Kapitel 5
Nichts ist unbeständiger als Geld. Geld wird schäbig, wenn es von Hand zu Hand geht, Geld verliert in Katastrophenzeiten seinen Sinn, und die Gesichter, die auf den abgenutzten Scheinen gedruckt sind, grinsen dich spöttisch an: Dafür hast du nun im Schweiße deines Angesichts geschuftet, hast dir deine Gesundheit ruiniert, hast nachts nicht geschlafen. Sicher, man kann es auch klüger anstellen und die Scheine in anderen, zuverlässigeren Werten anlegen. Aber wenn man Land kauft, wo ist die Garantie, daß einen nicht morgen die Stärkeren von diesem Land vertreiben? Und ein Haus kann einstürzen, verfaulen, verbrennen wie auch alle anderen Güter.
Sicherer ist Gold, aber es ist schwer und sperrig, es hat kein Leben, kein Licht. Der Wert dieses Metalls wird allein von seinem Gewicht bestimmt, nicht von seiner Schönheit. Es gab Zeiten, in denen war Aluminium mehr wert als Gold.
Nur Edelsteine, Diamanten und Smaragde, Rubine und Saphire, fallen nicht im Wert. Ein Edelstein ist von allen materiellen Gütern das langlebigste. Ein kostbarer Kristall lebt vom Licht, saugt die Zeit in sich auf, und der Wunsch, diesen kalten, schillernden Splitter der Ewigkeit zu besitzen, bringt viele um den Verstand. Er gleicht dem wunderschönen, zeitlosen Augenblick, mit dem der listige Mephisto Doktor Faust verlockte.
1701 fand im Bergwerk Portial in Golconda, Südindien, ein namenloser Sträfling einen Stein von solcher Schönheit, daß er sich nicht von ihm trennen mochte. Er schnitt sich die Hüfte auf und versteckte den schimmernden Kristall in seinem Körper unter einem blutigen Verband. Einem englischen Matrosen, den er zufällig traf, enthüllte er sein Geheimnis. Der Sträfling war bereit, seinen Schatz herzugeben, aber nicht für Geld, das der Matrose auch gar nicht hatte, sondern für seine Freiheit. Der Engländer hielt sein Versprechen, und bald befand sich der Inder auf einem britischen Handelsschiff. Der Matrose holte den Diamanten aus der eiternden Wunde und warf den Inder über Bord.
Das Schiff unter englischer Flagge erreichte das Fort St. George in Madras. Der Matrose verkaufte den Diamanten an den Gouverneur des Forts, William Pitt. Das Geld, das er dafür erhielt, machte ihn weder reich noch glücklich. Er brachte es in Hafenkneipen durch. Als er das letzte von mehreren tausend Pfund verschleudert hatte, hängte er sich auf.
William Pitt, jetzt glücklicher Besitzer des Diamanten, gab diesem Wunder der Natur seinen eigenen Namen. Nach England zurückgekehrt, befahl er, den Diamanten zu einem Brillanten schleifen zu lassen. Das dauerte zwei Jahre und kostete fünftausend Pfund. Die Kristallsplitter wurden für siebentausend Pfund verkauft.
1717 wurde der Stein für hundertfünfunddreißigtausend Pfund vom damaligen Regenten Frankreichs, dem Herzog von Orléans, erworben. Der Herzog war bescheidener als der Gouverneur, taufte den Stein zwar um, aber nicht auf seinen eigenen Namen, sondern auf den seines Amtes. Der Brillant hieß jetzt »Regent«.
1722 wurde der »Regent« zur Krönungsfeier Ludwigs XIV. in dessen Krone eingesetzt. Er, der aus einer blutigen, eiternden Wunde geholt worden war, schmückte von nun an die Häupter von Königen. Das letzte dieser Häupter, das von Ludwig XVI., fiel unter dem Beil der Guillotine.
Nach der blutigen Revolution brauchte die französische Republik dringend Geld. Man schlug den »Regent« aus der Krone und verkaufte ihn an einen russischen Kaufmann namens Treskow. Aber General Bonaparte liebte Edelsteine, er kaufte den berühmten Brillanten zurück, ließ ihn zunächst in den Griff seines Degens einsetzen, um sich bald darauf doch wieder von ihm zu trennen und ihn für eine riesige Summe zu verpfänden. Der Kristall, so groß wie eine Kinderhand, war so viel wert, daß es für die Ausrüstung einer ganzen Armee reichte. Welches Ende Armee und Heerführer nahmen, ist bekannt.
Jetzt ruht der berühmte »Regent« an einem Ehrenplatz im Louvre. Vielleicht findet sich noch einmal jemand, der ihn für seine Privatsammlung erwirbt. Wer weiß, was das Schicksal dann für diesen Glückspilz bereithält.
Der römische Naturforscher Plinius der Ältere schreibt in seiner »Naturkunde«, daß ein Diamant die Wirkung von Gift zunichte mache, Fieberhalluzinationen vertreibe, Furcht besiege und in der Hand eines Mörders trübe werde. Die Härte eines Diamanten sei einzigartig, er stoße die Schläge auf dem Amboß so zurück, daß das Eisen auf beiden Seiten auseinanderfahre und der Amboß selber zerspringe. »Jene unbesiegbare Kraft [des Diamanten], Verächterin der beiden heftigsten Mächte der Natur, des Eisens und des Feuers, wird durch Bocksblut gesprengt, jedoch nicht anders als in frischem und warmem [Blut] eingeweicht.«1
Der römische Gelehrte irrte. Trotz ihrer beispiellosen Härte sind die Diamantkristalle zerbrechlich und spalten sich unter Schlägen leicht. Bocksblut dagegen hat auf sie überhaupt keine Wirkung.
Reine, funkelnde Kristalle wie der »Pitt« sind sehr selten. Rohe, unbearbeitete Steine fallen gewöhnlich weder durch ihren Glanz noch durch ihre äußere Form ins Auge. Ihre Oberfläche ist oft rauh und uneben, manchmal mit einer Schicht aus einer anderen Substanz überzogen, die man heute Kruste nennt und früher als »Hemd« bezeichnete. In den mittelalterlichen Lapidarien, speziellen Traktaten, die sich mit den heilenden und magischen Eigenschaften der Edelsteine beschäftigen, wird nämlich behauptet, daß Diamanten in Familien wachsen, der eine klein, der andere groß, männliche Kristalle und weibliche Kristalle. Sie leben, heißt es dort, von Himmelstau und gebären Junge, für die es ein glückliches Vorzeichen ist, genau wie für Menschenkinder, im »Hemd« auf die Welt zu kommen.
Im Frühherbst 1829, im Dorf Kalininskaja im Ural, trat die alte Apollinarija Popowa eines Morgens aus dem Haus, um nachzusehen, wie es um ihre weiße Legehenne bestellt sei. Die Henne hieß Motja. Sie war alt, fett und legte ungewöhnlich gut. Als Apollinarija in den mit weichem Stroh ausgelegten Korb schaute, entdeckte sie zu ihrem Entsetzen keine warmen großen milchfarbenen Eier, sondern nur ein einziges Ei, kleiner als ein Taubenei, schmutzig, grau und zu alledem auch noch eckig.
»Ogottogott, was ist das für ein widerliches Ding? Ist das Huhn etwa verhext?« schrie Apollinarija auf und bekreuzigte sich schnell.
Ihr ältester Enkel, der vierzehnjährige Pawlik, wollte gerade zur Arbeit gehen, Gold waschen.
»Guck doch nur, Pawlik, was für ein Unglück!« Die Oma reichte ihm den Korb. »Unsere Henne ist verhext worden, und ich weiß auch, wer das war, Raissa mit ihrem bösen Blick, die verfluchte Hexe. Erinnerst du dich, wie Motja vor drei Tagen plötzlich verschwunden war? Da hat Raissa sie zu sich auf den Hof gelockt, sie hat einen schwarzen Hahn. Die Weiber reden, das ist ein ganz besonderes Tier, ein verzaubertes. Ach, was für ein Jammer, Pawlik, schade um das Huhn, jetzt taugt es nur noch für die Suppe, oder vielleicht nicht mal dafür, wer weiß, ob so eine Suppe nicht schädlich ist!«
»Schon gut, Oma.« Pawlik nahm vorsichtig das kleine schmutzige Ei in die Hand und kratzte mit dem Fingernagel an der harten Kante. »Die Hühner laufen nicht zu Raissa auf den Hof, sondern zur Diamantenmine, zu den Feldküchen, dort gibt es Hirse und Brotkrumen. Raissa und ihr böser Blick haben nichts damit zu tun. Und ihr Hahn ist ein ganz gewöhnlicher, bloß schwarz wie Kohle und rauflustig wie der Teufel.« Pawlik sprach so vernünftig wie ein Erwachsener und kratzte dabei die ganze Zeit an dem seltsamen Ei herum, hielt es prüfend ans Licht.
»Warum denn zur Mine«, schimpfte die Oma weiter. »Sie bekommt doch nur das beste Korn, sie braucht doch gar nicht vom Hof zu laufen. Und du, Pawlik, iß deine Dickmilch und dein Brot.«
»Oma, erzähl den Nachbarinnen nicht von diesem Ei. Sag zu niemandem ein Wort, hörst du?«
Und schon war er fort, ohne Dickmilch und Brot angerührt zu haben.