Körperpflege — oder „naturbelassen“
Als wir am Anfang unserer Hundelaufbahn noch blutige Laien waren, hatten wir keinerlei Vorstellung von den mannigfachen Möglichkeiten der Betätigung, die ein Hundekörper bietet.
„Ein gesunder Hund, der ordentlich und sauber gehalten wird, pflegt sich selbst und bedarf keiner Schaumbäder und Duftsprays“, so hatte uns einmal ein alter Hundemensch gesagt, und wir hielten das für recht vernünftig.
Aber weit gefehlt, als wir uns später durch die renommierte Hundeliteratur arbeiteten, bekamen wir ein schlechtes Gewissen. Nägelschneiden, Zähneputzen, Ohrenwischen, Analdrüsen ausdrücken, hier ein Bad, dort eine Spülung, Bürsten, Trimmen, Schnippeln und Frisieren.
Also zunächst einmal ab in die Badewanne, ihr schmutzigen Hunde! „Ob es wohl mit beiden zusammen geht?“, unmöglich, einer entfleuchte immer mit dem Handtuch in der Schnauze. Also einzeln! „Ob wir Schampoo nehmen oder Seife?“ Na, erst mal nur mit Wasser versuchen. „Du hältst fest, und ich brause ihn ab!“ Das Ergebnis war entmutigend: Herrchen und Frauchen waren naß bis auf die Haut, Badewanne zerkratzt, Badezimmer unter Wasser, Handtuch zerrissen. Die Hunde sahen sehr unbehaglich und fremd aus, aber sie waren jetzt sauber!
Nach dieser Prozedur, die von den Kindern hämisch belächelt und entsprechend kommentiert wurde, sind wir standhaft bei unserer Meinung geblieben, daß ein tüchtiger Regenguß noch immer die beste Dusche für einen Hund ist. Wir haben uns zukünftig darauf beschränkt, den Hunden bei wirklichem Dreckswetter in der Waschküche die Pfoten mit dem Schlauch abzuspritzen. Inzwischen wissen wir natürlich auch, was wir bei unserem Bade falsch gemacht haben und warum es für uns und die Hunde zu einer solch negativen Erfahrung kommen mußte: Wir haben vergessen, die Hunde anschließend zu föhnen!
Wir wurden dann im weiteren Verlauf unserer „Hundeentwicklung“ in unserer Zufriedenheit mit unseren ungepflegten und schmutzigen
Jagdhunden bestärkt, als wir die ersten Hundeausstellungen besuchten. Dort konnten wir, wie an anderer Stelle schon beschrieben, den Umgang mit Kamm, Bürste, Puderquaste, Eyeliner und Schleifchen ausgiebig beobachten. Auch unsere Hunde wandten sich mit Grausen ab.
Als wir jedoch wegen unserer Zuchtziele selber gezwungen waren, unsere Hunde auszustellen, wurden wir wiederum eines Besseren belehrt. Es ist wie bei den Menschen, die Körperpflege dient nicht nur der Sauberkeit, sondern vor allem auch der Schönheit.
Was das Haaren der Hunde anbetrifft, so hatten wir inzwischen wohl auch gemerkt, daß alle unsere Besucher, die mit dunkler Kleidung aus einem von unseren Sesseln aufstanden, anschließend von hinten recht hell und haarig aussahen. Einige von ihnen sind dann auch nicht mehr zu Besuch gekommen.
Erfahrene Züchter nehmen diese Tatsache, wie wir gehört haben, mit Vorliebe als „Welpenkäufertest“. Wenn der potentielle Käufer trotz haariger Kleidung und, nachdem er von Hunden, die vorher durch eine Pfütze geführt wurden, angesprungen wurde, noch immer auf dem Kauf eines Welpen besteht, dann hat der Hund eine echte Chance, es bei seinem zukünftigen Herrchen oder Frauchen gut zu haben. Zurück zu unserer Hundepflege: Es ist eine Tatsache, daß Hunde, so wie unsere, die viel draußen gehalten werden, nur zweimal pro Jahr einen richtigen Haarwechsel durchmachen. Wenn man sie dann drei, vier Tage richtig durchbürstet, ist die Sache schon fast erledigt. Interessant ist jedoch, wie verschieden jeder einzelne Hund auf das Bürsten reagiert.
Daffke, unser Rüde, legt sich lang hin, schließt genüßlich die Augen und ergeht sich während der Behandlung — sein Äußeres läßt darauf schließen — in sehr angenehmen Phantasien.
Diane, unsere junge Hündin, läßt sich auf den Rücken fallen und möchte ständig nur den Bauch gebürstet haben, wobei sie furchtbar lacht und mit dem linken Hinterlauf zuckt, weil es doch so kitzelt. Danny dagegen muß krampfhaft festgehalten werden und jammert, als wolle man ihr das Fell vom Leibe ziehen.
Was jedoch allen Dreien gleich viel Spaß macht: sind sie fertig und glänzen und strahlen nur so, dann geht’s ab zur nächsten Pfütze oder zum nächsten Maulwurfshaufen, um sich erst mal tüchtig zu wälzen. Wenn man mehr als einen Hund hat, kann man sich das Ohrenputzen fast ganz sparen. Denn die Hunde halten sich dann selbst sauber. Die Mutter Natur hat es offensichtlich so gut eingerichtet, daß Ohrenschmalz für die Hunde einen so angenehmen Geschmack hat, daß unsere Hunde sich diesen allabendlich gegenseitig als Betthupferl vor dem Schlafen gönnen.
Schlimmer trifft es mich da schon beim Nägelschneiden, was wir jeweils zehn Tage vor Ausstellungen vornehmen, wenn die Nägel nicht genügend abgelaufen sind, damit die im Standard beschriebenen schönen „Katzenpfoten“ richtig zur Geltung kommen. Regelmäßig drücke ich mich erst mal einige Tage vor diesem Drama, daß stets mit Heulen und Zähneknirschen abläuft. Wenn ich dann jedoch, allen Mut zusammengenommen, eines Abends mit der Nagelschere erscheine und grimmig entschlossen bin, dann sind plötzlich alle Hunde verschwunden. In irgendwelchen Ecken liegen sie versteckt und haben alle vier Pfoten unter sich gezogen, um zu beweisen, daß sie überhaupt keine Nägel an den Pfoten haben.
Meist komme ich mir dann vor wie beim Zahnarzt. Ich setze mich in einen Sessel, die „Zange“ hinter mir verborgen und lasse mir von Frauchen die einzelnen Patienten anreichen, um sie dann unter dem linken Arm einzuklemmen und schnell eine Pfote nach der anderen zu behandeln. Da hilft kein Strampeln und kein Zetern. Meist bin ich nach dieser Behandlung schweißgebadet und brauche erst mal eine geistige Stärkung, während die Drei die Funktion ihrer frisch geschnittenen Krallen an meiner Hose oder am Sofa überprüfen.
Ich erinnere mich, daß ich als kleiner Junge auch immer ein furchtbares Theater gemacht habe, wenn eine meiner großen Schwestern mir die Fingernägel schneiden wollte. Irgendwann hatten sie mal ein Stückchen zu weit geschnitten.
Aber die Grundsteine zu Fehlverhalten werden sowohl beim Menschen als auch beim Hund sowieso meist in der Jugend gelegt.
Obwohl wir uns bei einem unserer Hunde, dem Weltjugendsieger (da sieht man, wohin das führen kann), sogar zum Trimmen der etwas zu dicken Halswamme haben hinreißen lassen, haben wir uns bisher erfolgreich gegen das Beschneiden von Schwanz und anderen Körperteilen mit der Schere gewehrt.
Den Beweis, daß unsere Hunde trotz der von der Umwelt erzwungenen Körperpflege doch noch einigermaßen „naturbelassen“ sind, haben wir auf besagter Weltausstellung geliefert, als Daffke, wie wir hinterher feststellen mußten, mit einer Zecke unter dem Ohr Weltsieger geworden ist. Der Richter hatte es nicht einmal bemerkt.
Facit: Alles mit Maßen und nicht so todernst nehmen!