Züchter sein dagegen sehr ... — oder der Karnevalsscherz
Auf die Idee, Beagles selber zu züchten, kamen wir durch ein recht unerfreuliches Ereignis. Eine von unseren beiden Beaglehündinnen, Dolly, wurde eines Tages leider erschossen aufgefunden, und die andere Hündin, Danny, trauerte wochenlang so herzzerreißend, daß wir davon überzeugt waren, mit einer Hündin allein nicht weiterleben zu können. Wir hofften, Danny und uns selber mit einem eigenen Wurf über den Kummer hinwegtrösten zu können.
Als Hundeliebhaber, jedoch als züchterischer Laie, stellt man sich vor, daß man sich nur einen Rüden der gleichen Rasse zu besorgen braucht, um damit den Nachwuchs zu produzieren.
Aber halt! Vor den Erfolg setzen die Zuchtvereine viel Arbeit, Schweiß und Geld. Denn, um mit einem Hund anerkannt züchten zu können, muß man Vereinsmitglied sein, Gesundheitszeugnisse herbeischaffen, Prüfungen und Ausstellungen erfolgreich absolvieren und außerdem einen anerkannten Zwingernamen geschützt bekommen — natürlich alles gegen Gebühren —. Das heißt also, aus unserer schnellen Deckplanung zum Trost für Hund, Herrchen und Frauchen konnte nichts werden.
Wir wußten ja noch nicht einmal, was Einfachstzucht, Registrierzucht, Ahnentafelzucht, Körzucht oder Leistungszucht ist; wie kann man da?
Gründlich und dickköpfig, wie wir und die Beagles sind, wurde dann also ein Jahr lang gebüffelt, geprüft, ausgestellt, bis wir uns schon fast selber für zuchttauglich hielten und unsere Kinder über Vernachlässigung klagten.
Alle erdenklichen Bücher wurden gewälzt und sorgfältig durchgearbeitet. Die jeweiligen Kapitel „Der Deckakt“ konnten wir schon fast auswendig, als es endlich soweit war, daß wir die mit allen notwendigen Papieren ausgestattete zuchttaugliche Hündin dem mit allen notwendigen Papieren ausgestatteten und zuchttauglichen Rüden zuführen konnten.
Dies geschah zweimal, und, obwohl der Rüde nicht gehangen hatte, waren wir der Überzeugung, daß wir durch unser Festhalten, Schieben, Drücken, Ziehen und gutes Zureden alles Notwendige getan hatten, um die Hochzeit erfolgreich zu gestalten. Auch der Rüde meinte anschließend, er habe mehr als seine Pflicht getan und fiel müde in sich zusammen. Über die Feinheiten des Deckens soll jedoch noch an anderer Stelle ausführlich berichtet werden.
Nach einiger Zeit entsprach Danny’s Bauchumfang und ihr mürrisches Wesen unserer guten Hoffnung. Vor allem ihr unendlich gesegneter Appetit machte uns sicher (laß sie doch, sie muß ja auch für Sieben fressen!).
Wir begannen nun, die Kapitel „Geburt“ und „Welpen“ auswendig zu lernen. Besonders die in allen Büchern verschieden geschilderten furchtbaren Komplikationen, die eventuell eintreten könnten, erfüllten uns mit Angst und Sorge. Täglich wurde repetiert, was man wohl täte, wenn dies und jenes einträte, oder was man wohl besser nicht täte, wenn dies und jenes vielleicht nicht einträte oder vielleicht zum falschen Zeitpunkt ein träte. Kurz gesagt, um die Geburt unserer Kinder haben wir uns vorher weniger Gedanken gemacht als um die bevorstehende Niederkunft unserer Hündin.
Später dann spürten wir auch schon Bewegungen, die immer stärker wurden — besonders wenn die Hündin gut gefressen hatte.
Es wurde mit Fleiß und Liebe eine Wurfkiste gebaut, und so mancher Abend ging vorbei mit der Suche nach passenden Namen für mindestens sieben bis acht Welpen, denn Danny’s Leibesfülle ließ diesen Optimismus zu.
Das vorausberechnete Datum für das große Ereignis war der Karnevalsfreitag, an dem wir schon traditionell immer unsere berühmte Karnevalsparty feiern.
Absagen konnten und wollten wir nicht mehr, aber es wurde alles sorgfältig vorbereitet mit sauberen Tüchern, Spritzen, Schere, Calcium und anderen furchtbaren Sachen. Ansonsten nahmen wir uns vor, einigermaßen nüchtern zu bleiben, um Danny in ihrer schweren Stunde hilfreich zur Seite stehen zu können.
Der Abend nahte, und Danny scharrte und hechelte so, daß die eintreffenden Gäste, die alle über die Geburtstagsparty informiert waren, sich Sorgen und Vorwürfe machten. In bunten Kostümen, kaum zu erkennen, liefen wir, meist von einem Teil unserer nicht minder
närrischen Gäste begleitet, die ganze Nacht treppauf und treppab. Wir übten im langsam doch leicht benebelten Geist nochmals alle Handgriffe — jedoch es tat sich in dieser Nacht überhaupt nichts, und Danny wandte sich jedesmal mit Grausen ab, wenn sie uns in den Kostümen sah, und fing dann wieder an zu hecheln.
Am nächsten Tag riefen wir den Arzt an — zur Karnevalszeit kein leichtes Unterfangen - und der riet uns, doch noch einige Tage zu warten, das sei völlig normal.
Am Rosenmontag hatten wir aber keine Ruhe mehr, zumal alle unsere Gäste vom Freitag sich stündlich meldeten und immer fragten: Wieviele?
Der Arzt kam also und war sich nach einer gründlichen Untersuchung, die Danny nur widerwillig über sich ergehen ließ, über absolut garnichts im Klaren: „Eins, oder auch zwei, oder auch garnichts? Mal abwarten.“
Wir waren enttäuscht, wie man nur enttäuscht sein kann, wenn man Sechsundsechzig Tage nur auf das Eine gewartet hat. Dabei hatten wir doch so gut gelernt!
Nachdem an diesem Abend Danny gut eingeschlafen war, haben wir uns dann doch noch beim Rosenmontagsball getröstet, auch wenn dort alle unsere Bekannten fragten: „Wieviel sind es denn nun wirklich?”
Als wir am frühen Morgen nach Hause wanderten und zur Tür hereinkamen, kam uns Danny schon wesentlich dünner vor.
Das also war unsere erste Züchtererfahrung — eine Scheinträchtigkeit zu Karneval.