Meine Hunde betteln nicht! — oder die Diebe
War in einer der vorigen Geschichten von den absonderlichen Freßgewohnheiten unserer Hunde die Rede, so will ich hier doch einmal eine Lanze für unsere ach so gut erzogenen Hunde brechen.
Einer der wichtigsten Punkte in unseren Erziehungsbemühungen schon in frühester Jugendzeit war immer, daß unsere Hunde dazu angehalten wurden, beim Essen der Familie entweder gar nicht anwesend zu sein, oder so zu tun, als seien sie nicht anwesend. Denn Hunde, die beim Essen betteln, waren uns schon immer ein Greuel.
Wie sie weinerlich jammernd oder fiepend die Pfoten auf das Seidenkleid legen und mit ihren sanften Augen um ein Krümlein vom Tische des Herrn betteln, oder wie sie hungrig die Augen rollen bei jedem Bissen, den man sich mit schlechtem Gewissen zu Munde führt, das bricht einem doch fast das Herz. Selbst die besten Vorsätze schwinden dahin.
Daher haben wir versucht, uns gar nicht erst in diese Seelenpein zu begeben, sondern haben zeitig mit eindeutigem Fingerzeig und Knurren unser Essen verteidigt.
Deshalb können wir auch jetzt wie fast alle Hundebesitzer stolz sagen: „Unsere Hunde betteln nicht!“
Solcherart erzogene Hunde sind natürlich auch bei Verwandten- und Bekanntenbesuchen erwünschte Gäste, und wir nehmen sie daher auch überall hin mit.
So auch kürzlich zu einer Geburtstagsfeier im benachbarten Belgien. Nach dem Mittagessen saß man gemütlich zusammen in der guten Stube, unsere Hunde waren im Garten, als es anfing zu regnen, und ich sie in den Hausflur hereinließ, damit sie dort ihr wohlverdientes Mittagsschläfchen machen konnten. Sie zeigten keinerlei Unruhe oder schelmisches Zucken in den Augenwinkeln, als ich sie dort mit einem „brav Platz“ zurückließ. Die Zeit verging, und das Geburtstagskaffeetrinken rückte näher.
Zwischendurch ging meine Frau einmal hinaus in den Flur, um nach den Guten zu sehen. Mit schreckensbleichem Gesicht kam sie zurück und zeigte mir mit nervösem Kopfzucken an, ich solle mal schnell in den Flur sehen.
Als ich mich diskret hinausgeschlichen hatte, wurde mir auch fast schlecht. Unsere Hunde waren noch viel weißer im Gesicht als meine Frau. Schnauze, Nase, Lefzen, Hängeohren, alles war ganz weiß. Aber sonst schienen sie ganz in Ordnung, denn sie lagen auf ihren dicken Bäuchen zusammengeringelt und taten so, als schliefen sie tief und fest.
Ich nahm einen „Abstrich“ an Danny’s Behang und roch daran, um die weiße Masse zu analysieren. Mir schwante Furchtbares. Im gleichen Moment hörte ich weiter hinten im Flur einen markerschütternden Schrei. Ich folgte den weißen Tapsen auf dem Fußboden und kam nach hinten, wo Tante Maria die spärlichen Reste einer Geburtstagstorte in den Händen hielt.
Sie hatte diese, da im Kühlschrank kein Platz mehr war, auf den kühlen Treppenabsatz oberhalb des Hausflures gestellt und wollte sie soeben auftragen. Sie war stumm vor Wut und brachte nach einiger Zeit endlich mit zitternden Lippen hervor: „Diese Diebe!“
Es wurde für uns eine recht peinliche Geburtstagsfeier, obwohl alle es mit relativ viel Humor aufnahmen.
Als wir uns mit unseren sich dauernd genüßlich leckenden Hunden verabschiedeten, kam Tante Maria hinterhergelaufen mit einer kleinen Tüte in der Hand und sagte, das wäre der Rest für unsere Hunde.
Aber eingeladen wurden wir dort nicht mehr mit unseren gut erzogenen Hunden. Sie betteln zwar nicht — aber sie klauen!
Ähnlich erging es uns eines Tages, als wir in unserem Innenhof ein kleines Grillfest veranstalteten. Das Fleisch und die Würstchen lagen gerade gut auf dem Grill, als es mit Blitzen und Donnern anfing, Bäche zu gießen.
Schnell versuchten wir, alles zu retten, und in gemeinsamer Aktion wurden Stühle, Kissen, Geschirr, Kerzen und Lampions gegriffen und in unseren Barkeller getragen.
Als Gastgeber hatten wir alle Hände voll zu tun, um es den Gästen schnell wieder gemütlich zu machen. Ich hatte gerade den Plattenspieler wieder angeschlossen und ging raus, um nochmal nach dem Fleisch auf dem Grill zu sehen. Aber der Grill war abgeräumt, und ich dachte, Gesine, meine Frau, hätte es runtergenommen, um es im Küchenherd weiterzugrillen.
Dann sah ich nochmal schnell nach den Hunden. Aber die lagen gemütlich im offenen Zwinger und schienen sich aus dem Gewitter nicht viel zu machen. Beruhigt ging ich hinein und versuchte, die innere Trockenheit zu verscheuchen.
Derweil war Gesine rausgegangen (wir haben eine verwirrende Zahl von Ein- und Ausgängen zum Innenhof), hatte gesehen, daß ich Fleisch und Würstchen schon versorgt hatte, und hatte sich ebenfalls beruhigt zu den Gästen gesetzt.
Einer von diesen bekam jedoch nach einiger Zeit Hunger und fragte: „Was ist eigentlich mit dem Fleisch?“
Wir sahen uns an, denn es mußte schon längst gar sein.
„Du hast doch...“
„Hast du nicht?“
Nichts wie raus in den Zwinger, und da sahen wir die Bescherung, beziehungsweise den Rest der Bescherung: ein paar kleine Knöchelchen und natürlich unsere braven Hunde, die sich schwanzwedelnd für die gute Extramahlzeit bedankten.
Wir haben geschimpft wie die Rohrspatzen, für Danny und Dolly jedoch völlig unverständlich, denn „unbewachtes Fleisch im Freien ist unser Eigentum!“
Zum Glück hatten wir noch etwas in der Truhe, so daß nach einigem Warten doch noch alle satt geworden sind. Aber seither werden die Hunde beim Grillen eingesperrt.