Einundzwanzigster Auftritt.
Achilles, Diomedes (treten auf. Späterhin) Ulysses (zuletzt) Der Herold.
Achilles.
Hör’, thu mir den Gefallen, Diomed,
Und sag’ dem Sittenrichter nichts, dem grämlichen
Odyß, von dem, was ich dir vertraue;
Mir widersteht’s, es macht mir Übelkeiten,
Wenn ich den Zug um seine Lippe sehe.
Diomedes.
Hast du den Herold ihr gesandt, Pelide?
Ist’s wahr? Ists wirklich?
Achilles. Ich will dir sagen,
Freund:
– Du aber, du erwiederst nichts, verstehst du?
Gar nichts, kein Wort! – Dieß wunderbare Weib,
Halb Furie, halb Grazie, sie liebt mich –
Und allen Weibern Hellas ich zum Trotz,
Beim Styx! beim ganzen Hades! – Ich sie auch.
Diomedes.
Was!
Achilles.
Ja. Doch eine Grille, die ihr heilig,
Will, daß ich ihrem Schwerdt im Kampf erliege;
Eh’ nicht in Liebe kann sie mich umfangen.
Nun schickt’ ich –
Diomedes. Rasender!
Achilles. Er hört mich nicht!
Was er im Weltkreis noch, so lang er lebt,
Mit seinem blauen Auge nicht gesehn,
Das kann er in Gedanken auch nicht fassen.
Diomedes.
Du willst – ? Nein, sprich! Du willst – ?
Achilles. (nach
einer Pause) – Was also will ich?
Was ist’s, daß ich so Ungeheures will?
Diomedes.
Du hast sie in die Schranken bloß gefordert,
Um ihr – ?
Achilles. Beim wolkenrüttelnden
Kroniden,
Sie thut mir nichts, sag’ ich! Eh’ wird ihr Arm,
Im Zweikampf gegen ihren Busen wüthen,
Und rufen: »Sieg!« wenn er von Herzblut trieft,
Als wider mich! – Auf einen Mond bloß will ich ihr,
In dem, was sie begehrt, zu Willen sein;
Auf einen oder zwei, mehr nicht: das wird
Euch ja den alten, meerzerfreßnen Istmus
Nicht gleich zusammenstürzen! – Frei bin ich dann,
Wie ich aus ihrem eignen Munde weiß,
Wie Wild auf Haiden wieder; und folgt sie mir,
Beim Jupiter! ich wär’ ein Seeliger,
Könnt’ ich auf meiner Väter Thron sie setzen.
Ulysses. (kommt)
Diomedes.
Komm her, Ulyß, ich bitte dich.
Ulysses. Pelide!
Du hast die Königinn ins Feld gerufen;
Willst du, ermüdet, wie die Schaaren sind,
Von Neu’m das oftmißlung’ne Wagstück wagen?
Diomedes.
Nichts, Freund, von Wagestücken, nichts von Kämpfen;
Er will sich bloß ihr zu gefangen geben.
Ulysses.
Was?
Achilles. (das
Blut schießt ihm ins Gesicht)
Thu mir dein Gesicht weg, bitt’ ich dich!
Ulysses.
Er will – ?
Diomedes. Du hörst’s, ja! Ihr den
Helm zerkeilen
Gleich einem Fechter, grimmig sehn, und wüthen;
Dem Schild aufdonnern, daß die Funken sprühen,
Und stumm sich, als ein Überwundener,
Zu ihren kleinen Füssen niederlegen.
Ulysses.
Ist dieser Mann bei Sinnen, Sohn des Peleus?
Hast du gehört, was er – ?
Achilles. (sich
zurückhaltend)
Ich bitte dich,
Halt deine Oberlippe fest, Ulyß!
Es steckt mich an, bei den gerechten Göttern,
Und bis zur Faust gleich zuckt es mir herab.
Ulysses. (wild)
Bei dem Kozyth, dem feurigen! Wissen will ich,
Ob meine Ohren hören, oder nicht!
Du wirst mir, Sohn des Tydeus, bitt’ ich, jetzt,
Mit einem Eid, daß ich auf’s Reine komme,
Bekräftigen, was ich dich fragen werde.
Er will der Königinn sich gefangen geben?
Diomedes.
Du hörst’s!
Ulysses. Nach Themiscyra will er gehn?
Diomedes.
So ist’s.
Ulysses.
Und unseren Helenenstreit,
Vor der Dardanerburg, der Sinnentblößte,
Den will er, wie ein Kinderspiel, weil sich
Was anders Buntes zeigt, im Stiche lassen?
Diomedes.
Beim Jupiter! Ich schwör’s.
Ulysses. (indem
er die Arme verschränkt)
– Ich kann’s nicht glauben.
Achilles.
Er spricht von der Dardanerburg.
Ulysses. Was?
Achilles. Was?
Ulysses.
Mich dünckt, du sagtest was.
Achilles. Ich?
Ulysses. Du!
Achilles. Ich sagte:
Er spricht von der Dardanerburg.
Ulysses. Nun, ja!
Wie ein Beseßner fragt’ ich, ob der ganze
Helenenstreit, vor der Dardanerburg,
Gleich einem Morgentraum, vergessen sei?
Achilles. (indem er ihm näher trit)
Wenn die Dardanerburg, Laertiade,
Versänke, du verstehst, so daß ein See,
Ein bläulicher, an ihre Stelle träte;
Wenn graue Fischer, bei dem Schein des Monds,
Den Kahn an ihre Wetterhähne knüpften;
Wenn im Pallast des Priamus ein Hecht
Regiert’, ein Ottern- oder Ratzenpaar
Im Bette sich der Helena umarmten:
So wär’s für mich gerad’ so viel, als jetzt.
Ulysses.
Beim Styx! Es ist sein voller Ernst, Tydide!
Achilles.
Beim Styx! Bei dem Lernäersumpf! Beim Hades!
Der ganzen Oberwelt und Unterwelt,
Und jedem dritten Ort: es ist mein Ernst;
Ich will den Tempel der Diana sehn!
Ulysses. (halb
ihm ins Ohr)
Laß ihn nicht von der Stelle, Diomed,
Wenn du so gut willst sein.
Diomedes. Wenn ich – ich
glaube!
Sei doch so gut, und leih’ mir deine Arme.
Der Herold. (trit auf)
Achilles.
Ha! Stellt sie sich? Was bringst du? Stellt sie sich?
Der Herold.
Sie stellt sich, ja, Neridensohn, sie naht schon;
Jedoch mit Hunden auch und Elephanten,
Und einem ganzen wilden Reutertroß:
Was die beim Zweikampf sollen, weiß ich nicht.
Achilles.
Gut. Dem Gebrauch, war sie das schuldig. Folgt mir!
– O sie ist listig, bei den ewigen Göttern!
– – Mit Hunden, sagst du?
Der Herold. Ja.
Achilles. Und Elephanten?
Der Herold.
Daß es ein Schrecken ist, zu sehn, Pelide!
Gält’ es, die Atreïden anzugreifen,
Im Lager vor der Trojerburg, sie könnte
In keiner finstrern Gräuelrüstung nahn.
Achilles. (in
den Bart)
Die fressen aus der Hand, wahrscheinlich – Folgt mir!
– O! Die sind zahm, wie sie.
(ab mit dem Gefolge)
Diomedes. Der Rasende!
Ulysses.
Laßt uns ihn knebeln, binden – hört ihr Griechen!
Diomedes.
Hier nah’n die Amazonen schon – hinweg!
(Alle ab.)