Kzu’ul hetzte durch die verschneite Winterlandschaft, heißem Schweiß eines warmen Körpers folgend. Er befand sich auf der Jagd und das Warme, welches dort vor ihm zu fliehen versuchte, roch bereits erschöpft. Seine Schweißfährte roch säuerlich und intensiv, sie sprach die Sinne des Jägers voll an und aktivierte den Hatztrieb. Der mächtige Struggler beendete die Pirsch und rannte auf seinen außergewöhnlich muskulösen Beinen durch den hüfthohen Schnee, als handele es sich bei dem Weiß um morgendliche Nebelfetzen.
Stoßweise schnaufte er die Luft aus seinen zu Nüstern erweiterten Nasenlöchern, nicht um zu atmen, sondern um die Moleküle der feinen Duftspur, welche die Beute hinterließ, an seine Geruchsrezeptoren zu führen. Er fühlte keine Erschöpfung, nicht den Frost, der ihn umgab, es verlangte seine Lungen nicht nach Sauerstoff, um diesen als Brennstoff zu nutzen. Seine Physiognomie war eine völlig andere. Die in Lichtenergie umgewandelte Nahrung, die neuerdings immer öfter in warmem Zustand geliefert wurde, verschaffte ihm riesige Kräfte. Mit großen Sprüngen verkürzte er die Distanz zu einer dichten, blattlosen Baumgruppe, in die sich seine Beute, die begehrte Atzung, geflüchtet hatte.
Als er sich dem Gestrüpp näherte, konnte er ein Bild von der Jagdbeute empfangen, indem er ihre Wärme ortete und in sein optisches System projizierte. Dort erschien ein brusthohes, vierbeiniges Wesen als roter Schemen, in dessen Mitte ein leuchtend roter Punkt pulsierte. Dort lag das Zentrum des Warmen, die Pumpe, welche den warmen, roten Saft stoßweise durch den gesamten Körper förderte. Dies war sein Ziel. Diesen zuckenden Muskel wollte er in seinem Schlund wissen, den roten Saft trinken, noch ehe er erkaltete und einen Teil der Lichtenergie einbüßte, nach der es ihn so stark gelüstete.
Das Wesen, das er jagte, bemerkte den Angreifer nun und gab ein seltsam hohl klingendes Brüllen von sich. Dann hetzte es los und brach lautstark durch das Unterholz im Versuch, dem Unvermeidlichen zu entkommen. Mit wenigen großen Sprüngen hatte Kzu’ul das Wesen erreicht und warf seinen Körper gegen den des Beutewesens, das ihm in Bezug auf Körpermasse durchaus ebenbürtig war. Das Wesen strauchelte und fiel auf die Seite. Es landete in einer Schneewehe. Mit einem Arm holte der Struggler weit aus und hieb auf die Brust des Wesens. Seine geballte Faust durchschlug den aus starken Rippen gebildeten Brustkorb und die Hand des Jägers griff in das Gekröse. Sie umfasste den zuckenden Pumpenmuskel und riss ihn mit einem Ruck heraus. Gierig stopfte Kzu’ul sich das noch immer zuckende Organ in sein breites Maul und verschlang es in einem Stück. Dann setzte er seine schwülstigen Lippen auf die Wunde und saugte den warmen, roten Saft heraus, während das Beutewesen noch zuckte, mit den Gliedern im Schnee ruderte und erbärmlich schrie.
Kzu’ul fühlte, wie das Warme Licht, das der rote Saft transportierte, ihn sofort mit neuer Kraft erfüllte, ihn neu auflud und ihm Momente des Glücks schenkte, die er glucksend und gurgelnd quittierte. Dann begann er, große Stücke des noch warmen Fleisches aus den Flanken der Beute herauszureißen und ebenso gierig zu verschlingen. Auch die Leckereien im Kopf des erlegten Wesens fischte er mit den Fingern aus dem Schädel, nachdem er mit einem mächtigen Prankenhieb den Schädelknochen zertrümmert hatte. Das Nächste, was er fröhlich glucksend zu sich nahm, war ein großes, braunes Organ aus dem Gekröse der Atzung. Es war weich, warm und gut durchtränkt vom roten Saft.
Kzu’ul geriet in einen Fressrausch. Er zerrte mit seinen zu starken Hauern herangewachsenen Zähnen an dem Fleisch, schlang die bluttriefenden Happen hinunter und konnte nicht genug davon bekommen. Immer mehr von der erklecklichen Atzung schaufelte Kzu’ul in seinen Schlund. Sein Leibesumfang hatte bereits beträchtlich zugenommen, als er von der Beute, die im Grunde nur noch aus Knochen und Fellresten bestand, abließ. In einer Art Fresskoma fiel er hintenüber und sank in den Schnee ein.
Eine ganze Weile dämmerte er so tatenlos vor sich hin, bis er irgendwann, das Licht des Tages erhellte den blutbesudelten Ort des Geschehens längst wieder, die donnernde Stimme des Gebieters in seinem Bewusstsein spürte.
›Erwache!‹
Kzu’ul richtete sich auf, bis er in der Hocke saß. Durch einen breiten Riss in seiner Hose, die ihn nur unvollständig kleidete, entledigte sich sein Körper der unnützen Reste seiner letzten Atzung.
›Kzu’ul ist hier, Gebieter‹, antwortete er mental. Der Gebieter, Abgesandter des Einen Gottes, der das ewige Leben hütete, ließ seine Stimme weiter über die Linien der Kraft zu seinem Ersten vordringen. Mit einem ausgesprochen unflätigen Geräusch beendete Kzu’ul seine körperliche Tätigkeit. Ein stinkender Haufen versank im Schnee.
›Der Eine erwartet von dir, deine Armee neu aufzustellen. Rufe die Niederen aus dem Osten, sie sollen dem Licht des Tages folgen, um unter deiner Führung die Menschen zu unterwerfen. Ich brauche bestimmte Individuen, um sie durch den Einen mit dem Geschenk des ewigen Lebens bedenken zu lassen. Ihr sollt also nicht alle Warmen Wesen töten und fressen. Ihr sollt auch noch nicht gleich losschlagen. Ihr erwartet meinen Befehl.‹
Der Struggler richtete sich auf und verfiel in einen leichten Trott, der ihn Richtung Südwesten führte, zurück zur Fütterungsstation. Völlig emotionslos erwiderte er die Kommunikation.
›Jawohl, Gebieter. Kzu’ul erwartet den Befehl. Er ruft die Niederen, wie es befohlen ist.‹
Die nächste Sendung traf kurz darauf ein.
›Noch etwas. Ich habe die Befürchtung, dass die Menschen an etwas arbeiten, das den Höheren Wesen gefährlich werden kann. Sie sind bestrebt, eine Waffe zu entwickeln, die euch vernichten soll. Noch besitzen sie keine solche Waffe, aber das könnte sich ändern. Sei auf der Hut!‹
Kzu’ul antwortete lapidar:
›Der Eine Gott, Herrscher über das ewige Leben, wird die Höheren Wesen schützen, denn sie dienen ihm. Kzu’ul ist nicht besorgt wegen der Warmen Wesen, sie werden fallen. Das hat der Eine prophezeit. Kzu’ul hat Vertrauen zum Einen Gott und wird durch jede Prüfung gehen, die dieser ihm auferlegt.‹
Die Stimme des Gebieters schwieg.