»Ich höre dich klar und deutlich, ja!« Es war die Stimme von Alv Bulvey, die aus dem Lautsprecher der Funkanlage im Hulk-Truck ertönte. Auf Eckhardts Betreiben hin hatte Sepp eine Satellitenverbindung zum Hauptquartier in Rennes-le-Château hergestellt.
»Gut«, antwortete Eckhardt, »wir sind hier gerade irgendwo mitten in Texas und haben ein Nachtlager errichtet. Morgen früh geht es weiter.«
»Habt ihr Ärger mit Zeds?«, wollte Alv wissen.
»Hm, ja, hatten wir heute Nachmittag. Wie spät ist es eigentlich bei dir?«
»Wir haben genau genommen schon fast morgen früh hier«, scherzte Alv.
»Okay. Also, dieser amerikanische General hat uns angefunkt und höflich drum gebeten, ein paar Soldaten in der Nähe von Dallas rauszuhauen, und wie sich herausstellte, war eine Soldatin in der Gruppe seine Enkeltochter.«
»Tja, manchmal ist Blut eben dicker als Wasser, nicht wahr?«
»Kannst du laut sagen. Aber die Truppe ist uns auch sehr hilfreich. Die Männer kennen sich hier in der Gegend gut aus und haben uns ein paar sehr nützliche Tipps geben können, welche Areale wir besser meiden sollten. Wir werden die Route an einigen Stellen abändern; sind zwar Umwege, aber wahrscheinlich weniger Zeds auf dem Weg. Und solange die Amerikaner noch keine T93-Behandlung hatten, riechen wir zehn Meilen gegen den Wind nach leckerer Fettbemme für die Hackfressen.«
»Wie sind die Zeds denn so drauf bei euch? Anders als hier?«
Eckhardt berichtete ausführlich von seinen Beobachtungen hinsichtlich der Sonnen- und Temperatureinwirkung und wie dieses trockene, heiße Klima die Zeds förmlich aufzehrte. Alv hörte sich die Schilderungen in aller Ruhe an und antwortete dann:
»Interessant, beobachte das unbedingt weiter. Vielleicht ist es für unsere Siedler von Vorteil, wenn möglichst viele von ihnen dann nach Süden gehen. Spanien, Italien, Adria, Griechenland und eventuell sogar Afrika könnten zumindest für dünnere Besiedlung echte Alternativen bieten. Aus dem eurasischen Hauptquartier in Rendsburg hab ich gehört, dass sie massives Tauwetter dort oben haben. Sie rechnen damit, bald wieder Ackerbau treiben zu können. Größere Kontingente von Siedlern sollen sich nächsten Monat auf den Weg nach Süden machen.«
»Und? Wie klappt es bei dir mit der Befehlsgewalt und so?«, fragte Eckhardt schelmisch.
»Ach, damit habe ich nicht allzu viel zu tun. Ich hab ja drei Adjutanten, die das meiste regeln. Ich glaub, mit denen kommen die Offiziere besser klar als mit mir. Hoffentlich kommt ihr bald heil zurück, damit Mikail den Laden schmeißen kann. Ich glaube, mir liegt das nicht so. Ich bleibe da lieber bei unseren Dorfbewohnern hier, das ist irgendwie entspannter. Die schreien mir da zu viel in der Divisionskommandantur. Die eine Hälfte der Leute schreit herum und die andere Hälfte rennt dann herum. Sehr gewöhnungsbedürftig, das. Aber, was anderes. Wie geht es Birte und der Kleinen? Beide wohlauf? Ich hoffe, du gibst gut acht auf unsere Prinzessinnen?«
»Das hab ich gehört, Alv Bulvey!«, schallte es aus der Wohnkabine des Trucks, als Eckhardt gerade antworten wollte. Eckhardt wandte sich um und blickte in Birtes lächelndes Gesicht.
»Ja, ich denke, den beiden geht es gut«, antwortete er auf Alvs Frage. »Mutter und Kind sind wohlauf. Sepp versucht noch immer angestrengt, seine Rolle als Familienoberhaupt zu verteidigen, allerdings mit allenfalls mäßigen Aussichten auf Erfolg, wenn ich die Lage richtig einschätze. Wie sieht es bei dir aus, Alv? Was macht der Neue, der junge Physiker? Verdient er sich sein Brot?«
»Ja, ich denke, Tom ist ein ganz außergewöhnlicher junger Mann. Der steckt uns alle voll in die Tasche, Alter. Im Moment tüftelt er gerade an dieser Hightech-Endsieg-Geschichte herum und er hat echt brauchbare Ideen. Ich traue ihm durchaus zu, das Problem zu lösen. Allerdings macht mir das Ganze noch etwas Sorgen. Reden wir drüber, wenn ihr wieder hier seid. Nun seht erst mal zu, dass ihr die Mission erfüllt. Und ich fände es nicht schlecht, wenn ihr auch ein paar Ideen für unser Projekt mitbringen würdet. Vielleicht auch etwas Ausrüstung, die Tom gebrauchen kann. Der Professor kann euch da, was die Art des Equipments angeht, sicherlich helfen. Der General ist euch was schuldig, da kann er uns dann ruhig mal etwas unter die Arme greifen, finde ich.«
»Ja, alles klar. Achte ich drauf. Wir werden hier jetzt erst einmal essen und uns schon bald hinhauen. Morgen geht es in aller Frühe los. Richte bitte ganz liebe Grüße aus an Gertrud, ja?«
»Klar, mach ich, und du grüß mal unsere Prinzessin!«, antwortete Alv, wobei er das letzte Wort außerordentlich betonte, damit Birte es auch ja hören konnte. Dann unterbrachen die beiden die Verbindung und Eckhardt stieg aus dem Truck.
Er ging an dem Fahrzeug entlang zum Auflieger. Dort waren im vorderen Container neben dem Materiallager auch ein Gemeinschaftsraum und eine kleine Küche untergebracht.
Zum Essen hatten die Männer sich selbsterhitzende Militärrationen zubereitet, aber es roch hier gut nach starkem Kaffee. Außerdem waren die Heckklappen des FEU geöffnet, so dass im Raum geraucht werden durfte. Diesen speziellen Container hatte die Truppe bereits auf der Reise von Norddeutschland nach Südfrankreich mitgeführt, er leistete unterwegs hervorragende Dienste.
In der provisorischen guten Stube, die Sepp gern liebevoll als Lunchbox bezeichnete, saßen Mikail Pjotrew, vier seiner Männer und die Amerikaner, welche die nächste Wache übernehmen wollten.
Als Eckhardt eintrat, wurde er vorschriftsmäßig gegrüßt. Die Grüße erwidernd, ging er zum Tresen, schenkte sich einen großen Becher Kaffee ein – zu seinem Erstaunen ein hervorragender, frisch gebrühter Bohnenkaffee – und setzte sich auf einen freien Platz neben Pjotrew. Er nahm seinen Tabakbeutel, zog ein Zigarettenpapier aus einem darin befindlichen Briefchen und drehte flugs und gekonnt eine Zigarette. Als er sie entzündete hatte und genüsslich den Rauch inhalierte, fragte Pjotrew:
»Und, wie geht es Alv und dem Rest der großen Familie?«
»Alles bestens in Rennes-le-Château«, antwortete Eckhardt. »Der junge Mann, der kürzlich zu uns gestoßen ist, hat sich als echter Glücksgriff erwiesen, meint Alv. Er heckt mit ihm eine ziemlich üble Geschichte aus, die den Zeds böse zu schlucken geben wird.«
»Die Sache mit den Mikrorobotern?«
»Ja, wie es aussieht, gibt es erste ernstzunehmende Ergebnisse, auch wenn diese noch vorwiegend theoretischer Natur sind. Aber Alv meinte, es gäbe ein paar grundsätzliche Dinge, die wir alle besprechen sollten, bevor es weitergeht. Er fragte auch, ob wir einige passende Geräte unterwegs requirieren können.«
Mikail nickte.
»Gut, das sollte sich wohl irgendwie einrichten lassen.«
»Wissen die Soldaten Bescheid, was die T93-Geschichte angeht?«
»Ja sicher«, erwiderte der General, »unser Professor hat sie aufgeklärt. Miss Donahan fragte, ob sie ihren Großvater über Funk informieren könnte. Ich habe sie an dich verwiesen. Geht das klar?«
»Natürlich. Nachher, wenn es etwas ruhiger im Lager ist, sag ich Sepp Bescheid, dass er ihr eine Verbindung herstellt. Sagst du ihr das?«
»Es ist nicht nötig, dass der General übersetzt. Ich verstehe Ihre Sprache, Oberst.«
Sergeant Donahan, die etwas weiter hinten am Tisch saß, hatte Eckhardt in etwas holprigem Deutsch geantwortet. Der zeigte sich ziemlich überrascht und zog die Augenbrauen hoch.
»Sie sprechen deutsch? Das finde ich erstaunlich!«
Sie lächelte ihn an. Es war seit der Befreiungsaktion das erste Mal, dass die junge Frau wirklich lächelte.
»Ich war in jungen Jahren mit Grandpa und Mom in Deutschland. Meine Mom war auch bei der Army. Ich bin dort zur Schule gegangen und wir haben viel deutsch gesprochen mit Nachbarn und Freunden.«
General Pjotrew lächelte nun ebenfalls.
»Und da Sie uns Ihre Sprachkenntnisse nun offenlegen, gehe ich davon aus, dass wir Ihr Vertrauen erringen konnten, was?«
»Ich bitte den General um Verzeihung, Sir. Ich …«
»Ja, ist ja schon gut, Miss Donahan. Sie waren pflichtbewusst und vorsichtig, das nimmt Ihnen niemand hier übel, ich am allerwenigsten. Wenn Oberst Zinner und ich Ihnen nicht vertrauen würden, hätten wir wahrscheinlich russisch gesprochen.«
»Ödorr säggs’sch«, witzelte Eckhardt und lachte, als Donahan die Stirn runzelte.
Die junge Frau lachte ebenfalls und Eckhardt schenkte allen am Tisch Kaffee ein. Die Amerikaner verzogen ein wenig, fast unmerklich, die Mundwinkel, als sie den ersten Schluck nahmen; offenbar waren ihnen die Gepflogenheiten der europäischen Kaffeekultur nicht zugänglich. Man griff nach Milchpulver und Zucker und ging nicht eben sparsam damit um.
»Wie ist es Ihnen und Ihren Männern dort in ihrem Gefängnis ergangen?«, fragte Eckhardt. Sergeant Donahan schlug die Augen nieder, dann berichtete sie:
»Wir waren knapp vier Dutzend Leute, also ein ganzes Platoon, zusammengesetzt aus Überlebenden mehrerer Kompanien. Wir hatten Dallas ein paar Tage zuvor verloren, als eine gewaltige Horde unsere Stellungen förmlich überflutete. Es waren Tausende, Abertausende, sie … sie haben uns einfach überrannt. Unsere gesamte Fire-Power hat uns nichts genützt, sie kamen aus allen Ecken und Winkeln hervorgekrochen und haben unsere Leute einfach … aufgefressen.«
Man sah ihr deutlich an, dass sie noch immer größte Schwierigkeiten hatte, das Erlebte wiederzugeben.
»Wenn es Ihnen unangenehm ist, brauchen Sie uns nicht davon zu erzählen, Sergeant«, meinte Pjotrew in ruhigem Ton, doch sie schüttelte den Kopf.
»Nein, nein, das ist schon okay. Eigentlich tut es ganz gut, wenn man mit jemandem darüber sprechen kann, dem man nicht permanent befehlen muss, am Leben zu bleiben. Bei Lake Worth haben wir uns vor etwa drei Wochen gesammelt und wollten uns über den Highway 199 nach Norden durchschlagen. Doch dort trafen wir auf weitere Horden dieser Bestien. Das sind keine Menschen mehr, oder? Das sind wilde Tiere. Ich meine, diese gottlosen Kreaturen fressen die Menschen einfach auf. Ist das nicht furchtbar?
Wir sind dann nach Süden ausgewichen und in Granbury erneut auf Zombies gestoßen. Sie haben uns eingekesselt und wir konnten uns auf das Gelände des Schrottplatzes flüchten. Wir haben uns mit Benzin eingerieben, damit die Biester uns nicht riechen. Die Halle konnten wir gut verbarrikadieren. Viele von diesen total durchgeknallten Viechern sind dann weitergezogen in Richtung Dallas, aber die Meute, die Sie dort sahen, sind wir einfach nicht losgeworden. Mehr als zwei Wochen lang haben wir fast kein Wort gesprochen. Wir haben in halbvolle Ölfässer geschissen, um den Geruch zu überdecken, und haben uns versteckt wie Präriehunde in ihrem Bau. Lange hätten wir es dort nicht mehr ausgehalten, denn unsere Vorräte gingen schon vor zwei Tagen zu Ende. Private Muller hat schon Kühlwasser destilliert, damit wir nicht verdursten.«
Eckhardt schaute die junge Frau betreten an. Er stellte sich vor, wie heiß es in dem Blechschuppen um die Mittagszeit sein musste und schauderte. Diese Art, wie sie völlig hasserfüllt über die Belagerung berichtete, ließ erkennen, dass die Zeit, die sie quasi in Geiselhaft verbringen mussten, Spuren in ihr hinterlassen hatte, tiefe Spuren.
»Lieutenant Monroe, der unser Platoon anführte, wurde unter dem Südtor der Baracke hindurch nach draußen gezogen«, fuhr Sergeant Donahan mit rauer Stimme fort. »Sie haben ihn durch einen zwanzig Zentimeter hohen Spalt gerissen und ihn dann bei lebendigem Leib zerfetzt, direkt vor dem Tor. Niemand von uns konnte ihm helfen. Good Lord, ich werde niemals seine Schreie vergessen, das war schlimmer als alles andere, was ich in dieser verfluchten Zombieapokalypse erlebt habe. Wir haben natürlich mit dem vorhandenen Material alles möglichst abgedichtet und Autowracks vor die Tore geschoben. Als uns die Munition ausging, haben wir uns aus dem herumliegenden Krempel in der Halle Schleudern gebaut und von oben mit Bolzen und Muttern auf die Mistviecher geschossen. Das funktionierte ganz gut. Ein Headshot und der Zombie war out! So konnten wir sie uns einigermaßen vom Leibe halten. Sie haben sich dann gegenseitig aufgefressen. Einfach so. Manche von ihnen haben sogar welche gefressen, die wir mit unseren Geschossen nur von den Beinen geholt haben.«
Der General nahm Pattys leere Tasse, stand auf und ging zum Tresen, um ihr noch etwas nachzuschenken. Sie nickte dankend. Als er die Tasse wieder vor sie hinstellte, sagte er:
»Ihr Großvater ist sicher heilfroh, dass es Ihnen gut geht, Sergeant. Nun wollen wir schauen, dass wir Sie und Ihre Männer gesund und munter nach Colorado bringen.«
Sie sah zu ihm auf.
»General, Sir, nachdem wir das überlebt haben, mache ich mir eigentlich keine Sorgen. Und wenn das Wundermittelchen, das Sie zum Cheyenne Mountain bringen wollen, wirklich funktioniert, dann haben wir durchaus eine Chance, diese Pest zu besiegen.«
»Freuen Sie sich nicht zu früh, Sergeant«, erwiderte Pjotrew, » da draußen warten noch ganz andere Kreaturen auf Sie.«
Er berichtete von den Virusmutationen in Europa und davon, dass er vermutete, dass diese Sprungmutationen auch hier, zumindest in den gemäßigten Zonen, über kurz oder lang stattfinden würden.
Und wenn das Virus hier keine eigenständigen Struggler erschuf, dann würden die Struggler aus Eurasien irgendwann wahrscheinlich über Kanada einwandern. Das Eis zwischen den Kontinenten war aufgrund der klimatischen Veränderungen infolge des nuklearen Winters ungebrochen, so dass zwischen Kamtschatka und Alaska eine direkte Verbindung bestand. Hatten die Struggler erst einmal den amerikanischen Kontinent erreicht, hätten sie die Möglichkeit, sich in den Wäldern Alaskas und Kanadas zu verstecken, sich dort zu vermehren und dann nach Süden auszubreiten.
»Dann muss man das Eis aufbrechen«, folgerte Sergeant Donahan, »um denen ihren Weg abzuschneiden. Ich finde diese supernervösen Biester schon schlimm genug. Hätten wir es nur mit Walkern zu tun, Amerika wäre längst gesäubert. Aber wenn es, wie Sie sagen, viel schlimmere Arten gibt als diese Hunter, dann müssen wir etwas unternehmen.«
»Nun«, antwortete Eckhardt, »ganz so einfach ist das leider nicht. Die Zeds im Allgemeinen atmen nicht. Wenn also zum Beispiel die Walker oder Hunter ins Wasser fallen, versinken sie einfach, weil ihr Nervensystem nicht erkennt, in welchem Medium sie sich befinden. Die Struggler sind nicht nur körperlich eine Art von Weiterentwicklung, sondern sie besitzen auch so etwas wie ein Bewusstsein. Sie sind in der Lage, sich unter Wasser zu orientieren und zu bewegen. Und genau das ist es, was sie so gefährlich macht. Sie können sich quasi unbemerkt unter der Wasseroberfläche fortbewegen.«
»Verdammt!«, entfuhr es der Amerikanerin.
»Ja, das trifft es ziemlich exakt«, bemerkte Pjotrew. »Das ist einer der Gründe, warum wir uns hierher auf den Weg gemacht haben.«
»Aber gegen die Walker und Hunter hilft dieses T93?«, wollte die Frau wissen.
»Na ja«, korrigierte Eckhardt, »es hilft insofern, als dass es die Witterung verhindert und den sonst dadurch ausgelösten Beutetrieb unterdrückt. Die Hunter reagieren allerdings auch auf Töne und Bewegungen. Mit der T93-Modifikation kann man unter Walkern wandeln, aber wenn Hunter auftauchen, sollte man tunlichst absolut stillstehen.«
»Das hilft aber schon ein wenig, oder?«
»Aber natürlich. Wir kämpfen seit über zwei Jahren so gegen die Zeds und das T93 hat viele, viele Male unsere Leben gerettet.«
»Warum reist ihr mit einem Baby?«
Eckhardt erläuterte ihr die Zusammenhänge zwischen T93 und T93-X, er berichtete in groben Zügen von den Nebenwirkungen des T93 und von der Lösung dieses Problems. Wie genau die Gruppe das T93-X entwickelt hatte und was der Heiland und Erlöser damit zu tun hatte, behielt er lieber für sich. Sergeant Donahan schien gewisse religiöse Gefühle zu hegen und Eckhardt hatte nicht vor, hier einen Glaubenskrieg vom Zaun zu brechen, indem er behauptete, zusammen mit seinem besten Kumpel das Grab Jesu Christi entdeckt und ihm DNA entnommen zu haben. Er hielt es für angezeigt, diese Fakten lieber für sich zu behalten. Ein paar vage Andeutungen zu Genexperimenten mussten da reichen; auch ein Sergeant First Class musste nicht unbedingt mehr darüber wissen als nötig.
Die Soldatin zeigte sich trotz oberflächlicher Informationslage tief beeindruckt.
»Also, ich muss sagen: Was Sie dort in Europa alles erreicht haben – Respekt!«
Sie besann sich der Tatsache, dass sie zwei wesentlich höherrangigen Offizieren gegenübersaß.
»Ich meine, also … ich habe den größten Respekt vor den dort erbrachten Leistungen, Herr Oberst, Sir.«
Sie nickte auch dem General zu, der sie anlächelte.
»Hier bei uns«, fuhr sie fort, »konnten leider noch keine wirksamen Strategien entwickelt werden, um diese Biester zu beseitigen. Amerika ist groß und ziemlich leer, seit es die meisten von uns erwischt hat. Im Grunde verteidigen wir uns bloß, sind ständig auf dem Rückzug, verstecken uns, wo wir können. Ich würde wer weiß was dafür geben, wenn wir diesen Gestalten mal ordentlich in den Arsch treten könnten, mit Verlaub …«
»Nun, ich schätze«, entgegnete Eckhardt, während er das Papier einer Selbstgedrehten anleckte, »dazu werden Sie bald Gelegenheit bekommen. Unsere Wissenschaftler arbeiten an verschiedenen Lösungen, sowohl im ganz Großen als auch im ganz Kleinen, um nützliche Gegenmaßnahmen zu konstruieren. Unter anderem auch deswegen sind wir hier, weil wir gemeinsam mit Ihnen, dem amerikanischen Volk, Waffen entwickeln wollen, die diesen Zustand, mit dem wir zurzeit leben müssen, ein für alle Mal beenden. Aber genug geschwätzt, ich will einmal schauen, wie weit Sepp vorn im Hulk-Truck ist, damit wir eine Verbindung zu Ihrem Großvater aufbauen können. Warten Sie hier, ich bin gleich zurück.«
Eckhardt stand auf und verließ den Container über eine seitlich am Auflieger angebrachte Metalltreppe. Als er sich umdrehte, um nach vorn zur Fahrerkabine zu gehen, blieb er stocksteif stehen. Direkt vor ihm, in weniger als zwei Metern Entfernung, stand ein Walker-Zed und schnüffelte an dem Stahlblech des Containers. An ihm hingen blutverkrustete Reste einer abgerissenen Farmermontur. Er witterte die Beute in der Eisenbox, die Amerikaner, die nicht mit T93 behandelt worden waren.
Langsam, in Zeitlupe, machte Eckhardt einen Schritt zurück, dann noch einen und noch einen, bis er in den diffusen Lichtspalt trat, der aus dem Container herausschien. Leises Stimmengemurmel drang aus der einen Spalt weit geöffneten Tür.
Langsam hob Eckhardt den Arm, die zerlumpte Kreatur, die da vor ihm stand und immer noch am Container schnüffelte, nicht aus den Augen lassend. Dann klopfte er leise gegen die Tür. Die Zeichen setzte er dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz – SOS. Die Gespräche im Container verstummten schlagartig. General Pjotrew hatte das Signal bemerkt und mit einer Geste für Ruhe gesorgt. An der Tür klopfte es dreimal leise von innen. Der General war bereit.
Der Lichtspalt verschwand plötzlich und die Tür öffnete sich langsam und kaum hörbar. Eckhardt dankte Sepp mental dafür, dass er penibel darauf achtete, sein Fahrzeug und alle Frachtträger gründlich zu schmieren. Er brachte sich in eine gute, stabile Position und zog langsam sein Armeemesser. Pjotrew stand bereits neben ihm und zog ebenfalls sein Messer.
Inzwischen waren es fünf Zeds, die sich dem Container näherten, zwei davon vielleicht Hunter, sie bewegten sich ruckartiger als die anderen. Alle Untoten schnüffelten aufgeregt, es roch verlockend an der Stahlwand, vor der sie standen. Noch konnten sie nichts mit der Witterung anfangen, doch das würde sich ändern, denn sie arbeiteten sich langsam auf die Mitte des Aufliegers zu, wo der Ausgang des Mehrzweckcontainers lag.
Mit einem Mal erschien eine Gestalt in der Tür auf der Ladefläche. Die Köpfe der fünf Monster ruckten synchron herum. Dort oben in der halb geöffneten Tür stand Sergeant Donahan und zog ebenfalls ein Messer. Ihre blonden Haare leuchteten im Mondlicht. Jetzt hatten die Zeds eine Witterung, zwei von ihnen stürmten los. Als sie auf Eckhardts und Mikails Höhe waren, kurz vor der Treppe, überraschten die beiden Männer sie. Sie hatten stillgestanden und selbst die Hunter hatten die beiden nicht bemerkt, denn die Beutewitterung machte sie förmlich blind.
Die beiden Männer griffen nach den Huntern, rissen sie mitten im Sprung um und warfen sich auf sie. Es gab ein kurzes Handgemenge, das die beiden Krieger für sich entschieden, indem sie den Huntern ihre Messer in den Kopf rammten.
Nun setzten sich auch die Walker in Bewegung, die auch nicht wirklich lahm waren. Einer von ihnen, ein farbiger Hüne von mindestens zwei Metern Größe, wankte mit ausgestreckten Armen voran. Donahan sprang von der Treppe und lief an Eckhardt und Mikail vorbei, die sich gerade von ihren Opfern trennten. Die durchtrainierte junge Frau sprang, kurz bevor sie den Zed erreichte, hoch in die Luft, fasste das Messer mit beiden Händen und rammte es dem Zed gezielt von oben durch die Fontanelle in den Schädel. Das Monster brach sofort zusammen.
Einer der Walker näherte sich Eckhardt und warf sich ihm in den Rücken, gierig nach seinem Hals schnappend. Eckhardt hörte, wie die Zähne dich an seinem Ohr klapperten und er roch die fauligen Ausdünstungen der Bestie. Er griff nach den schon fast dürren Ärmchen des Walkers, die über seine Schulter nach vorn ragten, richtete sich zu voller Größe auf und warf sich nach hinten. Mit voller Wucht krachte der Zweieinhalb-Zentner-Mann mit dem Zombie huckepack gegen den stählernen Auflieger des Trucks. Dieser Schwungmasse hatte der ausgemergelte Walker nichts entgegenzusetzen. Mit lautem Krachen brachen seine Rippen und das Rückgrat, als Eckhardt ihn auf die haifischartigen Zähne der großen Sägekette presste, die um den Trailer herum angebracht war. Normalerweise aktivierte Sepp diese mörderische Verteidigungsanlage bei Durchbrüchen, um zu verhindern, dass die Zeds den Auflieger entern konnten. In diesem Fall bewegte sich die Sägekette zwar nicht, aber einer der großen, scharfen Zähne durchtrennte das Rückgrat des Walkers. Das schaltete ihn zwar nicht aus, doch die gebrochene Wirbelsäule und der zerschmetterte Brustkorb schränkten seine Bewegungsfähigkeit enorm ein. Eckhardt wirbelte herum und rammte sein Messer bis zum Heft durch das linke Auge in den Schädel des Walkers, der daraufhin in sich zusammensackte.
Pjotrew und Sergeant Donahan gingen in Angriffsposition, der Russe fragte Eckhardt:
»Alles in Ordnung?«
»Ja, alles gut. Hat nicht viel gefehlt, und das Aas hätte mich erwischt, verdammt!«
»Donahan, gehen Sie zurück«, flüsterte Pjotrew, »er kann Sie riechen. Mich nicht.«
Die junge Frau bewegte sich langsam rückwärts und der letzte Zed folgte ihrer Witterung. Als er den General passierte, griff dieser zu und eliminierte ihn leise und effektiv.
Als er sich wieder erhob, flüsterte Eckhardt:
»Wir müssen sehen, woher die kommen. Ich gehe nach vorn und sage Sepp Bescheid. Hol du die Männer aus der Lunchbox. Wir müssen das gesamte Gelände absuchen und wenn nötig die Wachen verstärken.«
Pjotrew nickte ihm zu und instruierte Sergeant Donahan, die ihre Leute anführen sollte. Dann bewegte er sich geduckt zu den Fahrzeugen, wo die SpezNas-Soldaten campten und teilte zwei Suchgruppen ein.
Bereits nach kurzer Zeit fanden Sie an der Nordostecke des umzäunten Areals den dort eingeteilten Wachmann. Oder, besser gesagt, was noch von ihm übrig war.
Ein Haufen blutiger Knochen und blutgetränkter, zerfetzter Kleidung lag draußen vor der Einfriedung und zeugte davon, dass der junge Soldat, der hier seinen Dienst versehen hatte, nicht mehr unter den Lebenden weilte. Wahrscheinlich hatte er dicht am Zaun gestanden, vielleicht rauchend, und war so von den Hunter-Zeds bemerkt worden.
Der Zaun war auf zwei Metern Breite in Bodennähe angehoben. Pjotrew vermutete, dass die Bestien den Soldaten unter dem Zaun hindurchgezogen hatten, so wie Patty es berichtet hatte. Aber warum hatte der Mann nicht gerufen oder geschossen?
Pjotrew leuchtete die Umgebung mit der Taschenlampe ab und fand die Antwort auf seine ungestellte Frage. Unweit des Zaunes lag ein kindskopfgroßer, blutiger Stein. Wahrscheinlich hatten die Zeds nach den Beinen des Soldaten gegriffen und daran gerissen, er war aus dem Gleichgewicht gekommen, nach vorn gekippt und mit der Stirn oder der Schläfe auf den Stein aufgeschlagen. Dann hatten die Bestien ihn unter dem Zaun hindurchgezogen und sich auf demselben Weg Zutritt zum Areal verschafft.
Der General ordnete an, diese Stelle umgehend mit Sturmheringen aus der Campingausrüstung des Hulk-Trucks zu sichern und den gesamten Zaun rings um das Gelände genau zu überprüfen. Glücklicherweise waren keine weiteren Zeds in das Areal vorgedrungen und nach kurzer Zeit konnte weitgehend Entwarnung gegeben werden.
Eckhardt winkte Sergeant Donahan zu sich heran und bat sie, auf der Beifahrerseite in das Führerhaus des Hulk-Trucks zu steigen.
Auf der anderen Seite der Stichstraße, an der das Umspannwerk lag, standen eine Menge Trucks. Zugmaschinen von Mack, Freightliner und Volvo, daneben einige Auflieger mit Milchtanks aus Edelstahl in beachtlicher Größe. Doch gegen den riesigen Hulk-Truck wirkten sie wie Kleinlaster. Er war höher, länger, breiter, schwerer und wirkte durch den riesigen, keilförmigen Räumschild an der Front noch wesentlich bedrohlicher, als er es ohnehin schon durch seine Größe war. Zudem gab es beim Hulk Maschinengewehre auf dem Dach und unter der Motorhaube eine versenkbare Gatling-Kanone.
Dieses Stahlmonster war alles, aber kein Milchlaster.
*
»Hi, willkommen an Bord des Hulk-Trucks!«, begrüßte Sepp, der auf dem zur Seite gedrehten Fahrersitz saß, die Besucherin. Im Durchgang zur Wohneinheit stand Birte und lächelte.
»Setzen Sie sich«, lud Sepp die junge Amerikanerin ein. »Ich versuche gerade, über ein Com-Link eine Satellitenverbindung zu NORAD aufzubauen. Dauert noch einen Moment.«
Sergeant Donahan nahm auf der breiten Beifahrersitzbank Platz, während Sepp noch am Computer herumwerkelte, um die Antennen auszurichten.
»Was war denn vorhin da draußen los?«, fragte Birte und deutete mit dem Daumen nach hinten, »Gab es eine Zed-Attacke? Mein Name ist übrigens Birte.«
Sie streckte der jungen Frau die Hand entgegen, die sie nahm und höflich schüttelte.
»Patty«, entgegnete sie. »Ja, es gab einen Überfall vorhin. Fünf – wie sagt ihr? – Zeds sind unter dem Zaun durch und haben einen Wachposten getötet. Oberst Zinner, der General und ich konnten sie neutralisieren. Für den Soldaten am Zaun kam jede Hilfe zu spät, leider.«
»Schrecklich, das. Ich hoffe wirklich, dass wir gut durchkommen bis Colorado.«
»Ja, das hoffe ich auch, besonders für dich und dein Baby.«
»Ach, wir haben schon ganz andere Situationen erlebt …«
Birte erzählte Patty von den Erlebnissen in Leonberg, vom Angriff des Militärs auf Rennes-le-Château und von ihren zahlreichen Abenteuern, die sie erlebt hatte, wenn sie mit Sepp auf Tour war, um Material und Vorräte zu besorgen. Patty wollte ganz genau wissen, wie Birte und ihre Freunde da in Europa lebten und wie sie sich verteidigten, wobei sie sich besonders für die Geschichten von den Strugglern interessierte.
Irgendwann unterbrach Sepp die beiden, denn er hatte die Verbindung zu NORAD erfolgreich etablieren können und er hatte General Dempsey am Rohr. Er winkte Patty heran und stellte die Monitorausgabe auf den Beifahrerplatz ein, dann reichte er ihr ein Headset. Als sie es aufsetzte, nickte er ihr freundlich zu und ging nach hinten zu Birte und der Kleinen.
»Ich glaube, diese Patty ist eine ganz Nette«, meinte Birte, während sie noch einen Tee aufsetzte. »Sie muss Furchtbares durchgemacht haben, dort, wo Eckhardt und Mikail sie und ihre Soldaten rausgeholt haben.«
»Ja, war wohl eine üble Sache, das stimmt«, erwiderte Sepp und hielt ihr seine Tasse hin. »Dann hoffen wir mal, dass wir gut durchkommen und sie bei ihrem Grandpa abliefern können.«
Birte nickte und schenkte Tee ein.
*
»Hi, Grand!«
Pattys Züge hellten sich merklich auf, als sie General Dempseys Gesicht auf dem Monitor erkannte. Auch der altgediente Soldat konnte seine Freude nicht verhehlen.
»Ich danke Gott dafür, dass du noch lebst, Patty. Ich war krank vor Sorge um dich.«
»Was ist mit Mom? Hast du etwas gehört?«
Er schüttelte langsam und wortlos den Kopf.
»Du und ich«, entgegnete er dann gequält, »wir sind die einzigen Überlebenden aus der Familie. Tut mir leid, mein Kind.«
Patty nickte.
»Sind wir allein?«, fragte der General.
Sie nickte wieder.
»Erzähl mir, wie sind die Deutschen und diese Russen so? Kann man ihnen vertrauen?«
»Oh, Grand, wirklich? Ja, man kann ihnen vertrauen. Sie haben ihr Leben für uns aufs Spiel gesetzt, das letzte Mal vor einer Viertelstunde. Und sie sind nett und höflich. Ich fühle mich wohl bei diesen Leuten. Du bist immer so misstrauisch, Grand …«
»Mein Kind«, erwiderte Dempsey kühl, »ich bin hier verantwortlich für über zweitausend Menschen und für die letzten Atomwaffen der Vereinigten Staaten von Amerika. Es ist nicht nur mein Recht, sondern auch meine gottverdammte Pflicht, misstrauisch zu sein. Aber ich vertraue dir, Patty. Und wenn du mir sagst, dass sie wirklich Freunde sind, dann will ich dir glauben. Wie viele Männer hast du noch?«
»Vier Mann sind noch übrig.«
Die Stimme des Generals kam dünn und ein wenig verzweifelt aus den Ohrhörern.
»Von einem ganzen Platoon. Vier Mann und ihr Sergeant. Wir haben so viele gute Leute verloren …«
Patty war es, die nun zuversichtlich klang.
»Gerade deshalb sollten wir unbedingt mit den Deutschen und den Russen kooperieren. Der deutsche Oberst hat mir erzählt, sie forschen drüben an Waffen gegen diese Superzombies. Ich finde, wir sollten sie dabei voll unterstützen. Es mag mir als Sergeant First Class nicht zustehen, dem General Ratschläge zu erteilen, Sir, aber als seine Enkeltochter erlaube ich es mir, meinen Grand zu bitten, mit diesen Leuten zusammenzuarbeiten.«
Der alte Mann lächelte wieder.
»Du bist deiner Mutter so unglaublich ähnlich, mein Kind, derselbe feste Willen und ein unbeugsames Rückgrat. Also gut. Bring sie her und wir werden sie in allem unterstützen, was der Verteidigung gegen diese Struggler-Zeds dient. Wer hat sich diesen dämlichen Namen eigentlich ausgedacht: Zeds?«
»Der Oberst sagte, das wären die Briten gewesen, kurz nach dem Ausbruch der Seuche.«
»Die Tommies, na klar. Also, ich erwarte euch dann morgen gegen Abend hier im U-Boot, alles klar so weit?«
»Jawohl, Sir! Zu Befehl, Sir!«, antwortete Patty mehr im Spaß, als dass sie es ernst meinte. Sie nahm das Headset ab und klopfte an die Durchgangstür zum Wohnmodul.
»Ich bin fertig.«
*
Als General Dempsey das Gespräch beendet hatte, klopfte es an seiner Bürotür.
»Ja, herein«, rief er trocken. Als die Tür sich öffnete, betrat ein Offizier den Raum und salutierte.
»Ah, Colonel Henderson, treten Sie näher.«
Der General deutete auf den Sessel auf der anderen Seite des Schreibtisches und Henderson setzte sich.
»Gute Nachrichten?«, fragte er.
»Würde sagen: ja. Auf jeden Fall bekommen wir morgen ein paar anständige Zigarren.«
Er reichte dem Colonel ein Etui, aus dem der hochgewachsene, graublonde Kalifornier eine Zigarre entnahm und dankend nickte. Die Männer entzündeten ihre Zigarren und rauchten. Henderson hatte seine zwischen den Zähnen klemmen, als er fragte:
»Ist Patty wohlauf?«
»Drei Viertel ihres Platoons hat es erwischt, aber es geht ihr gut. Der Deutsche und sein russischer General haben sie und ihre Männer bei Granbury rausgehauen.«
»Ich weiß nicht«, fuhr Henderson fort, »mir gefällt diese Allianz nicht. Brauchen wir dieses Wundermittelchen von den Deutschen denn überhaupt?«
Der General lehnte sich in seinem Sessel zurück und schnalzte mit der Zunge.
»Na ja«, antwortete er langsam, »es ist ja nicht nur das T93, das wir wollen. Es geht zudem noch um eine Kooperation im Bereich Waffenentwicklung. Die Eurasier haben, wie man hört, in einem ihrer Hauptquartiere, genauer gesagt in einem Bergdorf in den Pyrenäen, eine Forschungsstation eingerichtet. Dort sitzt ein kleiner Einstein und brütet über irgendwelchen Hightech-Science-Fiction-Waffen, die uns eventuell den Sieg über die Zombies bringen könnten. Ich sehe da gute Gründe für eine Kooperation.«
»Ich sehe das ganz pragmatisch. Wir könnten die Deutschen und die Russen beseitigen, wenn sie hier sind. Dann haben wir das Baby. Ein Enterkommando nimmt deren Schiff ein, das ist doch bloß irgendein russischer Seelenverkäufer. Mit dem Schiff könnte ein Einsatzteam über den Atlantik fahren und den Technikfreak holen. Von mir aus könnten wir die Mount Whitney noch mitschicken. Das ist dann die Lösung unserer Probleme.«
Dempsey sah den Colonel ernst an und schüttelte leicht den Kopf.
»Henderson, sie können wirklich – nehmen Sie mir das nicht persönlich – ein dermaßen vollkommenes Arschloch sein, dass ich mich ernsthaft frage, wer Sie in eine solche Position befördert hat. Diese Leute kommen, um uns zu helfen. Da bringt man sie nicht einfach um. Was das Schiff angeht, so merkt man, dass sie bei der Army sind und nicht bei der Navy. Fragen Sie mal Admiral Hershew, ob er dieses Schiff angreifen würde. Schätze, Sie wären von seiner Antwort überrascht. Dieser Seelenverkäufer, wie Sie dieses – zugegeben etwas schmucklose – Schiff nennen, ist die kampfstärkste schwimmende Einheit, die je zu Wasser gelassen wurde. Die Pjotr Weliki ist bis an die Zähne bewaffnet und ich fresse meine Mütze, wenn die nicht noch ein paar Atomraketen an Bord haben. Und ein Atomkrieg ist so ziemlich das Letzte, das ich hier gebrauchen kann. Und was einen Angriff auf die Bergfestung der Eurasier angeht, nun, da rate ich Ihnen, sich einmal das aktuelle Videomaterial anzusehen, dass wir aus dem Satellitennetz gezogen haben. Dieser Diktator, der da bis vor Kurzem herrschte und den der russische General, der auf dem Weg hierher ist, persönlich kaltgestellt hat, versuchte auch, das Dorf anzugreifen. Es gab keine Überlebenden – auf Seiten der Angreifer wohlgemerkt. Ach, Henderson, wenn doch nur alles so einfach wäre, wie Sie es sich in Ihrer bemerkenswerten Naivität so ausmalen.«
»Na ja, vielleicht hat der Diktator einfach nur die falschen Leute geschickt. Man kennt das ja von deutschen Despoten«, meinte Henderson grinsend.
»Zwei Divisionen, Colonel. Dort unten stehen zwei Divisionen. Was wollen Sie da machen? Den Dritten Weltkrieg anfangen, um den Zombies die Arbeit abzunehmen? Mann, kommen Sie zur Besinnung! Diese Leute sind unsere Gäste. Und ich erwarte von jedem hier, dass er unsere Gäste wie Freunde behandelt. Ist das klar?«
»Vollkommen klar, Sir. Sie haben Recht, das waren dumme Gedanken. Es ist nur … na ja, verstehen Sie, ich will für Amerika das Beste. Für meine Heimat. Das war hier mal eine große Nation, und ich würde alles Nötige tun, damit sie es wieder wird.«
Dempsey blies eine stattliche Rauchwolke an die Decke.
»Ich verstehe Sie vollkommen, Henderson, mir geht es ja nicht anders. Und ich weiß auch, was und wen Sie persönlich verloren haben in diesem furchtbaren Kampf. Von meiner Familie ist nur noch meine Enkeltochter übrig, und ich danke Gott dafür, dass sie noch lebt. Doch Schmerz und Verlust dürfen nicht unser Urteilsvermögen trüben. Das Amerika, in dem und für das wir lebten, Colonel, das Amerika unserer Familien und Vorfahren existiert nicht mehr und es wird in dieser Form auch nicht wiederkommen. Damit haben wir uns abzufinden. Aber wir können all unsere Kraft aufbringen, ein neues Amerika zu erschaffen, wenn wir diese Pest vom Angesicht der Erde getilgt haben. Und ein vielversprechender Weg, dieses Ziel zu erreichen, ist nun mal, mit Leuten, die einst unsere Feinde waren, zu kooperieren. Admiral Hershew hat mir berichtet, dass er die Eisfestung in der Nordsee mit seinem Verband nur verlassen konnte, weil der Russe ihm geholfen hat. Ich halte den Kerl für einen aufrichtigen und ehrbaren Offizier. Und ich bin überzeugt davon, dass wir gemeinsam mehr erreichen können, als jeder für sich allein oder, noch schlimmer, gegeneinander.«
Der Colonel nickte resigniert.
»Ja, vielleicht haben Sie recht, General, vielleicht gibt es unser Amerika nicht mehr. Ich werde meine Gedanken nachher bei einer guten Flasche Bourbon und einer Runde Poker in der Offiziersmesse sortieren. Sie sind herzlich eingeladen.«
»Henderson, damit sie Ihre Puddingmarken an mich verlieren«, lachte der General, »das kann ich Ihnen doch beim besten Willen nicht antun.«
»So spricht nur jemand, dessen Herz von Furcht erfüllt ist, die nächste Woche ohne Nachtisch auskommen zu müssen, Sir.«
Henderson erhob sich und salutierte. Dempsey nickte.
»In einer Stunde?«, fragte Henderson im Gehen.
»Verlassen Sie sich drauf.«
Colonel Henderson verließ das Büro und der General rauchte in aller Ruhe seine Zigarre auf. Dempsey ließ sich mit der technischen Abteilung verbinden und telefonierte eine halbe Stunde mit dem Bereichsleiter. Dann machte er sich auf den Weg, um Hendersons Fantasien von Extrarationen zunichtezumachen.