16.
MILITÄRISCHE SPERRZONE,
INNERHALB DES BETONWERKS
Entsetzt starrte Marinin auf den Hund, der sich keine zwei Meter von ihm entfernt im eigenen Blut wälzte. Davids Kugel war dem Tier genau zwischen die Vorderläufe gefahren und hatte den Unterleib komplett aufgerissen, trotzdem robbte es, eine rote Schleifspur hinterlassend, über den Beton und fletschte seine Zähne. Schaumflocken tropften von seinem Maul.
Angesichts der schwärenden Wunden, die das Fell bedeckten, ließ sich die Rasse der geifernden Bestie schwer bestimmen. Es gab gewisse Ähnlichkeiten zu einem Rottweiler, aber auch zu verschiedenen Kampfhunderassen. Genaues ließ sich nicht feststellen, denn der Körper wies zahlreiche Missbildungen auf. Neben einem zu großgeratenen Kopf, den zwei messerscharfe Gebissreihen dominierten, gab es noch ein verkrümmtes Rückgrat und stachelige Auswüchse an Vorder- und Hinterläufen.
Dicke, am Hals hervortretende Muskelstränge zeugten von seiner urwüchsigen Kraft. Ein einziger Biss des riesigen Mauls mochte reichen, um einem erwachsenen Mann den Arm abzutrennen. Neben der Größe und der Aggressivität des Tieres fiel vor allem der milchige Schimmer auf, der seine Augäpfel überzog. Gewiss war er blind, konnte höchstens hell und dunkel vage voneinander unterscheiden. Trotzdem witterte er, wo seine Beute stand und schnappte zielsicher nach Marinins Waden.
Während der Major einige Schritte zurückwich und die PMM aus dem Holster zog, hebelte David eine neue Patrone in den Lauf und legte an. Diesmal zielte er sorgfältiger und schoss dem Tier aus nächster Nähe zwischen die Augen.
Der Hundeschädel zerplatzte in einer blutigen Wolke, das Grollen in seiner Kehle erstarb. Kopflos sackte der Rumpf zur Seite.
„Verdammte Scheiße!" Marinin behielt den Kadaver im Visier, nur für den Fall, dass immer noch Leben darin steckte. „Was für ein Drecksvieh war das denn?"
Verbranntes Schwarzpulver schwängerte die Luft.
David zog den Ladehebel zurück. Die abgefeuerte Hülse flog aus der Patronenkammer, zeichnete einen feinen Rauchbogen in die Luft und schlug mit leisem Klingeln auf dem Boden auf.
„Die Zone birgt viele Gefahren", bequemte er sich endlich zu einer Antwort. „Gravitationsminen sind nur eine davon."
Ratschend beförderte er die nächste Kugel in den Lauf.
„Ach? Tatsächlich?" Marinin hatte nicht übel Lust, seinen maulBegleiter in die kalte Mündung der PMM blicken zu lassen. „Du hast also von diesen tollwütigen Viechern gewusst und verlierst die ganze Zeit keinen Ton darüber?"
„Tollwut ist noch harmlos, verglichen mit den Mutationen, die hier überall herumschleichen." David antwortete, ohne den Maanzusehen. Hektisch ließ er seinen Blick über das unübersichtliche Labyrinth aus Verschalungen, halbfertigen Elementen, Stegen, Gittern und Förderbändern schweifen. „Wir müssen vorsichtig sein. Manchmal sind sie auch zu zweit."
„Oh, vorsichtig sein?" Marinins Stimme troff nur so vor Ironie. „Danke für den Hinweis, darauf wäre ich von alleine nicht gek..."
Ein als vielstimmiges Echo von den Wänden zurückgeworfenes Knurren unterbrach seine wütende Ansprache.
Marinins Waffe schwenkte in die Höhe, noch ehe er den riesigen Hund ausmachte, der sich langsam hinter einer Betoneinfassung hervorschob. Das Tier musste ein Sinnesorgan besitzen, das ihm die Sehkraft vollständig ersetzte, denn es trottete zielsicher aus dem Versteck, hob den Kopf und fixierte Marinin mit seinen blinden Augen.
Vier andere Hunde, die links und rechts des Leittiers aus der Deckung sprangen, legten sogar noch mehr Geschick an den Tag. Auf Betonteilen und Eisenschrott balancierend sahen sie aus einiger Höhe auf ihre Beute hinab.
Bei dieser Beute handelte es sich um David und Marinin.
„Manchmal sind sie auch zu zweit, häh?" Der Major fühlte Zorn in sich aufsteigen. „In Mathematik hast du wohl immer die Schule geschwänzt?"
Davids Adamsapfel hüpfte hektisch auf und ab, ansonsten war ihm keine Nervosität anzumerken.
„Die Viecher müssen sich vermehrt haben", erklärte er nur knapp. Zu mehr war auch keine Zeit, die Bestien spannten ihre Muskeln bereits zum Sprung.
Die Automatik in Marinins Hand bäumte sich auf. In der weitläufigen Halle klang der Schuss beinahe wie eine Explosion, die als vielfaches Echo von den Wänden zurückgeworfen wurde. Die Flanke des Leittiers platzte faustgroß auf, Blut und Gewebeteile spritzten durch die Luft. Der Einschlag schleuderte das Tier kurz zur Seite, ansonsten zeigte der Treffer wenig Wirkung.
Unbeirrt korrigierte es seine Position und stieß sich mit den Hinterläufen ab. Der mächtige Satz verkürzte die Distanz zwischen den beiden auf die Hälfte, und nur, weil das Bein auf der angeschossenen Seite kurz einknickte, erhielt Marinin genügend Zeit, zwei weitere Kugeln aus dem Lauf zu jagen.
Jaulend bäumte sich der Hund auf, brach aber immer noch nicht zusammen, sondern ging weiter auf Marinin los. Schmerz und Blutverlust machten ihm nichts aus, nur dort, wo eine durchschossene Sehne aus der Wunde ragte, knickte der Lauf bei jeder Belastung kaum merklich ein.
Die eiternden und nässenden Wunden mussten ihn schon vor langer Zeit verrückt gemacht haben. Mit einem normalen Hund hatte er überhaupt nichts mehr gemein. Schmerzempfinden und Selbsterhaltungstrieb waren ihm abhanden gekommen.
In seiner Rage kannte die Kreatur nur noch ein Ziel: jeden Menschen in dieser Halle zu reißen und zu zerfleischen.
Die vierte Kugel traf in den Hals, und zwar aus kürzester Distanz. Mitten im Sprung wurde das Geschöpf nach hinten gerissen, überschlug sich in der Luft und blieb endlich reglos liegen.
Neben dem Major bellte das Jagdgewehr auf. Dessen Kaliber riss zwar größere Löcher, dafür musste David nach jedem Schuss von Hand durchladen. Zwei Tiere brachte er damit zur Strecke, bevor das dritte in die Höhe sprang, um nach seiner Kehle zu schnappen.
David blieb keine Zeit mehr, die langläufige Waffe neu auszurichten. Deshalb nahm er sie quer vor die Brust und fing seinen Gegner ab, indem er ihm die Zieloptik mit voller Wucht entgegenrammte. Davids ausgestreckte Arme hielten das zuschnappende Maul gerade weit genug auf Abstand. Nur Zentimeter von seiner Nase entfernt, knallten die Zahnreihen hart aufeinander.
Mit scharfen Krallen bewehrte Pfoten kratzten über seinen dicken Anorak, ohne den widerstandsfähigen Stoff zu durchdringen. Hätte er nur ein T-Shirt getragen, wäre ihm allerdings der Brustkorb in Fetzen gerissen worden.
Dem Gesetz der Schwerkraft folgend prallte das Tier zurück auf die Erde. David hämmerte sofort den Gewehrschaft in die Tiefe, mitten in die empfindliche Tierschnauze.
Knurrend wich der Hund zurück, um sich neu zum Sprung zu positionieren. Der Fünfte des Rudels wollte die Chance nutzen, um sich von hinten auf den gebeugt stehenden David zu stürzen.
Marinin verhinderte es mit zwei wohl gezielten Schüssen.
Davids Gegner ergriff trotzdem nicht die Flucht, sondern katapultierte sich erneut aus dem Stand in die Höhe, völlig auf die Kehle des Jungen fixiert.
Diesmal wurde die geifernde Bestie mit der Mündung voran abgefangen. Vom eigenen Schwung getrieben, bohrte sich der Lauf tief in die Hundebrust. Vergeblich reckte das Tier den Hals und schnappte mit den mächtigen Kiefern zu. Selbst die Vorderläufe waren nicht lang genug, um Davids Gesicht zu erreichen.
Die Arme des jungen Mannes ruckten in die Höhe, als wollte er die Bestie aufspießen, dann zog er am Abzug. Mit einem dumpfen Laut hüpfte der deformierte Leib in die Höhe. Gleichzeitig brach der Rücken in einer schmutzig roten Fontäne auseinander.
Nur noch ein blutiges Fellbündel klatschte zurück auf den Beton, doch das blinde Tier biss und kratzte weiter wild um sich, vermutlich in einer Art Reflex, denn seine Wirbelsäule war völlig zertrümmert.
Keuchend wich David zurück, das Gesicht rot vor Anstrengung.
„Verdammt", keuchte er. „Das hab ich auch noch nicht erlebt."
Major Marinin ließdas Magazin aus seiner Pistole springen und warf einen enttäuschten Blick darauf. Leer. Nur die Kugel im Lauf war ihm geblieben. Ein Ersatzmagazin hatte er nicht. Das hatte er in neunzehn Dienstjahren nicht gebraucht.
David lud sein Gewehr nach und überreichte es Marinin. „Nehmen Sie, ich habe noch mehr dabei." Daraufhin öffnete er den Reißverschluss des Anoraks und legte eine kurzläufige MP5 frei, die er an einem Gurt um den Hals trug.
Er wusste mit der Waffe umzugehen, das sah Marinin sofort. Der Blick ins Magazin und das Klacken des Sicherungshebels dauerten weniger als zwei Sekunden. David stellte auf Einzelfeuer, denn sie hatten keine Kugeln zu verschwenden.
Aus allen vier Ecken der Halle erklang bereits neues Knurren.
„Scheiße, wie viele sind das denn noch?" Marinin steckte die PMM zurück ins Holster und nahm die amerikanische Flinte in den Hüftanschlag.
„Keine Ahnung. Ich hab schon mal ein Rudel mit fünfzehn Tiegesehen."
„Fünfzehn?"Marinin fühlte, wie eine kalte Hand in seine Brust langte und sein Herz schmerzhaft zusammendrückte. „Ich denke, die laufen meist nur zu zweit auf?"
David zuckte die Schultern. „Bisher hab ich sie immer nur durchs Fernglas beobachtet", sagte er entschuldigend.
Nach allen Seiten sichernd versuchten die beiden den gleichen Weg zurück zu nehmen, den sie gekommen waren. Das Labyrinth aus Verschalungen, Treppen und rostigen Maschinen erwies sich aber als zu gefährlich für eine Durchquerung. Kaum dem alten Generator nahe gekommen, tauchte auch schon ein dunkelbrauner Rüde auf, kleiner, aber auch drahtiger als seine Vorgänger, dafür ebenso verwachsen und blind.
Die Lefzen weit zurückgezogen, ließ er sein Furcht einflößendes Gebiss sehen. In seinen weißen Augäpfeln schimmerte es bedrohlich.
Marinin legte auf ihn an. Im gleichen Moment, da er den Druckpunkt am Abzug überwand, machte die Bestie auf den Hinterläufen kehrt und verschwand im Dunkel der Halle.
Der Schuss ging fehl.
Verdammt, so hatte das keinen Zweck. Außerdem brachte es wenig, ins Freie zu fliehen. Draußen, im hohen Gras, konnte die Meute ihre zahlenmäßige Überlegenheit noch viel besser ausspielen.
„Los, die Treppe rauf, befahl er. „Von oben haben wir freies Schussfeld. Wir müssen die Biester aus der Entfernung töten."
David überlegte kurz und nickte dann, um sein Einverständnis zu signalisieren.
Der nächste Aufgang lag nur wenige Meter entfernt. David erreichte ihn ohne Zwischenfalle. Marinin nahm noch einen der halb vollen Kanister mit, die er beim Eintreten entdeckt hatte.
David befand sich schon auf halber Höhe, obwohl er die Stufen rückwärts hinaufging. Marinin folgte ihm, unter seiner schweren Last keuchend. Als David plötzlich die Waffe hob und in seine Richtung zielte, zuckte er nicht zusammen. Diesmal wusste er, dass der Junge auf eine hinter ihm befindliche Bedrohung feuerte.
Die Schüsse hallten unerträglich laut durch die Halle. Einige von ihnen trafen, das war an den dumpfen Einschlägen, die Fleisch, Sehnen und Knochen zermalmten, zu hören. Andere gingen fehl, dann jaulten Querschläger mit leisem Wimmern davon.
Marinin langte auf der Empore an, die zum Büro des Montageleiters führte. Das große Fenster mit dem weiträumigen Hallenblick lag in Scherben. Der Metallsteg, der zur ebenso zerschlagenen Zugangstür führte, war mit Eisenplatten ausgelegt, damit nichts, was hier umkippte, auf ahnungslose Arbeiter in der Halle fallen oder tropfen konnte.
Marinin lächelte.
Genau so, wie er es brauchte.
Ein Blick in die Tiefe zeigte, dass er sein Gewehr über der Schulter lassen konnte. Die Tiere blieben in Deckung, um den Schüssen aus der MP5 zu entgehen. Nur vereinzelt tauchten sie in sicherer Entfernung auf, sichtlich darauf bedacht, neue Schüsse zu provozieren.
„Hör auf, Munition zu verschwenden", riet der Major. „Diese Viecher sind schlauer als die anderen. Sie gehen taktisch vor. Scheint so, als hätten sie dazugelernt."
„Ich hab noch zwei Ersatzmagazine in der Jacke", maulte Da, senkte aber die Waffe.
Marinin öffnete den Kanister und roch zufrieden an dem offenen Verschluss. Was ihm da in die Nase stach, war unverkennbar der Geruch von Benzin. Vorsichtig begann er, den Kanister zu leeren.
„Was soll das?", fragte David, als die Benzinspur langsam auf ihn zurückte.
„Die Viecher sind hungrig", keuchte Marinin. „Sobald wir nicht mehr schießen, werden sie uns folgen. Hier oben, auf dem engen Steg, können wir sie nacheinander erledigen."
Betäubende Dämpfe breiteten sich aus. Über dem zehn Meter langen Abschnitt, auf dem das Benzin schwamm, begann die Luft zu flirren.
Die blinden Hunde reagierten schneller als gedacht. Sobald keine Schüsse mehr fielen, schöpften sie Mut und wagten sich aus ihren Verstecken. Sie schienen zu ahnen oder sogar zu wissen, dass die Feuerkraft eines Menschen endlich war. Schon nach einer Minute trottete der Schwächste des Rudels zum Treppenabsatz und begann die Stufen langsam emporzusteigen. Als er ungeschoren oben ankam, folgten die übrigen.
Insgesamt sechs Tiere schlichen in drohender Haltung zu ihnen herauf.
„Warte, bis alle oben sind", riet Marinin. „Eingeklemmt zwiden Geländern, büßen sie viel von ihrer Beweglichkeit ein."
Zwischen dem Ende der Benzinspur und ihrer Position lagen knapp fünf Meter. Marinin hockte auf dem Steg, David stand direkt hinter ihm.
Das Gewehr auf dem Knie abgelegt, den rechten Zeigefinger am Abzug, tastete der Major seine Taschen ab. Statt auf sein Feuerzeug stieß er nur auf eine Packung Kaugummistreifen.
Verdammt! Seit er nicht mehr rauchte, brauchte er ja auch kein Feuer mehr!
„Hast du Streichhölzer?", fragte Marinin über die Schulter.
Der vorderste Hund zögerte bei Erreichen der Benzinlache und schüttelte unwillig den Kopf.
„Hier nicht. Nur in meinem Camp."
Was auch immer den blinden Hunden die Sehkraft ersetzte, der Geruchssinn war es wohl nicht. Das Tier ging weiter, und die anderen folgten. Langsam wurde es eng.
„Wie bitte?", fragte Marinin gereizt. „Rauchst du denn nicht?"
„Nein, viel zu ungesund."
„Kein Feuer zu haben ist zur Zeit auch recht schädlich ..." Marinin wusste, dass er David mit diesen Worten Unrecht tat, schließlich hatte er Plan nicht richtig durchdacht. Doch er musste sich einfach beschweren, um die auf ihm lastende Spannung abzubauen.
Seine harschen Worte taten ihm gleich darauf Leid, doch statt einer Entschuldigung entfuhr ihm ein Laut des Entsetzens. Während er sich umsah, erhaschte er nämlich unversehens einen Blick auf zwei blinde Hunde, die sich ein Förderband hochgeschlichen hatten und sich nun auf gleicher Höhe mit ihnen befanden.
Zwischen den Bestien und dem Steg klafften nur drei Meter. Angesichts ihrer erwiesenen Sprungkraft keine unüberwindliche Entfernung. Beide Hunde spannten die Muskeln an.
„Vorsicht!", warnte Marinin mit ausgestrecktem Arm.
Der erste der Hunde lag bereits waagerecht in der Luft. Blind oder nicht, er durchsprang zwei übereinander liegende Querstreben des Geländers, fand mit den Vorderläufen Halt und zog sich ganz auf den Steg.
David wirbelte auf dem Absatz herum und begrüßte den unwillkommenen Gast mit einem Feuerstoß. Ob das reichte, um das Tier von den Stahlplatten zu fegen, konnte Marinin nicht mehr beobachten. Er musste sich um die andere Seite kümmern.
Die übrigen Tiere hatten den kurzen Moment der Unaufmerksamkeit genutzt, um sich zu nähern. Sie gingen dabei sehr geordnet vor, ohne sich gegenseitig in die Quere zu kommen. Ihr Zusammenspiel war erstaunlich, es wirkte beinahe, als könnten sie sich lautlos untereinander verständigen. Zweifellos war ihr langsam trottender Aufmarsch mit den anderen Rudelmitgliedern, die sich von hinten angeschlichen hatten, abgestimmt gewesen.
Marinin schoss dem vordersten Tier in den Kopf.
Es brach zusammen und blockierte kurz den Weg, für die nachfolgenden Bestien. Die Zeit reichte trotzdem nicht aus, um eine neue Patrone einzuhebeln. Deshalb packte er das Gewehr an Schaft und Lauf und schleuderte es den Tieren entgegen.
Sein Plan ging auf.
Der Lauf verkantete sich im Geländer, während der Schaft im Benzin landete. So entstand ein neues Hindernis, das weiteren Aufschub brachte.
Marinin handelte keineswegs in Panik, sondern ganz bewusst. Damit sein Plan aufging, mussten sich alle sechs Tiere auf die Benzinlache begeben.
Hinter ihm hämmerte die MP5 im Takt. David versandte bleierne Grüße aus dem Hause Heckler & Koch.
Marinin zog die PMM und zielte auf die Benzinpfütze in einigen Metern Entfernung. Er hatte nur noch eine einzige Patrone, deshalb war es sinnlos, auf die fünf anstürmenden Tiere zu schießen. Mit der verbliebenen Kugel musste er alles wagen - und dabei gewinnen oder scheitern.
Das führende Tier erreichte das Ende der Lache und riss drohend sein Maul auf. Jetzt oder nie! Marinin feuerte auf die mit flirrenden Dämpfen bedeckten Stahlplatten. Sein Magen zog sich zu einem harten Klumpen zusammen, denn es war keineswegs sicher, ob die Funken der Querschläger ausreichten, das Benzin zu entzünden.
Eine Zehntelsekunde später wurde er aller Bedenken enthoben. Nach einem lauten Knall stand der Steg in Flammen. Die Druckwelle der Explosion warf Marinin zu Boden. Plötzlich wurde es so unerträglich heiß, dass er schon glaubte, die Flammen würden ihn versengen.
Die blinden Hunde wurden durch die Luft gewirbelt und fingen Feuer, trotzdem setzten sie ihren Angriff fort.
David schoss über Marinin hinweg, um ein flammendes Ungetüm, das auf sie zukam, in die Tiefe zu befördern. Von den Einschlägen gefällt überschlug es sich, rollte auf sie zu und blieb keinen Meter entfernt zuckend vor ihnen liegen.
Der Gestank verbrannten Fleisches mischte sich mit der allumfassenden Hitze.
„Runter hier", forderte Marinin, „und zwar so schnell wie möglich!"
Getrieben von der immer größer werdenden Hitze stiegen sie über die Brüstung, klammerten sich gerade noch lange genug fest, um das nahe gelegene Förderband anzuvisieren und hechteten darauf zu. Marinins Arme schossen über das staubige Laufband hinweg, und er schlug mit der Brust so hart auf, dass ihm die Luft pfeifend entwich.
Blindlings packte er zu, rutschte jedoch an dem glatten Seitenteil ab. Sein Gewicht zog ihn sofort nach unten. Auf der Suche nach Halt schürfte er sich das Handgelenk auf und büßte zwei Fingernägel ein. Er ignorierte jedoch den Schmerz und bekam schließlich das Laufband zu fassen. Keuchend ließ er sich einfach einen Moment lang hängen und hangelte dann, der geneigten Konstruktion folgend, weit genug abwärts, um gefahrlos zu Boden springen zu können.
Das Jaulen der verbrennenden Hunde gellte ihm dabei in den Ohren. Die Schmerzlaute erstarben erst, als das Winchestermagazin überhitzte und die Treibladungen der darin befindlichen Kugeln explodierten. Zwei Hunde, die noch brennend in die Tiefe springen wollten, zuckten unter den umherfliegenden Geschossen zusammen und fielen zurück auf den Steg.
David und Marinin waren heilfroh, als endlich wieder Ruhe einkehrte und das Feuer mangels Nahrung erstarb. Eilig machten sie sich auf den Rückweg. Sie mussten weg sein, bevor der nächste Hubschrauber vorbeikam und vielleicht Anzeichen von Rauch entdeckte. Außerdem mochte es rund um das Gelände noch weitere mutierte Hunde geben.
Auf dem Weg zum Zaun glaubte der Major eine menschliche Gestalt zu sehen, die leicht gekrümmt davonstakste und hinter der Halle verschwand. Die Erscheinung - eigentlich nicht mehr als ein flüchtiger Schemen - erinnerte ihn an den Mörder von Doktor Getman, den er hinter Olegs Schnellimbiss gesehen hatte. Aber vielleicht spielten ihm auch seine überreizten Nerven einen Streich.
Auf dem Weg zurück zum Lada blieben sie jedenfalls von weiteren Überraschungen verschont.