7 Uhr

Miguel starrte auf die Monitorbank vor ihm. Die meisten Kinder schliefen, aber Mädchen 219 warf sich noch immer unruhig auf dem Bett herum. Er hatte ihr an diesem Abend kein Schlafmittel geben können, denn sie erbrach sich immer wieder, und er wollte das Mittel nicht verschwenden. Mädchen 219 hatte nicht einmal das Wasser bei sich behalten können, das Miguel ihr eingeflößt hatte, und nichts mehr gegessen, seitdem ihr so übel war. Außerdem hatte sie über Bauchschmerzen geklagt.

In der letzten Stunde hatte Miguel mit einiger Besorgnis beobachtet, wie Mädchen 219 entweder flach auf dem Rücken lag oder sich in Embryonalstellung zusammenrollte. Selbst in dem dunklen Zimmer und mit den Nachtsichtkameras, die alles in grünes, geisterhaftes Licht tauchten, konnte er erkennen, dass sie krank aussah. Ihre Augen waren eingesunken und von dunklen Ringen umgeben.

Miguel fragte sich, ob er jemandem Bescheid sagen sollte. Er war es leid, immer darauf zu warten, dass die Frau – Verzeihung, der Boss – ihn zurückrief. Er hatte sie um kurz nach 5 Uhr angerufen und ihr gesagt, eines der Kinder sei krank. Bis jetzt war nur Mädchen 219 betroffen, aber so etwas breitete sich schnell aus, und Miguel hatte keine Lust, sich um die kranken Bälger zu kümmern. Sie waren auch so schon lästig genug.

Der Boss hatte versprochen, sich bis 6 Uhr mit weiteren Instruktionen zu melden. Jetzt war es sieben, und Miguel hatte noch immer nichts gehört.

Seltsam, dachte er. Es passt gar nicht zu ihr, dass sie nicht zurückruft.

Sie hatte ihren Laden fest im Griff, und alles wurde genau so gemacht, wie sie es wollte. In den drei Jahren, die Miguel jetzt für sie arbeitete, hatte sie nicht einen Termin verpasst. Und wenn es um etwas so Wichtiges ging, war sie sonst immer pünktlich. Also musste etwas passiert sein.

Miguel überlegte kurz, ob er sie noch einmal kontaktieren sollte, ließ es dann aber, da er wusste, dass sie sich darüber aufregen würde. Also beschloss er, eine andere Nummer anzurufen.

Er klemmte sich den Telefonhörer zwischen Schulter und Ohr, zog ein Notizbuch aus der Tasche und blätterte darin, bis er die Nummer gefunden hatte, die er suchte. Diese Nummer hatte er erst ein einziges Mal gebraucht.

Miguel wählte und wartete.

Ein Klicken. Dann klingelte es am anderen Ende. Eine computerverzerrte Stimme meldete sich.

»Sprechen Sie.«

»Ich glaube, wir haben ein Problem«, sagte Miguel.

Fortsetzung folgt

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