VIII.
Das Elementarhistorische:
Steppenkrieger, Eroberer, Usurpatoren

1. Stammesasien: Attila und die Folgen

Einer der großen Dauerkonflikte in der Weltpolitik des 19. Jahrhunderts war das Great Game: ein kalter Krieg, den sich die aggressivsten Imperien der Epoche, das britische und das russische Reich, in Afghanistan, Zentralasien und im Himalaya lieferten. Die Briten suchten den Seeweg nach Indien zu schützen und ihr koloniales Kronjuwel mit einem Ring abhängiger Pufferstaaten von Persien bis Tibet zu umgeben. Bei ihrer wirtschaftlichen Durchdringung Chinas nach dessen Öffnung 1842 brauchten sie freie Entfaltung in einem möglichst großen Gebiet. Das Zarenreich seinerseits vergrößerte seinen Machtbereich durch koloniale Eroberungen im islamischen Innerasien; gegen Ende des Jahrhunderts erschloß es Sibirien durch Eisenbahnen und begann mit der pénétration pacifique der Mandschurei, also der drei Nordostprovinzen Chinas. In all diesen imperialen Manövern war das kontinentale Zentrum Asiens wenig mehr als ein Schachbrett; seine Völker waren passive Spielfiguren. Nur an den Afghanen biß man sich die Zähne aus. Sie waren auf Dauer weder direkt zu beherrschen noch indirekt verläßlich zu kontrollieren. Der britisch-russisch Asienkonflikt wurde 1907 durch die Abgrenzung von Interessensphären beilegt. Ein Umbau der Allianzen innerhalb Europas sowie der Aufstieg Japans zu einer Großmacht, die 1905 imstande war, das Zarenreich militärisch in die Knie zu zwingen, hatten dies unabweisbar gemacht. An der passiven Rolle Innerasiens änderte dies alles wenig. Im Gegenteil: Das Ende des Great Game beseitigte die letzten Möglichkeiten, zwischen den Giganten zu lavieren. Innerasien befand sich fester denn je im Griff der Imperien. Erst mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 und der Entstehung neuer Staaten im islamischen Teil Innerasiens gewann das «Herzland» Eurasiens, von dem geopolitische Planer geträumt hatten, einen Teil seiner Handlungsfähigkeit zurück. Das letzte große Imperium in Asien, das chinesische, ging freilich aus der Weltkrise von 1990/91 eher gestärkt hervor. Es kontrolliert weiterhin entscheidende Teile Innerasiens: Tibet, Ostturkestan (Xinjiang) und Teile der historischen Mongolei. Randmächte wie der Iran und die Türkei verstärken ihren Einfluß in der Region.

Die heutige Lage läßt die einstige Bedeutung Innerasiens für Politik und Weltbild Europas kaum noch ahnen. Die europäischen Träume von Innerasien waren jahrhundertlang Alpträume gewesen. Seit Attilas Hunnen hatten innerasiatische Reitervölker im Osten Europas für Unruhe gesorgt. Hegel sprach vom «Elementarhistorischen»: Völker, denen etwas Urtümlich-Vorhistorisches anhaftete, griffen, gleichsam aus dem undefinierbaren Nichts kommend, verändernd in die Geschichte der Staatenwelt ein.[1] Nur wenige Europäer wagten um 1700 die Prognose, die Gefahr aus dem Osten sei ein für alle Mal gebannt.[2] Immer wieder wurde daran erinnert, daß große Reiche dem Ansturm der Steppenkrieger erlegen waren: Westrom, das Kalifat von Bagdad, die russischen Fürstentümer, Byzanz, das China der Song- und später das der Ming-Dynastie.[3]

Mit der Übernahme der Herrschaft über China durch die aus den Waldgegenden nördlich der Großen Mauer eindringenden Mandschuren im Jahre 1644 war das nord- und zentralasiatische Eroberertum jedoch keineswegs zur Ruhe gekommen. Um 1710 begann ein Ausbruch afghanischer Stammeskrieger in Richtung der muslimischen Imperien. Sie zerstörten 1722 das Reich der persischen Safawiden-Dynastie und stürzten große Teile Irans ins Chaos. Der persische Usurpator Nadir Schah, der seine Macht auf iranische und turkmenische Stammeskrieger stützte, plünderte 1739 Delhi und versetzte damit dem noch wenige Jahrzehnte zuvor glanzvollen Mogulreich den Todesstoß. 1747 und abermals 1759 bis 1761 drangen Afghanen nach Nordindien ein. Diese Invasionen setzten mehrere hunderttausend schweifende Stammesreiter frei. Einige Gruppen unter ihnen gründeten eigene Staaten, andere, bis in den Süden Indiens vordringend, eigneten sich Land an und entwickelten als steuereintreibende Militärelite ein parasitäres Herrschaftsverhältnis zur seßhaften Bevölkerung[4] Bis in die 1790er Jahre schwebte über Nordindien die Drohung afghanischer Angriffe, gegen die sich die Briten und ihre indischen Bundesgenossen jedoch meist erfolgreich zur Wehr setzten.[5] Zur gleichen Zeit erstarkte in Arabien die von Stammeszusammenhängen getragene religiöse Bewegung der Wahabiten, der erstmals die Sammlung der Araber gegen die osmanische Herrschaft gelang. 1773 nahmen die Wahabiten die Stadt Riyadh ein, später die heiligen Stätten des Islams, und etablierten sich als die stärkste religiös-politische Kraft auf der Arabischen Halbinsel.[6] Erst 1818 gelang es ägyptischen Truppen im Auftrag des Sultans, den ersten wahabitischen Staat zu zerstören.

Eine solches Wiederaufleben tribaler Dynamik war keineswegs ein in ganz Asien vorherrschender Trend. Ausgerechnet der mandschurischen Qing-Dynastie, die selbst vom Barbarenrand des chinesischen Reiches stammte, gelang es, durch eine Verbindung von Einvernahme und Vernichtungskrieg die unruhigen mongolischen Stämme, ihre alten Rivalen und Verbündeten, militärisch endgültig zu neutralisieren. Nach der fast völligen Ausrottung der Dzungaren, des letzten noch unabhängigen Mongolenvolkes im Jahre 1757, war die von Leibniz beschworene, noch in den 1790er Jahren von Condorcet zumindest angedeutete Gefahr eines neuen Mongolensturms gebannt.[7] Wenig später begann die Vertreibung der Hirtennomaden aus den Steppenrandgebieten des Zarenreiches.[8] Der Zangengriff von russischer und sino-mandschurischer militärischer Kontrolle und landwirtschaftlicher Kolonisation zeigte, daß bereits ein vorindustrieller Imperialismus in der Lage war, den Reiternomaden Innerasiens das politische Rückgrat zu brechen. Gleichzeitig erinnerten die Stammesausbrüche (tribal breakouts) im indo-afghanischen Raum an die andauernde Virulenz eines mobilen Kriegertums, das bei Europäern seit jeher naturmetaphorisch als «Flut» oder «Schwarm» erfaßt worden war. Selbst der gelassene Alexander von Humboldt sprach von den Mongolen Dschingis Khans als einem «verpesteten Windhauch».[9]

Wenn europäische Historiker des 18. Jahrhunderts dem Motiv des Barbareneinfalls eine große Bedeutung beimaßen, so durchaus auch aus zeitgeschichtlichen Gründen. Bis in die Gegenwart oder jüngste Vergangenheit hinein war Asien ein Kontinent großer Turbulenzen gewesen; diese Turbulenzen hatten Auswirkungen auf Europa und seine Kolonien. Aus der Sicht eines Europa, dessen Staatensystem sich jüngst so gefestigt zu haben schien, daß ein extravaganter Eroberer wie Karl XII. von Schweden, dem Voltaire ein ganzes Buch widmete, geradezu mit Notwendigkeit scheitern mußte, fiel die Bedeutung militärischer Reichsgründungen in der Geschichte Asiens besonders deutlich auf. Eroberungen, so schien es, ergaben sich aus der Mobilität der nomadischen Lebensweise. «Der Feldzug», schrieb der braunschweigische Hofrat August Ferdinand Lueder, «ist hier nur die Fortsetzung des alltäglichen Lebens […].»[10] Die Unstetigkeit der Hirten war geradezu das Gegenprinzip zur Stabilität Europas, «sintemal die Tatarischen Völcker darinnen [in Nordasien] herumschweiffen, und derer Chanen Stationes an keiner Stelle beständig bleiben».[11] Am weitesten ging hier Sir William Temple 1692 in seinem Essay Of Heroic Virtue. Er sah eine Weltgegend nördlich des Kaspischen und Euxinischen Meeres und im Westen und Osten durch Donau und Oxus begrenzt, die er mit den antiken Kosmographen «Scythien» nannte, als den Ursprung historischer Dynamik seit dem Altertum.[12] Temple stellte auch fest, daß Eroberungen in aller Regel von Norden nach Süden verliefen. Nur die Expansion der frühislamischen Araber sei eine Ausnahme gewesen.[13]

Im Denken des 18. Jahrhunderts findet sich noch kaum eine wertende Entgegensetzung eines zivilisierten Europa und der gegen es anbrandenden «asiatischen Horden». Ein solche dichotomische Vereinfachung des Weltbildes wird erst für das 19. Jahrhundert charakteristisch, wenn etwa Ranke es als ein historisches Prinzip formuliert, daß «die Culturwelt», von denen, die ihr nicht zugehören, unaufhörlich angegriffen und gefährdet wird. Ranke übergeht in seiner Weltgeschichte die Hunnen und Mongolen keineswegs ganz, bemüht sich aber, anders als ein Jahrhundert vor ihm Edward Gibbon, nicht um ein Verständnis der inneren Triebkräfte jener Gesellschaften außerhalb der religiös und staatlich gefestigten «Civilisation», die stets «eine barbarische Feindseligkeit gegen die Culturwelt» an den Tag gelegt haben und deren historische Aktionsform die «Überfluthung» gewesen ist.[14] Die Metaphorik ist eine mechanische von Druck und Gegendruck, wenn Ranke etwa am Ende seines Werkes ein Grundprinzip der Geschichte von Altertum und Mittelalter formuliert: «So ergoß sich die rohe Kraft von Asien zerstörend nach Europa herüber. Glücklicherweise fand sich hier Widerstand.»[15] Der «Kampf der verschiedenen Völkersysteme», welcher die Weltgeschichte prägt, wird allein aus der Perspektive der «universalen Entwicklung» betrachtet, wie sie sich in der nachantiken Welt nur in den germanischen und romanischen Völkern ausgeprägt habe.[16] Sie erlangten in Rankes Gegenwart folgerichtig und verdient die «Weltherrschaft».[17]

Ranke verweigerte den Barbaren keineswegs ein Minimum an historischer Gerechtigkeit. Er kam zum Beispiel nicht umhin, die staatsbildende Leistung des Hunnenkönigs Attila über diejenige seiner weströmischen Widersacher zu stellen. Aber schon die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern ist ihm dann schon wieder ein «Kampf der idealen Gegensätze» zwischen Kultur und Barbarei.[18] Ignaz Aurelius Fessler hingegen, zu seiner Zeit bekannt vor allem als Theoretiker der Freimaurerei und Verfasser einer Geschichte Ungarns, brachte in seiner glänzend geschriebenen, bereits alle Gebote einer für Deutschland neuen Ästhetisierung der historiographischen Darstellung beachtenden Geschichte der Hunnen unter Attila (1794) viel Verständnis für solche Attacken gegen die «Culturwelt» auf. Fessler wendet sich gegen das seit den frühesten römischen Berichten fest verwurzelte Stereotyp von der Tiernähe und grenzenlosen Wildheit der Hunnen.[19] Attila sei ein durchaus kluger und rationaler Herrscher gewesen. Er habe seinem kulturell herabgesunkenen Volk über die bloße Subsistenzsicherung hinaus neue hohe Ziele des Strebens nach Ruhm und Ehre gesetzt. Die Exzesse der hunnischen Eroberungen seien durch die ungezügelte Soldateska verursacht worden und keineswegs als Ausdruck des Nationalcharakters der Hunnen oder als Ergebnis planvoller Politik zu deuten. Letztlich seien Attila und seine Kämpfer nicht durch Goldgier und Zerstörungswut, sondern durch einen lange genährten und sehr verständlichen Haß auf die Römer bewegt gewesen:

Nationalstolz vereinigte sich mit muth, und von nun an wurde das schwert in den händen der Hunnen zum schrecklichen werkzeuge der rache über ein volk, das sie barbaren schimpfte, weil sie, redlicher, gerechter und freyer als die Römer, die sclavenketten des lasters und der tyrannei hassten.[20]

Zuvor hatte schon der große schottische Historiker William Robertson davor gewarnt, die «europäischen» Germanen und die «asiatischen» Hunnen gegeneinander auszuspielen: Sie seien alle wilde Barbaren gewesen, hätten alle die Freiheit der Nomaden gekannt und hätten sich in ihrer gesellschaftlichen Organisation nicht grundsätzlich voneinander unterschieden.[21] Edward Gibbon schließlich wollte die Grausamkeit der Hunnen nicht beschönigen, würdigte aber Attila als klugen Strategen und guten religiösen Gesetzgeber und wies darauf hin, daß Sklaven bei den Hunnen besser behandelt wurden als bei den Römern.[22]

Ranke, typisch für seine Zeit, bezog den Blickpunkt des «cultivierten» Europa und interessierte sich wenig für die Ursachen von Dynamik in der kulturlosen und chaotischen Außenwelt. An der asiatischen Geschichte waren für ihn nur ihre Auswirkungen auf Europa interessant, an den Nicht-Kultivierten nur ihre dumpfe Feindschaft gegen die Kultur. Schon 1824 beklagte der Zentralasienexperte Isaac Jacob Schmidt, daß man in Europa nurmehr die Folgen der asiatischen Ausbrüche wahrnehme, nicht aber ihre Ursachen.[23] Dies war nicht immer so. Zwei Denkströmungen lassen sich im 18. Jahrhundert unterscheiden. Die eine Richtung geht der Vision nach, daß sich historische Bewegung in ganz Eurasien oder gar generell aus Migrationen und Völkerwanderungen ergibt; Eroberungen erscheinen dann als deren vorübergehendes Extrem.[24] Die andere Richtung fragt nach spezifischen Ursachen für «Barbareneinfälle» in der Geschichte. Nicht jeder machte es sich so einfach wie Volney an einer uncharakteristisch oberflächlichen Stelle und führte die Aggressivität der Nomaden auf Neid und Gier zurück.[25] Charles de Peyssonnel, ein gelehrter französischer Konsul in Smyrna, analysierte das Verhalten der «Barbaren» in seiner Abhängigkeit von der Grenzpolitik der Imperien. Er lehnte die simple Gegenüberstellung von offensiven Barbaren und defensiven Zivilisierten ab und zeigte, manches an heutiger Forschung vorwegnehmend, die Wechselwirkungen über die Grenzen der Reiche hinweg.[26] Und Edward Gibbon entwickelte eine ausgefeilte politische Soziologie des Nomadentums. Sie soll im nächsten Kapitel erörtert werden.

2. Ein Kontinent der Revolutionen

Die Folge dieser Untersuchungen wird es lehren, wie unendlich wichtig für die Asiatische Geschichte nicht nur, sondern auch für die Geschichte der Menschheit überhaupt ist, von diesen Nomadischen Völkern, von ihrer Lebensart und ihren Verfassungen, deutliche und bestimmte Begriffe zu fassen. Die größten Revolutionen unsers Geschlechts, die nicht nur das Schicksal von Asien bestimmten, sondern auch öfters Afrika und Europa erschütterten, gingen von ihnen aus und wurden durch sie gemacht.[27]

Nicht nur Arnold Herrmann Ludwig Heeren, sondern auch zahlreiche andere europäische Autoren des 18. Jahrhunderts wandten auf die Ereignisse in Asien immer wieder den Begriff der Revolution an. Gemeint waren damit politische Umwälzungen jedweden Charakters.[28] Sie waren eine solch allgemeine Erscheinung, daß der Staatswissenschaftler Gottfried Achenwall fordern konnte: «Die Geschichte der Staatsveränderungen oder Revolutionen eines Reiches oder einer Republik sind also das erste, welches in der historischen Staatslehre eines jeden Volkes abgehandelt werden muß.»[29] Der Historiker Johann Christoph Gatterer erklärte 1792, Weltgeschichte überhaupt sei «die Geschichte der größeren Begebenheiten, der Revolutionen».[30] Bereits im Jahr der Französischen Revolution hatte aber Anquetil-Duperron vor einem zu eng ereignisfixierten Revolutionsbegriff gewarnt und den Historikern das Studium längerer Prozesse und konstanter Verhältnisse angeraten.[31] Er hätte sich auf Edward Gibbon berufen können, der den sich über tausend Jahre hinziehenden Niedergang des west- und oströmischen Reiches, die öffentliche Einführung des Christentums und die Etablierung des Feudalismus in Europa gleichermaßen als «Revolutionen» bezeichnete.[32]

In Asien gab es im 17. und 18. Jahrhundert zahlreiche Geschehnisse, die in europäischen Texten als «Revolutionen» vorgestellt wurden:

– Umstürze im Osmanischen Reich wie etwa die Ermordung des reformfreudigen Sultans Osman II. durch das Militär 1622 oder die Hinrichtung des regierungsuntüchtigen Sultans Ibrâhîm 1648;

– die Entmachtung des europafreundlichen Premierministers Phaulkon in Siam 1688;

– der Fall des Staates Golkonda an den Großmogul Aurangzeb im gleichen Jahr;

– den afghanischen Einfall in Persien 1722;

– die Zerschlagung des siamesischen Königreiches von Ayudhya durch eine brutale burmesische Invasion 1767;

– den Griff des Mamluken Ali Bey nach der Alleinherrschaft in dem bis dahin unter osmanischer Oberhoheit quasikollegial regierten Ägypten im Jahre 1768;

– die Neuordnung des siamesischen Staates durch König Rama I. nach 1782.

Eine Umwälzung von der Dramatik und Gewaltsamkeit der Eroberung Chinas durch die Mandschuren 1644 und der Pazifizierung des Reichs der Mitte in den Jahrzehnten danach, wiederholte sich im 18. Jahrhundert aber nicht. Pater Martin Martinis De bello tartarico von 1654, rasch in sieben europäische Sprachen übersetzt, ein ungemein spannend geschriebener Augenzeugenbericht und neben François Berniers Beschreibung von Aurangzebs Aufstieg zur Großmogulwürde eines der überzeugendsten Beispiele für Zeitgeschichtsschreibung im 17. Jahrhundert, hielt als oft anthologisiertes Schauerstück die Erinnerung an die «Große Revolution» in China lebendig.[33]

Europäische Beobachter fragten sich nach den Gemeinsamkeiten dieser neuzeitlichen «Revolutionen» Asiens und ihrem Verhältnis zu den gleichzeitigen Systemkrisen in Europa – eine Frage, die übrigens in der heutigen Forschung erneuert worden ist.[34] Sie schienen blutiger zu verlaufen als die Umwälzungen in Europa und auch als die im asiatischen Altertum. Wenn es sich nicht um bloße Palastrevolutionen handelte (wie sie für das Osmanische Reich charakteristisch waren), verbanden sich oft innere Krisen und Invasionen von außen; insofern besaßen die Umstürze eine geradezu therapeutische Reinigungswirkung. Wie ein Vergleich zwischen der Mandschu-Eroberung Chinas und der gleichzeitigen puritanischen Revolution in England zeigte, führte der ungeheure asiatische Tumult in der Regel nicht zur Überwindung des alten politischen Systems, sondern nur zum Neubau auf denselben Fundamenten.[35] Von diesem Muster hob sich die spektakulärste «Revolution» im Asien des18. Jahrhunderts ab: die schrittweise britische Machteroberung in Indien seit 1757.[36] Ihre Kritiker wie ihre Lobredner spürten, daß sie den ewigen Zyklus asiatischer Politik durchbrach. Edmund Burke bemerkte, Araber, Tataren (= Mogulen) und Perser seien blutig in Indien eingefallen und hätten sich danach rasch angepaßt, die Briten hingegen krempelten alles um: «Die Mogul-Invasion war verderblich, aber unser Schutz zerstört Indien». (The Tartar invasion was mischievous; but it is our protection that destroys India.)[37] Den positiven Ton zukunftsweisender Imperialapologetik traf hingegen Thomas Maurice, der in seiner Modern History of Hindostan (1802–10) Aufstieg und Fall der Moguldynastie mit sympathieloser Distanz nachzeichnete: Die Geschichte Asiens, besonders unter islamischem Einfluß, so schrieb er in hoher gibbonscher Rhetorik, sei nichts als eine blutige Folge von Kriegen, Massakern und flüchtiger Staatenbildung. Welch ein Kontrast eröffne sich dem reflektierenden Geist, wenn er nach der Betrachtung von solch «finsteren und entsetzlichen Szenen von Heimtücke, Plünderung und Mord […] sich den Wohltaten einer Regierung zuwendet, die unerschütterlich auf dem diamantharten Fundament von Tugend und Freiheit aufgebaut ist, die das vornehmste Buch der Gerechtigkeit besitzt und von den Strahlen der reinsten Religion durchdrungen wird».[38] Damit war die historische Sendung der neuen Herren bestimmt: Indien wurde durch den britischen Kolonialismus von sich selbst befreit und mit der strengen, aber gerechten Herrschaft des Gesetzes beglückt.

3. Timur: Reichsgründer und Monster

Als Inbegriffe asiatischer Zerstörungswut und Blutgier galten spätestens seit dem 19. Jahrhundert Dschingis Khan, der Gründer des mongolischen Weltreichs im frühen 13. Jahrhundert, und Timur (Tamerlan), der sich zwischen 1380 und seinem Tod im Jahre 1405 in gewaltigen Eroberungszügen den größten Teil Westasiens unterwarf, nach Indien vordrang und einen Angriff auf China vorbereitete.

War Dschingis Khan wirklich, wie der Baron de Tott meinte, «ein Wahnsinniger, der Asien überrannte, um die Welt zu versklaven, die er zuvor verwüstet hatte»?[39] Die Verfasser der Algemeinen Welthistorie jedenfalls fanden im Gegenteil, Dschingis werde «mit Recht für den grösten Fürsten gehalten, der jemals den morgenländischen Thron besessen».[40] Er sei zwar grausam und rücksichtslos gewesen, aber von großer Kühnheit, Weisheit und Urteilskraft; er habe in seiner Armee das Leistungsprinzip eingeführt und sei religiös kein primitiver Götzendiener, sondern geradezu ein Deist nach dem Geschmack der Aufklärung gewesen.[41] Edward Gibbon deutete Dschingis als den weisen Gesetzgeber seines Volkes. A singular conformity may be found, heißt es in einer von Gibbons kostbaren Fußnoten, between the religious laws of Zingis Khan and of Mr. Locke.[42]

Stärker als Dschingis Khan, über den man viel weniger wußte, beschäftigte Timur die Phantasie des 18. Jahrhunderts. Dem Nachruhm beider Herrscher in Europa kam zugute, daß sie Gegner des Hauptfeindes der Christenheit, des Islams, waren. Das hat man ihnen jahrhundertelang nicht vergessen.[43] Schon die Humanisten, deren früheste beinahe noch Zeitgenossen des Eroberers gewesen waren, hatten ein profiliertes Timurbild entworfen. Sie sahen ihn als den ehrgeizigen selfmade man, der durch seine Fähigkeiten und Tugenden das Glück, fortuna, auf seine Seite zwingt und persönliches Charisma mit höchster Zweckrationalität in der rücksichtslosen Wahl seiner Mittel verbindet. In einer Zeit ohne Helden war eine Figur aufgestanden, die Alexander dem Großen gleichkam oder seine militärischen Erfolge sogar noch übertraf.[44] Christopher Marlowe betonte allerdings in seinem Drama Tamburlaine the Great (Uraufführung 1587) auch die orientalische Grausamkeit des Herrschers.

Dem 18. Jahrhundert standen übersetzte persische und arabische Quellen zur Verfügung, über welche orientalische Bewertungen des Eroberers in die europäische Literatur einflossen. Die längere Zeitperspektive des Rückblicks erlaubte es auch, in Timur den Ahnherrn der Mogul-Dynastie zu sehen. Obzwar sein eigenes Großreich seinen Tod nicht überdauerte, so gelang seinem direkten Nachfahren Babur doch die Errichtung eines muslimischen Imperiums in Südasien.[45] Ein gediegenunrhetorisches Timur-Portrait zeichnete 1697 d’Herbelot in seiner Bibliothèque Orientale. Mit der ihm eigenen schmucklosen Sachlichkeit berichtete er vom Leben des Eroberers, dessen Grausamkeit in Europa oft übertrieben worden sei.[46] Obgleich d’Herbelot selbst sich auf Herrschergeschichte beschränkte, so fanden die Leser im vierten Band seines Werkes eine kurze Strukturanalyse des Mongolenreiches, von der aus Analogien zur Beschaffenheit des Timuridischen Imperiums gezogen werden konnten.[47]

Beurteilungen Timurs waren bestimmt von den Vorwertungen der Quellen und von den Deutungsbedürfnissen der Gegenwart. Bis Jean-Baptiste d’Anville ihn 1772 als «Geißel Asiens» bezeichnete,[48] wurde Timur fast ohne Ausnahme als gütige und großzügige Herrschergestalt gesehen. Für ihn sprachen in der Sicht von Autoren der Frühaufklärung sein Aufstieg zur Weltherrschaft aus persönlicher Befähigung allein: ohne dynastisches Erbe, ohne Usurpation einer bereits bestehenden Herrscherposition, ohne einen Lehrer wie Aristoteles: der Schmied seines Glückes (l’artisan de sa fortune), dem man Brutalitäten nachsah.[49] Timurs Charisma faszinierte Autoren des 18. Jahrhunderts, seine Führerpsychologie, seine Fähigkeit, Loyalität und Begeisterung unter seinen Gefolgsleuten zu erzeugen, seine unbeirrbare Entschlußkraft, aber auch seine List und Verschlagenheit.[50] Leistungen als Bauherr schienen die Verheerungen, die er verursachte, aufzuwiegen.[51] Auch in seiner sorgfältigen Gesetzgebung habe er sich als kluger Staatsmann und Einiger der Nationen bewährt.[52] Nur wer, wie Johann Heinrich Gottlob von Justi, radikalaufklärerisch den Kult um die Eroberer nicht mitmachte und in militärischen Helden überhaupt nur verachtenswerte Verderber der Völker sah, meldete Zweifel an Timurs Rang an.[53] Aber auch hier wird Timur nicht das «Asiatische» seines Charakters zum Vorwurf gemacht. Er wird in die Herrschertypologie aller Zeiten und Kulturen unter der Kategorie der «Eroberer» eingefügt. Seine Fehler, Laster und Verbrechen unterscheiden sich nicht grundsätzlich von denen eines Alexander, mit dem er immer wieder verglichen wurde. Noch 1783 hieß es von ihm, Ehrgeiz, «die Schwäche edler Gemüter» (the infirmity of noble minds), sei sein einziges Laster gewesen; Grausamkeiten habe ihm die Heimtücke seiner Feinde aufgezwungen.[54] Dieses vom historischen Kontext weitgehend gelöste Bild des konstruktiven Staatsmanns und Reichsgründers hielt sich bis ins 19. Jahrhundert hinein.[55] Allerdings konnte es in Spannung zur political correctness der Zeit geraten. 1810 fand sich ein britischer Timur-Bewunderer der Schwierigkeit konfrontiert, mit seinem Helden womöglich den ihm in vielem ähnlichen Napoleon zu loben – und distanzierte sich maßvoll von ihm.[56]

Eine kritische Bewertung Timurs beginnt nicht, wie man vermuten könnte, mit Voltaire, der offenbar nur wenig Interesse an ihm findet und ihn nur oberflächlich charakterisiert.[57] Es ist gleichzeitig Joseph de Guignes, der in seiner großen, auf Quellenstudien in vielen asiatischen Sprachen gegründeten Histoire générale des huns, des turcs, des mogols et des autres tartares occidentaux (1756–58) die dunklen Seiten Timurs stärker hervorkehrt als frühere Autoren seit Marlowe. De Guignes verzichtet auf das vor wie nach ihm übliche zusammenfassende Charakterportrait. Sein Urteil hat er niemals deutlich formuliert. Auch läßt ihn angesichts des nahezu aus dem Nichts, aus einer Existenz als vogelfreier Vagabund, vagrant and outlaw,[58] aufsteigenden Weltenherrschers die historische Ursachenforschung im Stich, für die er berühmt war und die Gibbon, ihr größter Meister unter den Aufklärungshistorikern, an ihm bewunderte.[59]

Bei der Erzählung von Timurs Leben begnügt sich de Guignes mit einer nüchternen Schilderung von Massenhinrichtungen, der Zerstörung von Städten und der Verwüstung ganzer Landstriche. Er steht mit kaum versteckter Fassungslosigkeit vor dem Phänomen eines Hirtenkaisers, der alles für seine Truppen tat und seinen Gegnern nichts ersparte. Hatte die ältere Deutungstradition (mit großer Berechtigung) das sorgfältige zweckrationale Kalkül bewundert, mit dem Timur, der in dieser Sicht «modernste» Monarch des Mittelalters, seine Projekte in die Tat umsetzte, so legt de Guignes den Maßstab werthafter Vernünftigkeit an. Mochte sich bis 1380 der Aufstieg Timurs noch im Rahmen eines üblichen regionalen Herrschaftsaufbaus bewegt haben, so signalisierte im folgenden Jahr der Angriff auf Persien eine Wende seines Ehrgeizes ins Grenzenlose: «Tamerlan hatte kein vernünftiges Motiv, um diesen Krieg zu beginnen; der Traum von der Universalmonarchie war die einzige Maxime seines Handelns.»[60] Später erkennt de Guignes mit deutlichem Schaudern eine ziellos verselbständigte Gewaltsamkeit, die von der Vision getrieben wurde, durch Zerstörung allen Widerstandes den Frieden in der Welt herzustellen.[61] Selbstverständlich spricht der führende Asienhistoriker der Epoche nicht von «asiatischer Grausamkeit». De Guignes hat die alten rhetorischen Schemata der universalistischen Fürstenpanegyrik hinter sich gelassen und ist von den neuen, erst kommenden Schemata des Occidens-Oriens-Antagonismus noch nicht infiziert. Seine klare Beschreibung stellt sich dem «Elementarhistorischen» mit großer Direktheit und Aufrichtigkeit.

Edward Gibbon, der Timur fast ein ganzes, wie stets hervorragend recherchiertes Kapitel widmet, fand angesichts dieser widersprüchlichen Deutungslage reiche Möglichkeiten für Paradoxien. Sein Timur ist zugleich skrupelloser Massenmörder und kultivierter Freund der Gelehrten und des Schachspiels,[62] Günstling der Fortuna und unglücklich Getriebener: «[…] nachdem er fünfzig Jahre lang sein Reich gebaut hatte, war die einzige glückliche Zeit in seinem Leben die zwei Monate, in denen er auf die Ausübung der Macht verzichtete.» (after devoting fifty years to the attainment of empire, the only happy period of his life were the two months in which he ceased to exercise his power.)[63] Timur trat in einem chaotischen Asien auf und schien zunächst der ersehnte Ordnungsbringer zu sein. Er war keine barbarische Naturkraft, sondern ein Staatsmann mit einem Sinn für das Nötige. Aber die Mittel überwältigten den Zweck, «ganze Nationen wurden unter den Schritten des Reformers zermalmt» (whole nations were crushed under the footsteps of the reformer) und auf die Eroberungen folgte kein neuer Aufbau.[64] Gibbons Timur, in der Bilanz eher ein Verwüster als ein Wohltäter, ist fein portraitiert, doch man hat das Gefühl, daß de Guignes’ karge Dokumentation dem Maßlosen einer Figur, die nicht nur von Weltmonarchie redete, sondern sie zu verwirklichen versuchte, eher gerecht wird als Gibbons elegantes Raisonnement. Noch Sir John Malcolm folgt in seiner History of Persia von 1815 Gibbons Deutung. Auch sein Timur ist nicht ein asiatisches Ungeheuer, sondern eher ein irregeleitetes Genie und ein Beweis dafür, daß Imperien auf Gewalt und Charisma allein nicht aufgebaut werden können.[65] Mit Timur endet aber auch – und so hat Joseph von Hammer-Purgstall seinen historischen Ort bestimmt – in Eurasien die Epoche der offenen Grenzen und der welterobernden Kavallerie. Von nun an konsolidieren sich überall die Territorialstaaten.[66]

4. Nadir Schah: Kriegskomet und Patriot

Noch anderthalb Jahrhunderte nach seinem Tod gruselte man sich vor ihm. George Nathaniel Curzon, der spätere Vizekönig von Indien und britische Außenminister, sah ihn und Dschingis Khan als «die beiden schrecklichsten Erscheinungen, die jemals die Menschheit gegeißelt haben».[67] Was war so entsetzlich an Nadir Schah, «diesem berühmten Landesverwüster des achtzehnten Jahrhunderts, der aus dem Staube sich auf den Thron geschwungen hatte»?[68] Nadir wurde 1688 im Norden der iranischen Provinz Chorasan als Sohn einfacher Eltern aus dem turkmenischen Stamm der Afsharen geboren. Er hat diese Herkunft nie verleugnet und sich während seiner gesamten Laufbahn, die er schon früh am romantischen Vorbild Timurs orientierte, als «Sohn des Schwertes» bezeichnet.[69] In einer Situation politischer Turbulenzen als Folge der Invasion Irans durch die Ghilzai-Afghanen, die 1709 mit der Einnahme Qandahars begann und 1722 mit der Eroberung Isfahans und dem Sturz der Safawiden-Dynastie endete, hatte ein Kriegsherr große Chancen. Die Afghanen erwiesen sich als unfähig, eine stabile Herrschaft in Iran zu errichten und das Land gegen seine osmanischen und russischen Nachbarn zu verteidigen. Nadir, ein Mann des gesetzlosen Grenzlandes, verbreiterte stetig seine Machtbasis, indem er Rivalen entweder ausschaltete oder auf seine Seite zog. 1726 trat er in die Dienste des safawidischen Prätendenten und selbsternannten Schah Tahmasp II. und erhielt den Namen Tahmasp Quli Khan, unter dem er auch in Europa zuerst bekannt wurde. Nadir vor allem war es zu verdanken, daß 1729 die Afghanen vertrieben wurden und sich die schattenhafte Safawidendynastie restauriert fand.

Nadir wandte sich nun gegen Irans äußere Feinde. Er griff die Osmanen in Bagdad und die Russen in Azerbaidschan an und korrigierte die Grenzen zu Persiens Gunsten. 1732 ersetzte er in einem Staatsstreich den schwachen Schah Tahmasp durch dessen Sohn Abbas (III.); dieser war acht Monate alt, und es wunderte niemanden, wer die Regentschaft übernahm. Im März 1736 ließ der Warlord sich selbst zum Schah krönen und proklamierte eine neue, die Afsharen-Dynastie. Jede auch nur vermutete Opposition gegen das neue Regiment wurde unbarmherzig unterdrückt. 1737 begann Nadir seinen lange geplanten Indienfeldzug. Die maßlose Plünderung Delhis und die Massakrierung von Zehntausenden seiner Bewohner im März und April 1739 waren die tragischen Höhepunkte dieser Kampagne.[70] Die Zahl von 225.000 Ermordeten geisterte durch die zeitgenössische europäische Literatur.[71] Nadir Schah raubte den berühmten Pfauenthron der Mogulkaiser und den großen Koh-i-Nor-Diamanten (der 1850 in den Besitz von Queen Victoria gelangte). Uninteressiert an der Herrschaft über größere indische Territorien, kehrte Nadir nach Iran zurück und widmete sich in den folgenden Jahren der Ausdehnung und Sicherung der iranischen Grenzen am Persischen Golf und in Mesopotamien. Währenddessen unterzog der Schah das Land rücksichtsloser Plünderung. Revolten gegen seine Steuereinnehmer wurden häufiger, und sie wurden mit immer größerer Grausamkeit unterdrückt, wobei Nadir, zunehmend als wahnsinnig beschrieben, seinen sadistischen Neigungen freien Lauf ließ. Ein englischer Reisender verwunderte sich darüber, daß die Perser, im Unterschied zu anderen Muslimen, zu Nadir Schahs Zeiten ihre Ohren nicht durch Turbane und Mützen verdeckten: Jeder, dem man sie noch nicht abgeschnitten hatte, wollte sie stolz vorzeigen.[72] Schließlich nahm Nadir auch Timurs Gewohnheit an, Schädeltürme zu errichten. Anders als bei Timur handelte es sich aber um die Köpfe seiner eigenen Landsleute und Untertanen. In der Nacht auf den 1. Juli 1747 wurde der Tyrann, nur noch von seiner afghanischen Leibgarde geschützt, während eines Straffeldzugs gegen aufständische Kurden in seinem Zelt von verschworenen persischen Gefolgsleuten ermordet.

Nadir Schah war um die Mitte des 18. Jahrhunderts neben dem 1722 verstorbenen chinesischen Kaiser Kangxi die in Europa bekannteste Persönlichkeit der jüngeren asiatischen Geschichte. Sein Aufstieg und sein Fall wurden mit größter Aufmerksamkeit verfolgt. Sie wurden als Beispiel dafür genannt, wie lehrreich die Beschäftigung mit aktuellen Ereignissen in fernen Ländern sei.[73] Dank der großen Reiseberichte von Chardin, Tavernier, Kaempfer und anderen war das Interesse am safawidischen Iran nie erloschen.[74] Dem Sturz der Dynastie als Ergebnis der Invasion afghanischer Reiter aus dem wilden und bergigen Norden war Beachtung sicher. Bei der Kontemplation solch traurigen Verfalls fühlte sich Voltaire an das Deutschland des Dreißigjährigen Krieges, das Frankreich der Fronde oder das von den Mongolen verwüstete Rußland erinnert.[75]

In Europa wurde man durch Zeitschriftenkorrespondenten in Istanbul und Moskau aktuell auf dem laufenden gehalten.[76] 1728 erschien eine ausführliche Darstellung und Analyse der persischen Wirren: die Histoire de la dernière revolution de Perse des Jesuitenpaters Tadeusz Juda Krusínski, der die Ereignisse von 1707 bis 1725 aus nächster Nähe miterlebt hatte; 1722 entkam er knapp aus dem von den Afghanen belagerten, hungernden Isfahan.[77] Krusínskis offenbar etwas unordentlicher lateinischer Bericht wurde ins Französische übersetzt und von einem anderen Jesuiten, Jean-Antoine du Certeau, gestrafft und in eine spannende Erzählung umgewandelt. Die osmanische Regierung war an der iranischen «Revolution» so stark interessiert, daß sie den Text ins Türkische und diese Fassung wiederum ins Lateinische übertragen ließ.[78]

Krusínski/Certeau eröffnen das Werk mit einer langen Untersuchung des safawidischen Niedergangs. Er beginnt bereits um die Mitte des vorausgehenden Jahrhunderts und ermöglicht es den Afghanen überhaupt erst, im Iran Fuß zu fassen. Die Afghanen, bis dahin sogar in Asien fast unbekannt, sind häßliche, schmutzige und rohe Gesellen, deren Hauptbeschäftigung es ist, andere und auch sich gegenseitig zu berauben.[79] Auf der anderen Seite behandeln sie ihre Kriegsgefangenen und Sklaven weitaus besser, als dies sonst in Asien üblich ist. Ein genialer Führer, Mir Wais, lenkt ihre kriegerischen Energien auf ein würdiges Ziel. Krunsínski/Certeau spielen nun geschickt mit den narrativen Erwartungen ihrer Leser. Diese dächten sicher sogleich an Timur und würden sich vorstellen, Persien sei «von einer schrecklichen Barbarenflut» überrumpelt worden.[80] Nichts sei falscher. Die dekadenten Safawiden seien durch eine relativ kleine Truppe geschickt operierender Bergkrieger zu Fall gebracht worden. Die Parallele zu der kleinen Zahl von Mandschuren, die 1644 Ming-China erobert hatten, lag auf der Hand. Krusínski, der sein Manuskript 1725 vollendete, glaubte beobachtet zu haben, daß sich die neuen Herrscher in Persien rasch zivilisierten und akklimatisierten und neuestens erfolgreich eine Politik der Versöhnung mit der einheimischen Elite zu betreiben begännen. Die persische Revolution könne dem Rest Asiens, in dem zuviel Stagnation und Verweichlichung vorherrsche, zum Muster dienen.[81] Der Barbareneinfall schien einen providentiellen Sinn zu besitzen: die Zivilisierung der Barbaren und zugleich das Erwecken einer überreifen und kraftlos gewordenen Zivilisation.

Nadirs Aufstieg als «Kriegskomet» und «tollkühnster Soldat des Zeitalters»[82] strafte Krusínskis Prognose Lügen. Nadir hielt andere Lehren bereit. Zuerst hörte man in Europa von ihm nach seinem Staatsstreich von 1732 und seinem Angriff auf das Osmanische Reich.[83] Die Nachrichten über ihn waren bald so umfangreich, daß der emsige Publizist David Fassmann schon 1738 einen 770 Seiten starken Band Herkunft, Leben und Thaten des Persianischen Monarchens Schach Nadyr erscheinen lassen konnte, den er freilich mit umständlichen Darstellungen der iranischen Geschichte ausstopfte.[84] Nadir erscheint hier als der tugendhafte, göttlich beglaubigte Retter seiner Nation, der seine «barbarischen» Feinde, nämlich «die Türcken, die Mongolaner [= Mogulen] und die Aghwaner», in ihre Schranken weist und den Iran wieder zu einer Großmacht erhebt. Eines seiner Geheimnisse ist Verwestlichung: Erst die Einführung einer Disziplin europäischen Typs machte Nadirs Truppen ihren Gegnern überlegen.[85] Offenbar kursierten zwischen 1734 und 1736 sogar Gerüchte in Europa, Nadir sei französischer, deutscher oder holländischer Herkunft.[86]

Die Heldengeschichte von Nadirs Aufstieg von einem Robin-Hoodartigen Sozialbanditen zum großen Kriegsherren erzählt 1742 James Fraser in seiner History of Nadir Shah. Sie stützt sich zu großen Teilen auf die mündlichen Auskünfte William Cockells, eines Vertreters der East India Company in Persien, den Fraser, ebenfalls bei der E.I.C. beschäftigt, in Indien traf.[87] Fraser/Cockells Nadir ist ein Charismatiker, der sich als Diener des Staates und Wohltäter des Volkes präsentiert, dessen oberste Sorge aber ist, seine Truppen loyal und kampfstark zu halten. Auch der Indienfeldzug habe dem Hauptzweck gedient, Beute und Ruhm zu erwerben.[88] Fraser schildert die Schrecken der Plünderung Delhis ungeschminkt: Er gibt die Zahl der getöteten Bürger mit 120.000 an und macht eine genaue Statistik der aus Indien weggeschleppten Beute auf: riesige Mengen an Edelsteinen, Gold und Silber, 1000 Elefanten, 7000 Pferde, 10.000 Kamele, 100 Eunuchen, 300 Maurer, 100 Steinmetzen usw.[89] Ein zusammenfassendes Porträt, direkt aus Cockwells Feder, schildert Nadir Schah trotz allem als eine nahezu fleckenlose Heldengestalt: der Truppenführer, der die Entbehrungen seiner Soldaten teilt, strenge, aber gerechte Disziplin hält, über ein perfektes Gedächtnis verfügt und imstande ist, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun,[90] kurz, Nadir als Originalgenie, das die Routine der Geschichte aufbricht und den erstarrten Orient in heilsame Bewegung versetzt. Nadir mag hier ein wenig nach Cromwell modelliert sein, und er nimmt in dieser Charakterisierung erstaunlich viele Züge des Eroberers Napoleon vorweg. Nadir-Anhänger ließen sich von den Untaten ihres Idols lange nicht beeindrucken. Man meinte sogar, Nadir habe der Weltwirtschaft einen großen Dienst erwiesen, indem er die gehorteten Schätze des Großmoguls der Zirkulation zuführte.[91] Auch seine indifferent-pragmatische Haltung zur Religion und sein Mißtrauen gegenüber deren offizielle Vertreter trugen ihm den Zuspruch kirchenkritischer Aufklärer ein.

Erst nach Nadirs Tod verdüsterte sich sein europäischer Ruf. Vergleiche zwischen ihm und Alexander dem Großen, einem im Europa der Aufklärung keineswegs unumstrittenen Helden, fielen immer seltener zugunsten des persischen Usurpators aus.[92] Der englische Kaufmann Jonas Hanway, der zwar – anders als William Cockell – Nadir nicht persönlich kannte, aber doch 1743/44 die Folgen seiner Herrschaft im Iran selbst beobachtet hatte und ausführlich davon berichtete, nannte ihn «ein Monster der Grausamkeit und Unterdrückung» und «die Geißel der östlichen Welt».[93] Hanway war bemüht, das Abgleiten von Nadirs Regime in grenzenlose Habgier und blutige Tyrannei nicht nur mit Psychologie, also etwa der Entartung heroischer Leidenschaften, zu erklären. Er sah eine gewisse Konsequenz in Nadirs Herrschaftssystem. Die Militärmaschine war durch die indische Beute verwöhnt und korrumpiert worden. Sie war nun ein unersättlicher Moloch. Nadirs anfängliches Charisma wurde durch sein Mißtrauen und die Notwendigkeit allgegenwärtiger Kontrolle und Bespitzelung aufgezehrt. Seine unbestreitbaren Tugenden als Truppenführer und Stratege, zu denen auch Vorsicht gehörte, machten ihn nicht auch zu einem weisen Gesetzgeber und Zivilverwalter.[94]

Hanways relativ differenziertes Bild, das die Tragödie Persiens nachzeichnet, ohne ihre Ursachen zu mystifizieren, vereinfachte sich mit dem Abstand von den Geschehnissen. Das Wüten des späten Nadir, das an die schlimmsten römischen Cäsaren erinnerte, wurde zudem durch das persische Geschichtswerk des Mirza Mahdi, des ehemaligen Hofhistoriographen Nadirs, in Erinnerung gerufen. Der junge William Jones hatte dieses Werk im Auftrag des dänischen Königs ins Französische übersetzt. Das Manuskript, das der Übersetzung zugrundelag, hatte Carsten Niebuhr 1765 in Shiraz erworben und nach Dänemark mitgebracht.[95] Nicht zuletzt auf der Basis dieser Chronik wurde Nadir Schah nun zum Ungeheuer schlechthin stilisiert. Verbrechen und Terror, so schrieb Jones, säumten seinen Weg.[96] Der Göttinger Professor Christoph Meiners, stets ein Liebhaber exaltierter Urteile, schwelgte 1795 in der primitiven Kriminalität des Regimes und erging sich in Gewaltphantasien:

Schach Nadir und dessen Generale zogen daher beständig mit Horden von wilden Kriegern umher, die nur durch Raub, Verstümmelungen und Mord unterhalten wurden und allenthalben Provinzen, Städte und Dörfer, wohin sie kamen, mit Blut und Zerstörung erfüllten. […] Die tigerartigen Turcomannischen Horden erzeugten nie ein verderblicheres Ungeheuer, als Schach Nadir war.[97]

Manche providentiell denkenden christlichen Autoren konnten sich zudem mit Nadirs eigenem Anspruch, Gottes Strafrute zu sein,[98] befreunden und damit seiner Monstrosität einen gewissen Sinn abgewinnen. Der Jesuit Joseph Tieffenthaler fand, die Bestrafung durch Nadir sei Delhi, diesem Sündenbabel, recht geschehen:

Sie [die Stadt Delhi] war eine Schandgrube aller Laster, aller Unzucht und Unreinigkeit, und wurde daher mit dem Feuer des Krieges, wie Sodom und Gomorra mit dem feurigen Schwefelregen, heimgesucht, um das mehr als höllische Feuer der Unkeuschheit mit Ströhmen von Blut zu löschen. Und hiezu brauchte Gott den Nader Schah, als eine Geissel seines Zorns über die lasterhaften Einwohner von Delhi.[99]

Der Evangelikale Charles Grant, einer der höchsten Beamten der E.I.C., sah in den 1790er Jahren überhaupt alle muslimischen Eroberer Indiens bis hin zu Nadir Schah als Werkzeuge göttlicher Strafe für die verkommenen Hindus.[100]

Quer zur Dämonisierung Nadir Schahs als eines asiatischen Monsters stand Sir John Malcolms ausführliche Würdigung in seiner History of Persia von 1815. Malcolm, der auch einen Teil der persischen Quellen kannte, sah Nadir so ähnlich, wie Gibbon den Hunnenkönig Attila gesehen hatte: als einen in seinen Mitteln etwas harschen patriotischen Erneuerer seines Volkes. Nur war Attila der in seinem Stolz gekränkte Barbar, während Nadir ein zivilisiertes Volk von der schlimmsten Barbarenherrschaft des 18. Jahrhunderts befreite.[101] Die oft berichteten Greuel der Eroberung Delhis hielt Malcolm für weit übertrieben,[102] die Willkürherrschaft der letzten Jahre für verzeihlich; Geisteskrankheit mochte manches daran erklären. Bei Malcolm ist der unmittelbare Schock von Reisenden wie Hanway und Otter (der 1738 den Iran durchquerte) kaum noch zu spüren.[103] Es ist erstaunlich, wie weitgehend er ihre Zeugnisse über Gewalt und Anarchie im Lande ignoriert. Nadirs überragende Leistung sei die Befreiung Persiens vom afghanischen Joch und die Wiedererweckung nationalen Stolzes gewesen, und die Verehrung, die Nadir bis heute bei seinen Landsleuten genieße, sei der beste Beweis für seinen historischen Rang.[104] Malcolm, von Beruf General, ist voller Bewunderung für Nadirs militärische Kunst, die ihn an die Seite der großen europäischen Feldherren der Neuzeit stellt. In gewisser Hinsicht zu den Urteilen von Nadirs europäischen Zeitgenossen zurückkehrend, zieht er die Linie zwischen Zivilisation und Barbarei nicht zwischen «uns» und dem Ungeheuer Nadir, sondern zwischen Persern und den Barbaren Asiens, also den Afghanen und ein wenig sogar den dekadenten Indern des verweichlichten Mogulhofes. Nadir als eine moderne Erneuerergestalt emanzipiert sich von seinem asiatischen Hintergrund und durchbricht die ewigen Zyklen orientalischer Politik. Nachdem er Teile Afghanistan erobert hat, verzichtet er auf blutige Rache und macht sich die Afghanen zu treuen Verbündeten. Am Indienfeldzug falle nach den Maßstäben der Geschichte Asiens weniger die Gewaltsamkeit als die Milde des Eroberers auf.[105]

Malcolms Eloge verdrängte die Perhorreszierung Nadirs nicht.[106] Aber sie war einflußreich als das Urteil des angesehensten britischen Persienhistorikers des 19. Jahrhunderts. Malcolm sprach von der Warte eines erobernden Imperium Britannicum. Im Jahr von Waterloo sah er in Nadir weniger den orientalischen Bonaparte als den Vorläufer der eigenen Taten. Wie hätte er den Eroberer grundsätzlich kritisieren können? Auch die Briten in Indien hatten Erfolg, weil sie unter einheimischen Truppen Disziplin einführten, auch ihre Feldzüge waren keine friedlichen Spaziergänge, auch sie hatten ihre asiatischen Herrscherrollen usurpiert und stürzten bedenkenlos, wie Edmund Burke empört anmerkte, alteingesessene Ancien régimes auf dem gesamten Subkontinent. Im Rahmen der asiatischen Verhältnisse – und oft sogar im gesellschaftlichen Kontext der britischen Inseln – waren die Feldherren und Beamten der East India Company eben solche «Kriegskometen» und Parvenus wie Nadir Schah. Es war nur folgerichtig, in Nadir nicht den elementarhistorischen Dämon aus dem Nichts zu sehen, sondern den charismatischen Erneuerer. Ihm fehlte allerdings das, worauf sich die Briten am meisten zugute hielten: die Fähigkeit zu ziviler Stabilisierung, zur Selbstdomestizierung der Eroberer.

5. Haidar Ali: Tyrann und aufgeklärter Reformer

Das britische Empire hatte in der Tat Gründe, Nadir dankbar zu sein, hatte doch seine Zerstörung der Mogulherrschaft den späteren britischen Siegeszug auf dem Subkontinent sehr erleichtert. Als dieser Siegeszug 1757 mit Robert Clives Erfolg in der Schlacht von Plassey begann, war das Zwischenspiel Nadir Schahs bereits Geschichte, doch unvergessen. [107] Die Briten konnten Nadir gut rühmen, war er doch nie ihr eigener militärischer Gegner gewesen. Dies war anders bei den indischen Mächten während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Aus dem schnellen Verfall des mogulischen Einheitsstaates waren eine Reihe neuer Herrschaftsbildungen hervorgegangen. In deutlichem Kontrast zur politischen Stabilität Chinas und Japans und sogar der Kernlande des Osmanischen Reiches war Südasien ein Laboratorium staatlicher Neuformierung. Das Zerbrechen des imperialen Rahmens setzte Kräfte frei, die nach dem Tode des Kaisers Aurangzeb 1707 nicht mehr von einer übergeordneten Macht gebändigt werden konnten.[108] Zu ihnen gehörten die Sikhs im Panjab, die sich aus einer Religionsgemeinschaft im Laufe des 18. Jahrhunderts schrittweise politisch formierten und vor allem die Marathen im südindischen Dekkan. In der Mitte des 17. Jahrhunderts hatte Shivaji, einer der großen Staatengründer der Frühen Neuzeit,[109] aus Angehörigen von Krieger- und brahminischen Verwalterkasten eine neue politische Elite geschmiedet, die einen hinduistischen Rebellenstaat innerhalb des islamischen Mogulreiches aufbaute. Der Einheitsstaat zerfiel, und die Marathen traten im 18. Jahrhundert in loseren, sich ständig verändernden Formen eines Gemeinwesens in Erscheinung, für welches die europäische politische Theorie keine Begriffe besaß. Man half sich mit Analogien: Die einen fühlten sich an einen feudalen mittelalterlichen Lehensbann erinnert, die anderen gar an eine Föderation von Germanenstämmen. Doch die besten Kenner mußten einräumen, daß das Marathensystem singulär und unvergleichlich war: eine «barbarische», aber zeitweise recht erfolgreiche Organisationsform.[110] Die Marathen entwickelten sich zu den stärksten militärischen Widersachern der Briten. 1803 wurden sie entscheidend geschlagen, 1818 die Reste ihres Staates aufgehoben.

Keiner der indischen Regionalstaaten erregte in Europa mehr Aufsehen als der Staat Maisur (Mysore) unter seinen Herrschern Haidar Ali und dessen Sohn Tipu Sultan. Zwischen 1767 und 1799 standen die Briten und Maisur viermal im Krieg gegeneinander. 1767–69 bedrohte Haidar die britische Kolonialmetropole Madras und erreichte einen für ihn günstigen Frieden. Im zweiten Maisur-Krieg von 1780–84 fügte Maisur, jetzt mit den Franzosen verbündet, den Briten mehrere Niederlagen zu und nahm eine größere Zahl britischer Gefangener. 1784 stand Maisur als stärkster der Staaten Südindiens auf dem Höhepunkt seiner Macht. 1789 griff Tipu Sultan den Raja von Travancore, einen Verbündeten der E.I.C., an. Dadurch sahen sich die Briten Anfang 1790 zu einem massiven Gegenschlag veranlaßt. Erst 1792 konnten sie diesen dritten Maisur-Krieg für sich entscheiden. Tipu verlor große Territorien, mußte eine hohe Kriegsentschädigung zahlen und der E.I.C. zwei seiner Söhne als Pfänder für die Einhaltung des Friedensvertrages übergeben. Nachdem 1799 ein winziges französisches Unterstützungskorps in Maisur eingetroffen war, interpretierte Generalgouverneur Lord Wellesley, der aggressivste unter den Erbauern des britischen Empire in Indien, dies als willkommenen casus belli und vernichtete das Sultanat Maisur. Tipu kam bei der Verteidigung seiner Hauptstadt Seringapatam ums Leben.[111]

Anders als im Falle Nadir Schahs, wo sich Europäer in der Rolle von Zuschauern des dramatischen Geschehens befanden, waren die Auseinandersetzungen mit Maisur Anlaß für eine umfangreiche britische Kriegspropaganda. Der dritte und erst recht der vierte Maisur-Krieg, jeder von beiden Seiten sehr brutal geführt, wurden in der Öffentlichkeit zu einem Ringen zwischen finsterer asiatischer Tyrannei und den Mächten des Guten stilisiert. In Augenzeugenberichten und Zeitgeschichtsschreibung, auf der Bühne und im Bild wurden Haidar und Tipu als die Erzfeinde nicht nur des freien Britentums, sondern auch der eigenen Bevölkerung dargestellt. Waren frühere englische Kriege in Indien nur wenig ideologisiert und zumeist mit einem nicht ganz reinen Gewissen hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit geführt worden, so regte sich am vierten Maisur-Krieg keine Kritik mehr. Die Zerstörung des Sultanats wurde als ruhmreiche nationale Tat interpretiert: nicht als Eroberung (was sie in erster Linie war), sondern als Befreiung der Bewohner Maisurs von muslimischer Tyrannei. Tipus Tod erschien als Triumph der Gerechtigkeit.[112]

Anfang der 1790er Jahre war Maisur für die Briten nach dem revolutionären Frankreich so etwas wie der Reichsfeind Nr. 2. Die Bilder von ihm waren Feindbilder. Interessanter ist es, sich die Beurteilungen des Aufstiegs dieses südindischen Staates anzusehen. Haidar Alis negatives Image als blutrünstiger Tyrann entstand nach seinem Tod 1782 durch Berichte über die entwürdigende und grausame Behandlung, die britische Gefangene des zweiten Maisur-Kriegs erlitten hatten.[113] Briten seien zu dem Schlimmsten gezwungen wurden, das man ihnen antun könne: zur Konversion zum Islam.[114] Dem stand ein günstigeres Haidar-Bild gegenüber. Noch zu Haidars Lebzeiten hieß es bei Maistre de la Tour, einem seiner frühesten Biographen, Haidar sei der berühmteste Eroberer, den Indien seit Nadir Schah gesehen habe, diesem aber durch das Ausmaß seines Genies und sein zivilisierteres Betragen bei weitem überlegen.[115] Mit starker antienglischer Tendenz werden dann aus der Sicht des französischen Augenzeugen Haidars Leben und die Zustände an seinem Hof geschildert. Despotisch führe sich in Indien nicht etwa Haidar auf, sondern die E.I.C., die ihn dessen bezichtige.[116]

Dem widersprach unverzüglich Francis Robson, der zwanzig Jahre in Indien verbracht hatte und versicherte, bei den meisten Kontakten zwischen den Briten und Maisur zugegen gewesen zu sein. Robson verzichtet noch auf jene blühende Rhetorik, die einige Jahre später die Anti-Tipu-Propaganda bestimmen wird. Er unterstreicht die Grausamkeit Haidars (die aber nicht wesentlich größer war als die anderer indischer Potentaten), kann ihm aber seinen Respekt nicht ganz versagen: Nachdem Haidar sich zwischen 1761 und 1763 zum Oberherrn über eine Reihe regionaler Rajas gemacht und in den Jahren danach seine übermächtigen Nachbarn, die Marathen, aus Maisur verdrängt hatte,[117] kehrten nach langem wieder Frieden und maßvoller Wohlstand in dieser Gegend Indiens ein. Nur solch eine zivile Aufbaupolitik habe es Haidar erlaubt, innerhalb kurzer Zeit ein Eliteheer aufzustellen.[118] Auch daß es sein oberstes Ziel war, «alle Europäer auf der indischen Halbinsel auszumerzen», wollte Robson dem Fürsten nicht allzu übelnehmen.[119]

Colonel William Fullarton, der Edmund Burke und seiner kritischen Beurteilung der britischen Expansionspolitik in Indien nahestand, schildert Haidar Ali in (noch) positiveren Farben. Er lobt seinen nach europäischen Prinzipien und mit Hilfe europäischer, besonders französischer, Berater aufgebauten Militärapparat und schildert, wie Haidar in den Friedensjahren 1769 bis 1780 mit dem Ehrgeiz und der Durchsetzungskraft eines Peters des Großen sein Land zu einem Musterstaat aufbaute:

Unter seiner meisterlichen Regierung erreichten seine Länder eine Perfektion, die bisher unter indischen Souveränen unbekannt gewesen war. Der Bauer und der Handwerker prosperierten überall, der Anbau nahm zu, neue Gewerbe wurden gegründet, und Wohlstand floß in das Königreich.[120]

Haidar sei gegen Schlamperei und Korruption vorgegangen, habe sich um jedes Detail selbst gekümmert, unablässig Inspektionen vorgenommen und sich Akten vorlesen lassen (er war illiterat) und sei dabei stets für sein Volk zugänglich gewesen.[121] Anders gesagt, Haidar war ein durch Usurpation als homo novus zur Macht gelangter Militärdespot vom Schlage Nadir Schahs, anders als dieser aber mehr als nur das: auch ein Reformer und glänzender Ziviladministrator. Fullarton wiederholt einige Geschichten, die sich bereits bei Maistre de la Tour finden, und es ist unklar, ob seine Schilderungen auf Augenschein beruhen. Bemerkenswert ist, daß hier zum ersten Mal seit dem Mogulkaiser Akbar ein indischer Herrscher in einer Weise dargestellt wird, die ihn näher an einen Vertreter des aufgeklärten Absolutismus in Europa als an den Typus des orientalischen Despoten heranrückt.

1801 nimmt sich in Halle Matthias Christian Sprengel, der unermüdliche Verarbeiter von Nachrichten aus Übersee, den wir schon als Schwiegersohn und Mitarbeiter Johann Reinhold Forsters kennengelernt haben, des Themas an. Zehn Jahre zuvor hatte er bereits eine umfangreiche, vorwiegend auf britische amtliche Veröffentlichungen gestützte Geschichte der Marathen publiziert. An den Marathen interessierte ihn ihr dramatischer Aufstieg von einem «rohen räuberischen Bergvolk» zur nach den Engländern stärksten politischen Kraft in Indien.[122] Die Quellenlage erlaubte es ihm noch nicht, ein Bild von der Gesellschaft Marashastras zu zeichnen. Aber er vermochte Bedingungen für den Erfolg der Marathen anzugeben: die visionäre Gründerleistung Shivajis, die systematische Pflege der Kavallerie und die taktische Perfektionierung des Reiterkrieges, das Lernen von europäischen Söldnern und von den Erzfeinden, den Mogulen, die Entwicklung von Plünderei als Lebensform, schließlich die Verachtung von Prunk und Pomp und das Festhalten an den alten Sitten.

Repräsentierten die Marathen das Elementarhistorische gleichsam als Volk, so verkörperte es sich bei Haidar Ali in einer Führerpersönlichkeit. Auch Maisurs Schicksale «zeigen uns ein treffliches Bild gewöhnlicher indischer Revolutionen, daß ein kleines unbedeutendes Gebiet sich schnell zu einem mächtigen Staate erheben kann».[123] Wie Nadir Schah, so begann auch Haidar als «Räuber» oder einfacher Truppenführer im Dienste eines Herrn, den er 1761 durch einen Staatsstreich entmachtete und nur noch als Marionette eine Weile auf dem Thron ließ. Anders als Nadir wandelte sich der Warlord aber in einen weisen Gesetzgeber, der vor allem die Bedeutung der Wirtschaftsförderung erkannte und dabei große Erfolge erzielte.[124] Nicht seine eigenen Unzulänglichkeiten ziehen Haidar Grenzen, sondern nur Aggressivität und Mißgunst seiner mächtigeren Nachbarn, der Marathen und der Engländer. Im Unterschied zu den britischen und französischen Autoren, die über Maisur schreiben, steht Sprengel außerhalb kolonialer Kontroversen und internationaler Rivalitäten. Soweit es ihm seine britischen Quellen erlauben, versucht er, ohne polemische Übertreibungen die Geschichte Maisurs von innen heraus, also aus Haidars und Tipus Perspektive darzustellen. Tipu schneidet dabei schlechter ab als sein Vater: Größenwahn und ein militanter Islam, der viele seiner hinduistischen Untertanen abstieß, schwächten letzten Endes seine Position.[125]

Die Geschichte Maisurs unter Haidar und Tipu fand ein Jahrzehnt nach der Katastrophe von Seringapatam ihren gültigen Historiker in Colonel Mark Wilks, der sieben Jahre lang in Maisur gelebt und ausgiebige Studien in Manuskripten auf marathi und persisch, in Inschriften, Münzen und anderen Quellenarten getrieben hatte.[126] Wilks versagte sich den Gestus des triumphierenden Siegers. Geschult in den olympischen Tonlagen Edward Gibbons, blickte er mit nostalgischen Gefühlen auf Aufstieg und Fall des Moslem-Staates Maisur zurück. Sein Portrait Haidar Alis unterdrückt Brutalität und Doppelzüngigkeit nicht, läßt aber keinen Zweifel daran, daß die Engländer und der Durchschnitt der anderen indischen Fürsten ihm in beidem nicht nachstanden. Auch bei Wilks, unvergleichlich viel besser informiert als Sprengel in seiner Hallenser Studierstube, scheinen Haidars Herrschertugenden durch: ein zweiter, ein geläuterter Nadir Schah, ein patriotischer Militärherrscher, dessen Kriege eher defensive als offensive Aktionen waren, ein Räuber, der sich zum Förderer von Landwirtschaft, Handel und Gewerbe mauserte. «Elementarhistorisch» an Haidar war nur mehr seine Herkunft außerhalb dynastischer Zirkel. Seine Politik war modern, europäisch beeinflußt, ein Beispiel von weitgehend richtig angelegtem statebuilding. Er hätte der Peter der Große ganz Indiens werden können, wäre ihm nicht, wie James Mill die Sache 1817 geschichtsphilosophisch interpretierte, ein Volk entgegengetreten, das an Staats- und Kriegskunst und an Wissen überhaupt jedem indischen überlegen war.[127] War Nadirs Ruf als blutrünstiges Monster sogar durch die Kunst des Historikers Malcolm nicht aus der Welt zu schaffen, so mußte sich im Gegenteil die britische Propaganda anstrengen, um das Bild Haidars und Tipus einzuschwärzen. Vor allem Haidar bestätigte kaum die Klischees von der Barbarei asiatischer Politik. Gerade dies machte ihn verdächtig und gefährlich: ein einheimischer Modernisierer, der – ähnlich wie einige Jahrzehnte später Pascha Muhammad Ali von Ägypten – der europäischen kolonialen Zivilisierungsmission ihre Voraussetzungen und Vorwände zu entziehen drohte.

6. Die Modernisierung vulkanischer Politik

Wer die Berichte las, welche die Jesuitenmissonare während der ersten vier Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts und dann wieder zwischen etwa 1690 und 1760 aus China nach Europa übermittelten, gewann den Eindruck einer zeitlosen, unbeweglichen Ordnung. Dieses Bild war nicht charakteristisch für Asien als Ganzes und die europäische Asienwahrnehmung insgesamt. Vielmehr erschien Asien in erster Linie als Kontinent politischer Turbulenzen, «Revolutionen» in der Sprache der Zeit. Selbst China wurde von ihnen nicht verschont. Zwischen der Mandschu-Eroberung der Hauptstadt Peking 1644 und dem Abschluß der Pazifizierung des Reiches etwa vier Jahrzehnte später war es Schauplatz von Ereignissen, die an Gewaltsamkeit die englische Revolution weit in den Schatten stellten und mit dem Dreißigjährigen Krieg verglichen werden können. Das erkannte man in Europa genau.

1644 und die Folgen: Abermals – wie schon so oft in der Geschichte Asiens – schien hier ein urtümlich «Elementarhistorisches», wie Hegel formulieren würde, durchzubrechen, die entfesselten Kräfte quasi-natürlicher Gewalten, die gegen die Zentren der Zivilisation anbrandeten. Europäische Autoren schenkten dem Gegensatz zwischen Steppe und Acker, Hirtengesellschaften und Bauerngesellschaften, Mobilität und Stabilität ein großes Maß an Aufmerksamkeit. Zu Recht, denn zweifellos handelt es sich dabei um einen der fundamentalen Kontraste der Weltgeschichte. Aber in den europäischen Asienschriften der Frühen Neuzeit liegen die Verhältnisse noch nicht so klar zutage wie später vielfach in der polarisierenden Denkweise und Literatur des 19. Jahrhunderts. Man nimmt keineswegs eindeutig Partei für die «Zivilisation» und gegen die «Barbarei». Dies läßt sich an der ambivalenten Einschätzung der beiden großen mittelalterlichen Reichsgründer Dschingis Khan und Timur zeigen. Beide werden bis hin zu einem angesehenen Autor des frühen19. Jahrhunderts wie Sir John Malcolm durchaus noch nicht eindeutig als Inbegriffe «asiatischer Grausamkeit» stilisiert. Ihre Leistung als législateurs wird ebenso gewürdigt wie die außerordentliche Zweckrationalität ihrer Politik.

Im zeitgenössischen Asien des 18. Jahrhundert waren es vor allem Usurpatoren und kometenhaft aufsteigende Kriegsherren, die ein ähnliches Interesse hervorriefen wie vergleichbare europäische Ausnahmefiguren: Wallenstein, Cromwell, später Napoleon Bonaparte. Sie bewiesen, daß der politische Vulkan Asiens keineswegs erloschen war. Nadir Schah von Persien war eine internationale Zelebrität, ein potentiell welthistorisches Individuum im Sinne Hegels, der mögliche Peter der Große des Iran. Europäische Beobachter verfolgten seine Laufbahn mit geradezu journalistischem Interesse. Was ging schief? Die Degeneration von Nadirs Herrschaft in eine der schlimmsten Tyranneien der neueren Geschichte Asiens gab ein genau beobachtetes Lehrstück ab für moralische Korruption und den zerstörerischen Automatismus des puren Kriegsherrentums.

Sultan Haidar Ali von Maisur war eine bei weitem weniger monströse Gestalt; er war auch kein nationaler Herrscher, sondern einer der wichtigeren indischen Regionalfürsten. Haidar wurde deswegen in Europa – und beileibe nicht nur in Großbritannien, das sich unmittelbar mit ihm auseinanderzusetzen hatte – so stark beachtet, weil er ein für Asien neues historisches Prinzip zu verkörpern schien: den zielbewußt modernisierenden Staatskonstrukteur, also das glatte Gegenteil des altmodischen und dekadenten «orientalischen Despoten». Haidar war der erste politische Führer Asiens, der erkannt zu haben schien, daß die europäischen Invasoren mit ihren eigenen Mitteln und Waffen geschlagen werden mußten. Eben dies machte ihn und seinen weniger weitsichtigen Sohn Tipu Sultan zu besonders gefährlichen Gegnern der aufstrebenden Imperialmacht Großbritannien. Das Experiment Maisur wurde ausgelöscht, doch Haidar Ali verlor nie ganz den Respekt seiner Überwinder. Die sprengende politische Kraft des Elementarhistorischen wurde in ihm zur Kraft der Neubildung auf den Trümmern alter Reiche geläutert. Aus dem bedrohlichen Kriegssturm eines Timur oder Nadir Schah wurde, wenn auch erst in Spuren sichtbar, die stillere Widerständigkeit asiatischer Reform.

Die Entzauberung Asiens: Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jahrhundert
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