Ein Berliner Junge
Als junger Volksschullehrer setzte sich Damaschke dafür ein, armen Kindern die gleichen Bildungschancen einzuräumen wie den reichen. Daraufhin wurde er strafversetzt. Damaschke kündigte und brachte seine Visionen von einer gerechteren und besseren Welt als Journalist und Schriftsteller unter die Leute. Er berichtete über alternative Lebensweisen und wetterte mit dem Eifer des Lebensreformers gegen den Alkoholmissbrauch: "Wer ist es, der den Mut hat, sich in den Kampf hineinzuwerfen, in dem man keine Lorbeeren und Ehrenzeichen erringen kann ... Es ist die deutsche Naturheilbewegung! Wir sind es, die heute in mehr als 500 deutschen Städten und Dörfern unablässig an der Arbeit sind, wir sind es, die durch unsere Vorträge und durch unsere Literatur allmonatlich in mehr als 100.000 deutsche Familien den Schlachtruf tragen: ,Wider den Erbfeind Alkohol!'" 1898 hatte Damaschke seine endgültige Aufgabe gefunden. Er gründete den Bund Deutscher Bodenreformer. Da immer mehr Wohnraum benötigt wurde, waren die Grundstückspreise und demzufolge auch die Mieten drastisch gestiegen. Ein Problem, das Damaschke und seine Jünger durch die Gründung von Wohnungsbaugenossenschaften lösen wollten. Voraussetzung dafür war das Gemeinschaftseigentum an Grund und Boden. Damaschke, der nach einem "Dritten Weg" zwischen Kapitalismus und Kommunismus suchte, setzte sich daher für den Erhalt des Grundbesitzes ein. Statt das kostbare Land zu Höchstpreisen zu verkaufen, sollte es von den Gemeinden nur in Erbpacht oder Erbbaurecht vergeben werden. Eine Grundwertzuwachs-Besteuerung sollte zudem verhindern, dass sich Spekulanten durch den Verkauf von Grundstücken die Taschen mit Geld vollstopften. Die Grundlage für seine Ideen fand der streng gläubige Christ in der Bibel. Aus ihr ging, so fand er, unmissverständlich hervor, dass alles Land Gott gehörte und den Menschen nur als Leihgabe diente. Auch unter den Abgeordneten der Weimarer Nationalversammlung fanden sich viele "Damaschkianer". Dank ihrer Unterstützung konnten einige Ziele der Bodenreformer in der Reichsverfassung verankert werden.
Große Hoffnungen setzte Adolf Damaschke in Hitler. Er schien ihm der geeignete Mann zu sein, seinen Plänen zum Durchbruch zu verhelfen. Wie enttäuscht war er, als er sich von den Nazis den Vorwurf gefallen lassen musste, dass die Bodenreform weder von nationaler noch von sozialer Bedeutung sei. Nach Hitlers Machtergreifung fand zwar eine Bodenreform statt; sie war allerdings nicht im Sinne der Erfinder. Damaschke begann zu resignieren. Von Anfang an hatte er sich mit dem rassistischen Gedankengut der Nazis nicht anfreunden können. 1934 wurde er als "Feind des Volkes" abgestempelt, am 30. Juli 1935 ist er gestorben. In seiner letzten Rede wehrte er sich gegen die Ansicht, der "indogermanische Mensch" müsse sich vom "semitischen Christentum" lösen: "Ist es wirklich so, dass die indogermanischen Menschen andere Quellen der Kraft suchen? ... Wenn deutsche Menschenherzen in ganz hohen und ganz schweren Stunden, in höchster Entfaltung oder in schmerzvollstem Entsagen und Verzweifeln ausschauen nach Trost und Kraft, dann ist es nicht Hermann der Cherusker, nicht Otto von Bismarck, nicht Meister Ekkehard, nicht Fichte oder Lagarde, dann ist es immer Jesus Christus."