Die Ehebrecherin
Gaby Schickentanz hat ein Verhältnis. Als Frau Schweiger es beim Turnen erzählte, bin ich fast in Ohnmacht gefallen. Gaby. Ausgerechnet. Wer nimmt die denn? Ich wollte es nicht glauben, aber Frau Schweiger ist mit Gabys Schwägerin Ina befreundet und die muss es wissen. Ina ist Gabys beste Freundin und engste Vertraute.
Dass Gaby und ich enge Freundinnen waren, ist lange vorbei. Seit ich geschieden bin. Genau genommen, seit sie wusste, dass bei Manni und mir was im Busch war. Zuerst hat sie nicht mehr Bescheid gesagt, wenn sie bei Schickentanz im Garten gegrillt haben. Dann wurde ich nicht mehr zu den Geburtstagen eingeladen.
„Och. Du. Wir feiern eigentlich gar nicht“, hieß es, wenn ich zum gratulieren angerufen habe, und dass nur die Verwandtschaft zum Kaffee käme. An meinem Geburtstag war Gaby auch nicht da, hatte irgendeine Ausrede. Und später rief sie nicht mal mehr an.
Sie wird geglaubt haben, dass ich mit jedem ins Bett wollte, der nicht bei drei auf dem Baum war. Getrennte und Geschiedene haben immer diesen Ruf, dass sie nur das Eine wollen.
Ihren Dirki hätte ich sowieso nicht rangelassen. Aber sie wird schon wissen, warum sie ihn so penibel bewacht. Ich weiß es ja auch. Weil Gaby ihn nämlich schon jahrelang nicht mehr rangelassen hat. Das war das wahre Problem. Und deswegen dachte sie, dass er auf jede scharf wäre, die in seine Nähe kam.
Dabei ist Dirki wirklich ein harmloser Mensch. Der hat beim Schützenfest nicht mal mit mir Brüderschaft getrunken. Der liebte nur seine Gaby. Oder er hat sich nicht getraut, mal nach einer Anderen zu gucken, weil er sich selbst nicht zugetraut hat, dass ihn noch mal eine Frau gut findet. Der muss sich sexuell anderweitig geholfen haben. Ob er in den Puff ging? Eigentlich hatte dafür er kein Geld, denn die Gaby hat bei denen die Finanzen verwaltet.
Was kostet das eigentlich? Im Puff? Geht das nach Anzahl oder nach Zeit? Wenn das nach Zeit ginge, wär das ja für die Männer besser.
Sagen wir mal, zehn Minuten kosten um die zehn Euro, wenn einer lange nicht hat und ruckzuck fertig ist, und ich bin sicher, dass Dirki so einer ist, dann ist Puff wirklich für jeden Mann erschwinglich.
In welches Etablissement ist der Dirki wohl gegangen? So viele haben wir ja nicht. Da gibt’s diesen Club 69 am Autobahnzubringer und im Gewerbegebiet dieses Lokal mit dem ekligen Namen. Top Sekret. Man liest das ja nicht sofort englisch. Top secret. Das klingt nach James Bond und nicht nach Bordell. Ob Dirki da immer hinging? Oder er ist nach Niedersachsen gefahren. Aber wie hat er Gaby dann die Kilometer auf dem Tacho erklärt? Die passt ja bei allem auf. Und jetzt hat sie einen Anderen. Diese alte Schlampe.
Wen hat sie sich bloß geschnappt? Frau Schweiger sagt, Gabys Lover ist auch verheiratet und hat zwei Kinder. Die arme Frau. Die arme arme Frau. Wenn die wüsste. Aber so was erzählt einem ja keiner. Die Ehefrau ist immer die letzte, die davon erfährt und alle anderen wissen schon lange vorher Bescheid.
Weiß der Teufel, wie lange Manni seine Ische schon kennt. Wer weiß, ob das stimmt, dass er sie erst nach unserer Scheidung kennen gelernt hat.
Wann hab ich Gaby Schickentanz denn das letzte Mal gesehen? Ich glaube, das war im Sommer, im Biergarten. Ich saß mit den Frauen vom Minigolf am Tisch und wir feierten irgendwas, als Gaby und Dirki ankamen. Mit dem Fahrrad. Sie stand unglaublich zu: pinkfarbene Radlerhosen aus Satin und passendes Bustier. Jawohl, die kam bauchfrei, das muss man sich mal vorstellen! In dem Alter. Irgendeine der Minigolf-Frauen sagte so was wie „… sie hat ja ’n Figürchen!“
Nee. Ich finde sie zu dürre. Das ist doch nicht weiblich, wenn vorne und hinten nix rund ist an einer Frau. Schön braun war sie schon, aber bloß vom Solarium, die hat doch bei ihrem Job gar keine Zeit, in die Sonne zu gehen. Oder ist sie nicht mehr als Sprechstundenhilfe bei Dr. Kutscher? Ach Gottchen, wenn sie kein eigenes Einkommen mehr hat, dann muss der arme Dirki auch noch Unterhalt an sie zahlen. Quasi als Belohnung fürs Fremdgehen. Oder lassen die sich gar nicht scheiden? Womöglich endet das in einer offenen Ehe? Jedenfalls: Der Hit waren die rosa Plastik-Ohrringe. Beim Fahrradfahren. Alle, wirklich alle haben geguckt. Besonders, als es sich bewölkte und ein bisschen kühler wurde. Da hat Gaby gefroren. Das sah man. So ein Bustier taugt eben nicht zum verstecken, sondern zum zeigen.
Mich hat sie an dem Tag sehr sparsam gegrüßt. Ein Lächeln, ein Winken. Man muss nicht meinen, dass sie an unseren Tisch kam, nein, nein, die blieb bei ihrem Dirki sitzen und passte auf, dass er bloß nicht zu oft zu uns rüberguckte. Wir waren schließlich zehn Frauen am Tisch. Lächerlich ist das, so eine Eifersucht. Als ob eine von uns Dirki Dickmops in die Büsche gezerrt hätte, während sie auf dem Klo die Ohrringe ausrichtet. So ein Quatsch. Wenn Dirki aussähe wie Harald Schmidt, dann wäre Gefahr in Verzug gewesen, aber Dirki sieht ganz und gar nicht aus wie Harald Schmidt.
So. Und heute stellt sich raus, es war alles nur Tarnung. Gaby hat nur immer so eifersüchtig getan, um von ihren eigenen Machenschaften abzulenken. Sie hat ein Verhältnis. Und das soll schon eine Zeitlang gehen, sagte Ina. Ein Jahr oder so.
Dann hatte sie den anderen ja schon, als ich sie im Biergarten gesehen habe! Wenn ich das gewusst hätte! Womöglich saß ihr Lover mit seiner Frau und den Kindern am Nebentisch. Halleluja. Das sind Zustände.
Wenn ich bloß wüsste, wer an diesem Sonntag an den anderen Tischen gesessen hat. Man geht mit geschlossenen Augen durch die Welt, ich denke das immer wieder. Dirki nicht. Der hat offene Augen gehabt. Er hatte auf Gabys Handy ganz zufällig eine SMS gelesen. Und so kam alles raus, sagt Frau Schweiger. Mein süßer Blasehase. Wir sehen uns im Kaiserforst. Dein Bärchen.
Ich fasse es nicht. Ausgerechnet im Kaiserforst!
Da gingen wir als Teenager hin, das macht man doch nicht mehr in unserem Alter. Schade, dass er nicht mit seinem Namen unterschrieben hat, dann wüsste man jetzt, wer…
Und schade, dass Dirki das Handy an die Wand geschmissen und nicht dran gedacht hat, einfach den Absender der SMS anzurufen. Männer haben keine Nerven. Der eine nennt seine Geliebte Blasehase und der andere flippt sofort aus. Eigentlich müssen die sich gar nicht wundern, wenn sie betrogen werden. Harald Schmidt würde sich benehmen wie ein Mann.