1. Kapitel

An einem Sonntagabend im April waren zwanzig Leute in der Lobby des Haven-Hotels versammelt. Mit großer Aufmerksamkeit lauschten sie dem Besitzer Rob Gill. »Ich vertraue darauf, dass Sie Ihren dreitägigen Aufenthalt hier genossen haben«, sagte er, und ein angedeutetes Lächeln umspielte seinen Mund. »Zumindest haben Sie mit Sicherheit alle etwas Neues über sich selbst gelernt.«

Jan Pearson, die achtundzwanzigjährige selbstständige Casterin, spürte, wie sie errötete. Sie blickte verstohlen zu den anderen Teilnehmern hinüber, aber die hatten nur Augen für Rob. Jetzt sahen sie alle wieder so normal aus: die Frauen in ihren Hosenanzügen oder in Designer-Freizeitoutfits, die meisten Männer in schicken Anzügen. Was für ein Kontrast zu ihrem Auftritt im Verlauf dieses Wochenendes. So hatte sie beispielsweise den Mann, der jetzt neben ihr stand – wohlverpackt in einem Dreiteiler, weißem Hemd und dunkelblauer Krawatte –, unterwürfig zu Füßen einer üppigen Blondine knien gesehen; die Hände hinter dem Rücken gefesselt, hatte er vor Aufregung und Begierde zitternd darauf gewartet, dass sie ihm endlich den grausam hinausgezögerten Höhepunkt erlaubte.

»Wichtig ist, dass Sie Folgendes verstehen«, fuhr Rob fort, »Sie sind jetzt Teil einer sehr exklusiven Geheimgesellschaft. Nach Ihrer Ankunft hier haben Sie ein Dokument unterzeichnet, in dem Sie sich unserem Schweigekodex verpflichteten. Sich daran zu halten fällt Ihnen womöglich schwer, sobald Sie wieder Freunden aus Ihrem Alltag begegnen. Doch sollte irgendwer von Ihnen diesen Schwur brechen, würde derjenige geächtet. Mit anderen Worten, er oder sie dürfte uns nicht mehr besuchen.«

Jans Mund wurde trocken. Schon nach einem einzigen Wochenende war sie süchtig nach den Vergnügungen, die sie hier zu genießen gelernt hatte, in diesem so besonderen Resort. Wenn ihr vorher jemand gesagt hätte, wie erotisch sie es finden würde, zu Gehorsam und Unterwerfung gezwungen zu werden, hätte sie denjenigen ausgelacht. In all ihren Beziehungen hatte sie stets die Kontrolle bewahrt, und genau so hatte sie es sich auch gewünscht. Dennoch hatte ihr Aufenthalt im Haven, diesem faszinierenden Refugium der Gefügigkeit, sie total verändert.

»Ich bin mir sicher, dass viele von Ihnen, die Sie heute hier sind, untereinander in Kontakt bleiben wollen, und das entspricht auch unseren Vorstellungen«, fuhr Rob fort. »Sie sind nun allesamt Gleichgesinnte. Die einzigen Leute hier, die Sie nicht weiterhin treffen können, sind Ihre Lehrer. Denn Sie dürfen nie vergessen, dass das hier für uns ein Job ist. Es ist nichts Privates.«

Die Brustwarzen unter Jans figurbetontem Rippstrickpulli mit V-Ausschnitt wurden plötzlich hart, und sie spürte, wie sie sich an dem Gewebe rieben. Das war Robs Schuld – seine Worte hatten sie an den vorangegangenen Abend erinnert.

Sie hatte nach einer langen Session mit einem der anderen Lehrer und zwei Gästen völlig erschöpft und übersättigt auf ihrem Bett gelegen, als Rob das Zimmer betrat. Begleitet von einem jungen Kerl, einem Lehrer in der Ausbildung, mit dem Jan zuvor noch nie zu tun gehabt hatte. Rob hatte ihr verkündet, sie seien gekommen, um ihr eine Stunde lang Lust zu bereiten. Zunächst hatte sie das für einen Irrtum gehalten und erklärt, sie sei schon sehr verwöhnt worden. Da hatte sich seine Miene schlagartig geändert, hatte einen Ausdruck angenommen, an den sie sich im Laufe des Wochenendes gewöhnt hatte. Seine stechend blauen Augen waren schmal geworden.

»Ich hoffe, Sie versuchen nicht immer noch, mir zu sagen, was ich tun soll, oder, Jan?« Weil sie sich an die Bestrafungen erinnerte, die sie hatte erdulden müssen, bevor sie die Gebote des Haven begriff, hatte Jan hastig den Kopf geschüttelt. »Dann ist es gut. Denn wie Sie wissen, wird hier von Ihnen erwartet, unseren Wünschen zu gehorchen. Und Marc und ich wünschen, Ihnen Lust zu verschaffen. Ihre Wünsche sind völlig unerheblich.«

Zu Jans Erstaunen hatten Robs Worte sie erregt. Dennoch war sie überzeugt davon, dass ihr erschöpfter Körper zu keiner Reaktion mehr fähig wäre, egal, was die beiden Männer mit ihr anstellten. Wie sehr sie sich da getäuscht hatte, dachte sie jetzt, als ihr die intensiven Orgasmen, die die beiden ihr abgetrotzt hatten, in den Sinn kamen.

Jan erinnerte sich, wie Rob rittlings auf ihr gesessen und ihre Brüste mit duftendem Öl geknetet hatte, während Marc, der am Fuß des Bettes kniete, ihre Beine geöffnet und unglaublich gekonnt mit seiner Zunge ihre empfindlichste Stelle berührt hatte. Irgendwann hatte sie aufgehört zu zählen, wie oft ihr Körper sich in Krämpfen hilfloser Lust zusammengezogen und gekrümmt hatte. Es war ein unvergleichliches Erlebnis gewesen, und nachdem Rob schließlich von ihr herabgestiegen war und mit der Hand über ihren schweißüberströmten Körper gestrichen hatte, da meinte sie, für einen kurzen Moment etwas Persönliches in seinem Blick gesehen zu haben. Aber wie es jetzt schien, hatte sie sich geirrt. Und falls nicht, so würde es ihr niemals gelingen, das herauszufinden.

»Ich hoffe, dass wir Sie irgendwann hier wiedersehen«, sagte Rob. »Ich schlage vor, dass diejenigen unter Ihnen, die gelernt haben, dass Schmerz Lust bereiten kann, ihre Telefonnummern austauschen. Bei den meisten von Ihnen dürften die neuen sexuellen Vorlieben auf die Menschen, mit denen Sie bisher intim waren, gelinde gesagt schockierend wirken.« Eine kleine Welle verlegenen Gelächters ebbte durch den Raum.

Jans Po spannte sich unter dem knöchellangen schmalen Rock an, als sie an das heiße Stechen dachte, das die Latexpeitsche ihr bereitet hatte, die Robs Stellvertreter Simon so gekonnt schwang. Beim ersten Schlag hatte sie vor Schock und Wut aufgeschrien. Aber da sie mit gespreizten Gliedmaßen auf einem großen Holztisch gelegen hatte, an Hand- und Fußgelenken von anderen Gästen festgehalten, war sie unfähig gewesen, irgendetwas dagegen zu tun.

Während ihre »Bestrafung« fortgesetzt wurde, hatte sie nach und nach erstaunt festgestellt, dass das Unbehagen rasch verflog und dagegen die Hitze der Hiebe durch ihren ganzen Körper zu rasen schien, sodass ihre Brüste hart wurden und es in ihrem Unterleib heftig pochte. Ja, sie musste unbedingt mit einigen Leuten die Telefonnummern austauschen, bevor sie in ihr Auto stieg und zu ihrem vollen Terminkalender nach London zurückkehrte.

»Und jetzt ist es Zeit für Sie aufzubrechen«, kam Rob lächelnd zum Ende seiner Ansprache. »Vergessen Sie nichts, was Sie hier gelernt haben. Schließlich wollen Sie Ihr Geld nicht vergeudet haben, nicht wahr?« Wieder wurde gelacht, diesmal allerdings nicht verlegen. Jan versuchte, für einen Moment Robs Blick auf sich zu ziehen, um sich selbst zu beweisen, dass sie sich nicht geirrt hatte und doch etwas Besonderes für ihn war. Doch er drehte sich ohne ein weiteres Wort um und verließ den Raum. Bestürzt stellte sie fest, dass der Schritt ihrer Strumpfhose feucht war. Allein an die Dinge zu denken, die geschehen waren, hatte sie wieder erregt.

Ein Mann ungefähr ihres Alters kam auf Jan zu. Sie erinnerte sich vom Samstag an ihn. Er war ein erstaunlich versierter Liebhaber gewesen, obwohl sie in dem Stadium noch nicht in der Lage gewesen war, die Kontrolle völlig aufzugeben. Nachdem sie das nun konnte, würde der Sex mit ihm wahrscheinlich sogar noch besser sein. Deshalb willigte sie auch freudig ein, als er sie um ihre Nummer bat.

»Ich überlege, in nächster Zeit eine Party zu veranstalten«, erzählte sie ihm.

»Gute Idee. Ich hoffe, ich stehe auf der Gästeliste.«

Jan lächelte und strich sich ihre kurzen, glatten, braunen Haare hinter die Ohren. »Ich dachte mir, acht wäre die ideale Zahl. Was meinst du?«

Er nickte. »Ja, acht klingt ziemlich gut. War das nicht ein interessantes Wochenende?« Er sah sie eindringlich an.

Ein Schauder überlief sie. »Sehr interessant«, erwiderte sie leise. Als er ihr mit den Fingern sanft über die Wange strich, erinnerte Jan sich, wie dieselben Finger ihr die Hände über dem Kopf festgehalten und wie sein Mund sich an ihrer linken Brustwarze festgesaugt hatte. Grausam hatte er an ihrer zarten Haut gezerrt und ihre Proteste ignoriert – denn genau darum war es bei diesem Wochenende gegangen. Plötzlich wollte sie ihn wieder, jetzt auf der Stelle, und sie konnte an seinem Blick ablesen, dass er es wusste.

»Warte nicht zu lange, bis du mich anrufst«, trug er ihr auf. Vor ihrem Aufenthalt im Haven hätte sie sich über seinen Ton geärgert, jetzt erregte er sie.

»Sicher nicht.« Dann griff Jan widerwillig nach ihrem Gepäck und begab sich auf die Heimreise nach London.