3. KAPITEL

Also gibt es wirklich eine Frau in seinem Leben, überlegte Carin. Und so wie Sean eben reagiert hat, führt er sicher keine glückliche Ehe. Vielleicht hat er seine Frau verlassen? Oder sie ihn? Jedenfalls scheint die Situation ihn immer noch sehr zu belasten. Carin war sicher, dass er sich dieses Dilemma ganz allein selbst zuzuschreiben hatte.

Sean Savage war viel zu arrogant und überheblich, als dass eine Frau glücklich mit ihm werden könnte. Wahrscheinlich war Sean außerdem ein Workaholic und verbrachte nicht so viel Zeit zu Hause, wie eine Frau es sich wünschte. Seine Frau hatte es ganz offensichtlich nicht geschafft, seinen Ansprüchen gerecht zu werden.

Was für einen Lebensstil hat Sean wohl hinter sich gelassen, bevor er zum Einsiedler wurde, grübelte Carin weiter. Was auch immer zwischen ihm und seiner Frau geschehen war, es musste ihn sehr verletzt haben.

Sich allein in den Wäldern zu verkriechen war jedoch auch keine Lösung. Carin hatte selbst gesehen, wie positiv Sean sich verändert hatte, seit er die Arbeit auf dem Reiterhof übernommen hatte.

John ging es schon viel besser, als Carin am späten Nachmittag ins Krankenzimmer trat. “Sean Savage hat mir der Himmel geschickt”, begeisterte er sich. “Er hat wirklich einen äußerst scharfen Geschäftssinn. Wie läuft’s denn so mit euch beiden?”

Carin verzog das Gesicht. “Das kann man jetzt noch nicht sagen”, antwortete sie ausweichend.

“Gib ihm eine Chance, Carin. Ich weiß zwar nicht, was du gegen ihn hast, aber er ist bestimmt kein schlechter Kerl. Ich vertraue ihm. Er hat mir einige wirklich gute Vorschläge gemacht, um effektiver zu wirtschaften.”

“Er macht seinen Job gut, und das ist die Hauptsache, nicht wahr? Wie ich über ihn denke, ist doch egal.”

Eine junge, hübsche Krankenschwester trat ein. “Ist das Ihre Schwester, John?” Er nickte. “Er hat mir schon erzählt, was Sie beide als Kinder alles angestellt haben”, sagte sie lachend und wandte sich an Carin.

John lächelte verlegen. “Das ist Liz, Carin. Sie versucht, mir das Leben hier ein bisschen erträglicher zu machen.”

Carin betrachtete die beiden neugierig. Ganz offensichtlich hatte es zwischen ihnen gefunkt. Sie freute sich für John. Es wäre schön für ihn, wenn er sich nach all den schmerzlichen Erfahrungen der letzten Zeit wieder verliebt hätte. Er hatte unter seiner Scheidung sehr gelitten und war auf die Farm gezogen, um sich in Arbeit zu vergraben.

Es war bereits halb acht, als Carin nach Hause kam. Sie duschte rasch und machte sich dann für ihre Verabredung mit Sean zurecht. Carin hatte sich für ein hübsches Sommerkleid aus rosa Seide entschieden. Es war fein genug für ein exklusives Restaurant, aber auch nicht zu übertrieben, falls Sean ein einfacheres Lokal gewählt hatte. Zum Schluss steckte sie sich Perlmuttohrringe an und schlüpfte in hochhackige weiße Pumps.

Carin hatte es richtig Spaß gemacht, sich schön anzuziehen, und sie freute sich inzwischen auf diesen Abend. Als es schließlich an der Tür läutete, öffnete sie mit einem strahlenden Lächeln.

Bei Seans Anblick stockte ihr der Atem. Der schiefergraue Anzug, das weiße Hemd und die dunkelgraue Seidenkrawatte standen ihm ausgezeichnet. Er sah einfach umwerfend aus.

Sean ließ den Blick anerkennend über Carin gleiten. “Schön, dass Sie fertig sind”, sagte er jedoch nur knapp. “Dann können wir gleich gehen.” Er führte sie zu seinem silbergrauen BMW und stieg erst ein, nachdem Carin es sich auf dem Beifahrersitz bequem gemacht hatte. Sie war beeindruckt. Der Wagen musste ein Vermögen gekostet haben.

Während der Fahrt sah Carin absichtlich aus dem Fenster, um Seans Blicken zu entgehen. Irlands Landschaft hatte sie schon immer fasziniert. Ein leichter Nebel hing in der Luft und ließ das Grün und Gold der Felder noch sanfter erscheinen. Besonders schön war es draußen, wenn der Nordwestwind blies und die Wolken schnell vorüberzogen. Das Spiel von Licht und Schatten machte dann eine Fahrt durchs Land zu einem einzigartigen Erlebnis.

Sosehr Carin sich auch bemühte, sie konnte sich nicht auf die Schönheit der Landschaft konzentrieren. Einen Mann wie Sean zu ignorieren, war völlig unmöglich. Seine überwältigende Ausstrahlung zog sie in Bann.

Sie wagte einen Blick zur Seite. Sean sah ihr in die Augen, und wieder spürte sie, wie eine angenehme Wärme sie durchströmte. Sie lächelte kurz und senkte dann verlegen den Blick. Sean schaffte es immer wieder, sie zu verwirren.

“John sah heute Nachmittag viel besser aus, finden Sie nicht?”

Carin nickte. Sie war froh, dass Sean ein unverfängliches Thema angeschnitten hatte. “Den Eindruck hatte ich auch. Und er scheint ein Auge auf eine der Krankenschwestern geworfen zu haben. Das freut mich für John. Er hatte wirklich eine schwere Zeit, als seine Ehe zerbrach.”

Seans Miene verfinsterte sich, und Carin merkte, dass sie etwas Falsches gesagt hatte. “Entschuldigung, ich vergaß, dass Sie es auch nicht leicht hatten.”

“Was wissen Sie über mich?”, fragte Sean scharf.

“Nichts. Ich dachte nur …”

“Dann lassen Sie das Denken bleiben”, herrschte er sie an. “Wenn Leute zu viel denken, kommt nur Unsinn dabei heraus. Sie haben keine Ahnung, was geschehen ist, und das ist gut so.” Sean kniff verbissen die Lippen zusammen, und die entspannte Atmosphäre war mit einem Mal zerstört.

“Tut mir leid, wenn ich Sie an etwas Unangenehmes erinnert habe, aber deswegen brauchen Sie mich nicht gleich so anzuschnauzen”, verteidigte Carin sich. “Dass Sie so empfindlich sind, konnte ich ja nicht wissen.”

“Verdammt noch mal, warum müssen Frauen bloß so neugierig sein? Fangen Sie nicht noch einmal von meiner Vergangenheit an. Ich will nicht mehr daran erinnert werden.”

“Entschuldigung, dass ich überhaupt etwas gesagt habe”, schnappte Carin beleidigt. “Am besten wenden Sie gleich und bringen mich wieder nach Hause. Es war schließlich Ihre Idee, auszugehen, nicht meine.”

“Ich habe schon einen Tisch reservieren lassen”, knurrte Sean. “Jetzt gehen wir auch hin.”

Carin zuckte die Schultern. “Wie Sie wollen. Aber wenn ich den ganzen Abend auf jedes Wort, das ich sage, achten muss, wird es mir keinen Spaß machen.”

“Es gibt nur ein einziges Tabu-Thema. Wenn Sie sich daran halten, wird es auch keine Probleme geben.”

Der Rest der Fahrt verlief schweigend. Sean blickte starr geradeaus, während Carin sich ärgerte, dass sie überhaupt mitgekommen war. Der Abend würde ein einziges Desaster werden.

Sie hielten vor einem weißen Gebäude, das von außen recht klein anmutete. Das Innere jedoch war beeindruckend. Zwei Räume waren zu einem zusammengefasst, die Tische liebevoll mit kleegrünen Tischdecken, dazu passenden Servietten und mit Silberbesteck geschmückt und die Wände aufwendig mit hübschem Messingdekor ausgestattet. Es war ein Platz zum Verlieben. “Oh, hier ist es aber schön!”, rief Carin begeistert aus und hatte im Nu ihren Ärger vergessen.

Sean und Carin setzten sich an einen kleinen Tisch und studierten die Speisekarte. Bald darauf wurden die Getränke serviert. Sean hatte einen Whiskey bestellt und Carin ein Glas Weißwein.

Der Abend wurde schöner, als Carin erwartet hatte. Sean war freundlich und zuvorkommend und ließ sich von seinem Groll während der Fahrt nichts mehr anmerken. Er brachte sie dazu, über sich, ihren Bruder und die Farm in Dorset zu reden. Sogar ihre unglückliche Beziehung zu Karl sprach er an.

“John hat mir nicht genau erzählt, was zwischen Ihnen und Ihrem Verlobten passiert ist. Warum haben Sie Schluss gemacht? Gab es einen anderen Mann?”

Carin verzog das Gesicht. “Typisch, dass Sie so denken würden. Karl hat mich betrogen. Das erste Mal habe ich ihm noch verziehen, aber beim zweiten Mal war der Ofen aus.”

“Sie haben ihm den Laufpass gegeben?”

“Das hätte ich allerdings sofort gleich beim ersten Mal tun sollen”, sagte Carin verbittert.

Als Karl Britt, er war neu in der Werbeagentur, Carin zum ersten Mal eingeladen hatte, mit ihm auszugehen, war sie außer sich vor Freude gewesen. Er sah sehr gut aus, und die Mädchen liefen ihm in Scharen hinterher. Umso erstaunter war sie, dass er sich ausgerechnet für sie interessierte. Es dauerte nicht lange, bis sie sich regelmäßig trafen, und schließlich machte Karl ihr einen Heiratsantrag.

Obwohl eine der Sekretärinnen Carin später anvertraute, Karl mit einer anderen Frau, Gwynneth Browning, gesehen zu haben, schlug sie die Warnung in den Wind. Gwynneth war eine rassige Rothaarige, die schon seit langem hinter Karl her war. Als Carin ihn auf sie ansprach, meinte er, er hätte das Mädchen nur über einen Kummer hinweggetröstet.

Naiv und blind vor Liebe, hatte Carin ihm geglaubt, bis sie ihn schließlich selbst mit ihr erwischte. Für Carin war es eine Katastrophe gewesen, doch anstatt die Beherrschung zu verlieren, hatte sie Karl ruhig und gefasst den Verlobungsring zurückgegeben und Schluss gemacht.

Sean hatte Carin aufmerksam beobachtet. “Und nach dieser Enttäuschung haben Sie beschlossen, nie wieder einem Mann zu vertrauen, nehme ich an.”

“Ich wäre ja verrückt, wenn ich es tun würde.”

Sean erzählte nichts über sich. Er sprach lediglich über seine Pläne in der Reitschule. Dabei füllte er Carins Weinglas mehrmals nach und lächelte ihr freundlich zu, aber über sein Privatleben schwieg er sich aus.

Carin ärgerte sich im Nachhinein, dass sie so leichtfertig aus dem Nähkästchen geplaudert hatte, während sie Sean kein Wort über seine Vergangenheit hatte entlocken können. Alles in allem genoss sie den Abend jedoch mehr als erwartet. Wenn Sean guter Laune war, konnte er ein sehr unterhaltsamer Gesprächspartner sein.

Auf dem Heimweg spürte Carin zum ersten Mal, dass der Alkohol ihr zu Kopf gestiegen war. Sie fühlte sich angenehm weinselig und entspannt, und als sie vor Johns Haus hielten, lud sie Sean spontan zu einer Tasse Kaffee ein. Carin fühlte sich so wohl in Seans Gesellschaft wie noch nie zuvor, und sie musste sich eingestehen, dass er doch nicht der Unmensch war, für den sie ihn gehalten hatte.

Sie hatte gerade den Schlüssel ins Schloss gesteckt, da hörte sie vom Wald her den Ruf einer Eule. Überrascht drehte Carin sich um und stieß prompt mit Sean zusammen. Er fasste sie an den Armen, und ein prickelnder Schauer überlief sie. “Hast du die Eule gehört?”, flüsterte sie und duzte Sean unwillkürlich. “Eulen sind meine Lieblingsvögel. Seit ich hier bin, habe ich noch keine gesehen.”

“Dem kann man abhelfen.” Sean ging zum Wagen zurück, zog eine Taschenlampe hinter dem Fahrersitz hervor und kam damit zurück. Dann standen sie mit angehaltenem Atem da und warteten gespannt. Als die Eule zum zweiten Mal rief, leuchtete Sean sofort in die Richtung, in der er sie vermutete. Der helle Schein der Lampe traf genau den Ast, auf dem die einsame Eule saß. Carin sah große, leuchtende Augen in einem runden, weißen Gesicht. Es war ein gespenstischer Anblick. Sekundenlang saß der Vogel wie erstarrt da, dann schwang er die Flügel und verschwand in der Dunkelheit.

“Das war fantastisch”, rief Carin begeistert, stellte sich auf die Zehenspitzen und gab Sean spontan einen Kuss auf die Wange. “Das war toll, Sean. Was für ein Glück, dass du die Taschenlampe hattest.”

Sean zögerte nicht lange. Er zog Carin an sich und küsste sie verlangend. Der Kuss war so leidenschaftlich und überwältigend, dass Carin all ihre Vorsätze vergaß. Sofort spürte sie heiße Erregung.

Während er seinen Kuss vertiefte, streichelte er sanft Carins Nacken und ließ dann die Hände langsam über ihre bloßen Arme gleiten. Carin schloss die Augen und stöhnte leise auf. Sosehr sie sich innerlich auch dagegen wehrte, sie konnte nichts gegen die wunderbaren Gefühle tun, die Seans Berührungen in ihr auslösten. Verlangend strich sie über seinen breiten Rücken und fuhr mit den Fingern durch sein dichtes dunkles Haar.

Schließlich ließ Sean sie los und sah in ihr erhitztes Gesicht. Ein spöttischer Zug umspielte seine Lippen. “Jetzt hast du endlich gezeigt, wie du wirklich bist, Carin. Und nun sollst du auch bekommen, was du willst.” Entschlossen hob er sie auf die Arme und trug sie ins Haus.

Carin schlug wild um sich. “Lass mich los, du gemeiner Kerl!”

Wie hatte sie nur so dumm sein können, Seans Kuss zu erwidern? Warum war es überhaupt so weit gekommen? Sie wusste ja, wohin das führen würde. Der Alkohol ist schuld, schoss es ihr durch den Kopf. Sean hat mich absichtlich beschwipst gemacht, um leichtes Spiel mit mir zu haben. Ich werde niemals mit ihm schlafen. Ein zweites Mal werde ich einen solchen Fehler nicht begehen.

Unbeirrt von ihrer Gegenwehr, trug Sean sie die Treppe hinauf und stieß mit dem Fuß die erstbeste Tür auf. Zu allem Unglück war es auch noch Carins Schlafzimmer. Dann ließ er sie aufs Bett fallen, und sie wartete verängstigt darauf, dass er sich nun die Kleider vom Leib reißen und über sie herfallen würde. Stattdessen aber lachte er nur laut auf. Es war ein heiseres, höhnisches Lachen, das Carin das Blut in den Adern gefrieren ließ.

“Du, Carin Lorimer, gehörst zu den Frauen, die einen Kerl erst heißmachen und dann einen Rückzieher machen, wenn es ernst wird”, sagte er verächtlich. “Das hätte ich mir denken können.”

“Das ist nicht wahr!”, protestierte Carin und richtete sich auf.

“Aber ich will dich trotzdem, Carin, und ich werde dich auch kriegen. Schon von Anfang an hat es zwischen uns geknistert. Zuerst wollte ich es nicht wahrhaben, aber jetzt kann ich meine Gefühle nicht länger unterdrücken.”

“Ich schlafe nicht mit verheirateten Männern”, zischte Carin erbost. Seans überraschendes Bekenntnis hatte ihr nur zu deutlich gezeigt, dass er nicht besser war als Karl. Er wollte nur ihren Körper. Er begehrte sie, sonst nichts.

Sean versteifte sich sofort, und eine dunkle Röte überzog sein Gesicht. Er ballte die Hände zu Fäusten, seine Augen schienen Feuer zu sprühen. Carin presste sich verängstigt gegen das Kissen. Doch dann drehte er sich unvermittelt um und ging hinaus.

Erneut hatte Sean überaus empfindlich reagiert, als Carin seine Frau erwähnt hatte. Carin musste einfach wissen, was zwischen den beiden vorgefallen war. Wie aber sollte sie es herausfinden, wenn Sean jedes Mal abblockte, sobald das Thema auf den Tisch kam?

Seans Kuss zu erwidern war ein schwerer Fehler gewesen. Von nun an musste sie vorsichtig sein. Auf keinen Fall durfte sie es zulassen, dass er sie nochmals küsste. Dass er sich von ihr angezogen fühlte, glaubte sie nicht. Das hatte er nur gesagt, weil er hoffte, sie würde sich ihm dann bereitwilliger hingeben.

Nach einer schlaflosen Nacht stand Carin früh auf und trank ein paar Tassen Kaffee. Essen konnte sie nichts. Mit Unbehagen sah sie dem Zusammentreffen mit Sean entgegen. Zuerst würde er im Büro erscheinen, um mit ihr den Tagesablauf zu besprechen. Vielleicht sollte sie sich einfach aus dem Staub machen? Aber das hatte auch keinen Sinn. Sie konnte ihm schließlich nicht ständig aus dem Weg gehen.

Sean verhielt sich jedoch ganz anders, als Carin erwartet hatte. Er erwähnte den letzten Abend mit keinem Wort. Überhaupt benahm er sich sehr merkwürdig. Er sprach nur über Geschäftliches und ging völlig unpersönlich mit ihr um. Wie kann er nach seinem gestrigen Geständnis nur so tun, als wäre nichts gewesen?, fragte sie sich verwirrt.

Auch in den nächsten Tagen änderte sich nichts. Seit John im Krankenhaus lag, hatten Carin und Sean pausenlos durchgearbeitet. Während sie sich sehr nach ein paar freien Tagen sehnte, schienen ihm die Strapazen absolut nichts auszumachen. Sie jedenfalls brauchte unbedingt etwas Entspannung. Wenigstens für kurze Zeit wollte sie Sean aus dem Weg gehen. So bat sie schließlich John um ein paar freie Tage, und er willigte sofort ein.

Wenig später kam Sean mit düsterer Miene aus dem Krankenhaus zurück. John war Carin zuvorgekommen und hatte Sean von ihrem Vorhaben erzählt. “Wenn du eine Pause brauchst, solltest du damit zu mir kommen und nicht zu John”, wies er Carin schroff zurecht. “Wie soll denn dein Bruder vom Krankenbett aus wissen, wie es hier läuft?”

“Es ist nicht gut, sieben Tage in der Woche zu arbeiten. Jeder Mensch braucht zwischendurch ein bisschen Entspannung”, verteidigte sich Carin.

Sean zog die Brauen hoch. “Vielleicht hast du damit sogar recht. Wir könnten uns ja zusammen freinehmen.”

“So habe ich das natürlich nicht gemeint”, erwiderte Carin ärgerlich.

“Aha, dir wird es wohl zu gefährlich. Hast du endlich gemerkt, dass ich lieber den Jäger spiele als die Beute?”

“So ein Unsinn!”

“Ich versuche nur, die Dinge ins rechte Licht zu rücken. Du willst mich immer noch, da bin ich sicher. Und dass ich dich seit Tagen links liegenlasse, macht dich ganz verrückt, nicht wahr? Deswegen willst du dir auch freinehmen, nämlich um mir aus dem Weg zu gehen.”

“Du bist ja völlig übergeschnappt!” Carin ballte die Hände zu Fäusten, und sie wurde rot vor Zorn. Sie wollte sich umdrehen, doch Sean packte sie am Handgelenk und riss sie an sich. “Nur habe ich mich damit leider selbst bestraft”, sagte er rau und senkte den Kopf, sodass ihre Gesichter sich fast berührten.

Carin versuchte sich loszureißen, doch es war zwecklos. Sean presste den Mund auf ihren und küsste sie leidenschaftlich und fordernd zugleich. Sofort fühlte Carin heißes Begehren in sich aufsteigen. Sean durfte es nicht merken! Diesmal nicht. Mit aller Kraft stemmte sie sich gegen ihn, bis plötzlich die Tür aufflog und ein verdutzter Stalljunge im Zimmer stand. Verlegen stammelte er ein paar Worte, drehte sich dann rasch wieder um und rannte davon.

Sean blitzte Carin drohend an. “Mir kannst du nichts vormachen, mein Schatz, mit deinem Rühr-mich-nicht-an-Gehabe. Ich werde schon noch zu meinem Vergnügen kommen, verlass dich drauf. Aber ein paar Tage freizunehmen ist gar keine schlechte Idee, wenn ich es mir recht überlege. Wie wär’s mit nächstem Wochenende? Wir suchen uns einen schönen Platz im Grünen, an dem wir völlig ungestört sind.”

“Nein! Ich will allein sein. Und außerdem können wir nicht beide gleichzeitig weggehen. Einer muss sich um die Farm kümmern.”

“Keine Angst, ich werde dafür sorgen, dass hier alles bestens organisiert ist. Wir werden sicher viel Spaß miteinander haben. Und jetzt will ich mal sehen, was der Junge vorhin wollte.”

Carin dachte nicht daran, mit Sean wegzufahren. Er kann mich schließlich nicht dazu zwingen, sagte sie sich wütend.

Am Nachmittag war alles ruhig auf dem Reiterhof. Sean war bei John im Krankenhaus, und die Pferde grasten friedlich auf der Koppel. Plötzlich klopfte es an der Bürotür. Carin öffnete und sah sich einer jungen Frau mit kastanienbraunem Haar gegenüber. Sie war wesentlich größer als Carin, etwa Mitte zwanzig und hatte ein sehr hübsches Gesicht.

“Ich suche Sean Savage”, sagte sie mit besorgt klingender Stimme. “Er arbeitet hier, hat man mir gesagt. Kann ich ihn bitte sprechen?”

“Leider nicht”, antwortete Carin. “Er ist im Krankenhaus, aber ich …”

“Um Himmels willen!”, stieß das Mädchen erschrocken aus. “Was ist mit ihm? Bitte, sagen Sie mir, wo er ist. Ich muss sofort zu ihm.”

“Oh nein, ihm ist nichts passiert”, beruhigte Carin sie sofort. “Er besucht nur meinen Bruder. Bestimmt wird er bald zurück sein. Wenn Sie möchten, können Sie hier auf ihn warten.”

Das Mädchen atmete erleichtert auf. “Gott sei Dank. Ich meine, es tut mir leid für Ihren Bruder, aber ich bin froh, dass es nicht Sean ist. Ach, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt”, entschuldigte sie sich. “Mein Name ist Stephanie Savage.”

Kaum hatte sie ihren Namen ausgesprochen, hörten sie schon Seans Schritte im Hof. Das Mädchen lief mit einem Freudenschrei auf ihn zu. “Oh Sean, ich habe mir solche Sorgen gemacht! Überall habe ich nach dir gesucht.”