Neunter Auftritt.
Penthesilea (geführt von) Prothoe und Meroe.
Gefolge (treten auf)
Penthesilea (mit schwacher Stimme)
Hetzt alle Hund’ auf ihn! Mit Feuerbränden
Die Elephanten peitschet auf ihn los!
Mit Sichelwagen schmettert auf ihn ein,
Und mähet seine üpp’gen Glieder nieder!
Prothoe.
Geliebte! Wir beschwören dich –
Meroe. Hör’ uns!
Prothoe.
Er folgt dir auf dem Fuße, der Pelide;
Wenn dir dein Leben irgend lieb, so flieh!
Penthesilea.
Mir diesen Busen zu zerschmettern, Prothoe! –
Ist’s nicht, als ob ich eine Leier zürnend
Zertreten wollte, weil sie still für sich,
Im Zug des Nachtwinds, meinen Namen flüstert?
Dem Bären kauert’ ich zu Füssen mich,
Und streichelte das Pantherthier, das mir
In solcher Regung nahte, wie ich ihm.
Meroe.
So willst du nicht entweichen?
Prothoe. Willst nicht fliehen?
Meroe.
Willst dich nicht retten?
Prothoe. Was kein Name nennt,
Auf diesem Platz hier soll es sich vollbringen?
Penthesilea.
Ist’s meine Schuld, daß ich im Feld der Schlacht
Um sein Gefühl mich kämpfend muß bewerben?
Was will ich denn, wenn ich das Schwerdt ihm zücke?
Will ich ihn denn zum Orkus niederschleudern?
Ich will ihn ja, ihr ew’gen Götter, nur
An diese Brust will ich ihn niederziehn!
Prothoe.
Sie ras’t –
Die Oberpriesterinn.
Unglückliche!
Prothoe. Sie ist von Sinnen!
Die Oberpriesterinn.
Sie denkt nichts, als den Einen nur.
Prothoe. Der Sturz
Hat völlig ums Bewußtsein sie gebracht.
Penthesilea (mit erzwungener Fassung)
Gut. Wie ihr wollt. Sei’s drum. Ich will mich fassen.
Dies Herz, weil es sein muß, bezwingen will ich’s,
Und thun mit Grazie, was die Noth erheischt.
Recht habt ihr auch. Warum auch wie ein Kind gleich,
Weil sich ein flücht’ger Wunsch mir nicht gewährt,
Mit meinen Göttern brechen? Kommt hinweg.
Das Glück, gesteh’ ich, wär mir lieb gewesen;
Doch fällt es mir aus Wolken nicht herab,
Den Himmel drum erstürmen will ich nicht.
Helft mir nur fort von hier, schafft mir ein Pferd,
So will ich euch zurück zur Heimath führen.
Prothoe.
Geseegnet sei, o Herrscherinn, dreimal
Ein Wort, so würdig königlich, als dies.
Komm, alles steht zur Flucht bereit –
Penthesilea (da
sie die Rosenkränze in der Kinder Händen erblickt, mit plötzlich
aufflammendem Gesicht)
Ha, sieh!
Wer gab Befehl, die Rosen einzupflücken?
Das erste Mädchen.
Das fragst du noch, Vergeßene? Wer sonst,
Als nur –
Penthesilea. Als wer?
Die Oberpriesterinn. – Das
Siegsfest sollte sich,
Das heißersehnte, deiner Jungfraun feiern!
War’s nicht dein eigner Mund, der’s so befahl?
Penthesilea.
Verflucht mir diese schnöde Ungeduld!
Verflucht, im blutumschäumten Mordgetümmel,
Mir der Gedanke an die Orgien!
Verflucht, im Busen keuscher Arestöchter,
Begierden, die, wie losgelaßne Hunde,
Mir der Drommete erzne Lunge bellend,
Und aller Feldherrn Rufen, überschrei’n!
Der Sieg, ist er erkämpft mir schon, daß mit
Der Hölle Hohn schon der Triumph mir naht?
– Mir aus den Augen!
(sie zerhaut die Rosenkränze)
Das erste Mädchen. Herrscherinn! Was thust du?
Das Zweite. (die Rosen wieder aufsuchend)
Der Frühling bringt dir rings, auf Meilenferne,
Nichts für das Fest mehr –
Penthesilea. Daß der ganze
Frühling
Verdorrte! Daß der Stern, auf dem wir athmen,
Geknickt, gleich dieser Rosen einer, läge!
Daß ich den ganzen Kranz der Welten so,
Wie dies Geflecht der Blumen, lösen könnte!
– O Aphrodite!
Die Oberpriesterinn. Die Unseelige!
Die erste Priesterinn.
Verloren ist sie!
Die Zweite. Den Erynnien
Zum Raub ist ihre Seele hingegeben!
Eine Priesterinn (auf dem Hügel)
Der Peleïd’, ihr Jungfrau’n, ich beschwör’ euch,
Im Schuß der Pfeile naht er schon heran!
Prothoe.
So fleh’ ich dich auf Knieen – rette dich!
Penthesilea.
Ach, meine Seel’ ist matt bis in den Tod!
(sie setzt sich)
Prothoe.
Entsetzliche! Was thust du?
Penthesilea. Flieht, wenn ihr wollt.
Prothoe.
Du willst? –
Meroe. Du säumst – ?
Prothoe. Du willst – ?
Penthesilea. Ich will hier bleiben.
Prothoe.
Wie, Rasende!
Penthesilea. Ihr hört’s. Ich kann
nicht stehen.
Soll das Gebein mir brechen? Laßt mich sein.
Prothoe.
Verlorenste der Frau’n! Und der Pelide,
Er naht, du hörst, im Pfeilschuß –
Penthesilea. Laßt ihn kommen.
Laßt ihn den Fuß gestählt, es ist mir recht,
Auf diesen Nacken setzen. Wozu auch sollen
Zwei Wangen länger, blüh’nd wie diese, sich
Vom Korb, aus dem sie stammen, unterscheiden?
Laßt ihn mit Pferden häuptlings heim mich schleifen,
Und diesen Leib hier, frischen Lebens voll,
Auf offnem Felde schmachvoll hingeworfen,
Den Hunden mag er ihn zur Morgenspeise,
Dem scheußlichen Geschlecht der Vögel, bieten.
Staub lieber, als ein Weib sein, das nicht reizt.
Prothoe.
O Königinn!
Penthesilea (indem sie sich den Halsschmuck abreißt)
Weg ihr verdammten Flittern!
Prothoe.
Ihr ew’gen Götter dort! Ist das die Fassung,
Die mir dein Mund so eben angelobt?
Penthesilea.
Vom Haupt, ihr auch – was nickt ihr? Seid verflucht mir,
Hülflosere, als Pfeil und Wangen, noch!
– Die Hand verwünsch’ ich, die zur Schlacht mich heut
Geschmückt, und das verrätherische Wort,
Das mir gesagt, es sei zum Sieg, dazu.
Wie sie mit Spiegeln mich, die Gleißnerinnen,
Umstanden, rechts und links, der schlanken Glieder
In Erz gepreßte Götterbildung preisend. –
Die Pest in eure wilden Höllenkünste!
Griechen. (ausserhalb der Scene)
Vorwärts, Pelide, vorwärts! Sei getrost!
Nur wenig Schritte noch, so hast du sie.
Die Priesterinn. (auf dem Hügel)
Diana! Königinn! Du bist verloren,
Wenn du nicht weichst!
Prothoe. Mein Schwesterherz! Mein
Leben!
Du willst nicht fliehn? nicht gehn?
Penthesilea. (die Thränen stürzen ihr aus den Augen, sie lehnt sich an einen Baum)
Prothoe (plötzlich gerührt, indem sie sich neben ihr
niedersetzt)
Nun, wie du willst.
Wenn du nicht kannst, nicht willst – sei’s! Weine nicht.
Ich bleibe bei dir. Was nicht möglich ist,
Nicht ist, in deiner Kräfte Kreis nicht liegt,
Was du nicht leisten kannst: die Götter hüten,
Daß ich es von dir fordre! Geht, ihr Jungfrau’n,
Geht; kehrt in eure Heimathsflur zurück:
Die Königinn und ich, wir bleiben hier.
Die Oberpriesterinn.
Wie, du Unseel’ge? Du bestärkst sie noch?
Meroe.
Unmöglich wär’s ihr, zu entfliehn?
Die Oberpriesterinn. Unmöglich,
Da nichts von außen sie, kein Schicksal, hält,
Nichts als ihr thörigt Herz –
Prothoe. Das ist ihr Schicksal!
Dir scheinen Eisenbanden unzerreißbar,
Nicht wahr? Nun sieh: sie bräche sie vielleicht,
Und das Gefühl doch nicht, das du verspottest.
Was in ihr walten mag, das weiß nur sie,
Und jeder Busen ist, der fühlt, ein Räthsel.
Des Lebens höchstes Gut erstrebte sie,
Sie streift’, ergriff es schon: die Hand versagt ihr,
Nach einem andern noch sich auszustrecken.
Komm, magst du’s jetzt an meiner Brust vollenden.
– Was fehlt dir? Warum weinst du?
Penthesilea. Schmerzen, Schmerzen –
Prothoe.
Wo?
Penthesilea.
Hier.
Prothoe.
Kann ich dir Lindrung – ?
Penthesilea. Nichts, nichts, nichts.
Prothoe.
Nun, faße dich; in Kurzem ist’s vollbracht.
Die Oberpriesterinn. (halblaut)
Ihr Rasenden zusammt – !
Prothoe. (eben so) Schweig bitt’ ich dich.
Penthesilea.
Wenn ich zur Flucht mich noch – wenn ich es thäte:
Wie, sag’, wie faßt ich mich?
Prothoe. Du giengst nach
Pharsos.
Dort fändest du, denn dorthin wieß ich es,
Dein ganzes Heer, das jetzt zerstreut, zusammen.
Du ruhtest dich, du pflegtest deiner Wunden,
Und mit des nächsten Tages Strahl, gefiehl’s dir,
Nähmst du den Krieg der Jungfrau’n wieder auf.
Penthesilea.
Wenn es mir möglich wär – ! Wenn ichs vermöchte – !
Das Aeußerste, das Menschenkräfte leisten,
Hab’ ich gethan – Unmögliches versucht –
Mein Alles hab’ ich an den Wurf gesetzt;
Der Würfel, der entscheidet, liegt, er liegt:
Begreifen muß ich’s – – und daß ich verlor.
Prothoe.
Nicht, nicht, mein süßes Herz! Das glaube nicht.
So niedrig schlägst du deine Kraft nicht an.
So schlecht von jenem Preis nicht wirst du denken,
Um den du spielst, als daß du wähnen solltest,
Das, was er werth, sei schon für ihn geschehn.
Ist diese Schnur von Perlen, weiß und roth,
Die dir vom Nacken rollt, der ganze Reichthum,
Den deine Seele aufzubieten hat?
Wie viel, woran du gar nicht denkst, in Pharsos,
Endlos für deinen Zweck noch ist zu thun!
Doch freilich wohl – jetzt ist es fast zu spät.
Penthesilea. (nach einer unruhigen Bewegung)
Wenn ich rasch wäre – – Ach es macht mich rasend!
– Wo steht die Sonne?
Prothoe. Dort, dir grad’ im
Scheitel,
Noch eh’ die Nacht sinkt, träfest du dort ein.
Wir schlössen Bündniß, unbewußt den Griechen,
Mit den Dardanischen, erreichten still
Die Bucht des Meer’s, wo jener Schiffe liegen;
Zur Nachtzeit, auf ein Merkmal, lodern sie
In Flammen auf, das Lager wird erstürmt,
Das Heer, gedrängt zugleich von vorn und hinten,
Zerrissen, aufgelöst, ins Land zerstreut,
Verfolgt, gesucht, gegriffen und bekränzet
Jedwedes Haupt, das unsrer Lust gefiel.
O seelig wär’ ich, wenn ich dieß erlebte!
Nicht ruh’n wollt’ ich, an deiner Seite kämpfen,
Der Tage Glut nicht scheuen, unermüdlich,
Müßt’ ich an allen Gliedern mich verzehren,
Bis meiner lieben Schwester Wunsch erfüllt,
Und der Pelid’ ihr doch, nach so vielen Mühen,
Besiegt zuletzt zu Füssen niedersank.
Penthesilea. (die während dessen unverwandt in die Sonne
gesehen)
Daß ich mit Flügeln weit gespreizt und rauschend,
Die Luft zertheilte – !
Prothoe. Wie!
Meroe. – Was sagte sie?
Prothoe.
Was siehst du, Fürstinn – ?
Meroe. Worauf heftet sich – ?
Prothoe.
Geliebte, sprich!
Penthesilea. Zu hoch, ich weiß, zu
hoch –
Er spielt in ewig fernen Flammenkreisen
Mir um den sehnsuchtsvollen Busen hin.
Prothoe.
Wer, meine beste Königinn?
Penthesilea. Gut, gut.
– Wo geht der Weg?
(sie sammelt sich und steht auf)
Meroe. So willst du dich entschließen?
Prothoe.
So hebst du dich empor? – Nun, meine Fürstinn,
So sei’s auch wie ein Riese! Sinke nicht,
Und wenn der ganze Orkus auf dich drückte!
Steh, stehe fest, wie das Gewölbe steht,
Weil seiner Blöcke jeder stürzen will!
Beut deine Scheitel, einem Schlußstein gleich,
Der Götter Blitzen dar, und rufe, trefft!
Und laß dich bis zum Fuß herab zerspalten,
Nicht aber wanke in dir selber mehr,
So lang ein Athem Mörtel und Gestein,
In dieser jungen Brust, zusammenhält.
Komm. Gieb mir deine Hand.
Penthesilea. Geht’s hier, geht’s dort?
Prothoe.
Du kannst den Felsen dort, der sichrer ist,
Du kannst auch das bequemre Thal hier wählen.
Wozu entschließen wirst du dich?
Penthesilea. Den Felsen!
Da komm’ ich ihm um soviel näher. Folgt mir.
Prothoe.
Wem, meine Königinn?
Penthesilea. Euren Arm, ihr Lieben.
Prothoe.
Sobald du jenen Hügel dort erstiegen,
Bist du in Sicherheit.
Meroe. Komm fort.
Penthesilea. (indem sie plötzlich auf eine Brücke gekommen, stehen
bleibt)
Doch höre:
Eins eh’ ich weiche, bleibt mir übrig noch.
Prothoe.
Dir übrig noch?
Meroe. Und was?
Prothoe. Unglückliche!
Penthesilea.
Eins noch, ihr Freundinnen, und rasend wär’ ich,
Das müßt ihr selbst gestehn, wenn ich im ganzen
Gebiet der Möglichkeit mich nicht versuchte.
Prothoe. (Unwillig)
Nun denn, so wollt’ ich, daß wir gleich versunken!
Denn Rettung giebt’s nicht mehr.
Penthesilea. (erschrocken) Was ist? Was fehlt dir?
Was hab’ ich ihr gethan, ihr Jungfrau’n, sprecht!
Die Oberpriesterinn.
Du denkst – ?
Meroe. Du willst auf diesem Platze noch – ?
Penthesilea.
Nichts, nichts, gar nichts, was sie erzürnen sollte.
Den Ida will ich auf den Ossa wälzen,
Und auf die Spitze ruhig blos mich stellen.
Die Oberpriesterinn.
Den Ida wälzen – ?
Meroe. Wälzen auf den Ossa – ?
Prothoe. (mit
einer Wendung)
Schützt, all’ ihr Götter, sie!
Die Oberpriesterinn. Verlorene!
Meroe. (schüchtern)
Dies Werk ist der Giganten, meine Königinn!
Penthesilea.
Nun ja, nun ja: worinn denn weich’ ich ihnen?
Meroe.
Worin du ihnen – ?
Prothoe. Himmel!
Die Oberpriesterinn. Doch gesetzt – ?
Meroe.
Gesetzt nun du vollbrächtest dieses Werk – ?
Prothoe.
Gesetzt was würdest du – ?
Penthesilea. Blödsinnige!
Bei seinen goldnen Flammenhaaren zög’ ich
Zu mir hernieder ihn –
Prothoe. Wen?
Penthesilea. Helios,
Wenn er am Scheitel mir vorüberfleucht!
Die Fürstinnen. (sehn sprachlos und mit Entsetzen einander an)
Die Oberpriesterinn.
Reißt mit Gewalt sie fort!
Penthesilea. (schaut in den Fluß nieder)
Ich, Rasende!
Da liegt er mir zu Füssen ja! Nimm mich –
(sie will in den Fluß sinken, Prothoe und Meroe
halten sie)
Prothoe.
Die Unglückselige!
Meroe. Da fällt sie leblos,
Wie ein Gewand, in unsrer Hand zusammen.
Die Priesterinn. (auf dem Hügel)
Achill erscheint, ihr Fürstinnen! Es kann
Die ganze Schaar der Jungfrau’n ihn nicht halten!
Die Amazone.
Ihr Götter! Rettet! Schützet vor dem Frechen
Die Königinn der Jungfrau’n!
Die Oberpriesterinn (zu den Priesterinnen)
Fort! Hinweg!
Nicht im Gewühl des Kampfs ist unser Platz.
Die Oberpriesterinn mit den Priesterinnen und den Rosenmädchen (ab.)