Siebenter Auftritt.

Eine Hauptmännin (tritt auf). Die Vorigen.

Die Hauptmännin.
Auf diesem Platz, Hochwürd’ge, find ich dich!
– Inzwischen sich, auf eines Steinwurfs Nähe,
Das Heer zur blutigen Entscheidung rüstet!

Die Oberpriesterinn.
Das Heer! Unmöglich! Wo?

Die Hauptmännin. In jenen Gründen,
Die der Skamandros ausgeleckt. Wenn du
Dem Wind, der von den Bergen weht, willst horchen,
Kannst du den Donnerruf der Königinn,
Gezückter Waffen Klirren, Rosse wiehern,
Drommeten, Tuben, Cymbeln und Posaunen,
Des Krieges ganze ehrne Stimme hören.

Eine Priesterinn.
Wer rasch erfleucht den Hügel dort?

Die Mädchen. Ich! Ich!

(Sie ersteigen den Hügel)

Die Oberpriesterinn.
Der Königinn! – Nein, sprich! Es ist unglaublich –
– Warum, wenn noch die Schlacht nicht ausgewüthet,
Das Fest der Rosen ordnete sie an?

Die Hauptmännin.
Das Rosenfest – Gab sie Befehl denn wem?

Die Oberpriesterinn.
Mir! Mir!

Die Hauptmännin.
Wo? Wann?

Die Oberpriesterinn. Vor wenigen Minuten
In jenes Obelisken Schatten stand ich,
Als der Pelid, und sie, auf seiner Ferse,
Den Winden gleich, an mir vorüberrauschten.
Und ich: wie geht’s? fragt’ ich die Eilende.
Zum Fest der Rosen, rief sie, wie du siehst!
Und flog’ an mir vorbei und jauchzte noch:
Laß es an Blüthen nicht, du Heil’ge, fehlen!

Die erste Priesterinn. (zu den Mädchen)
Seht ihr sie? sprecht!

Das erste Mädchen. (auf dem Hügel)
Nichts, gar nichts sehen wir!
Es läßt kein Federbusch sich unterscheiden.
Ein Schatten überfleucht von Wetterwolken
Das weite Feld ringsher, das Drängen nur
Verwirrter Kriegerhaufen nimmt sich wahr,
Die im Gefild’ des Tod’s einander suchen.

Die zweite Priesterinn.
Sie wird des Heeres Rückzug decken wollen.

Die Erste.
Das denk’ ich auch. –

Die Hauptmännin. Zum Kampf steht sie gerüstet,
Ich sag’s euch, dem Peliden gegenüber,
Die Königinn, frisch, wie das Perserroß,
Das in die Luft hoch aufgebäumt sie trägt,
Den Wimpern heiß‘re Blick’, als je, entsendend,
Mit Athemzügen, freien, jauchzenden,
Als ob ihr junger kriegerischer Busen
Jetzt in die erste Luft der Schlachten käme.

Die Oberpriesterinn.
Was denn, bei den Olympischen, erstrebt sie?
Was ist’s, da rings, zu Tausenden, uns die
Gefangenen in allen Wäldern wimmeln,
Das ihr noch zu erringen übrig bleibt?

Die Hauptmännin.
Was ihr noch zu erringen übrig bleibt?

Die Mädchen. (auf dem Hügel)
Ihr Götter!

Die erste Priesterinn.
Nun? Was giebt’s? Entwich der Schatten?

Das erste Mädchen.
O ihr Hochheiligen, kommt doch her!

Die zweite Priesterinn. So sprecht!

Die Hauptmännin.
Was ihr noch zu erringen übrig bleibt?

Das erste Mädchen.
Seht, seht, wie durch der Wetterwolken Riß,
Mit einer Maße Licht, die Sonne eben
Auf des Peliden Scheitel niederfällt!

Die Oberpriesterinn.
Auf wessen?

Das erste Mädchen.
Seine, sagt’ ich! Wessen sonst?
Auf einem Hügel leuchtend steht er da,
In Stahl geschient sein Roß und er, der Saphir,
Der Chrysolith, wirft solche Strahlen nicht!
Die Erde rings, die bunte, blühende,
In Schwärze der Gewitternacht gehüllt;
Nichts als ein dunkler Grund nur, eine Folie,
Die Funkelpracht des Einzigen zu heben!

Die Oberpriesterinn.
Was geht dem Volke der Pelide an?
– Ziemt’s einer Tochter Ares, Königinn,
Im Kampf auf einen Namen sich zu stellen?
(zu einer Amazone)
Fleuch gleich, Arsinoe, vor ihr Antlitz hin,
Und sag’ in meiner Göttinn Namen ihr,
Mars habe seinen Bräuten sich gestellt:
Ich forderte, bei ihrem Zorn sie auf,
Den Gott begränzt zur Heimath jetzt zu führen,
Und unverzüglich ihm, in ihrem Tempel,
Das heil’ge Fest der Rosen zu eröffnen!
(die Amazone ab)
Ward solch ein Wahnsinn jemals noch erhört!

Die erste Priesterinn.
Ihr Kinder! Seht ihr noch die Königinn nicht?

Das erste Mädchen. (auf dem Hügel)
Wohl, wohl! Das ganze Feld erglänzt – da ist sie!

Die erste Priesterinn.
Wo zeigt sie sich?

Das Mädchen.
An aller Jungfrau’n Spitze!
Seht, wie sie in dem goldnen Kriegsschmuck funkelnd,
Voll Kampflust ihm entgegen tanzt! Ist’s nicht,
Als ob sie, heiß von Eifersucht gespornt,
Die Sonn’ im Fluge übereilen wollte,
Die seine jungen Scheitel küßt! O seht!
Wenn sie zum Himmel auf sich schwingen wollte,
Der hohen Nebenbuhl’rinn gleich zu sein,
Der Perser könnte, ihren Wünschen fröhnend,
Geflügelter sich in die Luft nicht heben!

Die Oberpriesterinn. (zur Hauptmänninn)
War keine unter allen Jungfrau’n denn,
Die sie gewarnt, die sie zurückgehalten?

Die Hauptmännin.
Es warf ihr ganzes fürstliches Gefolge
Sich in den Weg ihr: hier auf diesem Platze
Hat Prothoe ihr Aeußerstes gethan.
Jedwede Kunst der Rede ward erschöpft.
Nach Themiscyra sie zurückzuführen.
Doch taub schien sie der Stimme der Vernunft:
Vom giftigsten der Pfeile Amors sei,
Heißt es, ihr jugendliches Herz getroffen.

Die Oberpriesterinn.
Was sagst du?

Das erste Mädchen. (auf dem Hügel)
Ha, jetzt treffen sie einander!
Ihr Götter! Haltet eure Erde fest –
Jetzt, eben jetzt, da ich dies sage, schmettern
Sie, wie zwei Sterne, auf einander ein!

Die Oberpriesterinn. (zur Hauptmänninn)
Die Königinn, sagst du? Unmöglich, Freundinn!
Von Amors Pfeil getroffen – wann? Und wo?
Die Führerinn des Diametengürtels?
Die Tochter Mars, der selbst der Busen fehlt,
Das Ziel der giftgefiederten Geschosse?

Die Hauptmännin.
So sagt des Volkes Stimme mindestens,
Und Meroe hat es eben mir vertraut.

Die Oberpriesterinn.
Es ist entsetzlich!

Die Amazone. (kehrt wieder zurück)

Die erste Priesterinn.
Nun? was bringst du? Rede!

Die Oberpriesterinn.
Ist es bestellt? Sprachst du die Königinn?

Die Amazone.
Es war zu spät, Hochheilige, vergieb.
Ich konnte sie, die von dem Troß der Frauen
Umschwärmt, bald hier, bald dort erschien, nicht treffen.
Wohl aber Prothoe, auf einen Augenblick,
Traf ich, und sagt’ ihr, was dein Wille sei;
Doch sie entgegnete – ein Wort, nicht weiß ich,
Ob ich in der Verwirrung recht gehört.

Die Oberpriesterinn.
Nun, welch ein Wort?

Die Amazone. Sie hielt, auf ihrem Pferde
Und sah, es schien, mit thränenvollen Augen,
Der Königinn zu. Und als ich ihr gesagt,
Wie du entrüstet, daß die Sinnberaubte
Den Kampf noch um ein einzeln Haupt verlängre,
Sprach sie: geh hin zu deiner Priesterinn,
Und heiße sie daniederknieen und beten,
Daß ihr dies eine Haupt im Kampf noch falle;
Sonst keine Rettung giebt’s, für sie und uns.

Die Oberpriesterinn.
O sie geht steil-bergab den Pfad zum Orkus!
Und nicht dem Gegner, wenn sie auf ihn trifft,
Dem Feind’ in ihrem Busen wird sie sinken.
Uns alle reißt sie in den Abgrund hin;
Den Kiel seh’ ich, der uns Gefesselte
Nach Hellas trägt, geschmückt mit Bändern höhnend
Im Geiste schon den Hellespont durchschäumen.

Die erste Priesterinn.
Was gilt’s? Dort naht die Unheilskunde schon.