Feindliche Nachbarn

 

Der zweite Tagesmarsch der Bärenbande führte wiederum südwärts. Harka saß auf seinem lebhaften Scheckenpferd. Er ließ die Augen immer wieder in die Runde gehen. Vor allem aber spähte er nach Süden in Richtung der neuen Jagdgründe, in denen man Büffel zu finden und wieder satt zu werden hoffte.

Es wurde nicht gesprochen. Jeder war mit seinen eigenen Gedanken und Beobachtungen beschäftigt. Hoch oben in den Lüften zog ein Raubvogel seine Kreise. Hawandschita und Mattotaupa lenkten gegen Mittag stärker nach rechts, also südwärts, und unter schimmernden Schneekronen, von der Sonne gleißend beleuchtet, tauchten die Umrisse des fernen Felsengebirges im Gesichtskreis auf.

Als die Sonne dieses Tages sank, war eine Strecke von 57 Kilometer bezwungen. Männer, Frauen und Kinder kümmerten sich nicht um die Pracht des roten Sonnenballs, der Himmel und Prärie noch einmal mit seinen Strahlen übergoß, ehe er unter dem Horizont entschwand. Sie fröstelten leicht in der Kälte, die mit der Dunkelheit kam, und die Frauen und Mädchen hantierten so schnell und gewandt wie je, um die dreißig Zelte aufzuschlagen, die Schutz für die Müden versprachen.

Die Jungen und Mädchen schliefen in ihren Decken sofort ein und erwachten erst wieder, als die Sonne im Osten mit verjüngter Herrlichkeit aufging. Man hatte auch in dieser Nacht an einem kleinen Wasser gelagert, und es zeigte sich in der Frühe, daß es zwei geeignete Badeplätze gab. Zu dem einen gingen die Frauen und Mädchen, zum anderen die Männer und Jungen. Harka bedauerte sehr, daß der Wasserlauf sogar jetzt im Frühling so seicht war, daß man nicht darin schwimmen konnte. Im Sommer mußte dieser Bach wohl ganz versickern. Der Junge legte sich in das Rinnsal, tummelte sich und spritzte sich mit dem jüngeren Harpstennah. Nach dem Bad rieben sich die Kinder mit Sand ab und salbten sich mit Bärenfett ein; das machte die Haut geschmeidig und unempfindlich gegen Sonne, Wind und Kälte. Im Tipi gab es an diesem Morgen Wolfsfleisch zu essen; es schmeckte schlecht, war aber besser als gar nichts.

Nach dem Frühstück bis zum Aufbruch blieb noch ein wenig Zeit. Untschida, die Großmutter, saß bei der Feuerstelle und sortierte einige Kräuter, die sie am Bachufer gesammelt hatte. Harka schaute mit seiner Schwester Uinonah zu. Die Großmutter erklärte den Kindern die Heilkräuter: Diese, sagte sie, seien gut, um auf offene Wunden gelegt zu werden, jene aber dienten zum Verheilen der Narben. Uinonah war sehr aufmerksam, denn sie wollte einmal eine ebenso angesehene Geheimnisfrau werden, wie es die Großmutter war. Harka hatte weniger Geduld. Er fragte Untschida, ob sie glaubte, daß die Krieger der Bärenbande bald Wunden empfangen würden, für die sie die Heilkräuter brauchten.

»Du liest meine Gedanken, Harka Wolfstöter«, antwortete die Mutter Mattotaupas. »Wir ziehen dorthin, wo die Sonne gegen Mittag steht. Dort aber wohnen die Pani, die den Dakota feind sind. Auch sie wollen Büffel jagen, und wenn wir ihnen begegnen, müssen unsere Männer kämpfen.«

»Das Dakotaland reicht bis zu einem großen Fluß, hat mein Vater gesagt, und die Pani haben kein Recht, diesen zu überschreiten!«

»Das sagen die Häuptlinge und Krieger der Dakota. Die Häuptlinge und Krieger der Pani aber denken anders über die Grenzen der Jagdgefilde.«

Untschida hatte noch mehr sagen wollen, aber sie unterbrach sich, denn die Mutter der Kinder kam herein. Sie war erregt und berichtete, daß die Späher Spuren gefunden hätten, fremde Fährten in der Nähe des Zeltlagers.

Harka lief daraufhin sofort aus dem Tipi. Er wollte Näheres darüber erfahren, um was für Spuren es sich handelte.

Er sah, wie Mattotaupa und Sonnenregen zusammen vor dem Zauberzelt standen, als ob sie zu Hawandschita hineingehen wollten. Die beiden Männer hatten den Schritt kurz vor dem Tipi des Zaubermannes angehalten. Sonnenregen sprach auf Mattotaupa ein. Es schien, als ob er den Häuptling für seine Auffassung schon gewinnen wollte, noch ehe die Beratung mit dem Zaubermann begann. Die beiden Männer konnten sich anscheinend nicht einigen. Sie brachen schließlich ihr Gespräch ab und gingen zusammen in das Tipi des Zaubermannes. Damit waren sie für Harka verschwunden.

Der Junge stellte sich auf die Zehenspitzen, unschlüssig, ob er zum eigenen Zelt zurückgehen oder Tschetan suchen oder sich mit einigen Jungen Hunden zusammenfinden sollte. Da wurde ihm die Entscheidung abgenommen, denn Tschetan fand sich überraschend ein.

»Was stehst du da wie ein Büffel, der die Herde verloren hat?« fragte er den Jungen.

»Sie beraten in Hawandschitas Zelt.«

»Weißt du worüber?«

»Über die Fährten«, riet Harka.

»Und was denkst du?«

»Unsere Kundschafter haben Spuren gefunden. Was soll ich darüber denken, da ich die Spuren doch nicht gesehen habe? Erst muß ich sie sehen, dann kann ich über sie nachdenken.«

»Hau. Soll ich dir die Spuren zeigen?«

»Ja!« Harkas ganzer Körper spannte sich wie eine Bogensehne unter der Hand eines Kriegers.

»So komm.« Tschetan lief mit Harka im Dauerlauf in die Prärie hinaus. Schonka stand bei seinem verwaisten Zelt und schaute den beiden nach.

Tschetan und Harka hatten nicht weit zu laufen. Etwa 300 Meter vom Zeltplatz entfernt befand sich eine der flachen Bodenwellen, in denen die ganze Prärie verlief, und an ihrem Seitenhang, an einer kleinen Senke zwischen dieser und der nächsten Bodenwelle, war eine der Spuren zu sehen, die Tschetan Harka zeigen wollte. Tschetan wartete, was der Junge sagen werde.

Harka betrachtete die Stelle lange und sorgfältig. Er wußte, daß er geprüft wurde.

»Die Halme haben sich schon wieder ein wenig aufgerichtet«, sagte er schließlich, »aber nur sehr wenig, denn die meisten sind welk und schwach vom Winter. Hier hat ein Mensch im Gras gelegen, und er war vorsichtig, denn beim Niederlegen und Aufstehen hat er kaum eine Spur gemacht. Doch hat er sich beim Aufstehen wahrscheinlich etwas rascher bewegt und nicht ganz so überlegt, denn hier – siehst du – ist eine Zehenspur am Rand des Grasbüschels im Sand. Es ist eine matte Spur, nicht von nackten Zehen, sondern von Zehen in Mokassins. Diese Spur ist frisch, ihre Ränder sind noch scharf. Der Späher ist zu Ende der Nacht aufgestanden. Es war ein roter Mann. Vielleicht wollte oder sollte er sich schnell zurückziehen. Ihr habt ihn nicht gesehen?«

»Nein«, antwortete Tschetan mit einem bedrückten, fast schuldbewußten Unterton, »wir haben weder ihn noch seinen Begleiter zu Gesicht bekommen. Es kann sein, daß es nicht nur zwei, sondern sogar drei waren, aber wir haben sie nicht gesehen. Sie müssen an uns vorbei fast bis zum Lager gelangt sein, und als wir eine Fährte fanden und zurückeilten, haben auch sie sich zurückgezogen. Sie sind wieder an uns vorbeigelangt, ohne daß wir sie sahen, aber ich glaube, daß auch sie uns nicht gesehen haben. Wahrscheinlich hat einer von ihnen aber unsere Spur gefunden, so wie wir die ihren, und wir sind hin und zurück aneinander vorbeigelaufen.«

»Das ist zum Lachen und nicht sehr rühmlich! Wir wissen also nicht, welchem Stamm die fremden roten Männer angehören?«

»Nein, das wissen wir nicht, aber die unbekannten Krieger müssen gesehen haben, daß unsere Zelte Zelte der Dakota sind.«

Harka betrachtete die Spur weiterhin in Gedanken. »Es könnten Dakota sein, die hier auf Kundschaft waren, oder Cheyenne.«

»Dakota oder Cheyenne oder Pani, aber wir wissen es nicht.«

»Beobachten wir diese unbekannten Späher jetzt?«

»Ihre Spuren sind unterbrochen, wir können ihnen nicht ohne mühsames Suchen folgen. Das kostet viel Zeit. Darum ist mein Vater zu den Zelten gegangen, um mit unserem Kriegshäuptling zu beraten. Unterdessen liegen die Späher, die Sonnenregen und Schonka und mich abgelöst haben, weiter südwärts und halten Umschau, ob sich etwas Verdächtiges rührt. Sie konnten uns aber noch keine neue Nachricht geben.«

»Wenn diese fremden Späher einem der Dakotastämme angehören würden, wären sie doch offen zu unseren Tipi gekommen, sobald sie erkannten, daß auch wir Dakota sind«, überlegte Harka weiter. Die Dakota – das Wort bedeutet »Sieben Ratfeuer« – gliederten sich in sieben große Stammesabteilungen, die wieder in zahlreiche Gruppen und kleine Banden zerfielen, wie es die Lebensweise der Jäger bedingte. Die Bärenbande gehörte zu den im westlichen Gebiet lebenden Teton-Dakota und unter diesen zur Gruppe der Oglala.

»Auch wenn es Dakota sind, wollten sie vielleicht erst ihrem Häuptling berichten, ehe sie sich uns zeigen.«

Harka widersprach. »Das glaube ich nicht. Vielleicht waren es Pani.«

»Die Pani sind Kojoten und feige Präriehunde!« erklärte Tschetan verächtlich. »Sie wohnen unten am Plattestrom. Wie sollten sie es wagen, so weit nördlich in die Jagdgründe der Männer vom Stamme der Dakota einzudringen!«

»Vielleicht haben sie auch Hunger.«

»Da wir bisher keine Büffel gefunden haben, müssen die Büffelherden unten am Platte weiden, und die Pani haben Fleisch genug.«

»Woher weißt du das? Büffel müssen überhaupt nicht. Wer soll ihnen befehlen?«

»Der Hunger, der auch uns befiehlt. Aber wozu streiten wir uns? Die Fährten geben nicht genug Auskunft. Ich weiß nicht viel, und du weißt auch nicht viel. Es wird sich vielleicht sehr bald zeigen, wer richtig vermutet. Denn eins ist gewiß: Diese fremden Krieger sind erst vor kurzem hier gewesen.«

»Sie sind nicht zu Pferde, sondern zu Fuß gekommen, und also werden sie auch jetzt noch nicht weit fort sein, mögen sie auch so schnell laufen, wie sie nur können.« Harka brach ab, denn er sah, daß sein Vater mit Sonnenregen aus dem Zauberzelt kam. Der Häuptling rief noch zwei Krieger heran, »Alte Antilope« und den »Raben«, und ging mit diesen und Sonnenregen zu seinem eigenen Tipi. Das ergab für Harka die Gelegenheit, die kommende Besprechung mit anzuhören. Im väterlichen Zelt durfte er sich immer aufhalten, wenn er nicht geradezu hinausgeschickt wurde.

Er verließ daher Tschetan, lief schnell im Kreis um das Häuptlingszelt, um nicht zu sehr aufzufallen, und schlüpfte noch vor der Gruppe der Krieger durch den Zeltschlitz hinein. Im Zelthintergrund setzte er sich zu Mutter, Großmutter und Geschwistern.

Mattotaupa und die drei Krieger traten ein. Der Häuptling eröffnete keine feierliche Beratung. Die Männer stopften nur die kurzen Pfeifen, die zu einer kurzen Besprechung paßten.

»Ihr wißt, worum es geht«, begann Mattotaupa. »Wir vermuten alle, daß es Pani sind, die uns umspähen. Wenn eine Schar dieser Spürnasen und Kläffer in unserer Nähe ist, werden sie uns angreifen.« – »Sie werden sich blutige Nasen holen, und ihre Skalpe hängen bald an unseren Stangen!« prahlte Alte Antilope. Mattotaupa warf ihm einen strafenden Blick zu, denn es war nicht üblich, daß der an Ansehen Geringste im Beratungskreise als erster dem Häuptling antwortete. Alte Antilope schaute beschämt zu Boden.

»Wir müssen auf einen Kampf gefaßt sein«, sprach nun der Rabe. »Vielleicht werden diese stinkenden Ratten uns schon beißen wollen, noch ehe das Kriegsbeil nach der Sitte der Väter ausgegraben ist. Wenn sie in unseren Jagdgründen umherschwärmen, so wissen sie, daß auch wir nach jedem von ihnen, den wir erblicken, den Pfeil senden.«

»So ist es«, bestätigte Alte Antilope. »Wenn wir auf Pani treffen, werden nicht die Zungen, sondern die Pfeile und Speere sprechen. Ich frage dich aber, Häuptling Mattotaupa: Warten wir hier in diesem Lager, bis die Feinde kommen, oder ziehen wir weiter?«

»Wir ziehen weiter!« rief der Rabe zornig. »Sind wir nicht in den Jagdgefilden der Dakota? Sollen wir uns vor einigen frechen Kojoten schon verkriechen, noch ehe wir überhaupt wissen, ob sie da sind? Ist das die Art der Söhne der Großen Bärin?«

Alte Antilope runzelte die Stirn. »Du redest vorschnell, Rabe. Was sagt der Geheimnismann, Mattotaupa? Du hast mit ihm gesprochen.«

»Ja«, bestätigte der Häuptling, »Sonnenregen und ich haben mit Hawandschita gesprochen. Er rät uns, weiterzuziehen und noch mehr Späher auszusenden.«

»Und was denkst du selbst, Mattotaupa? Wenn wir ziehen, sind unsere Weiber und Kinder leichter anzugreifen als in den Zelten.«

Sonnenregen nahm das Wort. »Wir sind genug Krieger, um die Frauen und Kinder zu schützen. Mich juckt es, die Pani zu bestrafen, wenn sie frech genug sind, in unsere Prärien zu kommen. Laßt uns weiterziehen!«

Die Meinung drang durch. Alle brannten darauf, ihr eigenes Recht ohne Rücksicht wahrzunehmen und den Pani eine Lehre zu erteilen, wenn diese es überhaupt wagten, sich sehen zu lassen.

»Wir ziehen also weiter!« schloß Mattotaupa.

Alte Antilope verließ das Tipi, um draußen als Herold allen Zelten laut zu verkünden, was beschlossen worden war.

Mattotaupa wählte unterdessen sechs Späher aus, drei zu Pferde, um die größtmögliche Schnelligkeit zu entwickeln, und drei zu Fuß, die sich leichter verbergen konnten. Sonnenregen, Tschetan und Schonka waren es, die zu Fuß als Kundschafter ausgesandt wurden. Der Rabe, sein ältester Sohn und ein weiterer Krieger machten sich zu Pferde auf den Weg.

Untschida löste die erste Zeltplane. Die Frauen begannen daraufhin, die Tipi abzuschlagen. Die Drosseln, ständige Begleiter der Pferdeherde, flüchteten, als die Jungen und Mädchen die Pferde holten. Mit jenen drei Spähern, die schon als Ablösung vorausgesandt waren, befanden sich nun neun Männer und Burschen auf Kundschaft. Das waren, der gefährlichen Situation entsprechend, ungewöhnlich viel.

Bald nachdem die erste Zeltplane geflattert hatte, war auch der ganze Zug wieder in Bewegung. Über allen Wandernden lag eine unausgesprochene Spannung. Jeder Krieger hatte zwei, drei Pfeile aus dem Köcher genommen und sie als Bündel zur Hand, um sofort anlegen zu können, wenn ein Feind auftauchte. Hin und wieder schwenkte einer die Hieb- und Wurfwaffe, die aus einer umgebogenen, mit den Enden zusammengebundenen Weidengerte bestand; in der Weidenschlinge war ein eiförmiger Stein befestigt. Ein Schlag mit dieser elastischen Keule wirkte tödlich, wenn er den Kopf des Gegners traf.

Harka behielt seine Jagdpfeile im Köcher. Kriegspfeile, mit Widerhaken versehen, besaß er noch nicht. Es würde sich auch nicht geziemt haben, daß er sich aufspielte, als ob er wie ein Krieger kämpfen könne. Aber er war entschlossen, es zu tun, wenn etwaige Feinde nahe genug kamen, um auch Frauen und Kinder anzugreifen. Der Junge ritt an der Seite des Zuges in der Nähe der Mutter und der Schwester. Die beiden hatten zusammen auf einem Pferd aufsitzen müssen.

Der Zug war erst eine halbe Stunde unterwegs, als schon die Warnrufe der Kundschafter gellten. Verabredet waren als Warnungszeichen einige Töne des Liedes der Drossel, die dem Feind nicht auffallen konnten. Aber die Kundschafter hielten sich nicht an die Abrede. Das war ein Zeichen dafür, daß ihnen Eile jetzt wichtiger schien als Vorsicht. Die Warnrufe wurden aus immer größerer Nähe abgegeben. Die Späher kehrten offenbar schnell zum Zuge zurück. Harka lauschte gespannt und blickte dabei auf den Vater, den stolzen Kriegshäuptling zu Pferde, den die Federn des Kriegsadlers vor allen anderen auszeichneten. Mattotaupa mußte die Befehle geben, was zu tun sei. Niemand zweifelte mehr daran, daß ein Kampf bevorstand.

Als erster der rückkehrenden Jäger wurde Sonnenregen sichtbar. Er erschien auf einer Anhöhe; seine Haltung ließ darauf schließen, daß er schwer keuchte. Er mußte so schnell wie um sein Leben gelaufen sein. Seine Handzeichen machten allen die drohende Gefahr klar: Eine Schar von über sechzig berittenen Pani war im Anzuge, offenbar mit feindlichen Absichten. Gleich nachdem Sonnenregen seinen stummen Bericht gegeben hatte, ertönten rings noch einmal die warnenden Kundschafterrufe. Alle Männer und Burschen aus dem Spähdienst kehrten zu Fuß im Dauerlauf, zu Pferde im Galopp zurück, um sich in die Krieger- und Wanderschar einzugliedern. Dort wurden sie jetzt am dringendsten gebraucht.

Harka horchte auf, als er ein neues Geräusch vernahm. Es war noch sehr fern, aber es kam näher, und es war unverkennbar das dumpfe Geräusch einer im Galopp befindlichen Reiterschar. Die Feinde, die von den Kundschaftern angekündigt waren, kamen schon!

Die Frauen nahmen auf Befehl des Häuptlings alle Kinder aus den Rutschen zu sich aufs Pferd und hängten die Rutschen ab. Es war besser, Zelt und Habe zu verlieren als das Leben. Ohne das Gepäck waren auch die Frauen mit ihren Kindern im Notfall rasch bewegliche Reiterinnen. Getrocknetes Büffelfleisch und getrocknete Wurzeln und Beeren, diese Notvorräte, trugen die Frauen in Ledersäcken verwahrt bei sich.

Das gefahrdrohende Geräusch der feindlichen Reiterschar kam mit enormer Geschwindigkeit näher. Auf dem Grasland konnten die Mustangs ihre volle Schnelligkeit entwickeln. Harka, der sich bei den Frauen und Kindern befand, spähte angestrengt nach Westen. Von dorther war das Geräusch der herangaloppierenden Reiterschar zu vernehmen. Die fremden Reiter erschienen auf dem Kamm einer Bodenwelle in wohlgeordneter Linie. Auch Harka konnte sie erkennen, wenn auch nur sehr fern und in der Perspektive klein und noch undeutlich. Die ungemein scharfen und geübten Augen der Jäger erspähten aber doch, daß die fremden Krieger die Pferde hochrissen und die Speere drohend schwenkten.

Noch waren sie für einen Pfeilschuß nicht erreichbar.

Da geschah etwas Erschreckendes und Grausames. Es knallte auf eine Art, die Harka noch nie im Leben gehört hatte. Harkas Mutter griff nach der Brust und machte eine Bewegung, als ob sie halb umgerissen sei, der Zügel entfiel ihr. Harka drängte sein Pferd an die Seite des Tieres, auf dem Mutter und Schwester saßen, und wollte die Mutter stützen. Da mußte er begreifen, daß eine Tote mit gebrochenen Augen in seine Arme sank. Er vermochte sie kaum zu halten, aber es mußte sein. Er sprang auf, griff mit dem linken Arm durch den Zügel des eigenen Pferdes und ließ dann mit aller Anstrengung die tote Mutter ins Gras gleiten. Da lag sie, und obgleich dem Jungen nur eine Sekunde blieb, um die Mutter anzusehen, wie sie so dalag, prägte sich ihm dieser Anblick für sein ganzes Leben ein. Aus der Brust lief nur ein dünner Blutfaden. Das ebenmäßige, noch junge Gesicht war fahl.

Uinonah schrie laut auf und wollte auch vom Pferd gleiten, aber Harka zwang sie, oben zu bleiben und sich an der Seite der Frauen zu halten. Er selbst sprang wieder auf seinen Schecken. Seine Augen waren heiß und trocken. Es knallte schon wieder, auf die gleiche Weise wie das erstemal, und Harka hörte etwas pfeifen. Zugleich brüllte Sonnenregen: »Mazzawaken, Mazzawaken!« Das hieß »Geheimniseisen«, und Harka erschrak, aber zugleich erfüllte ihn eine maßlose und furchtbare Erbitterung, weil die Feinde seine Mutter getötet hatten. Er schaute auf den Vater und die anderen Krieger, die seine Mutter rächen sollten.

Die Feinde waren inzwischen auf einen Pfeilschuß nahe gekommen. Der Reiterkampf stand bevor. Auch die Männer der Bärenbande hatten sich in einer Linie ausgerichtet. Jede Partei konnte die andere leicht übersehen und zählen. Mit zweiundvierzig Kriegern standen die Dakota siebenundsechzig Kriegern der Pani gegenüber.

Die Männer der Bärenbande mußten sich hüten, daß sie in dem bevorstehenden Kampfe von der Übermacht nicht überflügelt wurden.

Harka starrte die Schar der Feinde an. Die Pani waren ebenso wie die Dakota in diesem Augenblick, in dem sie in den Kampf zogen, nur mit dem Gürtel bekleidet. Die eingesalbte Haut glänzte in der Sonne. Die rote Bemalung, die den Kampfeswillen bezeugte, verzerrte die Gesichter. Die Schädel waren im Unterschied zur langen Haartracht der Dakota kahl geschoren. Nur am Wirbel jedes Pani wippte herausfordernd die Skalplocke. Einige der feindlichen Reiter spannten die Bogen und legten die Pfeile an, andere schwenkten wieder drohend die Speere.

Harka suchte nach dem Häuptling der Feinde und erkannte ihn auch rasch an dem Bündel von Adlerfedern, das er im Schöpfe trug, und an der gefährlichen Waffe, mit der er Harkas Mutter getötet hatte. Es war ein langes Rohr mit einem großen Holzgriff, und Harka beobachtete, wie der feindliche Häuptling mit einem Stock etwas in das Rohr stieß. Der Junge sah hier zum erstenmal eine Feuerwaffe, einen Vorderlader.

Mattotaupa erhob als Antwort auf den Schuß des Pani den schrillen Kriegsruf der Dakota: »Hi-jip-jip-jip-hi-jaa!«

Alle Krieger der Bärenbande stimmten ein, so daß das Geschrei die stille Luft der Prärie aufregte wie ein Windstoß das Wasser. Die Feinde antworteten brüllend, und die Schreie brandeten widereinander. Die Hundemeute jaulte und verstärkte den allgemeinen Lärm.

»Ihr Hunde der Pani!« schrie Sonnenregen und übertönte mit seiner Stimme das unartikulierte Brüllen. »Glaubt nicht, daß ihr uns mit eurem Mazzawaken schrecken könnt! Ihr Feiglinge und räudigen Kojoten! Ihr Weibermörder! Kommt heran! Wir wollen euch zeigen, wie Männer kämpfen!«

»Ihr schmutzigen Oglala!« antwortete der Panihäuptling herausfordernd. »Geht dahin, wo ihr hergekommen seid, oder wir wollen euch den Rückweg weisen! Eure Zöpfe werden unsere Trophäenstangen zieren, und ihr werdet euch winselnd in Löchern verkriechen wie kleine Präriehunde!«

Darauf erhob sich wieder das Kriegsgeschrei, mit dem sich jeder selbst Mut machen und den anderen erschrecken wollte.

Der Panihäuptling hatte eine neue Kugel ins Rohr gestoßen und wollte die Flinte an die Wange nehmen. Da stürmte Mattotaupa schon auf seinem Schecken voran, im gestreckten Galopp direkt auf den Gegner zu.

Alle begriffen, daß zuerst die furchtbare und geheimnisvolle Waffe des gegnerischen Häuptlings, mit der er auf eine so weite Strecke einen Menschen töten konnte, unschädlich gemacht werden mußte. Wenn es gelang, sie zu erbeuten, war der Erfolg ungeheuer! Alle blickten mit äußerster Spannung auf Mattotaupa. Der Häuptling schleuderte mitten im Reiten den Speer, noch ehe der Pani zum Schuß kam.

Der Speer traf den Pani an der Schulter. Der Getroffene verlor den Halt, und die Flinte entfiel ihm. Fast wäre er rücklings vom Pferd gefallen. Ein herbeigaloppierender Reiter stützte ihn. Mattotaupa drang weiter vor, um seinen Sieg zu vollenden. Alte Antilope, der Rabe und dessen ältester Sohn ritten zu ihm heran. Auf der anderen Seite fanden sich weitere Pani bei ihrem Häuptling ein, um diesen und die wertvolle Waffe zu schützen. Die Reiterlinien gerieten dadurch in Unordnung. Diese Situation erkannte Sonnenregen schnell und nutzte sie aus. Er brach mit einigen Kriegern durch die entstandenen Lücken in die Linie der Feinde ein und griff die Pani im Rücken an. Er schoß mit dem gefiederten Pfeil einen Feind vom Pferd herunter, und ein Triumphgeschrei der Dakota begleitete diesen Kampferfolg.

Die beiden Häuptlinge und ihre Gefolgschaft waren unterdessen aneinandergeraten und kämpften brüllend miteinander. Antilope hatte die Flinte, die dem Pani entfallen war, vom Boden aufgehoben und an sich genommen. Aber von dem Gebrauch dieser Waffe verstand er nichts. Sie erschien ihm unhandlicher als seine Keule, und er warf sie wieder weg.

Harka ließ sich keine Bewegung in dem Kampfgewoge entgehen. Er beobachtete, wie die gefährliche und ihm verhaßte Waffe des Panihäuptlings wieder ins Gras fiel. Die Mustangs der Kämpfenden trampelten mit ihren Hufen darauf herum. Schnell entschlossen warf der Junge Untschida den Zügel seines Schecken zu und glitt von dem Mustang herab. Geduckt rannte er zu der kämpfenden Gruppe; niemand hielt ihn auf. Er wagte sich zwischen die Hufe der zornig und wirr stampfenden Pferde, deren Fell vom Blut der kämpfenden Reiter bespritzt war. Er erhielt einen Hufschlag gegen den Arm, aber die Wirkung überwand er in der Erregung rasch, und er hob die Flinte vom Boden auf. Sie war viel schwerer, als er geglaubt hatte. Mit einem Riemen war sie nicht versehen. Er nahm sie unter den Arm und rannte damit weg, so schnell wie noch nie in seinem Leben. Er sprang auf sein Pferd und stieß einen hellen höhnischen Siegesruf aus. Im gleichen Augenblick hatte er dem Pferd die Fersen gegeben, so daß es mit einem großen Satz zum Galopp ansetzte und dann über die Prärie davonstob. Harka war sich klar darüber, daß er mit seiner Beute jetzt das Ziel eines Angriffs der feindlichen Krieger werden mußte. Eben das bezweckte er; er wollte auf diese Weise dazu beitragen, die Feinde in Einzelaktionen zu zerstreuen und ihre Übermacht wirkungslos zu machen.

Im Reiten erkannte Harka, daß Hawandschita und mit ihm der Zug der Frauen und Kinder sich in Bewegung setzte. Die Rutschen mit Zeltstangen, Zeltplanen, Kleidungsstücken, Töpfen und Werkzeugen blieben im Gras liegen. Ein Teil der Hunde machte sich darüber her, um nach Freßbarem zu suchen, andere liefen mit den Frauen und Kindern.

Harka schrie noch einmal laut, um die Feinde herauszufordern, und hielt seine Beute in die Höhe, so daß sie für alle sichtbar war. Ein zorniger Ruf und dann ein vielstimmiges heiseres Geschrei aus den Gruppen der Pani bezeugte, daß man dort aufmerksam geworden war. Pfeile surrten hinter Harka her. Gewandt wie ein Krieger hing er sich auf die dem Feinde abgewandte Seite seines Pferdes, um seinen Körper nicht als Ziel zu geben. Die Pfeile surrten über den Pferderücken weg. Harka gewann mit seinem Tier den Schutz einer Anhöhe und hielt an, um zu lauschen und die Flinte, die ihm fast entglitten war, besser zu fassen. Schon hörte er den Hufschlag der Reiter, die sich zur Verfolgung aufgemacht hatten. Er schätzte, daß es sechs oder sieben waren. Mit einem Ruf feuerte er sein Tier zu neuem Lauf an. Der Schecken war sehr schnell, und es entsprach seinem tierischen Instinkt, das Geschrei und den Kampf zu fliehen. Der Knabe hatte als Reiter nur ein geringes Gewicht, und er jagte den Hengst mit verhängtem Zügel über die Prärie. Das Pferd hatte den Kopf weit vorgestreckt; die Nüstern waren aufgerissen, der Windzug griff in Mähne und Schweif. Harka schmiegte sich an den Hals des Tieres. Als er zurückschaute, erkannte er die Verfolger auf dem Kamm der Anhöhe. Sie schrien vor Zorn, und zwei legten wieder den Pfeil an, aber Harka war schon außer Schußweite; 350 Meter waren von einem galoppierenden Pferd rasch zurückgelegt. Die gefiederten Todesboten mit ihren Spitzen und Widerhaken fielen wirkungslos hinter ihm ins Gras. Harka richtete sich auf und hielt noch einmal die Flinte in die Höhe, um die Verfolger zu verspotten. Da knallte es, ohne daß der Dakotajunge ahnte, wie er den Schuß ausgelöst hatte. Die Flinte entfiel ihm infolge des Rückstoßes und auch infolge seiner Verblüffung. Aber die Wirkung des Knalles war groß. Die Verfolger glaubten offenbar, daß Harka die geheimnisvolle Waffe ihres Häuptlings handhaben könne, und verschwanden schleunigst von der Anhöhe. Harka bremste sein Tier und lenkte es zurück, um sich die Flinte wiederzuholen. Er brauchte nicht abzusteigen. Mit dem Fuß in der Haarschlinge, die am Rist des Mustangs befestigt war, hing er sich hinab und hob mitten im leichten Galopp die Flinte aus dem Gras. Stolz setzte er sich auf und ritt auf den Kamm der Anhöhe, von dem die Verfolger verschwunden waren.

Von hier aus konnte er das Kampffeld wieder übersehen.

Die Frauen und Kinder waren mit Hawandschita schon ein großes Stück weitergeritten und außer unmittelbarer Gefahr. Sie konnten nur noch bedroht werden, wenn die Krieger der Pani über die Dakota siegten.

Die Reiterlinien waren nicht mehr in Ordnung gekommen. Der Häuptling der Pani lag tot im Gras. Mattotaupa hatte sich seinen Speer wiedergeholt und kämpfte mit einem wütenden Feind darum, den toten Häuptling noch einmal mit der Speerspitze zu berühren, den »coup« auszuführen, wie es indianische Kampfessitte war. Sonnenregen hatte mit einer Gruppe von Kriegern den linken Flügel der Pani gänzlich in Verwirrung gebracht und abgedrängt. Auf dem rechten Flügel waren die Pani jedoch im Vorteil, und dorthin eilten die meisten Männer der Bärenbande, um die bedrängten Ihren zu unterstützen.

Harka schrie, was er konnte, und hielt die Flinte drohend in die Richtung dieser schwer kämpfenden Gruppe. Die Pani, die die möglichen Wirkungen der Wunderwaffe kannten, wurden wieder von Furcht und Wut erfüllt. Einige begannen zu fliehen, andere stießen gegen Harka vor. Dadurch bekamen die Dakota an der gefährdeten Stelle Luft und machten sich dies zunutze, um mit neuer Energie auf die Feinde einzudringen. Unterdessen war es Mattotaupa gelungen, im Kampf um den toten Häuptling auch seinen nächsten starken Gegner mit dem Speer zu bezwingen, und er frohlockte mit einem lauten Siegesruf. Das erschreckte die Feinde von neuem. Führerlos geworden, kämpften sie nur noch zerstreut, und immer mehr der Pani machten sich auf die Flucht.

Die Dakota gingen zu einer regellosen Verfolgung über, bis sie von der Kriegspfeife des Häuptlings zu einem geordneten Angriff auf die Weichenden gemahnt wurden.

Das alles hatte Harka erfaßt. Dann mußte er sich aber auf sich selbst konzentrieren, denn die Verfolger, die ihn und seine Beute aufs Korn genommen hatten, kamen näher. Diesmal schlug der Junge eine andere Taktik an. Das erste Mal war er in die Prärie hinaus geflohen, um einen Teil der Feinde auf sich und damit aus dem Hauptkampf herauszuziehen. Jetzt galoppierte er zur Schar der Seinen, die von Mattotaupa geführt wurde, und suchte dort Schutz. Jubelrufe der Dakota empfingen ihn und seine Beute. Die Reiter nahmen ihn in ihre Mitte. Einige wendeten, um die vier Verfolger abzuwehren.

Die Dakota kämpften jetzt mit Siegeszuversicht, und der Widerstand der Pani wurde gebrochen. Auch die letzten, die noch gekämpft hatten, suchten das Weite. Im Davonreiten sandten sie noch ihre Pfeile rückwärts gegen die hitzig hinterhergaloppierenden Dakota.

Die Gruppen zogen sich immer mehr auseinander, und endlich war der letzte lebende Pani dem Gesichtskreis entschwunden.

Der Häuptling Mattotaupa blies den dunklen Ton seiner Kriegspfeife und rief damit zum Sammeln.

Die zerstreuten Krieger galoppierten herbei. Sie umritten den Panihäuptling, der im Gras lag. Ein Keulenschlag Mattotaupas hatte ihn getötet. Die Männer der Bärenbande schwangen die Waffen und machten sich mit neuen Schreien nach der Erregung des Kampfes Luft.

Von Süden her lenkte der Zug der Frauen und Kinder unter Hawandschita wieder zurück zum Kampffeld, wo Hab und Gut noch im Gras lag. Etwas Geschirr war zerbrochen, zwei Zeltstangen waren geknickt, aber sonst fanden die Frauen alles unversehrt. Einige Männer mußten die Hilfe der Frauen in Anspruch nehmen, um ihre Wunden verbinden zu lassen. Es wurden mit den angefeuchteten Baststreifen nur diejenigen Wunden verbunden, die gefährlich bluteten. Die anderen ließen die Krieger offen, bis das Blut sich von selbst verdicken und die Wunde verkrusten würde. Mattotaupa hatte einen Messerstich im Bein davongetragen. Untschida verband ihn. Eine Wunde an Sonnenregens Schulter sah übel aus; ein Speer hatte das Fleisch zerrissen und das Gelenk verletzt. Der Krieger mußte zu Hawandschita, dem Zaubermann, gehen. Sowenig der Alte auch von inneren Krankheiten verstand, in bezug auf äußere Verletzungen war er ein ausgezeichneter Arzt, und es gelang ihm, das Schultergelenk zur Heilung einzurichten. Sonnenregen biß bei der Behandlung die Zähne zusammen, um möglichst keine Miene zu verziehen, geschweige denn einen eines Kriegers ganz unwürdigen Schmerzenslaut auszustoßen. Hawandschita rief Untschida herbei, und diese gab ihm für Sonnenregen einige der Heilkräuter, die sie am Morgen gesammelt hatte. Die Heilkräuter wurden unter der Binde auf das zerrissene Fleisch gelegt. Bleich, aber ohne zu wanken, wie ein zäher, verwundeter Büffel ging Sonnenregen zu seinem Pferd. Untschida reichte ihm einen Trunk aus einem ledernen Wassersack. Auch Tschetan und Schonka hatten Verwundungen davongetragen. Tschetan einen Streifschuß, bei dem die Pfeilspitze ihm die Haut am Oberarm aufgerissen hatte, Schonka eine Beule von dem Schlag mit einer Kriegskeule, dem er eben noch hatte so weit ausweichen können, daß ihm nicht der Schädel zertrümmert wurde. Die beiden hatten sich tapfer gehalten, und jedermann wußte, daß ihre Schande, nachts beim Angriff der Wölfe den Posten verlassen zu haben, nun ausgelöscht war. Harka massierte und schwang seinen Arm, den ein Pferd mit den Hufen getroffen hatte. Der Junge hatte nicht wenig Schmerzen.

Allein wichtig aber war ihm, daß er den Arm noch gut bewegen konnte.

Die Bärenbande hatte auch Verluste an Kriegern zu beklagen. Vier Männer waren gefallen, zwei junge Krieger und zwei ältere, deren Frauen und Kinder nun verwaist waren. Die Mütter, Frauen und Kinder klagten. Es waren schon die Lederdecken bereitgelegt, in die die Toten eingeschlagen wurden.

Der Abschied war kurz, denn die Bärenbande wollte sich nicht am Kampfplatz aufhalten. Sie wollte ihren Sieg ausnutzen und sogleich weiterziehen.

Harka, Uinonah und Harpstennah standen mit Untschida zusammen bei der toten Mutter. Uinonahs große Augen wurden dunkel, und alle drei Kinder, auch Harka und Harpstennah, hätten sich am liebsten weinend über die Mutter geworfen, die ihnen durch einen einzigen fehlgegangenen Schuß für immer entrissen war. Gewiß hatte der Panihäuptling mit seiner Zauberwaffe, die sich jetzt als Beute im Besitz Harkas befand, einen Krieger töten wollen und hatte mit der sonderbaren Waffe schlecht gezielt. Nun war die Mutter tot, und die Kinder sahen sie zum letztenmal, ehe auch sie in die bergende Decke eingeschlagen wurde und in der Luft und dem weithin wehenden Wind trocknete, ohne daß die Wölfe die Tote aus einem Grab hervorzerren und zerfleischen konnten. Untschida strich Uinonah sacht über das Haar, und das Kind schmiegte sich an die Hüfte der Großmutter. Die beiden Jungen hatten sich an der Hand gefaßt. Alle wollten spüren, daß sie nun noch enger zusammengehörten, weil sie den Kampf und das Leid miteinander erlebt hatten. Endlich legte Untschida die Mutter behutsam in die haltbare, schützende Büffelhautdecke und schlug diese zu. Harka wandte sich um und schaute in die Ferne. Die Kehle war ihm zugeschnürt, aber er zuckte mit keiner Wimper. Nur wer ihn gut kannte, wußte, daß er allen Ruhm und alle Beute, die er als Junge aus diesem Kampf davongetragen hatte, gern dahingegeben haben würde, um seine Mutter wieder lebendig zu machen. So gut, um dies zu wissen, kannte ihn nur Untschida. Als Harka sich den anderen wieder zuwandte, war sie auch die einzige, der er in die Augen sah und mit einem Blick seinen Schmerz offenbar werden ließ. Untschida teilte die herbe Zurückhaltung des Jungen. Sie verriet mit keiner Gebärde und keinem Wort, daß sie wußte, was in ihm vorging. Nur ihre Augen hatten gesagt, daß sie Harka verstand. Der Junge strich noch mit einem Blick über Uinonah, das kleine Mädchen, die Schwester, die der Mutter so ähnlich sah und die er an diesem Tag noch stärker brüderlich zu lieben begann als bisher. Aber auch dies brauchte niemand zu erfahren, nicht einmal Untschida, falls sie es in ihrem großen Denken und Fühlen nicht doch von selbst erriet.

Als Harka sich wieder mit seinen Altersgefährten, den Jungen Hunden, zusammenfand, wurde er von allen bewundert und umjubelt, da er sich wie ein Krieger verhalten und Beute gemacht hatte. Auch Sonnenregen, der Rabe, und Alte Antilope lobten ihn sehr. Aber so, wie sich bei dem Knaben Siegesfreude und Schmerz mischten, so wich bei allen Mitgliedern der Bande das Triumphgefühl des Sieges allmählich wieder den sorgenden Gedanken um die Zukunft. Niemand konnte sagen, was dieser erste Zusammenstoß mit den Pani für Folgen haben würde und ob man sich in den Prärien, die zur neuen Heimat erkoren waren, endgültig behaupten konnte.

Mattotaupa sandte wieder nach allen Richtungen Späher aus. Dann setzte die Bärenbande ihren Zug in Richtung der Quellflüsse des Plattestromes fort. Die Prärie, auf der man sich jetzt befand, war sehr hoch gelegen und das Klima rauh. Die braunen Wiesen trugen noch einzelne Schneeflecke. Weit und breit war kein Baum und kein Strauch zu sehen. Der Wind strich ungehindert dahin. Als der Abend kam, wich das Sonnenlicht sehr rasch. Am Firmament leuchteten unzählige Sterne auf.

Stürmisch und kalt war dieser Abend, an dem die Zelte wieder an einem kleinen Gewässer aufgeschlagen wurden. Alles verkroch sich in den Tipi. Nur die Wachen mußten draußen aushalten, sie waren in weitem Umkreis aufgestellt.

Die Pferde waren so müde wie die Menschen, und nachdem sie den größten Hunger gestillt hatten, drängten sie sich zusammen, um Wärme aneinander zu finden. Manche legten sich hin. Die Hunde schnüffelten noch nach Nahrung, aber es gab jetzt kaum Abfall von den Mahlzeiten der Menschen für sie, und so begaben sich die Unternehmungslustigen auf Jagd in die nachtdunkle Prärie. Ein paar Kojoten, die nicht weit vom Lager gekläfft hatten, verzogen sich schleunigst.

Harka saß mit Untschida, Harpstennah und Uinonah im Hintergrund des Zeltes so, wie am Morgen dieses ereignisreichen Tages. Feuer war in keinem Zelt angefacht. Der Rauchgeruch hätte den Feinden den Rastplatz auf viele Kilometer hin verraten können.

Die Kinder des Häuptlings waren erschöpft und traurig. Jetzt, des Abends im Zelt, fehlte die Mutter ihnen noch mehr als tagsüber auf dem Ritt, und sie empfanden die Leere. Keines wollte schlafen gehen. Vor dem Schlafen fürchteten sie sich an diesem Abend trotz ihrer Erschöpfung, und Untschida drängte die Kinder nicht. Sie sang leise ein Klagelied vor sich hin. Es war voller tiefer Betrübnis, und doch wollten die Kinder es hören. Untschidas Stimme klang so tapfer und voller Liebe, und die Kinder fühlten sich bei ihr beschützt.

Von draußen her hörten die vier Menschen im Zelt ganz andere Töne. Sie drangen herein und mischten sich mit Untschidas Klagelied. Füße stampften regelmäßig auf dem Grasboden zwischen den Zelten, die Frauenstimmen sangen monoton. Das waren die jüngeren Frauen, die die frischen Skalpe der getöteten Pani umtanzten. Der Tanz der Frauen war kein Triumphtanz, sondern eine Beschwörung. Die Indianer glaubten, daß kein Feind ganz überwunden sei, ehe sein Geist versöhnt war. Die Frauen sollten mit ihrem Tanzen und ihrem Gesang um die Skalpe die Geister der Feinde zur Ruhe bringen.

Das wußten auch die Kinder.

Harka, der mit den beiden jüngeren Geschwistern im dunklen Zelt bei Untschida saß, hatte das erbeutete Mazzawaken quer über die Knie genommen und betastete es. Er haßte diese Waffe, die seine Mutter getötet hatte, und zugleich fühlte er sich damit verbunden. Diese Waffe sollte wieder gutmachen, was sie Böses getan hatte. Mit dieser Waffe wollte er seine Mutter rächen. Pani wollte er damit töten. Die Männer mit den kahlen Schädeln und den kecken Skalplocken am Wirbel erschienen ihm nicht wie Menschen. Dakota waren Menschen, so dachte er. Pani waren wie Wölfe, die man töten mußte.

Harka wollte nicht warten, bis er ein Krieger war. So viele Jahre wollte er nicht warten. Er hatte das Mazzawaken erbeutet, es gehörte ihm. Er mußte das Geheimnis dieser Waffe ergründen und sie gebrauchen lernen. Wer konnte ihm dabei helfen? Niemand in den Zelten. Nicht einmal der Vater wußte damit umzugehen.

Während Harka nachdachte, hatte Uinonah den Kopf auf Untschidas Schoß gelegt, als ob sie so schlafen wollte. Aber sie schlief nicht.

Draußen tanzten und sangen die Frauen noch immer. Ein Kulttanz dauerte viele Stunden.

Mattotaupa war nicht in seinem Zelt. Wahrscheinlich beriet er noch mit Hawandschita und Sonnenregen, ob und in welcher Richtung die Bärenbande am nächsten Tag weiterwandern sollte.

Es wurde spät, und Harpstennah und Uinonah schliefen endlich ein. Als der Häuptling in sein Zelt kam, war nur Harka noch wach. Er schaute nach dem Vater. Der Häuptling hatte beim Eintreten den Zeltschlitz ein wenig offengelassen, so daß ein fahler Schimmer der Mondnacht hereinfiel. Mattotaupa setzte sich allein an die kalte Feuerstelle in der Mitte des Zeltes, stopfte seine kleine Pfeife und rauchte.

Schließlich sah er nach Harka. Der Junge saß noch an der gleichen Stelle im Zelthintergrund; er hatte den Kopf gehoben und hielt das Mazzawaken nach wie vor quer über den Knien. Seine Haltung hatte etwas Verkrampftes.

Der Vater winkte ihm heranzukommen. Harka legte die Waffe sehr vorsichtig zu Boden, denn er war nie ganz sicher, wann sie etwa wieder unvorhergesehen knallen würde. Dann ging er zum Vater hin.

»Du hast heute schnell, entschlossen und richtig gehandelt«, lobte der Häuptling seinen ältesten Sohn. Harka freute sich über die Anerkennung, aber auf eine andere, ernstere Art als sonst.

»Das Mazzawaken ist deine Beute«, sprach der Häuptling weiter.

»Ja.« Der Knabe war stolz. Die Worte des Vaters konnten nichts anderes bedeuten, als daß er, Harka, die Waffe behalten durfte.

»Du hast im Kampf damit geknallt.« »Nein, es knallte von selbst«, berichtete Harka ehrlich.

»Es ist ein Zauber.«

»Vielleicht, Vater. Aber vielleicht wissen wir diese Waffe nur nicht zu handhaben. Wir müssen einen Krieger finden, der das versteht, und wenn wir hundert Tage umherreiten, um einem solchen erfahrenen Mann zu begegnen. Tatanka-yotanka, der große Geheimnismann der Dakota, kennt sicher auch das Geheimnis solcher Waffen.«

»Es kann sein. Ich möchte dich aber jetzt bitten, über etwas anderes nachzudenken. Es ist schon spät in der Nacht, und doch solltest du noch darüber nachdenken. Oder bist du zu müde?«

»Ich bin nicht zu müde.« Harka riß sich zusammen.

»Wenn ein Knabe so alt ist wie du, Harka Wolfstöter, ist es Sitte, daß er dem Großen Geheimnis ein Opfer bringt.«

»Ja, Vater.« Harka kannte diesen Brauch, von dem sein Vater sprach, sehr gut. Alle älteren Gefährten des Knaben hatten eines Tages schon ein solches Opfer gebracht. Harka hatte miterlebt, wie Tschetan, schon früh ein harter und verwegener Kerl, mit elf Jahren seinen Lieblingshund opferte. Er hatte es getan, ohne mit der Wimper zu zucken. Harka wußte aber, daß Tschetan dieses Opfer schwergefallen war, denn der Bursche hatte den Hund sehr gern gehabt. Als das Tier aber tot war und in einer Höhle der Schwarzen Hügel lag und wie ein Wakan geehrt wurde, hatte Tschetan seinen Schmerz nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich überwunden. Alle waren stolz auf Tschetan, und Tschetan war stolz auf sich selbst gewesen. Harka hatte von sich immer geglaubt, daß er ein solches Opfer ebenso gefaßt und schließlich auch innerlich so bereitwillig bringen werde wie sein älterer Freund. Nie hatte Harka in dieser Beziehung an sich selbst gezweifelt.

Aber als er nun die Frage des Vaters mit »Ja« beantwortete, erschrak er innerlich. Sein Körper war übermüdet, obgleich er das nicht eingestanden hatte, und er war auch im Fühlen und Denken abgespannt durch die Anstrengung und Erregung des Kampfes, durch die Trauer um die Mutter. Er war innerlich hin- und hergezerrt von Schmerz und von Siegesfreude. Es war schon spät und dunkel; und er hätte am liebsten geschlafen wie die jüngeren Geschwister und Ruhe gehabt. Doch er ahnte, daß ihm der Vater jetzt, gerade jetzt, noch Schweres zumuten werde, und er begriff noch nicht, warum.

»Harka Steinhart«, sprach Mattotaupa weiter, »jeder Knabe opfert etwas, das ihm lieb ist, und wenn er es opfert, so ist es eine Tat. Du hast sehr gut gekämpft und uns Männern dadurch geholfen, du wirst auch zu opfern wissen, denke ich.«

»Ja, Vater.«

Harka sprach das »Ja« wieder klar und deutlich, aber im Innern quälte er sich, und der Kopf begann ihm zu schwirren.

»Was ist dir am liebsten, Harka?«

»Mein Pferd, Vater.«

»Das Pferd brauchen wir jetzt, wir können es nicht entbehren. Was ist dir noch sehr teuer, Harka Steinhart?«

Harka überlegte diesmal gründlich, und er gewöhnte sich an den Gedanken, daß es ihm durchaus nicht erspart bleiben werde, gerade in dieser Nacht noch etwas zu opfern. »Meine Beute ist mir lieb«, sagte er endlich zögernd. »Die Waffe, die meine Mutter getötet hat und mit der ich Panis töten will, wenn ich sie zu handhaben gelernt habe.«

»Es wäre gut, die Zauberwaffe dem Großen Geheimnis zu übergeben.«

Harka schluckte, und es dauerte lange, bis er fragte: »Auf welche Weise, Vater?«

»Indem du sie dem Zauberzelt übergibst.«

»Verlangst du das von mir, Vater?«

»Ich verlange nichts. Ich frage nur: Bist du imstande, dich selbst zu überwinden?« In Harka schoß der Stolz auf. »Ich bin es.«

Er erhob sich mit einer unverkennbaren Art von Trotz und Erbitterung. Es konnte auch so wirken, als fürchte er, seinen eigenen Entschuß noch zu bereuen. Er nahm die Flinte und verließ sofort das Tipi. Der Vater hielt ihn nicht zurück.

Als der Knabe ins Freie trat, sah er die Frauen noch bei dem Tanz um die aufgehängten frischen Skalpe. Es waren nicht ganze Kopfhäute, sondern jeweils nur die Haarsträhnen am Wirbel und das zugehörige kleine Hautstück, die aufgehängt waren und sich im Winde bewegten. Zwei Skalpe befanden sich darunter, die die Beute Mattotaupas waren: der Skalp des Panihäuptlings und der seines stärksten Kriegers.

Harka ging an den Tanzenden vorüber zum Zauberzelt hin. Das Zelt war geschlossen, aber er trat ohne Zögern ein.

Auch im Innern dieses Tipis war es dunkel. Mit Harkas Eintreten war ein Windstoß hereingefahren, und leise klapperte es von Dingen, die an Schlangenhäuten und Büffelsehnen im Zelt aufgehängt waren. Harka blieb nahe am Eingang stehen. Im Hintergrund rührte es sich, und der Schatten des mageren, alten Hawandschita kam herbei.

Harka hielt ihm die Flinte hin.

»Das ist es, was ich, Harka Steinhart Nachtauge

Wolfstöter, dem Großen Geheimnis opfere«, sagte er dabei fest und als habe er den Wunsch, diese Angelegenheit rasch zu Ende zu bringen. »Ich habe gesprochen.«

Der alte Zaubermann nahm die Waffe an sich. »Es ist gut so. Sie gehört dem Zauberzelt, hau.«

Harka wartete nicht, ob Hawandschita noch mehr zu sagen habe. Er drehte sich schnell um und verließ das Tipi.

Draußen tanzten die Frauen noch immer. Die Szene wirkte gespenstisch.

Harka ging nicht sogleich zurück zum väterlichen Zelt. Er lief hinüber zu der Pferdeherde. Sein Freund Tschetan, der nur leicht verwundet war, hatte um diese Zeit die Wache. Die Wölfe jaulten in der Ferne den aufsteigenden Mond an.

Harka gesellte sich zu Tschetan und streichelte den Schecken, den er nicht hatte opfern müssen, weil das Tier gebraucht wurde. Das Tier legte die weichen Nüstern an die Wange seines jungen Herrn.

Harka sagte nichts, und Tschetan sagte auch nichts.

Aber Harka dachte nach. Sein Pferd mußte er nicht opfern, weil es jetzt dringend gebraucht wurde. Seine Beute hatte er opfern müssen, aber es war eine Waffe, eine von den Feinden gefürchtete Waffe. Brauchte man sie etwa nicht? Und was tat der Alte im Zauberzelt damit? Warum hatte er sie sofort, in dieser Nacht noch, haben wollen, ehe Harka irgendeine Möglichkeit fand, sich damit vertraut zu machen? Harka ertappte sich selbst zuweilen bei Gedanken, durch die er sich von den anderen Knaben und Männern unterschied. Manchmal fürchtete oder verabscheute er sich selbst dabei geradezu, aber er konnte es nicht lassen, zu denken und zu fragen. Was tat der alte Zauberer mit der Waffe? Verstand er sie zu handhaben, kannte er ihr Geheimnis? Dann hatte er ein Recht darauf, denn kein anderer kannte es. Oder mußte jedes Geheimnis zu dem Großen Geheimnis gegeben werden, das dem Mann im Zauberzelt am besten bekannt war? Aber die Waffe war in der Hand des Panihäuptlings gewesen, dieser hatte sie benutzt, obgleich er kein Zaubermann war.

Harka konnte sich über diese Fragen noch nicht allein klar werden, aber er mochte sie auch Tschetan nicht gestehen. Die Fragen bohrten in ihm wie ein Wurm im Holz. Er hatte die Waffe nicht gern hergegeben, und vielleicht lag hier der Fehler. Aber er konnte diesen Fehler in sich selbst nicht ausmerzen. Er hätte die Waffe lieber behalten. Er wollte ein Krieger werden, der mit einem Mazzawaken viel weiter schießen, treffen und töten konnte als alle pfeilbewehrten Männer. Mit überwältigender Kraft hatte sich beim Tod der Mutter dieser eine Wunsch in ihm festgefressen. Er hatte das Mazzawaken erbeutet, er, ein Knabe! Da er die Waffe jetzt aber hatte hergeben müssen, so entstand in Harka der heftige Wunsch, ein anderes Mazzawaken zu erlangen, irgendwann auf irgendeine Weise. Tag und Nacht mußte er daran denken, wie er sich wieder ein Mazzawaken verschaffen könne.

So gestimmt verließ Harka stillschweigend seinen Freund und sein Pferd und kehrte ins Zelt zu den Seinen zurück.

Der Vater lobte Harka wiederum, daß er nicht nur tapfer gekämpft, sondern auch das Opfer gebracht hatte. Aber Harka ließ dieses Lob viel gleichgültiger als je eine Anerkennung des Vaters vorher. Wenn er recht darüber nachdachte, so konnte der Vater auch nicht von selbst auf den Gedanken gekommen sein, daß Harka dieses Opfer bringen müsse. Dieser Gedanke war dem Kopf des alten Zauberers entsprungen. Es war nicht das erste Mal, daß Harka sich von Hawandschita ungerecht behandelt fühlte. Einst hatten die Knaben gespielt, und Harka war ihr »Zauberer« gewesen. Der Alte hatte die Kinder überrascht und Harka verdächtigt, daß er Böses plane.