Kapitel 32

 

Nachdem ich in meiner Wohnung angekommen war, setzte ich mich als Erstes an den Computer. Obwohl schon Freitagabend war, hatte ich noch keine E-Mail von Lily bekommen. Anscheinend war heute nicht nur ich spät dran. Ich beschloss, mich kurz zu fassen.

 

Liebe Lily, schrieb ich. Ich muss leider dringend weg und gebe deshalb auf. Melde mich demnächst bei dir und lade dich dann zum Essen ein.

Ganz liebe Grüße,

Isabelle

 

Ich schickte die Mail ab, dann schaltete ich sofort den Computer aus.

Auf einen Zettel schrieb ich genaue Anweisungen zur Pflege meiner Pflanzen. Das schlechte Gewissen, das mich dabei überkam, versuchte ich tapfer zu ignorieren. Ich musste mich jetzt um mein Leben kümmern. Wenn ein paar Pflanzen das mit ihrem bezahlen würden, war das eben nicht zu ändern.

Dann packte ich schnell ein paar Sachen zusammen, machte mir für die Fahrt eine Thermoskanne voll starken Kaffee und holte eine Packung Kekse und ein paar Bonbons aus dem Schrank.

Das musste reichen, entschied ich.

Mit meiner Tasche und meinem Rucksack bepackt lief ich die Treppe hinunter und klingelte bei Nicole. Aus ihrer Wohnung drangen lautes Gelächter und Stimmengewirr, aber niemand öffnete. Kein Wunder, dachte ich. Da drin saß eine ganze Horde und glühte schon ordentlich vor für den Kneipenbummel oder den Besuch im Biergarten.

Also klingelte ich Sturm und ließ den Knopf nicht mehr los, bis Nicole verwundert den Kopf durch die Tür steckte.

Erst als sie freudig »du kommst doch mit uns mit?«, fragte, wurde mir klar, dass ich ganz vergessen hatte, meinen Anrufbeantworter abzuhören.

»Äh, nein.« Ich wies auf meine Tasche. »Ich fahre ein paar Tage weg. Ich will Sebastian in Frankreich besuchen.«

Nicole grinste anzüglich. »Oh, là, là!«

Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich fürchte, das Oh, là, là wird dir gleich vergehen. Ich wollte dich nämlich bitten, dich um meine Pflanzen zu kümmern, während ich weg bin.«

»Mich?«

Ungeachtet ihres plötzlich sehr blassen und erschrocken aussehenden Gesichts drückte ich ihr den Zettel mit den Anweisungen in die Hand, gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange und wandte mich zum Gehen. Ich wollte ihr gar nicht erst die Gelegenheit zum Protest geben.

»Danke. Ich rufe dich dann an und frage, wie es meiner Palme geht«, rief ich ihr noch über die Schulter zu.

Als die Haustür hinter mir mit lautem Klicken zufiel, stand Nicole immer noch ratlos in ihrer Wohnungstür und sah mir hinterher.

 

Eine besondere Herzensangelegenheit
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