Automatenkönig
Jakob trauerte seinen letzten Münzen nach, die er gerade in einer Automatenhalle verspielt hatte. Spielautomaten waren seine Leidenschaft, seine einzige. Seit seiner Kindheit war er diesen grellbunten ratternden klingelnden blinkenden Geldräubern verfallen. Ein Vermögen hatte er ihnen, rechnete er seine Verluste in all den Jahren zusammen, in die gefräßigen Mäuler gestopft. Er verfluchte sie und konnte doch nicht ablassen von ihnen.
„Man müsste ein System ersinnen, das jeden Automaten bis auf den letzten Cent abräumt. Und dann ständig ein paar Plastiktüten dabei haben, um die ausgeworfenen Geldstücke nach Hause zu tragen. Das musste ein Gefühl sein – wie ein König. Und dann zu Hause die Münzen auf dem Tisch ausschütten, sortieren, zählen … Und nach dem Essen wieder losziehen in eine andere Automatenhalle – Jakob kannte sie alle in der Stadt – und Nachschub holen.
Eine alte Frau setzte sich zu ihm an den schmierigen Tisch. Jakob schreckte aus seinen Träumen auf. „Hallo“, sprach sie ihn an, „so niedergeschlagen, hast du mal wieder alles verspielt und nichts mehr auf der hohen Kante? Und der Erste ist erst in zwei Wochen. Aber Kopf hoch, es geht wieder aufwärts. Aber das hängt auch von dir ab. Nutze deine Chance. Machs gut.“ Und schon stand sie auf und humpelte aus dem schummerigen Licht der Automatenhalle ins helle Sonnenlicht. Einen Augenblick lang war ihre schwarze Silhouette in der Türöffnung zu sehen. „Alte Hexe“, dachte Jakob grimmig. Auch er wollte sich erheben, da bemerkte er, dass die alte Frau eine Münzrolle auf dem Tisch zurückgelassen hatte. Jakob riss das Papier gierig auf und zählte. 25 Fünfzigcentstücke. Neues Spielkapital. Und schon stopfte Jakob die Münzen in die Taschen und eilte zum nächstgelegenen Automaten, um ihn zu füttern. Der Automat blinkte, polterte, klingelte, dann ein kurzes Zögern, und schon rauschte ein Strom von Münzen in die Geldschale unter dem Automaten. Jakob raffte die Münzen zusammen, ohne sie zu zählen. Und ging zum nächsten Automaten, an dem er das gleiche Glück hatte. Plastiktüten hatte er nicht dabei. Deshalb unterbrach er seine Glückssträhne, um die gewonnenen Münzen erst einmal nach Hause zu tragen und sich mit Tragetaschen auszustatten.
Der Tag verging mit dem Abräumen von Automaten, dem Abtransport der Beute, mit Sortieren und Zählen. Nachdem die anfängliche Euphorie verflogen war, ging ihm auf, wie mühselig das alles war. Er musste die Münzen ja auch wieder zu Rollen zusammenfügen und auf die Bank tragen. Er war doch nicht Dagobert Duck, der in Geld baden wollte. Und wie würde man ihn auf der Bank anschauen, wenn er mit Unmengen von Münzen ankäme? Auch in den Automatenhallen begann man auf ihn aufmerksam zu werden. In einer erteilte ihm der Betreiber Hausverbot, indem er behauptete, Jakob sei ein Betrüger und manipuliere die Automaten.
Jakob begann sich Vorwürfe zu machen. Immer diese falsche Bescheidenheit. Hätte er sich doch nur, als die Alte zu ihm an den Tisch gekommen war, gewünscht, den Jackpot zu knacken. Wie viel Arbeit und Ärger wären ihm erspart geblieben.
Am ärgsten aber war, dass Jakob jede Freude am Automatenspiel verloren hatte. Er warf eine Münze ein, ein paar Minuten später spuckte der Automat den Gewinn aus, den Jakob einsackte und nach Hause trug. Keine Spannung, nicht der geringste Kick. Einfach langweilig. Und mit dem gewonnenen Geld wusste Jakob eigentlich auch nichts anzufangen, denn Spielen war seine einzige Leidenschaft.
Als er so in Gedanken versunken durch die Stadt ging, zupfte ihn jemand am Ärmel.
Jakob erkannte die alte Frau. „Hallo, Automatenkönig“, sagte sie, „zufrieden siehst du nicht gerade aus. War wohl doch nicht der richtige Wunsch, oder? Aber einen zweiten kann ich dir leider nicht gewähren. Ich habe noch viele Menschen auf der Warteliste.“
„Ich glaub, es ist genug. Du kannst es wieder stoppen“, sagte Jakob.
„Nun“, sagte die Alte, „das dürfte zu machen sein, denn dieser Wunsch nimmt anderen nichts weg.“