Bergbauschiff Pegasus

SpaceNet Meldung

An: Raumüberwachung Lagoon 

Sendezeit: 18.02.2256, 15:42

Absender: Bergbauschiff Pegasus, Registernummer Lagoon 17

Priorität: Standard

Header: Automatische Statusmeldung Lagoon 17

Text: Alle Systeme funktionsfähig, Positions- und Kursvektor im Anhang


In der Kommandozentrale der mit 2500 kps systemauswärts fahrenden Pegasus herrschte wie in den vergangenen fünf Wochen Langeweile. Seit dem Verlassen den Umlaufbahn und des von der Raumüberwachung überwachten Bereiches war auf den Sensoren nichts mehr aufgetaucht. Nach dem Abschluss der Beschleunigungsphase herrschte  im Schiff außer in den Rotationsrad Schwerelosigkeit, da der Treibstoff für die Untersuchungen im äußern Asteroidengürtel und für die Rückreise aufgespart werden musste. Nur die astronomische Abteilung war beschäftigt mit den ersten teleskopischen Untersuchungen der äußeren Asteroiden beschäftigt.

Ruby McDorsen, die Leiterin des technischen Bereiches, lümmelte sich lässig in ihren Kontursessel in der Zentrale  und murrte:  „Wenn uns die Verkehrsleitzentrale eins von den neuen Schiffen mit dem Maxwellantrieb zugeteilt hätte, wären wir längst da. Wir bräuchten nicht wie eine lahme Schnecke hier rum schleichen!“ 

Astrogator Ralf Bergmann, der wachhabende Offizier der zweiten Wache, wiegelte wie in den letzten Tagen bestimmt schon Dutzend Mal ab: „Die neuen Schiffe werden aus ökonomischen Gründen zuerst auf den viel befahrenen Routen um Laguna und Yggdrasil eingesetzt.“ 

„Aber die Ressourcen für die Bewaffnung sind da! Gegen wen sollen die uns schützen? Die Wurmlochverbindung zu den anderen Welten der terranischen Föderation ist doch 2219 zusammengebrochen, als der Transferpunkt vernichtet wurde.“ 

„Aber es sind die ersten Schiffe, die fast die Lichtgeschwindigkeit erreichen können! Damit können wir die nächsten Sternsysteme ...“ Er brach ab, als das Intercom klingelte. Die astronomische Abteilung meldete sich. „Wir haben da eine merkwürdige Strahlungssignatur in zwei Lichtstunden Entfernung entdeckt.“ 

„Ist eine Identifizierung schon möglich?“ fragte Ralf. Ruby McDorsen richtete sich interessiert auf und schaltete ihr Terminal auf die Daten der astronomischen Messinstrumente. Ein Blick genügte ihr. „Für mich sieht das aus wie der Plasmaausstoß von einem überlasteten Fusionstriebwerk.“ 

Ralf sah sie erstaunt an. „Es gibt niemanden hier draußen außer uns.“ 

Der Astronom meldete sich wieder. „Auch die Analyse des Computers behauptet, dass es sich um viele Fusionstriebwerke  handelt. Er hat bisher 50 einzelne Strahlungsquellen identifiziert, vermutlich werden es noch etliche mehr werden. Anhand der Daten  behauptet er, dass die Quellen mit 1500 kps systemeinwärts mit etwa zwei Gravos beschleunigen! Und nach dem  Strahlungsausstoß zu urteilen, sind es wesentlich leistungsfähigere Triebwerke, als wir sie kennen!“ 

Ralf drückte den Zentralruf am Intercom. „Kapitän in die Zentrale“ klang es aus allen Bordlautsprechern. Nach kurzer Zeit öffnete sich das Brückenschott und Kapitän Jack Ryan schwebte herein zu seinem Sessel. Er gurtete sich an. „Was ist los?“ fragte er erstaunt, denn normalerweise konnten und sollten auf derartigen Missionen die Wachoffiziere die auftretenden Probleme selbst lösen. 

„Wir haben eine unbekannte Flotte in zwei Lichtstunden Entfernung, Kurs systemeinwärts!“ 

Jack überwand sein Erstaunen und reagierte. „Dann werden wir unsere Mission mal abbrechen. Das hier ist wichtiger! Astrogator, berechnen Sie einen Annäherungskurs mit einer Minimaldistanz von 20000 km. Danach schicken Sie alle erfassten Daten über SpaceNet nach Laguna. Mehr als 50 Schiffe sieht für mich nicht unbedingt nach einem Freundschaftsbesuch aus!“

„Kapitän, selbst wenn wir mit maximaler Leistung bremsen, können die Fremden höher beschleunigen und an uns vorbei ziehen. Das wäre dann in vier Tagen.“ 

„Schlecht...“ brummte Jack. „Aber das muss dann reichen. Geben Sie Beschleunigungsalarm mit zehn Minuten Vorwarnung.“ 

Der Sirenenton des Beschleunigungsalarms hallte durch die Pegasus. „Vorbereiten auf Maximalbeschleunigung in 10 Minuten!“ tönte es aus den Lautsprechern der Bordsprechanlage. Ruby McDorsen war bereits mit dem Hochfahren des Triebwerkshilfsaggregate beschäftigt, fand dabei aber immer noch Zeit zum Murren. „Höchstbeschleunigung! Das sind bei unserm Eimer doch nur zwei Gravos!“ 

Ihre Hände schalteten dabei weiter emsig das Triebwerk auf Bereitschaft sowie das Rotationsrad auf Stillstand. Nach sieben Minuten war das leichte, nach Woche der Reise nur noch unterbewusst wahrgenommene Pfeifen des Rotationsrades verstummt. Dafür war im gesamten Schiffsrumpf jetzt das Vibrieren und Brummen der Treibstoffpumpen und der anderen Hilfsaggregate zu spüren. „Kapitän! Rotationsrad gesichert, Triebwerk klar für Maximalschub.“ meldete sie. Der Wachhabende Offizier bestätigte: „Alle Stationen haben Bereitschaft für Maximalbeschleunigung gemeldet. Kurs ist eingegeben. Startklar, Sir!“

Der Kapitän befahl: „Ausführung!“

Das leise Summen der Hilfsaggregate wurde übertönt von dem Donnern des zündenden Haupttriebwerkes. Die Mannschaft der Pegasus wurde mit dem doppelten ihres normalen Körpergewichtes in ihre Kontursessel gepresst.

Der Kapitän sagte über die Bordsprechanlage: „Für die nächsten 60 Stunden werden wir diese Beschleunigung beibehalten. Danach werden wir die Reaktion der Fremden beobachten und entsprechen reagieren!“ 

Die gesamte Besatzung stöhnte, denn wenn auch die zwei Gravos nicht unerträglich waren, so schränkte sie doch die Bewegungsmöglichkeiten stark ein. „Und in der Zwischenzeit werden  sich alle Gedanken machen, wie wir Kontakt aufnehmen können. Auch unkonventionelle Einfälle sind gefragt, vielleicht fällt unseren Science Fiction Lesern etwas Geniales ein!“ 

In den nächsten Tagen einigte man sich auf eine erste Kontaktbotschaft mit mathematischen Folgen. Danach wollte man es mit einem einfachen Fernsehbild im schwarzweißen Format versuchen. Währenddessen stellte man die genaue Zahl der fremden Schiffe fest. Es waren 64! Außer den Plasmaausstoß ihrer Triebwerke wurden keine weiteren Ausstrahlungen festgestellt.

„Also entweder haben die sehr gute Teleskope oder sie wollen nicht entdeckt werden!“ unkte Ruby. 

Nachdem die 60 Stunden mit doppelter Schwerkraft vergangen und das Triebwerk wieder verstummt war, wurden weitere Kursanpassungen bei geringerer Beschleunigung gefahren. Schließlich ließ der Kapitän aus Sicherheitsgründen die gesamte Mannschaft in die Raumanzüge steigen und alle Positionen doppelt besetzen. Das Astrogatorenteam meldete: „Entfernung fünfzig Millionen km, Passiergeschwindigkeit 5 kps, minimaler Abstand 20000 km in zwei Stunden und 22 Minuten.“ 

Der Kapitän ließ die erste vorbereitete Nachricht senden und sagte: „Lassen sie alle von den Sensoren erfassten Daten über SpaceNet an Laguna übermitteln. Und, Ruby, lassen sie aus Sicherheitsgründen das Triebwerk in Bereitschaft, vielleicht müssen wir ganz schnell hier verschwinden!“ 

Knapp 3 Minuten, nachdem das Kontaktteam die erste Sendung auf mehreren Frequenzen abgeschickt hatte, meldete es: „Jetzt müssten sie unsere Nachricht empfangen haben.“ Die Sekunden vertickten, die Spannung im Schiff stieg, doch von den Fremden kam keinerlei Antwortsignal. 

Ruby hatte sich zusätzlich zu den Maschinenanzeigen der Pegasus ein vergrößertes Bild eines fremden Schiffes auf ihre Konsole gelegt und studierte es aufmerksam. „Kapitän, soweit ich es hier sehen kann, sind deren Fusionstriebwerke genau wie unsere nicht verkleidet, man kann sie deshalb relativ genau analysieren. Die Magnetfeldstärke ist wesentlich höher als bei uns, deshalb werden sie auch einen höheren Wirkungsgrad haben. Die Magnetspulen scheinen wie gewöhnlich aus Supraleitern zu sein, für die höheren Feldstärken scheinen sie bessere Legierungen zu verwenden. Aber was mir Sorgen macht, sind die Aufbauten an diesen Stellen.“ 

Sie markierte sie elektronisch auf ihrem Bild und schickte es über das interne Netzwerk auf die Kommandantenkonsole. „Das scheinen starke Laser zu sein, und diese Öffnungen...“ Sie markierte verschieden Stellen. „Ich verwette meine nächsten drei Urlaube, wenn das keine Abschussvorrichtungen für Raketen oder Torpedos sind! Also für mich...sind das Kriegsschiffe!“ 

In der Zwischenzeit war die Entfernung auf unter eine Million km gesunken, eine Antwort auf die ausgesendeten Signale war nicht empfangen worden. Plötzlich meldete die astronomische Abteilung den Empfang starker Radiowellen. „Sieht aus wie ein Langstreckenradar!“ „Ralf, programmieren Sie vorsichtshalber einen Fluchtkurs. Aber warten Sie mit der Ausführung auf mein Kommando!“ 

Jack glaubte immer noch nicht an feindliche Aktivitäten, weil alle Simulationen in den vergangenen Jahrhunderten die Unwirtschaftlichkeit solcher Aktivitäten erwiesen hatten. Aber er hatte nicht umsonst seit Jahrzehnten als Raumfahrer überlebt, weil er unvorsichtig war. Die Entfernung sank weiter. Als der Abstand zu den Fremden auf etwa 150000 km gesunken war, kam ein Alarmruf von der Astronomie. „Moduswechsel bei der Radarausstrahlung! Sieht aus wie eine Umschaltung auf einen Zielsuchstrahl!“ 

Jack wurde unsicher. „Läuft die Datenübertragung nach Laguna noch?“ „Ja Sir, alle Daten gehen über die Laserverbindung raus. Was auch hier passiert, Laguna bekommt alle Daten mit!“ „Bisher noch keine Reaktion auf unsere Botschaft?“ 

Jack klammerte sich an seine Hoffnung auf einen friedlichen Kontakt. Bei 85000 km kam von der computerüberwachten Radaranlage ein lautes Alarmsignal. Der Computer meldete: „64 neue Flugkörper im Anflug! Beschleunigung über 50 Gravos.“ 

Sofort ordnete Ralf an, den Fluchtkurs zu aktivieren. Ruby versuchte, alles aus ihren Maschinen herauszuholen. Noch nie hatte die Pegasus eine derartige Beschleunigung erreicht, doch der Computer meldete leidenschaftslos. „Einschlag in 580 Sekunden.“ Ruby hatte einen Einfall. „Wenn wir das Schiff so steuern, das die Triebwerksflamme sie verdampft?“ 

Jack stöhnte unter dem Druck der Beschleunigung. „Versuchen Sie es, obwohl Sie bestimmt nicht alle erwischen werden!“

Ruby und Ralf ließen die Pegasus in wilden Manövern schwenken, damit die Triebwerksflamme möglichst viele Raketen bestrahlen konnte. Aber erst als der Abstand zu den Raketen unter 500 km sank, zeigten sich erste Erfolge ihrer Manöver. Die ersten Gefechtsköpfe der ankommenden Raketen zündeten unter der Strahlungshitze des Fusionstriebwerkes und rissen dabei Dutzende ihrer Kameraden mit in den feurigen Tod. Aber es reichte nicht. Die ersten einschlagenden Raketen explodierten mit 20 Kilotonnen unmittelbar neben der Pegasus. Das Triebwerk fiel als erstes aus, als die Ablenkspulen verdampft wurden. Sofort taumelte die Pegasus schwerelos durch den Raum. Die Alarmsirenen der Strahlungsmesser ließen den ersten Ton hören, als auch schon die gesamte Elektronik ausfiel. Und immer noch kamen Raketen angeflogen. Die Pegasus verwandelte sich mit ihrer gesamten Besatzung in eine ausdehnende Gaswolke, in der noch die letzten anfliegenden Raketen ihre Energie sinnlos verschwendeten.