Fünfter Auftritt.

Penthesilea, Prothoe, Meroe, Asteria, Gefolge, das Amazonenheer.

Die Amazonen.
Heil dir, du Siegerinn! Überwinderinn!
Des Rosenfestes Königinn! Triumph dir!

Penthesilea.
Nichts vom Triumph mir! Nichts vom Rosenfeste!
Es ruft die Schlacht noch einmal mich ins Feld.
Den jungen trotz’gen Kriegsgott bänd’g’ ich mir,
Gefährtinnen, zehntausend Sonnen dünken,
Zu einem Glutball eingeschmelzt, so glanzvoll
Nicht, als ein Sieg, ein Sieg mir über ihn.

Prothoe.
Geliebte, ich beschwöre dich –

Penthesilea. Laß mich!
Du hörst, was ich beschloß, eh würdest du
Den Strom, wenn er herab von Bergen schießt,
Als meiner Seele Donnersturz regieren.
Ich will zu meiner Füße Staub ihn sehen,
Den Übermüthigen, der mir an diesem
Glorwürd’gen Schlachtentag, wie keiner noch,
Das kriegerische Hochgefühl verwirrt.
Ist das die Siegerinn, die schreckliche,
Der Amazonen stolze Königinn,
Die seines Busens erzne Rüstung mir,
Wenn sich mein Fuß ihm naht, zurückespiegelt?
Fühl’ ich, mit aller Götter Fluch Belad’ne,
Da rings das Heer der Griechen vor mir flieht,
Bei dieses einz’gen Helden Anblick mich
Gelähmt nicht, in dem Innersten getroffen,
Mich, mich die Überwundene, Besiegte?
Wo ist der Sitz mir, der kein Busen ward,
Auch des Gefühls, das mich zu Boden wirft?
Ins Schlachtgetümmel stürzen will ich mich,
Wo der Hohnlächelnde mein harrt, und ihn
Mir überwinden, oder leben nicht!

Prothoe.
Wenn du dein Haupt doch, theure Königinn,
An diesem treuen Busen ruhen wolltest.
Der Sturz, der dir die Brust gewaltsam traf,
Hat dir das Blut entflammt, den Sinn empört:
An allen jungen Gliedern zitterst du!
Beschließe nichts, wir alle flehen dich,
Bis heitrer dir der Geist zurückgekehrt.
Komm, ruhe dich bei mir ein wenig aus.

Penthesilea.
Warum? Weshalb? Was ist geschehn? Was sagt’ ich?
Hab’ ich? – Was hab’ ich denn – ?

Prothoe. Um eines Siegs,
Der deine junge Seele flüchtig reizt,
Willst du das Spiel der Schlachten neu beginnen?
Weil unerfüllt ein Wunsch, ich weiß nicht welcher,
Dir im geheimen Herzen blieb, den Seegen,
Gleich einem übellaunigen Kind, hinweg,
Der deines Volks Gebete krönte, werfen?
Ha, sieh! Verwünscht das Loos mir dieses Tages!
Wie mit dem Schicksal heut, dem tückischen,
Sich meiner Seele liebste Freundinnen
Verbünden, mir zu schaden, mich zu kränken!
Wo sich die Hand, die lüsterne, nur regt,
Den Ruhm, wenn er bei mir vorüberfleucht,
Bei seinem goldnen Lockenhaar zu fassen,
Trit eine Macht mir hämisch in den Weg –
– Und Trotz ist, Widerspruch, die Seele mir!
Hinweg!

Prothoe. (für sich)
Ihr Himmlischen, beschützet sie!

Penthesilea.
Denk’ ich bloß mich, sind’s meine Wünsche bloß,
Die mich zurück aufs Feld der Schlachten rufen?
Ist es das Volk, ist’s das Verderben nicht,
Das in des Siegs wahnsinniger Berauschung,
Hörbaren Flügelschlags, von fern ihm naht?
Was ist geschehn, daß wir zur Vesper schon,
Wie nach vollbrachter Arbeit ruhen wollen?
Gemäht liegt uns, zu Garben eingebunden,
Der Erndte üpp’ger Schatz, in Scheuern hoch,
Die in den Himmel ragen, aufgethürmt:
Jedoch die Wolke heillos überschwebt ihn,
Und den Vernichtungsstrahl droht sie herab.
Die Jünglingsschaar, die überwundene,
Ihr werdet sie, bekränzt mit Blumen nicht,
Bei der Posaunen und der Cymbeln Klang,
Zu euren duft’gen Heimathsthälern führen.
Aus jedem tückschen Hinterhalt hervor,
Der sich ihm beut, seh’ ich den Peleïden
Auf euren frohen Jubelzug sich stürzen.
Euch und dem Trosse der Gefangenen,
Bis zu den Mauern Themiscyras folgen;
Ja in der Artemis geweihtem Tempel
Die Ketten noch, die rosenblüthenen,
Von ihren Gliedern reißen und die unsern
Mit erzgegoßner Fessel Last bewuchten.
Soll ich von seiner Fers’, ich Rasende,
Die nun fünf schweißerfüllte Sonnen schon
An seinem Sturze rüttelte, entweichen:
Da er vom Windzug eines Streiches muß,
Getroffen, unter meines Rosses Huf,
Wie eine reife Südfrucht, niederfallen?
Nein, eh’ ich, was so herrlich mir begonnen,
So groß, nicht endige, eh’ ich nicht völlig
Den Kranz, der mir die Stirn umrauscht’, erfasse,
Eh’ ich Mars Töchter nicht, wie ich versprach,
Jetzt auf des Glückes Gipfel jauchzend führe,
Eh’ möge seine Pyramide schmetternd
Zusammenbrechen über mich und sie:
Verflucht das Herz, das sich nicht mäß‘gen kann.

Prothoe.
Dein Aug’, o Herrscherinn, erglüht ganz fremd,
Ganz unbegreiflich, und Gedanken wälzen,
So finster, wie der ew’gen Nacht entstiegen,
In meinem ahndungsvollen Busen sich.
Die Schaar, die deine Seele seltsam fürchtet,
Entfloh rings vor dir her, wie Spreu vor Winden;
Kaum daß ein Speer sich noch erblicken läßt.
Achill, so wie du mit dem Heer dich stelltest,
Von dem Skamandros ist er abgeschnitten;
Reiz’ ihn nicht mehr, aus seinem Blick nur weiche:
Den ersten Schritt, beim Jupiter, ich schwör’s,
In seine Danaerschanze setzt er hin.
Ich will, ich, dir des Heeres Schweif beschirmen.
Sieh’, bei den Göttern des Olymps, nicht Einen
Gefangenen entreißt er dir! Es soll
Der Glanz, auch meilenfernhin, seiner Waffen,
Dein Heer nicht schrecken, seiner Rosse ferner Tritt
Dir kein Gelächter einer Jungfrau stören:
Mit meinem Haupt steh’ ich dir dafür ein!

Penthesilea. (indem sie sich plötzlich zu Asteria wendet)
Kann das geschehn, Asteria?

Asteria. Herrscherinn –

Penthesilea.
Kann ich das Heer, wie Prothoe verlangt,
Nach Themiscyra wohl zurücke führen?

Asteria.
Vergieb, wenn ich in meinem Fall, o Fürstinn –

Penthesilea.
Sprich dreist. Du hörst.

Prothoe. (schüchtern) Wenn du den Rath willst gütig
Versammelt aller Fürstinnen befragen,
So wird –

Penthesilea.
Den Rath hier dieser will ich wissen!
– Was bin ich denn seit einer Hand voll Stunden?
(Pause, in welcher sie sich sammelt)
– – Kann ich das Heer, du sprichst, Asteria,
Kann ich es wohl zurück zur Heimath führen?

Asteria.
Wenn du so willst, o Herrscherinn, so laß
Mich dir gestehn, wie ich des Schauspiels staune,
Das mir in die ungläub’gen Sinne fällt.
Vom Kaukasus, mit meinem Völkerstamm,
Um eine Sonne später aufgebrochen,
Konnt’ ich dem Zuge deines Heeres nicht,
Der reißend wie ein Strom dahinschoß, folgen,
Erst heute, weißt du, mit der Dämmerung,
Auf diesen Platz schlagfertig treff ich ein;
Und jauchzend schallt aus tausend Kehlen mir
Die Nachricht zu: Der Sieg, er sei erkämpft,
Beschlossen schon, auf jede Forderung
Der ganze Amazonenkrieg. Erfreut,
Versichr’ ich dich, daß das Gebet des Volks sich dir
So leicht, und unbedürftig mein, erfüllt,
Ordn’ ich zur Rückkehr Alles wieder an;
Neugierde treibt mich doch, die Schaar zu sehen,
Die man mir als des Sieges Beute rühmt;
Und eine Handvoll Knechte, bleich und zitternd,
Erblickt mein Auge, der Argiver Auswurf,
Auf Schildern, die sie fliehend weggeworfen,
Von deinem Kriegstroß schwärmend aufgelesen.
Vor Trojas stolzen Mauern steht das ganze
Helenenheer, steht Agamemnon noch,
Stehn Menelaus, Ajax, Palamed;
Ulysses, Diomedes, Antilochus,
Sie wagen dir ins Angesicht zu trotzen:
Ja jener junge Nereïdensohn,
Den deine Hand mit Rosen schmücken sollte,
Die Stirn beut er, der Übermüth’ge, dir;
Den Fußtritt will er, und erklärt es laut,
Auf deinen königlichen Nacken setzen:
Und meine große Arestochter fragt mich,
Ob sie den Siegesheimzug feiern darf?

Prothoe (leidenschaftlich)
Der Königinn, du Falsche, sanken Helden
An Hoheit, Muth und Schöne –

Penthesilea. Schweig, Verhaßte!
Asteria fühlt, wie ich, es ist nur Einer
Hier mir zu sinken werth: und dieser Eine,
Dort steht er noch im Feld der Schlacht und trotzt!

Prothoe.
Nicht von der Leidenschaft, o Herrscherinn,
Wirst du dich –

Penthesilea. Natter! Deine Zunge nimm gefangen!
– Willst du den Zorn nicht deiner Königinn wagen!
Hinweg!

Prothoe.
So wag’ ich meiner Königinn Zorn!
Eh’ will ich nie dein Antlitz wiedersehen,
Als feig’, in diesem Augenblick, dir eine
Verrätherinn schmeichlerisch zur Seite stehn.
Du bist, in Flammen wie du loderst, nicht
Geschickt, den Krieg der Jungfraun fortzuführen;
So wenig, wie, sich mit dem Spieß zu messen,
Der Löwe, wenn er von dem Gift getrunken,
Das ihm der Jäger tückisch vorgesetzt.
Nicht den Peliden, bei den ew’gen Göttern,
Wirst du in dieser Stimmung dir gewinnen:
Vielmehr, noch eh’ die Sonne sinkt, versprech’ ich,
Die Jünglinge, die unser Arm bezwungen,
So vieler unschätzbaren Mühen Preis,
Uns bloß, in deiner Raserei verlieren.

Penthesilea.
Das ist ja sonderbar und unbegreiflich!
Was macht dich plötzlich denn so feig?

Prothoe. Was mich? –

Penthesilea.
Wen überwandst du, sag’ mir an?

Prothoe. Lykaon,
Den jungen Fürsten der Arkadier.
Mich dünkt, du sahst ihn.

Penthesilea. So, so. War es jener,
Der zitternd stand, mit eingeknicktem Helmbusch,
Als ich mich den Gefangnen gestern –

Prothoe. Zitternd!
Er stand so fest, wie je dir der Pelide!
Im Kampf von meinen Pfeilen heiß getroffen,
Sank er zu Füssen mir, stolz werd’ ich ihn,
An jenem Fest der Rosen, stolz, wie Eine,
Zu unserm heil’gen Tempel führen können.

Penthesilea.
Wahrhaftig? Wie du so begeistert bist.
Nun denn – er soll dir nicht entrissen werden!
– Führt aus der Schaar ihn den Gefangenen,
Lykaon, den Arkadier herbei!
– Nim, du unkriegerische Jungfrau, ihn,
Entfleuch, daß er dir nicht verloren gehe,
Aus dem Geräusch der Schlacht mit ihm, bergt euch
In Hecken von süß duftendem Holunder,
In der Gebirge fernsten Kluft, wo ihr
Wollüstig Lied die Nachtigall dir flötet,
Und fei’r es gleich, du Lüsterne, das Fest,
Das deine Seele nicht erwarten kann.
Doch aus dem Angesicht sei ewig mir,
Sie aus der Hauptstadt mir verbannt, laß den
Geliebten dich und seine Küße, trösten,
Wenn Alles, Ruhm dir, Vaterland und Liebe,
Die Königinn, die Freundinn untergeht.
Geh’ und befreie – geh! ich will nichts wissen!
Von deinem hassenswürd’gen Anblick mich!

Meroe.
O, Königinn!

Eine andere Fürstinn. (aus ihrem Gefolge)
Welch ein Wort sprachst du?

Penthesilea. Schweigt, sag ich!
Der Rache weih’ ich den, der für sie fleht!

Eine Amazone. (tritt auf)
Achilles nahet dir, o Herrscherinn!

Penthesilea.
Er naht – Wohlauf, ihr Jungfraun, denn zur Schlacht! –
Reicht mir der Spieße Treffendsten, o reicht
Der Schwerdter Wetterflammendstes mir her!
Die Lust, ihr Götter, müßt ihr mir gewähren,
Den einen heißersehnten Jüngling siegreich
Zum Staub mir noch der Füße hinzuwerfen.
Das ganze Maas von Glück erlaß ich euch,
Das meinem Leben zugemessen ist. –
Asteria! Du wirst die Schaaren führen.
Beschäfftige den Griechentroß und sorge
Daß sich des Kampfes Inbrunst mir nicht störe.
Der Jungfrau’n keine, wer sie immer sei,
Trifft den Peliden selbst! Dem ist ein Pfeil
Geschärft des Todes, der sein Haupt, was sag’ ich!
Der seiner Locken eine mir berührt!
Ich nur, ich weiß den Göttersohn zu fällen.
Hier dieses Eisen soll, Gefährtinnen,
Soll mit der sanftesten Umarmung ihn,
(Weil ich mit Eisen ihn umarmen muß!)
An meinen Busen schmerzlos niederziehn.
Hebt euch, ihr Frühlingsblumen, seinem Fall,
Daß seiner Glieder keines sich verletze.
Blut meines Herzens mißt’ ich ehr, als seines.
Nicht eher ruhn will ich, bis ich aus Lüften,
Gleich einem schöngefärbten Vogel, ihn
Zu mir herabgestürzt; doch liegt er jetzt
Mit eingeknickten Fittigen, ihr Jungfrau’n,
Zu Füssen mir, kein Purpurstäubchen messend.
Nun dann, so mögen alle Seeligen
Daniedersteigen, unsern Sieg zu feiern,
Zur Heimath geht der Jubelzug, dann bin ich
Die Königinn des Rosenfestes euch!
Jetzt kommt! –
(Indem sie abgehen will, erblickt sie die weinende Prothoe, und wendet sich unruhig. Darauf plötzlich, indem sie ihr um den Hals fällt.)
Prothoe! Meiner Seelen Schwester!
Willst du mir folgen?

Prothoe (mit gebrochener Stimme)
In den Orkus dir!
Gieng’ ich auch zu den Seeligen ohne dich?

Penthesilea.
Du Bessere, als Menschen sind! Du willst es?
Wohlan, wir kämpfen, siegen mit einander,
Wir beide oder keine, und die Losung
Ist: Rosen für die Scheitel unsrer Helden,
Oder Cypressen für die unsrigen.

(Alle ab)