen sich von dem Korallenbaum-Basal und erlauben ihren Ooglith-Masken, an ihnen herabzugleiten. Diese neuen Krieger packen einen echten Sklaven; einer hält ihn fest, während der andere dem Sklaven mit einem Handkantenschlag die Kehle zerschmettert. Sie treten zurück, lassen den Sklaven fallen und sehen uninteressiert zu, wie er sich im Dreck windet und erstickt.

»Jeedai-Sklave! Komm raus, oder es wird noch einer sterben Dann noch einer und noch einer, bis nur noch du übrig bist. Rette ihre Leben, Jeedai! Komm raus!«

Nun dringt in Jacens Meditationswachtraum die Erinnerung an einen anderen Traum, einen echten Traum, einen Machttraum so lebhaft, dass er immer noch die Korallenskipper-Knospen riechen, immer noch die narbigen Gesichter der Krieger und die von Korallen verstümmelten Leichen der Sklaven sehen kann: ein Traum, den er vor zwei Jahren auf Belkadan hatte. Ein Traum, in dem er die Sklaven der Yuuzhan Vong befreite.

Wie erstaunt er gewesen war, wie beraubt er sich gefühlt hatte, als der Traum nicht wahr wurde. Als sein Versuch, sein Versprechen zu erfüllen, in Katastrophe, Blut, Tod und Folter endete, hatte er sich gefühlt, als hätte die Macht selbst ihn betrogen.

Nun sieht er, dass er nicht betrogen wurde. Er war nur zu ungeduldig gewesen.

»Jeedai-Sklave! Komm raus!«

Jacen seufzt und taucht aus der Meditation auf.

»Also gut«, sagt er leise und ein wenig traurig. »Wenn ihr unbedingt wollt.«

Sein zuvor regloser Schatten bewegt sich nun, scheint lautlos durch den Hain bluthungriger Polypen zu schweben. Er bleibt im Halbschatten an der Grenze zum blauweißen Mittagslicht stehen. Die Amphistäbe bewegen sich hinter ihm in tödlichen Schwüngen. »Hier bin ich.«

»Weiter«, befiehlt der Kommandant. »Komm aus der Reichweite des Hains.«

Jacen hebt die leeren Hände. »Zwingt mich.«

Der Krieger wirft einen kurzen Blick zu den beiden, die den Sklaven umgebracht haben. »Tötet noch einen.«

»Ihr«, sagt Jacen, »seid keine Krieger.«

Die drei Kameraden des Kriegers reden aufgeregt aufeinander ein. Der Anführer fährt herum, als hätte ihn ein Traktorstrahl in diese Richtung gerissen. »Was?«

»Krieger gewinnen Schlachten, ohne die Schwachen zu ermorden.« Jacens Stimme trieft vor ätzender Verachtung. »Wie alle Yuuzhan Vong führt ihr nur Krieg gegen die Hilflosen. Du bist ein Feigling aus einer Spezies von Feiglingen.«

Der Krieger stolziert vorwärts. Seine Augen glitzern. »Du nennst mich einen Feigling? Du? Ein verzärtelter Jeedai-Balg? Ein vor Angst bebender Brenzlit, der sich im Schatten seiner Höhle verkriecht? Ein Sklave

»Dieser Jeedai-Brenzlit-Sklave«, sagt Jacen mit deutlicher Kälte, »spuckt auf die Gebeine deines Großvaters.«

Der Krieger greift an, die Krallenfinger gereckt, um Jacen die Augen auszukratzen. Mit einem gereizten Seufzer lässt sich Jacen auf den Rücken fallen, während er leicht nach den ausgestreckten Handgelenken des Kriegers greift und einen Fuß in seine Magengrube stemmt, um einen Drehpunkt zu haben. Jacen rollt sich nach hinten, und der Krieger fliegt hilflos um sich schlagend direkt in den Klingensturm der Amphistäbe.

Jacen bleibt einen Moment in dem plötzlichen Regen von Yuuzhan-Vong-Blut und Kriegerfleischbrocken liegen. Er dreht den Kopf, um zu sehen, wie die heranwachsenden Amphistäbe Stücke aus der Leiche des Kriegers schneiden und sie auf das sabbernde Klaffen der Grundmäuler des Polypen zuschieben.

Dann steht er wieder auf. Er sieht die anderen drei Krieger an. »Und?«

Sie wechseln unsichere Blicke. Hinter Jacens Rücken schlürfen und gurgeln die Polypen, und die Amphistäbe schwirren hungrig.

Die Krieger bleiben, wo sie sind, und rufen etwas in ihrer eigenen Sprache.

Daraufhin stapfen zwei der Gruppen, die das Shreeyam’tiz bewachen sollen, vorwärts. Sie haben Amphistäbe in der Hand, Waffengurte voll mit Knallkäfern und anderen, Jacen weniger vertrauten Waffen und tragen vollständige Vonduun-Krabben-Rüstung. Die Schale einer Vonduun-Krabbe kann einen Lichtschwertschlag aufhalten; sie kann auch gegen die Schneide eines Amphistabs bestehen, die nicht dicker ist als der Durchmesser eines Atoms.

Einer der drei in der Nähe zeigt Jacen die Zähne: lang, nadelspitz und nach innen gebogen wie die eines Raubtiers. »Nal’tikkin Jeedai hr’zlat sor trizmek sh’makk«, spuckt er. »Trokk jan trizmak, Jeedai.«

Jacen braucht die Sprache nicht zu verstehen, um zu begreifen, was das bedeutet: Kein Ringertrick wird einen einzelnen unbewaffneten Mann gegen zwei Gruppen von Kriegern schützen, Jedi oder nicht.

Der Krieger rät ihm, sich aufs Sterben vorzubereiten.

Jacen lächelt. Es ist ein trauriges Lächeln: melancholisch, reserviert.

Er nickt.

In einem Teil seines Geistes, der weit entfernt ist von seinen Schmerzen, dem Blut und dem grellen blauweißen Licht, kann er die dunkle Zufriedenheit der Amphistabpolypen hinter sich spüren, die schnell und beinahe sofort den toten Krieger verdauen. Er spürt ihre begeisterte Erwartung und die schaudernde Erregung, weil die Mahlzeit aus Kriegerfleisch ihnen die Kraft zur Fortpflanzung gibt.

Amphistabpolypen vermehren sich asexuell; die Amphistäbe werden selbst zur Brut des Polypen, werden von ihren Knoten abgeworfen, damit sie sich schlängelnd auf die Suche nach gutem Boden machen können, um dort Wurzeln zu schlagen und sich ihrerseits in einen Polypen zu verwandeln. Durch seine empathische Verbindung zeigt Jacen ihnen den Boden, den er empfiehlt.

Die Amphistäbe vertrauen ihrem Freund und halten sich an seinen Rat.

Er streckt die Arme aus. Die Krieger können nur mit weit aufgerissenem Mund zusehen, wie Amphistäbe sich wie Laub von den Polypen in seinem Rücken lösen, wie sie sich über die knotigen Lederstämme des Polypen schlängeln und durchs Gras gleiten.

Amphistäbe winden sich um Jacens Füße und klettern an seinem Körper empor wie Ranken, die ein vergessenes Götterbild im Dschungel umgeben. Sie winden sich um seine Beine, seine Hüften, seine Brust, schlängeln sich an seinen Armen entlang, überziehen seinen Nacken, biegen sich, um selbst seinen Schädel zu umgeben. Die sich nähernden Krieger in voller Rüstung werden unsicher langsamer, denn sie wissen nicht recht, wie sie angreifen sollen.

Denn die Vonduun-Krabbe ist nicht das einzige Geschöpf, das dem Schnitt einer Amphistabklinge widerstehen kann.

Jacen drückt die Handflächen aneinander und verbeugt sich feierlich vor den Kriegern. Als er die Hände wieder löst, reckt sich ein reifer Amphistab zwischen ihnen, Klinge und Stachel mit Gift ausgerüstet. So wie jeder andere der siebzehn Amphistäbe, die seine Rüstung bilden.

Jacen sagt: »Ich möchte euch ein paar Freunde von mir vorstellen.«

 

Nom Anor warf seinen Sackwurm durch die Kammer. Der Wurm klatschte gegen die Wand, dann rutschte er auf den Boden, wo er einen leisen, pfeifenden Seufzer ausstieß und starb. Sofort nahm sich Nom Anor wieder zusammen und wischte sich den lippenlosen Mund mit dem Handrücken ab.

»Es ist also vorüber«, murmelte er finster. »Wir haben versagt. Sie haben versagt«, verbesserte er sich und fragte sich, ob er in seinem Korallenschiff weit genug kommen konnte, um Tsavong Lah zu entgehen, fragte sich, ob er sich der Neuen Republik ausliefern sollte, ob es eine Möglichkeit gab, die überlebenden Jedi zu überreden, ihn nicht sofort zu töten. Er verfügte immer noch über viele geheime Informationen, wertvolle geheime Informationen …

Vergere unterbrach seine Spekulationen. »Exekutor, lassen Sie mich zu ihm gehen.«

»Ganz bestimmt nicht. Ich kann nicht zulassen, dass Sie mitten im Tizo’pil Yun’tchilat herumrennen, Sie dummes Geschöpf. Haben Sie etwa vergessen, dass unser Solo-Projekt geheim ist? Wie geheim wird es sein, wenn Sie erst durch die Zuchtstation gerannt sind und versucht haben, seine nutzlose Haut zu retten?«

»Nutzlos trifft es nicht so recht, Exekutor. Wie ich schon zuvor sagte, seine Ausbildung ist sehr gut verlaufen. Ich muss allerdings zugeben, dass es im Augenblick besser aussehen könnte.«

»Es könnte besser aussehen?« Nom Anor deutete auf den optischen Sack der Sichtspinne, wo die trübe Silhouette von Jacen Solo in seiner außergewöhnlichen Rüstung zu sehen war. »Er hat nichts gelernt! Er ist kurz davor, sein Leben in einem vergeblichen Kampf wegzuwerfen! Um Sklaven zu retten! Er ist ebenso schwach wie jeder andere Jedi − schwächer

»Er ist kein Jedi«, erwiderte Vergere ungerührt. »Und es ist nicht sein Leben, um das ich mir Sorgen mache.«

»Haben Sie den Verstand verloren?« Nom Anor stapfte erbost zur Sichtspinne, die nervös tänzelte, um ihre zarten Füße vor den im Menschenstil gearbeiteten Stiefeln des Exekutors in Sicherheit zu bringen. »Er kann einen solchen Kampf unmöglich gewinnen! Wie kann er erwarten, gegen so viele Krieger zu siegen? Selbst wenn er sich wieder im Hain versteckt …«

»Siegen«, sagte Vergere, und ihre Kammfedern nahmen ein strenges blastergrau an, »ist nicht das Gleiche wie Kämpfen. Sehen Sie.«

Der Schatten verschwand plötzlich, und das Bild in dem optischen Sack veränderte sich und flackerte, als die Sichtspinne neue visuelle Quellen suchte. »Was ist da los?«, fragte Nom Anor. »Flieht er? Läuft er davon wie der gebrochene Jedi-Balg, der er immer schon war?«

»Exekutor.« Vergere packte ihn mit erstaunlich festem Griff am Ellbogen. »Jacen Solo verfügt nicht mehr über die Macht, aber die Macht ist nicht seine einzige Waffe. Er ist ein geborener Krieger, ältester Sohn und Erbe einer langen Ahnenreihe von Kriegern. Er wurde seit seiner Geburt in der Kampfkunst ausgebildet. Er wurde immer wieder geprüft, hat in Schlachten gestanden, und er …«

»Er ist nur ein Junge.« Nom Anor starrte sie an. »Haben Sie den Verstand verloren? Ich kenne diesen Jungen. Menschen interessieren sich nicht für ihre kriegerische Abstammung. Die seine hat nichts zu bedeuten. Er hat nichts zu bedeuten.«

Vergere antwortete nur mit einer winzigen Spur von Ironie. »Ich sage Ihnen eines: Obwohl weder er noch die anderen Jedi es wissen, ist er der größte aller Jedi. Jacen Solo ist der Fleisch gewordene Jedi-Traum. Selbst ohne die Macht ist er gefährlicher, als Sie sich vorstellen könnten. Sie müssen mich zu ihm gehen lassen. Er muss aufgehalten werden.«

»Aufgehalten? Was wird er denn tun? Sich vor Angst in die Gewandhaut machen, während er davonläuft?«

»Wir müssen ihn davon abhalten, das Tizo’pil Yun’tchilat zu verhindern. Und sehr wahrscheinlich das Saatschiff zu zerstören.«

Nom Anors Mund öffnete sich, aber es kam nur ein schwaches Zischen heraus. Die ruhige Sicherheit in Vergeres Blick brachte ihn so wirkungsvoll zum Schweigen wie ein Schlag gegen die Kehle. Er konnte einfach keine Luft mehr bekommen »Das Schiff zerstören?«, brachte er schließlich keuchend hervor.

»Verstehen Sie denn nicht, Exekutor? Er läuft nicht davon.«

Sie zeigte auf den Sack der Sichtspinne, wo das Bild sich wieder stabilisiert hatte und nun eine einzelne Gestalt zeigte, die den näher kommenden Gewitterwolken der Kriegereinheiten entgegenrannte.

»Er greift an