20
Es war ein komisches Gefühl, am Montagmorgen zur Arbeit zu gehen, und niemand wusste von der grundlegenden Veränderung, die mein Leben erfahren hatte. Ich hätte niemals gedacht, wie sehr sich die Selbstwahrnehmung eines Menschen durch das Aussprechen einiger Worte und das Überstreifen eines Metallrings verändern konnte.
Ich war nicht mehr nur der New-York-Frischling Eva, der sich gemeinsam mit dem besten Freund in der großen Stadt ein neues Leben aufbauen wollte. Ich war die Ehefrau eines Moguls. Eine Menge neuer Verantwortlichkeiten und Erwartungen kam da auf mich zu. Schon der Gedanke daran jagte mir Angst ein.
Megumi stand an ihrem Schreibtisch, als sie mir die Sicherheitstüren von Waters Field & Leaman aufdrückte. Für ihre Verhältnisse war sie ungewöhnlich konservativ gekleidet in einem ärmellosen schwarzen Kleid mit asymmetrischem Saum und pinkfarbenen High Heels. »Wow, du bist ja sagenhaft braun geworden! Beneidenswert.«
»Danke. Wie war dein Wochenende?«
»Immer die alte Leier. Michael hat mit seinen Anrufen aufgehört.« Sie zog die Nase kraus. »Jetzt fehlen mir seine Belästigungen. Da kam ich mir wenigstens begehrt vor.«
Ich hörte ihr kopfschüttelnd zu. »Du spinnst.«
»Ich weiß. Also erzähl mal, wo du gewesen bist. Und warst du mit dem Rockstar unterwegs oder mit Cross?«
»Meine Lippen sind versiegelt.« Allerdings reizte es mich enorm, ihr alles zu berichten. Allein die Tatsache, dass ich noch nicht mit Cary gesprochen hatte, hielt mich zurück. Er musste es unbedingt als Erster erfahren.
»Das gibt’s doch nicht!« Ihre dunklen Augen wurden schmal. »Willst du mir ehrlich nichts erzählen?«
»Doch, natürlich.« Ich zwinkerte ihr zu. »Aber erst später.«
»Pass bloß auf, ich weiß, wo du arbeitest«, rief sie mir nach, als ich durch das Großraumbüro zu meinem Platz ging.
An meinem Schreibtisch wollte ich rasch eine SMS an Cary schreiben und entdeckte, dass er mir übers Wochenende schon ein paar geschickt hatte, die nicht sofort durchgekommen waren. Zumindest hatte ich sie nicht gesehen, als ich wie üblich am Samstag bei Dad angerufen hatte.
Treffen wir uns zum Lunch? , tippte ich.
Als nicht sofort eine Antwort einging, stellte ich das Handy stumm und verstaute es in der obersten Schreibtischschublade.
»Wo hast denn du das Wochenende verbracht?«, fragte Mark bei seinem Eintreffen. »Du bist ja irre braun geworden.«
»Danke. Ich habe in der Karibik auf der faulen Haut gelegen.«
»Ehrlich? Ich suche derzeit nach möglichen Zielen für eine Hochzeitsreise. Käme das, wo du gewesen bist, für uns infrage?«
Ich lachte. Ich war so glücklich wie schon lange nicht mehr. Vielleicht wie noch nie. »Unbedingt.«
»Gib mir mal die Infos. Ich werde sie auf die Liste der Kandidaten setzen.«
»Du sollst dich also um die Organisation der Hochzeitsreise kümmern?« Ich stand auf, um mir zum Arbeitsstart gemeinsam mit ihm einen Kaffee zu holen.
»Genau.« Mark verzog den Mund zu einer Seite. »Den ganzen Hochzeitskram überlasse ich Steven, da er sich sowieso schon so lange damit beschäftigt hat. Aber die Hochzeitsreise ist meine Sache.«
Er klang sehr glücklich, und ich wusste genau, wie er sich fühlte. Seine gute Laune versüßte mir den Start in den Tag noch mehr.
Die kurze Phase der Sorglosigkeit endete, als Cary kurz nach zehn auf meinem Dienstapparat anrief.
»Hier ist das Büro von Mark Garrity«, meldete ich mich. »Eva Tramell …«
»… braucht dringend eine Tracht Prügel«, fiel Cary mir ins Wort. »Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt so sauer auf dich gewesen bin.«
Mein Magen zog sich zusammen. »Cary, was ist los?«, fragte ich erschrocken.
»Wichtigen Scheiß bespreche ich nicht am Telefon, Eva, im Unterschied zu anderen Leuten, die ich kenne. Wir treffen uns zum Lunch. Und nur damit du Bescheid weißt: Ich lasse dafür sogar ein Casting heute Nachmittag sausen, nur um dich wieder auf die Spur zu bringen, weil Freunde nämlich genau so etwas tun.« Seine Stimme wurde immer wütender. »Sie nehmen sich die Zeit, um wichtige Dinge persönlich zu besprechen. Sie säuseln nicht einfach irgendwelche überfreundlichen Nachrichten auf den AB und denken, damit ist alles geregelt!«
Die Verbindung wurde getrennt. Geschockt und ein wenig verängstigt starrte ich den Hörer an.
Alles in meinem Leben kam mit kreischenden Bremsen zum Stehen. Cary war mein Fixpunkt. Wenn zwischen uns etwas nicht stimmte, dann verlor ich sehr schnell die Orientierung. Und ich wusste, dass es ihm genauso ging. Sobald wir den Kontakt verloren, begann er, Scheiße zu bauen.
Ich kramte mein Handy hervor und rief zurück.
»Was ist?«, blaffte er. Immerhin war es schon mal ein gutes Zeichen, dass er das Gespräch überhaupt annahm.
»Wenn ich Mist gebaut habe«, beeilte ich mich zu sagen, »tut es mir leid, und ich werde es wiedergutmachen. Okay?«
Er gab ein raues Knurren von sich. »Du machst mich echt verdammt sauer, Eva.«
»Tja, so ist das. Ich hab halt ein besonderes Talent, anderen Leuten auf die Füße zu treten, falls dir das noch nicht aufgefallen sein sollte. Bloß bei dir möchte ich das als Allerletztes tun.« Ich seufzte. »Cary, ich drehe durch, wenn wir das nicht schnell aus der Welt schaffen. Zwischen uns muss alles in Ordnung sein, das brauche ich. Du weißt das.«
»In letzter Zeit hast du dich aber gar nicht so benommen, als wäre es dir wichtig«, meinte er schroff. »An mich denkst du im Moment zuletzt, und das macht mich völlig fertig.«
»Ich denke ständig an dich. Ich hab’s dir vielleicht zu wenig gezeigt, das ist meine Schwäche.«
Er sagte nichts.
»Ich hab dich lieb, Cary. Selbst wenn ich Mist baue.«
Er schnaubte in den Hörer. »Geh wieder an die Arbeit und mach dir keinen Kopf. Wir regeln das beim Mittagessen.«
»Es tut mir leid. Ehrlich.«
»Bis um zwölf.«
Ich legte auf und versuchte mich zu konzentrieren, aber es fiel mir schwer. Wäre Cary nur wütend auf mich gewesen, hätte mich das nicht so beunruhigt. Das wirklich Schlimme daran war, dass ich ihn so schmerzlich enttäuscht hatte. Ich gehörte zu den ganz wenigen Menschen in seinem Leben, bei denen er sich darauf verließ, dass sie ihn nicht im Stich ließen.
Um elf Uhr landete ein kleiner Stapel Hauspost auf meinem Schreibtisch. Aufgeregt bemerkte ich, dass einer der Umschläge eine Nachricht von Gideon enthielt.
Meine hinreißend schöne, begehrenswerte Gattin,
ich kann einfach nicht aufhören, an Dich zu denken.
Dein X
Meine Füße vollführten ein fröhliches Tänzchen unter der Tischplatte, und der leichte Schatten über meinem Tag verzog sich wieder.
Ich schrieb ihm zurück.
Mr. Dunkel und Gefährlich,
ich liebe Dich wahnsinnig.
In Eheketten schmachtend,
Mrs. X
Ich steckte den Brief in einen Umschlag und legte ihn in mein Fach für die ausgehende Post.
Ich entwarf gerade ein Antwortschreiben für einen Künstler, der an einer Geschenkkartenkampagne arbeitete, als mein Bürotelefon klingelte. Ich meldete mich mit meinem üblich Spruch und hörte eine Stimme mit einem mir bekannten französischen Akzent.
»Eva, hier ist Jean-François Giroux.«
Ich lehnte mich in meinen Stuhl zurück und sagte: » Bonjour , Monsieur Giroux.«
»Wann würde es Ihnen heute am besten passten?«
Was zum Teufel wollte er bloß von mir? Wenn ich es herausfinden wollte, musste ich ihn treffen. »Fünf Uhr? Es gibt da ein Weinlokal nicht weit vom Crossfire Building.«
»Passt mir gut.«
Ich erklärte ihm den Weg, und er legte auf. Der Anruf wühlte mich zugegebenermaßen ein wenig auf. Ich drehte mich in meinem Stuhl und dachte nach. Gideon und ich versuchten, nach vorn zu blicken, aber die Menschen und Probleme aus unserer Vergangenheit schienen uns mit allen Mitteln daran hindern zu wollen. Würde die Bekanntgabe unser Eheschließung – oder auch nur einer Verlobung – daran etwas ändern?
Bei Gott, ich hoffte es. Aber wann liefen die Dinge jemals so einfach wie geplant?
Ich warf einen Blick auf die Uhr, wandte mich wieder meiner Arbeit zu und schrieb die E-Mail fertig.
Um fünf nach zwölf betrat ich die Lobby, aber Cary war nirgends zu sehen. Je länger ich warten musste, desto nervöser wurde ich. Wieder und wieder hatte ich mir unser kurzes Gespräch in Erinnerung gerufen, und ich wusste, dass er recht hatte. Ich hatte mir eingeredet, er würde nichts dagegen haben, Gideon in unsere Wohngemeinschaft aufzunehmen, weil ich die Augen vor der Alternative verschlossen hatte: Nämlich dass ich mich womöglich zwischen meinem besten Freund und meinem Geliebten entscheiden musste.
Und jetzt blieb mir gar keine Wahl. Ich war verheiratet und überglücklich darüber.
Dennoch war ich froh, meinen Ehering in das Reißverschlussfach meiner Handtasche gesteckt zu haben. Wenn Cary eine wachsende Entfremdung zwischen uns spürte, würde die Nachricht, dass ich am Wochenende heimlich geheiratet hatte, sicherlich nicht hilfreich sein.
Mein Magen rebellierte. Es standen immer mehr Geheimnisse zwischen uns. Ich hielt das nicht aus.
»Eva.«
Die Stimme meines besten Freundes riss mich aus meinen Grübeleien. In weiten Cargohosen und einem T-Shirt mit V-Ausschnitt kam er auf mich zu. Er trug seine Sonnenbrille und machte mit seinen Händen in den Hosentaschen einen abweisenden, äußerst coolen Eindruck auf mich. Diverse Köpfe wandten sich nach ihm um, aber er schien es nicht zu bemerken. Seine Aufmerksamkeit galt allein mir.
Meine Füße setzten sich in Bewegung. Ohne darüber nachzudenken, rannte ich so ungestüm auf ihn zu, dass es ihn fast umhaute. Der Zusammenstoß raubte ihm kurz den Atem. Ich umarmte ihn und drückte meine Wange an seine Brust.
»Ich hab dich vermisst«, sagte ich und meinte es aus tiefstem Herzen, obwohl er gar nicht wissen konnte, warum und wobei.
Er murmelte irgendetwas vor sich hin und erwiderte meine Umarmung. »Du bist manchmal echt schrecklich, Baby.«
Ich wich ein Stück zurück und sah zu ihm hoch. »Es tut mir leid.«
Er schob seine Hand in meine und führte mich aus dem Crossfire Building hinaus. Wir gingen in den Laden mit den tollen Tacos, wo wir neulich schon zu Mittag gegessen hatten. Es gab dort zudem herrliche Margaritas ohne Alkohol, die an einem schwülheißen Sommertag genau das Richtige waren.
Nachdem wir zehn Minuten angestanden hatten, begnügte ich mich mit zwei Tacos, da ich schon viel zu lange keinen Sport mehr getrieben hatte. Cary bestellte gleich sechs. Wir erwischten einen Tisch, an dem gerade Leute aufstanden, und Cary hatte seinen ersten Taco verdrückt, bevor ich meinen Strohhalm noch vom Papier befreit hatte.
»Es tut mir leid wegen der Nachricht auf dem AB«, sagte ich.
»Du begreifst es noch immer nicht.« Er wischte sich mit einer Serviette über die Lippen, die mit ihrem Lächeln erwachsene Frauen in kichernde Girlies verwandeln konnten. »Es geht um die gesamte Situation, Eva. Du hinterlässt mir eine Nachricht, in der du mich aufforderst, darüber nachzudenken, Cross bei uns einziehen zu lassen, nachdem du deiner Mutter bereits erzählt hast, das alles sei beschlossene Sache, und bevor du plötzlich für das Wochenende wie vom Erdboden verschluckt bist. Aber ich schätze, es interessiert dich einen Scheißdreck, wie ich mich bei der ganzen Sache fühle.«
»Das ist nicht wahr!«
»Wozu brauchst du einen Mitbewohner, wenn du sowieso mit deinem Freund zusammenziehst?«, fragte er und lief allmählich zu Hochform auf. »Und wie kommst du darauf, dass ich überhaupt die dritte Geige spielen möchte?«
»Cary …«
»Ich brauch keine beschissenen Almosen, Eva.« Seine smaragdfarbenen Augen wurden zu Schlitzen. »Ich komme auch anderswo unter und kenne andere Leute, mit denen ich zusammenziehen kann. Du musst mir nicht helfen.«
Mir schnürte es die Kehle zu. Ich war noch nicht bereit, Cary gehen zu lassen. Eines Tages würden sich unsere Wege trennen, und wir würden uns vielleicht nur noch zu besonderen Anlässen sehen. Aber der Zeitpunkt dafür war noch nicht gekommen. Er durfte es einfach nicht sein. Die Vorstellung allein machte mich schon irre.
»Wer behauptet denn, ich würde das dir zuliebe machen?«, konterte ich. »Vielleicht ertrage ich ja einfach nicht den Gedanken, dich nicht in meiner Nähe zu wissen.«
Er schnaubte, biss wütend ein Stück von seinem Taco ab, kaute wild darauf herum und spülte das Ganze mit einem langen Zug aus dem Strohhalm herunter. »Was bin ich? Deine Anstecknadel für drei Jahre Therapieerfolg? Die Ehrenmedaille für Evas Zwölf-Schritte-Programm?«
»Jetzt reicht’s aber.« Ich beugte mich vor. »Du bist sauer, ich hab’s verstanden. Es tut mir leid. Ich hab dich schrecklich lieb, und es ist mir wichtig, dich in meinem Leben zu haben, aber ich werde nicht hier sitzen und auf mir herumtrampeln lassen, nur weil ich einmal Scheiß gebaut hab.« Ich schob meinen Stuhl vom Tisch fort und stand auf. »Wir sehen uns später.«
»Wollt ihr heiraten, Cross und du?«
Ich sah einen Moment schweigend zu ihm hinunter. »Er hat gefragt. Ich hab Ja gesagt.«
Cary nickte, als hätte er bereits damit gerechnet, und nahm einen weiteren Bissen. Ich griff nach meiner Handtasche, die ich über die Rückenlehne des Stuhls gehängt hatte.
»Hast du Angst, allein mit ihm zusammenzuwohnen?«, fragte er beim Kauen.
Das musste er natürlich denken. »Nein. Er wird sein eigenes Schlafzimmer haben.«
»Hat er auch an den letzten Wochenenden in seinem eigenen Zimmer geschlafen, wenn du dich zu ihm geschlichen hast?«
Ich starrte ihn erstaunt an. Wusste er tatsächlich, dass Gideon der ›heimliche Liebhaber‹ war, mit dem ich mich getroffen hatte? Oder wollte er mich nur aus der Reserve locken? Ich entschied, dass es mir egal war. Ich hatte keine Lust mehr, ihn weiter anzulügen. »Meistens ja.«
Er legte seinen Taco aus der Hand. »Na, endlich mal ein ehrliches Wort aus deinem Mund. Ich dachte schon, du hast vergessen, wie das geht.«
»Leck mich.«
Er grinste und deutete auf meinen Stuhl. »Setz dich gefälligst wieder hin, Baby. Wir sind noch nicht fertig.«
»Du benimmst dich wie ein Arsch.«
Sein Lächeln verschwand, und sein Blick wurde hart. »Wochenlang nur angelogen zu werden, macht mich eben stinkig. Setz dich endlich!«
Ich setzte mich und sah ihn an. »Und jetzt? Zufrieden?«
»Iss. Ich habe dir was zu sagen.«
Ich schnaubte frustriert, hängte meine Handtasche wieder über den Stuhl und sah ihn mit erwartungsvoll gehobenen Brauen an.
»Wenn du dir einbildest«, begann er, »mein Bullshit-Sensor wäre im Arsch, bloß weil ich zurzeit nüchtern bin und regelmäßig arbeite, dann hast du dich geschnitten. Ich wusste vom ersten Moment an, dass du es wieder mit Cross treibst.«
Ich biss in meinen Taco und warf ihm einen ungläubigen Blick zu.
»Eva, Schätzchen, wenn es einen zweiten Mann in New York gäbe, der so ein Stehvermögen wie Cross hat und die ganze Nacht lang Gas geben kann, meinst du nicht, ich hätte ihn mittlerweile gefunden?«
Ich verschluckte mich und hätte mein Essen fast wieder ausgespuckt.
»Niemand hat so ein Glück, zwei Typen von diesem Kaliber hintereinander abzubekommen«, sagte er mit Nachdruck. »Nicht einmal du. Eigentlich hättest du zuerst eine kleine Dürreperiode oder zumindest ein paar Nullnummern erwischen müssen.«
Ich warf mein zusammengeknülltes Strohhalmpapier nach ihm, und er duckte sich lachend.
Dann wurde er ernst. »Hast du gedacht, ich würde es dir übel nehmen, wenn du dich nach seinem Scheißabgang wieder mit ihm einlässt?«
»So einfach ist das alles nicht, Cary. Die Situation war … absolut verfahren. Es gab eine Menge Druck von allen möglichen Seiten. Und den gibt es noch immer, etwa durch diese Reporterin, die nicht aufhört, Gideon zu stalken.«
»Ihn zu stalken?«
»Und wie! Ich wollte …« Dich da nicht mit reinziehen. Dich nicht gefährden. Dir nicht womöglich eine Anklage wegen Mitwisserschaft einbrocken . »Ich musste einfach erst sehen, wie sich das entwickelt«, schloss ich wenig überzeugend.
Er ließ meine Worte eine Weile sacken und nickte dann. »Und jetzt willst du ihn heiraten.«
»Ja.« Ich trank einen Schluck, um den Kloß in meinem Hals zu verjagen. »Aber du bist der Einzige, der außer uns etwas davon weißt.«
»Sieh mal einer an, ein Geheimnis, an dem du mich teilhaben lässt.« Er verzog die Lippen kurz zu einem Schmollmund. »Und du willst noch immer, dass ich bei euch wohne.«
Ich beugte mich vor und streckte ihm meine Hand hin. »Mir ist klar, dass du andere Möglichkeiten hast, dass du woanders einziehen kannst. Aber mir wäre es lieb, du würdest es nicht tun. Ob nun verheiratet oder nicht, ich bin einfach noch nicht so weit, ohne dich auszukommen.«
Er fasste meine Hand so fest, dass meine Knochen zusammengequetscht wurden. »Eva …«
»Warte«, fiel ich rasch ein. Seine Stimme klang mir plötzlich viel zu ernst. Ich wollte vermeiden, dass er mich abservierte, bevor ich ihm die Sache überhaupt in allen Einzelheiten erklärt hatte. »An Gideons Penthouse grenzt eine Zweizimmerwohnung, die er nicht benutzt.«
»Eine Zweizimmerwohnung. An der Fifth Avenue.«
»Ja, toll, nicht? Ganz für dich. Dein eigenes Reich, dein eigener Eingang, dein eigener Blick auf den Central Park. Und dennoch direkt bei mir. Für beide Seiten die ideale Lösung.« Ich fuhr rasch fort in der Hoffnung, etwas zu sagen, bei dem er anbiss. »Wir bleiben noch eine Weile auf der Upper West Side, während ich das Penthouse ein wenig umgestalte. Gideon sagt, wir können in dieser Zeit auch deine Wohnung ganz nach deinen Vorstellungen umbauen lassen.«
»Meine Wohnung.« Er starrte mich an, was mich noch nervöser machte. Ein Mann und eine Frau versuchten sich zwischen unserem Tisch und einem weit in den Gang gerückten Stuhl durchzuzwängen, aber ich ignorierte sie.
»Ich rede hier nicht über ein Almosen«, beruhigte ich ihn. »Ich würde gern etwas Sinnvolles mit meinem Geld anstellen, um das ich mich bisher eigentlich gar nicht gekümmert habe. Ich dachte an eine Stiftung oder so etwas, mit der wir dann Projekte und wohltätige Organisationen unterstützen könnten, die wir für wichtig halten. Dabei bräuchte ich deine Hilfe, und dafür würde ich dich natürlich auch bezahlen. Nicht nur für dein Engagement, auch für dein Gesicht. Ich hätte gern, dass du der erste Botschafter dieser Stiftung wirst.«
Carys Griff um meine Hand erschlaffte.
Sofort packte ich voller Panik fester zu. »Cary?«
Seine Schultern sackten herunter. »Tatiana ist schwanger.«
»Was?« Ich spürte, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich. Das kleine Restaurant platzte aus allen Nähten, und die geschrienen Bestellungen hinter dem Tresen zusammen mit dem Geklapper von Tabletts, Tellern und Besteck ergaben eine beachtliche Geräuschkulisse, aber die drei Worte aus Carys Mund hatte ich so deutlich gehört, als hätte er sie mir direkt ins Ohr gebrüllt. »Soll das ein Scherz sein?«
»Schön wär’s.« Er zog seine Hand fort und strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Nicht, dass ich kein Kind haben wollte. Der Teil ist toll. Aber … verfluchte Scheiße. Nicht gerade jetzt, verstehst du? Und nicht mir ihr.«
»Wie um alles in der Welt konnte sie denn schwanger werden?« Cary achtete normalerweise pedantisch auf geschützten Sex, da ihm völlig klar war, was für einen riskanten Lebensstil er führte.
»Na ja, ich hab ihr meinen Schwanz reingeschoben und ein wenig rumgestochert …«
»Lass das«, zischte ich ihn an. »Du passt doch sonst immer auf.«
»Tja, ’ne Socke überzustreifen ist eben kein garantierter Schutz«, meinte er mit erschöpfter Stimme. »Und Tat nimmt nicht die Pille, weil sie sagt, sie könne sich dann nicht bremsen und würde zu viel essen.«
»Schöne Scheiße.« Mir brannten die Augen. »Bist du sicher, dass es von dir ist?«
Er schnaubte. »Nein. Was jedoch nicht heißt, dass es das nicht ist. Sie ist in der sechsten Woche, von daher könnte es hinkommen.«
Ich musste die nächste Frage stellen. »Hat sie vor, es zu behalten?«
»Keine Ahnung. Sie denkt darüber nach.«
»Cary …« Ich hatte die Träne nicht zurückhalten können, die mir die Wange hinablief. Es quälte mich, ihn so zu sehen. »Was wirst du nun tun?«
»Was kann ich schon tun?« Er ließ sich in den Stuhl zurückfallen. »Die Entscheidung liegt bei ihr.«
Es musste ihn umbringen, so hilflos zu sein. Seine Mutter hatte ihn als ungewolltes Kind zur Welt gebracht und anschließend Abtreibung als Mittel der Geburtenkontrolle angewandt. Ich wusste, wie sehr ihn das noch immer quälte. Er hatte es mir selbst erzählt. »Und wenn sie sich entscheidet, das Kind auszutragen? Dann wirst du doch wohl einen Vaterschaftstest fordern, oder?«
»Herrgott, Eva.« Er sah mich aus geröteten Augen an. »So weit habe ich bislang noch nicht gedacht. Was zum Teufel soll ich bloß Trey sagen? Gerade jetzt, wo es anfängt, besser zu laufen zwischen uns, muss ich ihm so ein Ding verpassen. Er wird mich in die Wüste schicken. Es ist aus.«
Ich sog scharf die Luft ein und setzte mich aufrechter hin. Ich konnte nicht zulassen, dass Cary und Trey sich trennten. Gideon und ich waren wieder zusammen, jetzt wurde es Zeit, sich um all die anderen Bereiche meines Lebens zu kümmern, die ich vernachlässigt hatte. »Wir werden Schritt für Schritt vorgehen und uns nach und nach überlegen, was zu tun ist. Wir schaffen das schon.«
Er schluckte schwer. »Ich brauche dich.«
»Ich brauche dich auch. Wir halten fest zusammen und finden eine Lösung.« Ich brachte ein Lächeln zustande. »Ich gehe nirgendwohin, und du gehst nirgendwohin.« Ich stutzte und fügte hinzu: »Außer nach San Diego am nächsten Wochenende.« Da fiel mir ein, dass ich unbedingt mit Gideon darüber reden musste.
»Gott sei Dank.« Cary beugte sich wieder vor. »Was würde ich dafür geben, jetzt bei Dr. Travis ein paar Bälle auf den Korb zu werfen.«
»Stimmt.« Ich spielte zwar kein Basketball, aber ein kurzes Eins-gegen-eins mit Dr. Travis könnte ich im Moment auch gut gebrauchen.
Was würde er wohl sagen, wenn er erfuhr, wie stark wir nach den wenigen Monaten in New York bereits wieder ins Schleudern geraten waren? Bei unserem letzten Zusammentreffen hatten wir noch Riesenpläne geschmiedet. Cary hatte davon geträumt, der Star in einem Super-Bowl-Werbespot zu werden, und ich hatte mir gewünscht, hinter den Kulissen für diesen Spot verantwortlich zu sein. Jetzt würde er womöglich Vater werden, und ich war mit dem schwierigsten Mann verheiratet, der mir jemals begegnet war.
»Dr. Travis wird ausflippen«, murmelte Cary, der meine Gedanken erahnt hatte.
Aus irgendeinem Grund mussten wir bei dieser Bemerkung beide so sehr lachen, dass uns die Tränen kamen.
Als ich an meinen Schreibtisch zurückkam, erwartete mich dort ein neuer Stapel Hauspost. Ich biss mir gespannt auf die Unterlippe und durchsuchte ihn rasch, bis ich den erhofften Umschlag gefunden hatte.
Ich kann mir so manche Verwendung für diese Eheketten vorstellen, Mrs. X.
Und sie alle werden Dir größtes Vergnügen bereiten.
Dein
X
Einige der dunklen Wolken vom Mittagessen verzogen sich plötzlich.
Nach Carys erschütterndem Geständnis ging ich nach der Arbeit mit einer »Was kann jetzt noch alles schiefgehen?«-Einstellung zu meiner Verabredung mit Giroux.
Als ich eintraf, wartete er bereits in dem Weinlokal. Er sah gut aus in seinen makellos gebügelten Baumwollhosen und dem offen stehenden weißen Hemd, dessen Ärmel er hochgerollt hatte. Leger, aber dennoch wirkte er keine Spur lockerer. Der Mann stand unter Hochspannung, und irgendetwas brodelte ganz gewaltig in ihm.
»Eva«, begrüßte er mich. Mit dieser übertriebenen Freundlichkeit, die mir schon beim ersten Mal zuwider gewesen war, küsste er mich erneut auf beide Wangen. » Enchanté .«
»Heute bin ich also nicht zu blond für Sie, sehe ich das richtig?«
»Ah.« Er schenkte mir ein Lächeln, doch seine Augen blieben davon unberührt. »Das habe ich verdient.«
Ich setzte mich zu ihm an einen Fenstertisch, und kurz darauf kam die Bedienung.
Der Laden vermittelte den Eindruck eines alteingesessenen Lokals. Die Decke war mit Prägeblechen aus Zinn verkleidet, während der alte Dielenboden und die aufwendig verzierte Holztheke die Vermutung nahelegten, dass dies irgendwann einmal ein Pub gewesen war. Einen modernen Touch erhielt die Einrichtung durch einige Chromelemente und ein großes Weinregal hinter der Bar, das auch als abstrakte Skulptur durchgehen könnte.
Giroux musterte mich unverhohlen, bis der Kellner uns den Wein eingeschenkt hatte. Ich hatte keine Ahnung, wonach er suchte, aber irgendetwas wollte er zweifellos herausfinden.
Ich trank einen Schluck des herrlichen Syrah, während er es sich in seinem Stuhl bequem machte und den Wein in seinem Glas schwenkte. »Sie sind meiner Frau schon begegnet.«
»Ja, das bin ich. Sie ist eine echte Schönheit.«
»Ja, das ist sie.« Er sah in sein Weinglas. »Und was denken Sie sonst noch über sie?«
»Was spielt es für eine Rolle, was ich denke?«
Er musterte mich erneut. »Sehen Sie in ihr eine Rivalin? Oder eine Bedrohung?«
»Weder noch.« Ich nahm einen weiteren Schluck und bemerkte einen schwarzen Bentley, der unmittelbar vor dem Fenster, an dem ich saß, in eine enge Lücke einparkte. Am Steuer saß Angus, der sich augenscheinlich wenig um das Halteverbotsschild am Bürgersteig scherte, vor dem er nun stand.
»Sind Sie sich seiner wirklich so sicher?«
Meine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf Giroux. »Ja. Was nicht heißen soll, dass ich mir nicht wünschte, Sie würden sich endlich Ihre Frau schnappen und mit ihr nach Frankreich zurückkehren.«
Sein Mund verzog sich zu einem schiefen Grinsen. »Sie lieben Cross also, ja?«
»Ja.«
»Warum?«
Ich musste lachen. »Wenn Sie meinen, Sie könnten herausbekommen, was Corinne an ihm findet, indem Sie mir entlocken, was ich an ihm finde, dann vergessen Sie’s lieber gleich wieder. Er und ich, wir … gehen anders miteinander um, als wir normalerweise sind.«
»Das habe ich gesehen. Bei ihm.« Giroux nippte an seinem Wein und behielt ihn eine Weile im Mund, bevor er ihn hinunterschluckte.
»Entschuldigen Sie, aber ich verstehe nicht ganz, warum wir hier überhaupt sitzen. Was genau wollen Sie von mir?«
»Sind Sie immer so direkt?«
»Ja«, erwiderte ich achselzuckend. »Wenn man mich versucht hinzuhalten, werde ich ungeduldig.«
»Dann werde ich auch ganz direkt sein.« Er streckte den Arm aus und ergriff meine linke Hand. »Ihre Bräune hat hier einen Ring abgezeichnet. Einen ganz schön großen, wie es scheint. Ein Verlobungsring womöglich?«
Ich sah auf meine Hand und stellte fest, dass er recht hatte. Auf meinem Ringfinger war ein quadratischer Fleck zu sehen, der eine Spur heller war als die restliche Haut. Im Unterschied zu meiner Mutter, die einen eher blassen Teint besaß, hatte ich den dunklen Hauttyp meines Vaters geerbt und wurde sehr schnell braun.
»Sie sind ein ausgezeichneter Beobachter. Aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre Mutmaßungen für sich behalten würden.«
Er lächelte, und zum ersten Mal wirkte es aufrichtig. »Vielleicht bekomme ich meine Frau am Ende ja doch zurück.«
»Durchaus möglich, wenn Sie es nur endlich versuchen würden.« Ich beschloss, dass es Zeit wurde zu gehen, und setzte mich auf. »Wissen Sie, was Ihre Frau mir einmal gesagt hat? Sie sagte, Sie seien so unglaublich gleichgültig. Statt darauf zu warten, dass sie zurückkommt, sollten Sie sie einfach zurückholen. Meiner Meinung nach ist es das, was sie will.«
Er stand auf, als ich mich erhob, und sah auf mich herab. »Sie ist Cross hinterhergelaufen. Ich glaube nicht, dass eine Frau, die anderen hinterherläuft, einen Mann attraktiv finden würde, der ihr hinterherläuft.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher.« Ich zog einen Zwanziger aus der Tasche und legte ihn auf den Tisch, ohne seinem beleidigten Blick Beachtung zu schenken. »Sie hat Ja gesagt, als Sie ihr einen Antrag gemacht haben, oder etwa nicht? Also tun Sie einfach dasselbe, was Sie davor getan haben. Auf Wiedersehen, Jean-François.«
Er öffnete den Mund, um noch etwas zu sagen, aber da war ich bereits zur Tür hinaus.
Angus wartete neben dem Bentley, als ich aus dem Weinlokal trat.
»Möchten Sie gerne nach Hause, Mrs. Cross?«, fragte er, als ich in den Fond stieg.
Bei seiner Anrede musste ich grinsen. So kurz nach der Unterredung mit Giroux brachte es mich auf eine Idee. »Offen gesagt, würde ich noch gerne einen Zwischenstopp einlegen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Keineswegs.«
Ich gab ihm die Adresse, lehnte mich zurück und genoss die aufkeimende Vorfreude.
Es war halb sieben, als ich schließlich nach Hause wollte, aber Gideon war noch immer im Büro, wie Angus mir sagte.
»Würden Sie mich zu ihm bringen?«, fragte ich.
»Selbstverständlich.«
Um diese späte Uhrzeit ins Crossfire Building zurückzukehren, war ein merkwürdiges Gefühl. Es hielten sich zwar noch immer einige Leute in der Eingangshalle auf, aber die Stimmung war anders als tagsüber. Im obersten Stockwerk fand ich die gläsernen Sicherheitstüren zu Cross Industries weit offen, und eine Putzkolonne war gerade dabei, die Papierkörbe auszuleeren, die Scheiben zu putzen und zu saugen.
Ich lief ungehindert bis zu Gideons Büro durch und bemerkte auf dem Weg die vielen leeren Arbeitsplätze, einschließlich dem von Scott, seinem Sekretär. Gideon stand hinter seinem Schreibtisch, ein Headset ans Ohr geklemmt. Sein Sakko hing auf einem Bügel an der Garderobe. Er hielt die Hände in die Hüften gestemmt und telefonierte. Seine Lippen bewegten sich ungeheuer schnell, sein Gesicht wirkte hoch konzentriert.
Die Wand ihm gegenüber war mit Flatscreen-Bildschirmen bedeckt, auf denen Nachrichten aus aller Welt liefen. Rechts davon schloss sich eine Bar mit beleuchteten Regalflächen an, auf denen Kristallkaraffen in schillernden Farben für den einzigen Farbklecks in der ansonsten kühlen, strengen Büroeinrichtung in Schwarz, Grau und Weiß sorgten. Drei verschiedene Sitzgruppen boten ausreichend Platz für weniger formelle Treffen, während Gideons schwarzer Schreibtisch ein Wunderwerk modernster Technologie war und als zentrale Schaltstelle für alle elektronischen Geräte im Raum diente.
Inmitten all seiner teuren Spielzeuge stand mein Ehemann und sah einfach zum Anbeißen aus. Der exquisite Schnitt seiner Weste und Hose unterstrich seinen perfekten Körperbau, und sein Anblick hier in seiner Kommandozentrale, wie er jene Macht demonstrierte, mit der er sein Imperium erschaffen hatte, ließ mein Herz verrückt spielen. Die raumhohen Fenster, die ihn an zwei Seiten umgaben, erlaubten einen Panoramablick über die Stadt, der zwar eine eindrucksvolle Hintergrundkulisse abgab, die imposante Figur des Hausherrn aber in keinster Weise schrumpfen ließ.
Gideon herrschte über alles, was er überblickte. Das war unverkennbar.
Ich griff in meine Handtasche, öffnete den Reißverschluss an dem kleinen Fach, nahm die Ringe heraus und streifte meinen über. Dann trat ich dichter an die gläserne Wand und die Flügeltüren, die ihn von allen anderen trennten.
Sein Kopf fuhr herum, und seine Augen leuchteten auf, als sie mich sahen. Er drückte auf einen Knopf an seinem Schreibtisch, und die Türen schwangen automatisch auf. Sekunden später trübte sich das Glas der Trennwand, sodass uns niemand mehr von der Büroetage aus beobachten konnte.
Ich trat ein.
»Einverstanden«, sagte er zu seinem Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung. »Machen Sie das und erstatten Sie mir dann wieder Bericht.«
Er zog das Headset ab und warf es auf den Schreibtisch, ohne den Blick von mir abzuwenden. »Du bist eine willkommene Überraschung, mein Engel. Erzähl mir von deinem Treffen mit Giroux.«
Ich zuckte die Schultern. »Woher wusstest du davon?«
Er hob einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln, sein Blick schien zu fragen: Das meinst du doch jetzt nicht im Ernst?
»Brauchst du noch lange?«, erkundigte ich mich.
»In einer halben Stunde habe ich noch eine Telefonkonferenz mit unserer Japanabteilung, dann bin ich fertig. Danach können wir essen gehen.«
»Holen wir uns doch lieber etwas zum Mitnehmen und essen dann zu Hause mit Cary. Er bekommt ein Kind.«
Gideon sah mich erstaunt an. »Wie bitte?«
»Na ja, es könnte sein, dass er ein Kind bekommt.« Ich seufzte. »Er ist völlig mit den Nerven fertig deshalb, und ich möchte mich gern um ihn kümmern. Außerdem sollte er sich daran gewöhnen, dass du da bist.«
Er musterte mich durchdringend. »Dir ist das offenbar auch an die Nieren gegangen. Komm her.« Er trat hinter seinem Schreibtisch hervor und breitete die Arme aus. »Lass dich drücken.«
Ich ließ meine Handtasche fallen, kickte die High Heels weg und ging auf ihn zu. Er umarmte mich und drückte seine Lippen fest und warm auf meine Stirn.
»Wir werden eine Lösung finden«, murmelte er. »Keine Bange.«
»Ich liebe dich, Gideon.«
Seine Umarmung wurde enger.
Ich beugte mich zurück und sah hoch in sein wunderschönes Gesicht. Der Hauch Karibikbräune schien das Blau seiner Augen noch intensiviert zu haben. »Ich habe etwas für dich.«
»Oh?«
Ich wich zurück und ergriff seine linke Hand, bevor er sie mir entziehen konnte. Ich hob sie leicht an und streifte ihm den Ring, den ich soeben gekauft hatte, über den Finger, wobei ich ihn hin und her drehen musste, um über das zweite Gelenk zu kommen. Gideon verharrte regungslos. Als ich seine Hand losließ, damit er ihn begutachten konnte, schwebte sie weiter genau an der Stelle in der Luft, an der ich sie gehalten hatte.
Ich neigte den Kopf zur Seite und bewunderte den Ring an ihm. Er erzielte exakt die Wirkung, die ich mir gewünscht hatte. Aber Gideons Schweigen wollte einfach kein Ende nehmen, und so sah ich beunruhigt auf. Seine Augen starrten auf seine Hand, als hätten sie sie noch nie zuvor gesehen.
Meine Euphorie war verfolgen. »Er gefällt dir nicht.«
Seine Nasenflügel bebten, so tief atmete er ein. Dann drehte er seine Hand, um die Rückseite des Rings zu betrachten, die genauso aussah. Ich hatte absichtlich ein Design gewählt, das durchgehend um den ganzen Finger lief.
Der Ehering ähnelte stark dem Platinring, den er an seiner rechten Hand trug. Er war aus dem gleichen Material und besaß die gleichen schrägen Rillen, die beiden Stücken diesen industriellen, maskulinen Ausdruck verliehen. Der Ehering war jedoch mit Rubinen verziert, was ihn sehr auffällig machte. Die blutrote Farbe der Steine hob sich scharf von seiner gebräunten Haut und seinen gewohnten dunklen Anzügen ab – ein unmissverständliches Zeichen meines Besitzanspruchs.
»Er ist zu viel«, sagte ich leise.
»Zu viel ist es immer«, erwiderte er heiser. Und dann fiel er plötzlich über mich her, umfasste meinen Kopf mit beiden Händen, drückte seine Lippen auf meine und küsste mich feurig.
Ich wollte seine Handgelenke packen, aber er war zu schnell. Er hob mich an der Taille hoch und trug mich zu der Couch, auf der er vor so vielen Wochen zum ersten Mal seinen Körper auf meinen gelegt hatte.
»Dafür hast du aber keine Zeit«, keuchte ich.
Er setzte mich auf der Couchkante ab. »Es wird nicht lange dauern.«
Und das meinte er ernst. Mit einem Griff unter meinen Rock zog er mir den Slip aus, dann spreizte er meine Beine weit und senkte den Kopf.
Eben noch hatte ich seine Macht und seine dominierende Präsenz hier in seinem Büro bewundert, und nun kniete Gideon Cross zwischen meinen Schenkeln und leckte mich mit gnadenloser Meisterschaft. Seine Zunge flatterte über meine Klit, bis ich mich wand vor Verlangen zu kommen, aber erst ein Blick auf ihn – in seinem Anzug, in seinem Büro, wie er es mir zwischen meinen Beinen gekonnt besorgte – brachte mich zum Höhepunkt, und ich schrie seinen Namen.
Ich bebte vor Lust, während er mein Inneres schmeckte. Das leichte Eintauchen seiner unverschämt geschickten Zunge ließ die empfindsame Haut immer wieder erschauern. Als er den Reißverschluss öffnete und sein steifes Glied herausholte, sehnte ich mich so verzweifelt nach ihm, dass mein Körper sich ihm schamlos in stummem Flehen entgegenbog.
Gideon nahm seinen dicken Schaft in die Hand, streifte die mächtige Eichel durch meine Spalte und badete sie in dem Saft meines Orgasmus. Die Tatsache, dass wir beide bis auf die zwangsläufig nackten Körperstellen noch vollständig bekleidet waren, machte den Akt noch erregender.
»Ich möchte, dass du mir jetzt gehorchst«, erklärte er mit finsterer Stimme. »Beug dich vornüber und mach die Beine breit. Ich werde dich ganz tief nehmen.«
Ein Wimmern entfuhr mir bei der Vorstellung, und ich beeilte mich, seinen Anweisungen zu folgen. In Anbetracht seiner Größe rutschte ich an den seitlichen Rand der Couch, wo ich mich über die Armlehne legte und nach hinten griff, um meinen Rock anzuheben.
Er zögerte keine Sekunde. Mit einem kraftvollen Hüftschwung war er in mir und dehnte mich weit. » Eva. «
Ich rang nach Atem und krallte die Finger in die Couchkissen. Er war dick und hart und unendlich tief in mir. Mein Bauch lag fest auf der Rundung der Armlehne, und ich hätte schwören können, dass er durch mich hindurch nach außen drückte.
Er beugte sich über meinen Rücken, schlang die Arme um mich und grub die Zähne in meinen Hals. Meine Scham reagierte auf die primitive Unterwerfungsforderung, indem sie sich noch fester um ihn zusammenzog und ihn liebkoste.
Mit einem leisen Knurren strichen seine Lippen über meine Haut, und der Anflug von Stoppeln auf seinem Kinn scheuerte leicht.
»Du fühlst dich so gut an«, sagt er heiser. »Ich liebe es, dich zu vögeln.«
»Gideon.«
»Gib mir deine Hände.«
Obwohl ich nicht wusste, was er vorhatte, schob ich die Arme dichter an meinen Körper, sodass er meine Handgelenke packen konnte. Sanft legte er meine Hände auf mein Kreuz.
Und dann fickte er mich. Unerbittlich rammte er sich in mich hinein, zog mich an den Armen zurück und dem nächsten Stoß seiner Hüften entgegen. Sein schwerer Hodensack knallte gegen meine Schamlippen, und das rhythmische Klatschen trieb mich auf einen zweiten Orgasmus zu. Er grunzte bei jedem Stoß, zeitgleich mit meinen Schreien.
Mit welcher Dynamik er sich seinem Orgasmus näherte, war ebenso erregend wie die völlige Kontrolle, die er währenddessen über meinen Körper ausübte. Ich konnte nur daliegen und es hinnehmen, seine ganze Gier und seinen Hunger auskosten und ihm dienen, wie er zuvor mir gedient hatte. Die Reibung seiner Stöße fühlte sich unglaublich an, ein gleichmäßiges Eindringen und Zurückziehen, das mich wahnsinnig vor Verlangen machte.
Ich wünschte mir nur, ihn sehen zu können, seine Augen sehen zu können, wie sie ihren konzentrierten Fokus verloren, wie die Lust Besitz von ihnen ergriff und sein Gesicht sich in ekstatischer Qual verzerrte. Ich liebte es, dass ich diese ungeheure Reaktion bei ihm hervorrufen konnte, dass mein Körper sich so gut für ihn anfühlte, dass Sex mit mir all seine Schutzmauern zum Einsturz brachte.
Er zitterte und fluchte. Sein Schwanz wurde immer länger und dicker, während seine Hoden sich anspannten und hoben. »Eva … O Gott. Ich liebe dich.«
Ich spürte den ersten Peitschenhieb seines Samens, der heiß in mich hineinschoss. Ich biss mir auf die Unterlippe, um einen Schrei zu unterdrücken. Ich war so wild auf ihn, so kurz davor.
Er ließ meine Arme los und packte mich mit einer Hand um die Taille, während die Finger seiner anderen zwischen meine Beine glitten und meinen geschwollenen Kitzler massierten. Ich kam bei seinen letzten Stößen, und mein Geschlecht presste seinen zuckenden Schwanz, bis er sich völlig in mir entleert hatte. Sein Mund lag an meiner Wange, sein Atem traf feucht und heiß auf meine Haut, und aus seiner Brust drangen tiefe grollende Laute.
Wir rangen schnaufend nach Luft, hielten uns erschöpft in den Armen und ließen unsere Orgasmen abklingen.
Ich schluckte angestrengt und sagte noch ganz atemlos: »Ich schätze, der Ring gefällt dir doch.«
Sein raues Auflachen machte mich glücklich.
Fünf Minuten später lag ich schlapp und befriedigt auf der Couch, unfähig mich zu bewegen. Gideon dagegen saß makellos und unerschütterlich am Schreibtisch und strahlte die Gesundheit und Vitalität eines Mannes aus, der soeben fantastischen Sex gehabt hatte.
Er absolvierte die Telefonkonferenz, ohne sich das Geringste anmerken zu lassen. Die überwiegende Zeit sprach er Englisch, aber zu Beginn und zum Abschluss der Unterredung wechselte er für ein paar Höflichkeitsfloskeln mit tiefer und sanfter Stimme ins Japanische. Bisweilen glitt sein Blick zu mir, und sein Mund verzog sich zu einem leichten Lächeln angesichts seines männlichen Triumphs.
Vermutlich war er zu Recht stolz auf sich, immerhin überschwemmten noch immer so viele Post-Orgasmus-Endorphine mein Blutsystem, dass ich mich regelrecht trunken fühlte.
Gideon beendete das Telefonat, stand auf und zog sich erneut das Sakko aus. Das Leuchten in seinen Augen verriet mir auch warum.
Ich brachte mit letzter Kraft ein Stirnrunzeln zustande und fragte: »Wollten wir nicht gehen?«
»Tun wir auch. Aber noch nicht sofort.«
»Vielleicht solltest du weniger Vitamintabletten schlucken, Ace.«
Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel, während er sich die Weste aufknöpfte. »Ich habe mir viel zu lange vorgestellt, wie ich dich auf dieser Couch ficke. Bislang sind wir nicht einmal mit der Hälfte meiner Fantasien durch.«
Ich streckte mich gewollt verführerisch. »Dürfen wir denn immer noch so unanständige Sachen machen, jetzt wo wir verheiratet sind?«
Das Funkeln, das in seinen märchenhaften Augen aufblitzte, ließ mich seine Meinung dazu schon erahnen.
Als wir das Crossfire Building schließlich um kurz vor neun verließen, hatte Gideon die Frage endgültig beantwortet.