DIE HOCHZEITSGÄSTE WAREN TANZENDE FLAMMEN,…
… und sie feierten das glänzendste aller Feste im Schloß aus buntem Wachs. Weithin leuchteten die durchscheinenden vielfarbigen Wände, die Türme, Tore und Fenster über das ganze nächtliche Land hin.
Da gab es aufgeplusterte goldene Flammen, die sich gravitätisch bewegten, und schlanke Silberzungen, die flink durcheinander schlüpften, es gab auch winzige Flämmchen, die allenthalben umherhüpften, und große stille Brände, die fast reglos an ihrem Ort verweilten. Manche waren blendend weiß, andere dunkelorange oder purpurrot. Auch gab es schwelende Flammen mit langen wehenden Qualmkapuzen, und da und dort sah man überaus ernste Kirchenlichter (wie man sie ja auf jedem bedeutenden Fest antrifft). Kurzum, es waren viele tausend Gäste, die zu der Hochzeit geladen waren, und ich war auch dabei.
Wir alle nährten unser feuriges Dasein aus dem bunten Wachs des Schlosses, wir zehrten es auf, verbrauchten es ohne Sorge und kleinliche Rücksicht, indem wir das Fest feierten. Zuerst schmolz natürlich das riesige Dach aus grünem Ziegelwachs, troff durch die Sparren und dicken schwarzen Kerzensäulen des Speichers, lief in zähen Bächen durch die Gemächer und Säle des obersten Stockwerks. Dann schmolzen auch dort die marmorierten Böden und flössen in bunten Kaskaden, Stalaktiten und Stalagmiten, Grotten und Zotten bildend, die Emporen und breiten Treppen hinunter. Je mehr das Gebäude sich verflüssigte, desto wilder und ausgelassener tanzten die Gäste, sie gerieten in wahre Freudenräusche, wurden zu Feuersbrünsten der Begeisterung, wirbelten in trunkenen Flammenreigen der Lust. Bald faßten sie sich an den Händen und liefen blitzgeschwind in langen Ketten durch Hallen und Gänge, bald drehten sie sich in Strudeln, dann wieder wiegten sie sich und glitten in Paaren umher, ineinanderzüngelnd, zu feierlichen Tangos und Sarabanden.
Zu Schneckengerinseln, Zapfen und bizarren Höhlen zerfließend, löste das Schloß sich nach und nach auf, verzehrt vom feurigen Festgelage. Und je mehr von der Substanz der wächsernen Wände und Architrave, Treppen und Säulenkolonaden schon in Licht und Feuer verwandelt war, desto weniger Flammen blieben noch übrig. Eine nach der anderen erlosch, trunken und satt und zu Ende gebrannt. Als schließlich der Morgen dämmerte, flackerten nur noch wenige Tänzer über einem See aus erstarrtem, vielfarbigem Wachs. Doch auch diese letzten Unermüdlichen sanken
nach und nach in sich zusammen, glitten noch einmal im Kreis herum und hörten dann auf zu sein. Die leichte Morgenbrise wehte noch eine kleine weiße Rauchfahne über die weite glatte Fläche fort. Dann war die Hochzeit zu Ende.
Ich war dabei. Und eines könnt ihr mir glauben: Es war bei Gott ein großartiges Fest!