Sie ließ auf der künstlichen Insel große Dünnfilm‐Projektoren aufstellen, die die schrecklichen Bilder von Usk im Großformat zeigten. Bei all den Zerstörungen schien das Gesicht eines jungen Bauern ‐ das blonde Haar zerzaust, die weit aufgerissenen Augen gerötet ‐ das ganze Verbrechen zu symbolisieren. Tränen strömten ihm übers Gesicht, als er mit ansehen musste, wie seine Obstgärten verwüstet wurden. »Meine Äpfel!«, jammerte er. »Meine schönen Äpfel!« Nach zehn Minuten hatte Willis den Techniker aufgefordert, den Ton abzuschalten. Die Bilder allein genügten.
Willis inspizierte die Soldaten, die den größten Teil des Platzes auf der Pontoninsel einnahmen. Sie trug ebenfalls ihre beste Uniform (obwohl sie es in dem Ding verdammt heiß hatte) mit all dem Lametta. Sie hatte ihre Orden angesteckt und den Gürtel mit Zeremoniensäbel und Dienstwaffe angelegt. Das graue Haar hatte sie unter ihrer Admiralsmütze zu‐
sammengesteckt. Mit Make‐up hatte sie keine Zeit vergeudet; so etwas verdiente Lanyan nicht.
Als sich die Luke des Transporters zischend öffnete, wies Willis ihre Soldaten mit einem Pfiff an, Haltung anzunehmen. Die Repräsentanten von Rhejak waren blass und sahen immer wieder zu den Bildern auf de roßen
n g
Projektionsschirmen.
»Die verdammten Tiwis halten immer zusammen.« »... die ganze Zeit gewusst, dass wir ihr nicht trauen können.«
»... hätten die ganze Pont
der sech
oninsel mit fünf o
s Medusen erledigen
können.«
Willis achtete nicht auf die Kommentare.
Lanyan blinzelte im Sonnenschein und trat vor. Fünfzehn ausgewählte TVF‐
Soldaten folgten ihm, alle in Uniformen der Jupiter gekleidet. Willis erkannte e von ihnen und mus
einig
ste sich zwingen, nicht das Gesicht zu verziehen.
Der General
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hatte die unerbittlichsten Hardliner mitgenommen ‐ er schien ein Gespür dafür zu haben.
Willis salutierte zackig, und Lanyan nickte zufrieden. »Admiral s
Willis, die
sieht mir nach einem angemessenen Empfang aus.«
Willis gab sich kühl und sachlich. »Ich habe meinen Diensteid vor langer Zeit geleistet, General. Ich weiß, wofür die Terranische Verteidigungsflotte und die Hanse stehen, und ich habe geschworen, jenen Idealen zu dienen.«
»In letzter Zeit haben Sie das auf eine seltsame Art und Weise demonstriert.
Ich möchte zu den Soldaten und Einheimischen sprechen. Haben Sie wie von mir befohlen die rheja‐kanischen Dissidenten versammelt?«
»Sie sind hier, General.« Die Einheimischen waren kaum zu übersehen, denn nur sie trugen keine Uniform. Einige von ihnen hatten nicht viel mehr an als kurze Hosen, zeigten bron‐zefarbene Haut und muskulöse Körper. Doch Lanyan achtete nicht darauf. »Ich habe ein Podium für Sie vorbereitet, Sir«, sagte Willis. Ein kleines Rednerpult mit automatischen Mikrofonen stand in der heißen Sonne. »Ich kann Ihnen auch einen Sonnenschirm besorgen, wenn Sie möchten«, fügte die Admiralin leise hinzu.
Lanyan sah sie so finster an, als hätte sie ihn gerade beleidigt. »Das ist nicht nötig.«
Lanyan trat aufs Podium und musterte die Repräsentanten von Rhejak wie ein verärgerter Verwandter. »Sie haben diese Strafaktion selbst herausgefordert.« Seine Finger tasteten über die Seiten des Pults ‐ es schien ihn zu enttäuschen, dass seine Stimme nicht aus den Lautsprechern donnerte. Er sah Willis an. »Wird dies gesendet? Ich möchte, dass mich alle Bewohner dieses Planeten hören, und auch die Besatzungsmitglieder der zehn Mantas.«
Sie bedachte ihn mit einem unschuldigen Blick. »Tut mir leid, General, aber wir haben nicht die Möglichkeit zu einer globalen und orbitalen Live‐
Sendung. Meine Techniker zeich
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nen Ihre Ansprache auf, um sie später allen zugänglich zu machen. Wenn Sie Wert darauf legen, dass Ihre Rede in Echtzeit übertragen wird, müssen wir entsprechende Geräte von meinen Mantas holen, oder von der Jupiter.
Möchten Sie, dass ich unseren Kommunikationsoffizieren ent c
spre hende
Anweisungen erteile? Es dauert nur einige Stunden, alles vorzubereiten.«
Lanyan zögerte verwirrt. Natürlich wollte er nicht schwach oder inkompetent wirken. Und er wollte auch nicht warten. »Nein. Zei chnen Sie
meine Worte auf und senden Sie sie so bald wie möglich.«
Er wandte sich seinem Publikum zu und versuchte, wieder in Schwung zu kommen. »Wie ich schon sagte, Sie haben es nicht anders gewollt. Die Hanse versucht, sich nach dem größten Krieg zu erholen, den die Menschheit je geführt hat. Beim Kampf gegen die Hydroger haben wir enorme Verluste erlitten, und wir können nicht zulassen, dass uns Teile des eigenen Volkes weiteren Schaden zufügen. Rhejaks Uneinsichtig‐keit wird nicht länger geduldet. Die Bewohner von Usk haben ihre Lektion gelernt und einen hohen Preis dafür gezahlt.« Lanyan deutete zu den Projektionsschirmen.
»Die anderen abtrünnigen Kolonien werden ihre Lektion ebenfalls lernen.«
Willis stand wie eine treue Befürworterin an der Seite des Generals, doch ihre Händen ballten sich an den Hüften zu Fäusten. Sie bemerkte Anzeichen von Unruhe bei ihren Soldaten; offenbar fiel es ihnen schwer, dem General ihre Missbilligung nicht deutlich zu zeigen. Allahu wollte Lanyan ins Wort fallen, doch die fünfzehn ausgewählten Elitesoldaten von der Jupiter zogen ihre Waffen und richteten sie auf ihn.
Der General hob die Hände, um seine Soldaten daran zu hindern, auf Allahu zu schießen. »Während der letzten Wochen hatten Sie ausreichend Gelegenheit, Ihren Standpunkt darzulegen, und wir haben genug von Ihnen r
gehö t. Es reicht uns.« Lanyan kam immer mehr in Fahrt und sprach zehn weitere Minuten, ohne etwas Neues zu sagen.
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Willis ließ ihn gewähren, und als er schließlich eine Pause einlegte und nach Worten für eine neue Tirade zu suchen schien, wandte sie sich an ihre unsicher wirkenden Soldaten. »Sie sind die besten Soldaten, die wir haben.
Sie alle erinnern sich daran, warum Sie in die Dienste der Terranischen Verteidigungsflotte getreten sind. Ihnen ist klar gewesen, dass Sie als Soldaten irgendwann einmal schwierigen Befehlen gehorchen müssen. In den vergangenen Jahren ist unser Militär auf eine harte Probe gestellt worden, nicht nur durch die Soldaten‐Kompis und Hydroger, sondern auch aufgrund von Handelsembargos, die zur Verknappung wichtiger Güter führten. Wir mussten viele Kolonien der Hanse aufgeben, weil wir einfach nicht genug Treibstoff für den Sternenantrieb unserer Schiffe hatten.«
»Das stimmt«, warf Lanyan ein. »Die Roamer und ihr Embargo brachten u s n
in diese Lage.«
Willis schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln. »Sir, wir alle wurden Zeuge, wie Sie ein Schiff der Roamer vernichteten, das gerade von Rhejak gestartet war. Wir alle haben gehört, wie König Peter Ihre Aktionen und die des Vorsitzenden Wenzeslas verurteilt hat. Wir kennen Patrick Fitzpatricks Geständnis. Jetzt würden wir gern Ihre Version hören.«
Lanyans Gesicht wurde steinern. »Admiral, Sie haben den Befehl erhalten, jene Aufzeichnungen zu löschen.«
Willis gab sich überrascht und schockiert. »General! Sie sind nicht befugt, die Worte des Königs zu zensieren. Bitte sagen Sie uns hier und heute: Haben Sie den Befehl gegeben, Raven Kamarows Schiff zu zerstören, nachdem die Ladung Ekti von Ihnen beschlagnahmt worden war?«
Lanyan starrte sie an. »Ich weiß nicht, was das mit unserer derzeitigen Mission zu tun hat.« Es war keine sehr einfallsreiche Antwort, und alle verstanden ihre Bedeutung. Ein Murmeln kam von Willis' Soldaten.
»Ich nehme das als ein Ja von Ihnen.« Willis' Blick glitt über den Verwalter der Fabrik, die Medusen‐Hirten, Fischer und
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Allahu. In den Gesichtern der drei jungen Männer zeigte sich Angst.
Niemand von ihnen verdiente es, wie die Ratsmitglieder auf Usk gekreuzigt zu werden. »General Lanyan, ich zwinge meine Soldaten zu nichts, zu dem nicht auch ich bereit wäre. Und ich fordere sie nicht auf, Befehle zu befolgen, die ich nicht befolgen würde.«
»Genauso sollte es auch sein, Admiral. Und jetzt gebe ich die Anweisung...«
Willis zog die Schockpistole aus dem Halfter an ihrem Gürtel. Noch bevor sich Verwirrung im Gesicht des Generals zeigen konnte, betätigte sie den Auslöser, und betäubende Energie traf ihn. Von einem Augenblick zum anderen verlor er die Kontrolle über seine Muskeln und sank neb s
en Willi
zu Boden.
Die fünfzehn ausgewählten Elitesoldaten griffen nach ihren Waffen, aber Willis rief ihnen zu: »Keine falsche Bewegung!« Und an ihre Soldaten gerichtet: »Nehmen Sie diese Männer fest. Als Offizier der Terranischen Verteidigungsflotte enthebe ich General Lanyan hiermit seines Kommandos.
Ich beschuldige ihn und alle seine Männer zahlreicher Kriegsverbrechen.«
Sie sah zu den Projektionsschirmen, die noch immer Bilder von Usk zeigten.
»Ich würde sagen, die Beweise sind überwältigend. Und es wird höchste Zeit, dass wir endlich einmal etwas richtig machen.«
Hoch aufgerichtet stand sie da, während es um sie herum zu jäher Aktivität ka . Ihre Solda
m
ten freuten sich ganz offensichtlich über den unerwarteten Be hl und li
fe
efen los, um Lanyans verblüffte Eskorte festzunehmen.
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127 # ERSTDESIGNIERTER DARO'H
Durris‐B strahlte Licht und Wärme aus; die zu neuem Leben erwachte Sonne schien wieder an Ildiras Himmel. Die siebte Sonne war nicht länger dunkel und tot, doch die Ildiraner freuten sich nicht darüber.
Zehn Feuerkugeln leuchteten wie neue Sonnen am ildiranischen Firmament.
Die Luft roch nach Rauch und verbranntem Blut. Im Prismapalast blickte der Erstdesignierte Daro'h durch die gewölbten Flächen der Himmelssphäre und verlangte Sofortmaßnahmen, aber keiner seiner Berater wusste, was es zu tun galt.
Erst vor einer Stunde war endlich ein Scoutschiff aus dem Horizont‐Cluster heimgekehrt, an Bord eine entsetzte Crew. Die Männer brachten weitaus schlimmere Nachrichten, als selbst der Weise Imperator befürchtet hatte.
Dzelluria war verbrannt und zerstört, ebenso drei weitere Splitter‐
Kolonien. Es gab keine Überlebenden. Der Erstdesignierte musste seinem Vater eine Mitteilung schicken und hatte Yazra'h gebeten, Kolker zu holen.
Mit Schössling und Telkontakt konnte sich der grüne Priester mit Theroc in Verbindung setzen und den Weisen Imperator nach Ildira zurückrufen.
Doch draußen im Park von Mijistra waren Kolker und alle seine bekannten Gefolgsleute plötzlich in Flammen aufgegangen. Die Ildiraner auf den Straßen gerieten in Panik, und ihr Entsetzen hallte durchs Thism. Daro'h versuchte alles, wieder Ruhe herzustellen. In Abwesenheit seines Vaters war er das Oberhaupt des Ildiranischen Reiches; die Ildiraner v erließen sich
auf ihn.
»Was wollen die Faeros, Erstdesignierter?«, rief einer der Beamten. Daro'h blickte durch die Kuppeln der Himmelssphäre ins helle Licht. Höflinge kauerten sich im Prismapalast zusammen, als könnte er ihnen Sicherheit gewähren, aber Daro'h wusste es besser. Er hatte bereits gesehen, wozu die Faeros und der verrückte Designierte imstande waren.
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Angehörige des Wächter‐Geschlechts eilten herein und hielten ihre kristallenen Katanas bereit, dazu entschlossen, den Erstdesignierten zu schützen. Aber sie konnten kein Unheil von ihm abwenden, indem sie sich einem Feuersturm entgegenwarfen.
Yazra'h eilte zu Daro'h, als das Licht am Himmel noch heller wurde. Ihr Gesicht glühte, die Augen glänzten, und das Haar war feucht von Schweiß.
Die drei unruhigen Isix‐Katzen folgten ihr. Unter einem Arm trug sie einen Ballen aus dem dunklen Material, das der Roamer‐Händler von Constantine III mitgebracht hatte. »Wenn der Mensch recht hat, schützt dich vor der
dies
Hitze. Hier, nimm.«
»Ich kann mich nicht unter einer Decke vor den Faeros verstecken.«
»Trag es!« Yazra'hs scharfe Stimme ließ keine weiteren Einwände zu.
Plötzlich ging von den zehn Feuerkugeln ein Blitz aus, der einen Turm des Prismapalastes traf und ihn einstürzen ließ. Wächter schrien, und Ildiraner flohen durch einen Regen herabfallender Kristallsplitter. Daro'h spür te ein
Summen im Thism, als fast hundert Ildiraner durch den einen Blitz starben.
»Wo sind Osira'h und die anderen Kinder? Wir müssen dafür sorgen, dass sie sicher sind.«
»Wir müssen dafür sorgen, dass alle sicher sind«, sagte Yazra'h. »Ich habe sie bereits rufen lassen.«
Daro'h überlegte, welche Möglichkeiten er hatte. Der Weise Imperator befand sich auf Theroc, und Adar Zan'nh war noch nicht von Dobro zurück ‐
wahrscheinlich hätte die Solare Marine ohnehin nichts gegen diese Feuerschiffe ausrichten können. »Ich muss im Prismapalast bleib arf
en. Ich d
mein Volk nicht enttäuschen.«
»Die Faeros sind nicht gekommen, um mit dir zu verhandeln, Bruder. Sie wollen nur zerstören. Das siehst du doch.«
Dra ßen la
u
ndete eine Feuerkugel auf dem Platz direkt vor dem Prismapalast ‐ die von ihr ausgehende Hitze schmolz 360
einen spiegelartig glänzenden Krater aus Stein, Metall und Glas in den Untergrund. In der wabernden Glut erschien ein Mann mit einem Umhang wie aus Lava. Das Haar bestand aus dunklem, sich kräuselndem Rauch, die Haut aus Flammen. Er trat vor und hinterließ qualmende Fußabdrücke auf dem Boden. Die Faero‐Inkarnation Rusa'h. Er ging zum Haupteinga s
ng de
Palastes, als gehörte ihm das ganze Gebäude.
Kleinere Feuerkugeln umschwirrten ihn wie Diener, und feurige Schiffe glitten über die kristallenen Kuppeln des Palastes hinweg. Rusa'h ließ das Tor in Flammen aufgehen und betrat den zentralen Flur. In der von ihm ausgehenden Hitze zerbrachen einige Segmente der transparenten Wände.
Stein warf Blasen. Rusa'h hob die Hände, und daraufhin gab sogar die Decke nach. Bei jedem Schritt sanken seine Füßen ein wenig in den Boden.
Osira'h und ihre Geschwister liefen in den Audienzsaal. »Er kommt hierher!
Der verrückte Designierte befindet sich bereits im Palast. Spürst du ic n ht im
Thism, was er macht?«
»Wir mussten uns vom ganzen Netz trennen und uns durch d neue as
Thism
abschirmen«, fügte Rod'h bestürzt hinzu.
Yazra'h hüllte Daro'h ins feuerfeste Tuch und zog ihn aus dem Chrysalissessel. »Du kannst nichts gegen die Faeros ausrichten, Erstdesignierter!« Sie winkte den Isix‐Katzen, die daraufhin aus dem Saal stoben und durch den Flur liefen ‐ instinktiv wählten sie den sichersten Weg. Osira'h und die anderen Kinder folgten ihnen.
Fünfzig Wächter versuchten dummerweise, Rusa'h auf dem Weg zur Himmelssphäre aufzuhalten. Sie formten eine lebende Barriere und schössen mit ihren Waffen auf die Glut. Der verrückte Designierte hob nur die Hände, und Flammen fauchten den Wächtern entgegen und brieten sie in ihren Rüstungen, bevor ein Blitz sie in Asche verwandelte. Ihre Seelen‐
feuer verschwanden im weiten Netz der Faeros.
fal
Von sch verstandener Loyalität angetrieben warfen sich Dutzende von schnatternden Angehörigen des Bediensteten‐
361
Geschlechts dem feurigen Designierten entgegen, ohne ihn aufhalten zu können. Sie starben wie zuvor die Wächter.
Zwei weitere Faeros erschienen am Himmel und näherten sich dem Prismapalast, während Rusa'h durch die lichtdurchfluteten Korridore ging.
Seine Füße schmolzen den Boden, und hinter ihm verfestigte er sic r.
h wiede
Zurück blieb eine deutlich sichtbare Spur.
Daro'h fühlte die Echos der Tode, als er lief. Das Thism schien sich bis zum Zerreißen zu dehnen. Der Erstdesignierte wusste, dass sein Vater diese Agonie auf Theroc spüren würde, aber er war zu weit entfernt, um zu helfen.
128 # WEISER IMPERATOR JORA'H
Als sich der Weise Imperator von der Last seiner Schuld befreit und das Bündnis geschlossen hatte, verließ er Theroc. Jetzt endlich war Weg
der
frei
für die Zukunft, und er konnte mit Nira heimkehren.
Tiefe Zufriedenheit erfüllte Jora'h. Nira hatte mehrere Schösslinge mitgenommen, und fünf grüne Priester hatten versprochen, nach Mijistra zu kommen. Er stand mit ihr im Kom‐mando‐Nukleus, als sich das Zeremonienschiff von den dornigen Baumschiffen der Verdani entfernte, die Theroc schützten. Seit langer Zeit war Jora'h nicht mehr so hoffnungsvoll gewesen ‐ er wusste das Ildiranische Reich wieder auf dem rechten Weg.
Plötzlich hörte er im Thism einen lauten Alarmruf und fühlte Schmerz. Er versteifte sich und schauderte, taumelte und verlor fast das Gleichgewicht.
»Feuer! Ich empfange großen Schmerz aus Mijistra!«
stand
Es be
eine klare Verbindung zu dem Erstdesignierten Daro'h, und von Yazra'h kamen ähnliche Echos des Schmer
362
zes wie auch von vielen weiteren Ildiranern. Etwas Apokalyptisches fand statt ‐ und er war weit von seinem Volk entfernt!
Nira spürte die Veränderung ebenfalls und berührte einen der Schösslinge, die sie in den Kommando‐Nukleus gebracht hatte. »Kolker ist nicht mehr da.
Niemand sonst kann den kleinen Weltbaum benutzen. Ich weiß nicht, was passiert.«
»Es ist Rusa'h. Er ist mit den Faeros zurückgekehrt. Daro'h hat uns gewarnt.
Ich muss so schnell wie möglich nach Ildira!« Der Sternenantrieb des Kriegsschiffs nahm bereits Energie auf. Chaos, Zerstörung und loderndes Feuer ließen das Thism erbeben. »Schneller!«, rief Jora'h dem Kommandanten zu. Rusa'h war sich seines Sieges so sicher, dass er nicht einmal versuchte, sich im Thism zu verbergen.
Jähe Unruhe erfasste die Sensortechniker, und der taktische Offizier rief eine unerwartete Warnung. »Herr, große Schiffe nähern sich! Sie gehören zur TVF und kommen direkt auf uns zu.«
Während das Kriegsschiff mit Höchstgeschwindigkeit in Richtung Ildira flog, jagten die Schiffe der Terranischen Verteidigungsflotte ‐ ein Moloch und vier Manta‐Kreuzer ‐ mit Abfangkurs heran.
»Warum sind sie hier? Ausweichmanöver! Ich habe jetzt keine Zeit, mich mit der Politik der Menschen aus
a
ein nderzusetzen. Wir müssen nach
Hause.«
»Soll ich das Feuer eröffnen, Herr?«
Jora'h zögerte. Die Solare Marine, die das Feuer auf die Ter‐ranische Verteidigungsflotte eröffnete? Das ergab keinen Sinn. Er hatte gerade ein Bündnis mit König Peter geschlossen.
Niras Gesicht war voller Sorge. »Jene Schiffe könnten uns feindlich gesinnt sein, Jora'h. Verlass dich nicht darauf, dass die TVF vernünftig handelt ...«
Sie berührte den Schössling und schrie auf. »Der Schössling im Prismapalast! Er existiert nicht mehr. Ich bin abgeschnitten. Der kleine
... ist ve
Baum
rbrannt.«
Jora'h starrte auf die Raumschiffe des terranischen Militärs, 362
die ihm den Weg versperrten. »Wenn sie den Weg nicht freigeben, bleibt uns nichts anderes übrig, als von unseren Waffen Gebrauch zu machen.«
Und an seine Offiziere gerichtet: »Treffen Sie Vorbereitungen dafür, das Feuer zu eröffnen ...«
Der Moloch nahm ihm die Entscheidung ab. Das große Schlachtschiff feuerte ohne jede Vorwarnung ‐ mehrere dicke Energiestrahlen trafen das Triebwerk und setzten es außer Gefecht.
Im Kommando‐Nukleus sprangen Offiziere von Konsolen zurück, aus denen Funken stoben. Das Kriegsschiff erzitterte mehrmals, als es weitere Treffer einsteckte. Nira hielt ihren Schössling fest. Jora'h wankte zum Kommandogeländer, und das Deck unter ihm neigte sich von einer Seite zur anderen. »Warum feuern die Menschen auf uns?« Er fühlte das Faero‐Feuer durchs Thism und konnte kaum klar denken. Ildira drohte schreckliche Gefahr. »Bringen Sie uns weg von hier!«
»Der Antrieb ist ausgefallen, Herr.«
»Das Feuer eröffnen! Zielerfassung auf den Moloch. Wir müssen mit allen Mitteln versuchen, den Angreifern zu entkommen.« Es fiel Jora'h noch immer schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Er war in einer Mission des Friedens und der Reue nach Theroc gekommen und hatte nicht erwartet, in einen neuen Krieg verwickelt zu werden.
»Unsere Techniker sind bereits auf den Hauptdecks, Herr. Sie wi nicht,
ssen
ob sie das Triebwerk rechtzeitig reparieren können.«
Kolkers Tod im Feuer der Faeros hatte pulsierende Hitze und heißen Schmerz durch den Telkontakt geschickt, doch Nira musste unbedingt von den aktuellen Ereignissen berichten. Der Weise Imperator wurde angegriffen. Vielleicht konnten König Peter, einige Roamer‐Schiffe r e
ode ins
der großen Verdani‐Schlachtschiffe ihm von Theroc aus zu Hilfe eilen.
Bild eines
Das
TVF‐Admirals erschien auf dem Hauptschirm. »Ich bin Admiral Esteban Diente und habe eine Einla
363
düng für den Weisen Imperator. Wir möchten gern, dass er zu uns mt.«
kom
»Eine Einladung? Sie haben auf mein Flaggschiff gefeuert. Das ist eine
kriegerische Handlung gegen das Ildiranische Reich.«
Dientes Miene blieb unbewegt. »Der Vorsitzende Wenzeslas möchte Angelegenheiten von beiderseitigem Interesse mit Ihnen besprechen, Sir.
Ich bin angewiesen, Sie mit dem gebotenen Respekt zur Erde zu eskortieren.«
»Abgelehnt! Ich habe gerade von einer sehr ernsten Situation auf Ildira erfahren und muss so schnell wie möglich zum Prismapalast zurückkehren.«
»Kommt nicht infrage, Sir. Da Ihr Triebwerk beschädigt ist, nehmen wir Sie ins Schlepptau.« Die TVF‐Einheiten hatten bereits starke Traktorstrahlen auf den Rumpf des Kriegsschiffs gerichtet. Jora'h fühlte einen Ruck, als der Moloch und die Mantas sein Schiff mit sich zogen.
»Wir werden entführt«, sagte Nira.
»Und Mijistra steht in Flammen.« Jora'h wandte sich wieder an Diente auf dem Bildschirm. »Es ist sehr dringend. Ich muss unbedingt nach Ildira zurück.«
Diente klang sehr vernünftig; vermutlich hatte er seine Worte gut einstudiert. »Sie haben bereits mit dem Oberhaupt einer illegalen Regierung gesprochen. Der Vorsitzende ist die legitime Autorität der Erde und wünscht einfach nur, dass Sie ebenso viel Zeit für ihn erübrigen.« Der Admiral wartete keine Antwort des Weisen Imperators ab, unterbrach den Kommunikationskontakt und ignorierte weitere Anfragen.
Jora'h saß in der Falle und war an Bord des eigenen Kriegsschiffs g fang e
en,
während Rusa'h seinen geliebten Palast in Flammen aufgehen ließ!
Wieder ging ein Ruck durch das Schiff, und es wurde schneller. Der nische K
terra
ampfverband zog es in Richtung Erde, und Jora'h konnte nichts dagegen tun.
364
129 # MARGARET CÓLICOS
Im Durcheinander des Subschwarmkampfes auf Llaro fielen die fliehenden Menschen ebenso auf wie Staubkörner in einem Wirbelwind.
Insektenkrieger zerfetzten ihre Rivalen, und die Llaro‐Klikiss setzten ihre seltsamen Waffen gegen ebenso sonderbare Apparate ein, die der angreifende Subschwarm entwickelt hatte.
Die Flüchtlinge liefen durch Tunnel und versuchten, die Bereiche zu meiden, in denen besonders wilde Kämpfe stattfanden. Als sie zwei aufeinanderprallenden Kriegern auswichen, wäre Robb fast von einem langen Stachel durchbohrt worden. Tasia riss ihn gerade noch recht e z itig
zurück, und dadurch kratzte ihm der Stachel nur über den Rücken.
»Manche Leute fänden die Vorstellung ironisch, dass Menschen vo n
Insekten zerquetscht werden«, sagte DD.
»Wohl kaum unter den gegenwärtigen Umständen, DD«, erwiderte Margaret.
Weitere dornige Krieger vom rivalisierenden Subschwarm griffen an und brachten das Gerüst mit dem neuen Transportal unter ihre Kontrolle, während kleinere Gruppen durch die tarpezförmige Wand in der alten Klikiss‐Stadt marschierten. Margaret bemerkte einen klaren Unterschied zwischen den Insektenwesen der beiden Subschwärme. Die Körperstruktur der Angreifer wirkte älter, und ihre Schalen und Rückenschilde wiesen blaue und rote Flecken auf. Die Llaro‐Kämpfer mit der von den Domaten aufgenommenen menschlichen DNS waren eindeutig überlegen. Evolution, Verbesserung. Zwar richteten die Angreifer großen Schaden an, a ber immer
mehr von ihnen starben.
Margaret wusste, dass sie entkommen mussten, bevor die Kämpfe zu Ende gingen. Welche Klikiss auch immer überlebten: Sie würden ihre erksamkeit auf die Me
Aufm
nschen richten und versuchen, sie wieder
einzufangen oder zu töten. Es
364
fiel Margaret noch immer schwer zu glauben, dass sie wirklich eine Chance hatten, den Insektenwesen zu entkommen, aber sie zeigte ihren Begleitern trotzdem den Weg. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich den Klikiss einmal entkommen könnte, DD.«
»Möchten Sie hierbleiben, Margaret Colicos?«
»Nein, bestimmt nicht. Aber ich bin auch nicht sicher, ob ich in die Welt außerhalb der Klikiss gehöre. Es ist Jahre her, dass ich Anton zum letzten Mal gesehen habe, und die aktuelle Situation im Spiralarm ist mir völlig unvertraut.«
»Ich kann Ihnen eine Zusammenfassung geben.« Der Freundlich‐Kompi half gern. »Allerdings sind auch meine Informationen nicht auf dem neuesten Stand. Sirix gewährte mir keinen Zugang zu Nachrichten, als ich sein Gefangener war.«
Davlin trieb sie zur Eile an. Robb schnitt eine Grimasse ‐ die Rückenverletzung machte ihm offenbar zu schaffen ‐ und rief über die Schulter hinweg: »Dieser Kampf der beiden Klikiss‐Schwärme ist das einzige aktuelle Ereignis, auf das es ankommt.«
Margaret schob die letzten Reste ihrer Zurückhaltung beiseite und erinnerte sich daran, wer sie einst gewesen war. »DD, als du auf Rheindic Co bei uns gewesen bist, war ich Verwalterin einer archäologischen Stätte und eine talentierte Wissenschaftlerin.«
»Ich kann viele der damaligen Gespräche wortwörtlich wiedergeben, wenn Sie möchten. Es hilft Ihnen vielleicht dabei, sich zu erinnern.
be
Ich ha jene
Zeit als besonders befriedigend empfunden.«
Orli lief voraus, und auf ihr Drängen hin hielten sie vor einer übel riechenden Nische inne, die einige Gegenstände enthielt. Bei seiner kurzen Erforschung der Klikiss‐Stadt hatte DD dort den Rucksack des Mädchens entdeckte. Mit Tränen in den Augen nahm Orli ihre Synthesizerstreif en. »Ich
habe sie von meinem Vater bekommen.«
ar
Mit M garets und DDs Hilfe führte Davlin die Gruppe durch einen dunklen Teil der alten Stadt, und schließlich fiel
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weiter vorn Tageslicht durch eine Öffnung. Sie liefen noch schneller.
Draußen waren Hunderte von Kriegern der neuen Generation damit beschäftigt, die Insektenwesen zu zerfetzen, die durch das große Transportal kamen. Klikiss fielen übereinander her, zertrümmerten gegenseitig ihre Rückenschilde und rissen sich Gliedmaßen aus. Scouts und Späher steuerten kleine Fluggeräte und warfen Harzbomben auf die Angreifer, die in der klebrigen Masse stecken blieben und daraufhin leichte Opfer für die gegnerischen Klikiss waren. Es herrschte ein unbeschreibliches Chaos.
Eine Gruppe heller, menschenähnlicher Klikiss trieb einen Domanten des rivalisierenden Subschwarms in die Enge. Margaret beobachtete, wie die hybriden Klikiss den Domaten zu Fall brachten und seinen Panzer zerschlugen.
Vor der Öffnung, durch die Tageslicht in den Tunnel fiel, ging es fast zwanzig Meter in die Tiefe. »Wir haben nicht genug Seil«, sagte Nikko.
»Dann müssen wir es auf eine andere Weise nach unten schaffen.« Davlin drehte sich um.
Margaret beobachtete voller Sorge, was draußen geschah. Die Niederlage der angreifenden Klikiss zeichnete sich bereits ab. »Uns bleibt nicht viel Zeit.«
130 # ADMIRAL SHEILA WILLIS
Admiral Willis hatte für die künstliche Insel Kommunikationsstille angeordnet, was bedeutete: Weder ihre Mantas noch die Jupiter ten,
wuss
was geschah. Es ging um Schadensbegrenzung.
ans
Lany
fünfzehn Elitesoldaten waren empört und bezeichneten die anderen TVF‐Angehörigen als Meuterer. »Wir sind
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Soldaten wie ihr! Euer Admiral hat gerade auf den Oberbefehlshaber der Terranischen Verteidigungsflorte geschossen. Man wird euch vor ein Kriegsgericht stellen und zum Tod ...« Die lauteste Proteststimme verklang, als Willis den Betreffenden mit einem Schuss aus ihrer Schockpistole zu Boden schickte.
Sie winkte mit ihrer Waffe. »Ich mache erneut davon Gebrauch, wenn dies die einzige Möglichkeit ist, euch zum Schweigen zu bringen.« Die zornigen Elitesoldaten murrten, aber es wurden keine weiteren Worte laut.
Willis hob die Stimme, damit alle sie hörten, als sie vor den Gefangenen auf und ab ging. »Ich stelle mir vor, dass jeder TVF‐Soldat ein Gehirn und auch ein Herz hat, doch General Lanyan fehlt beides. Er hat gegen so viele Gesetze und Regeln verstoßen, dass ich Wochen brauchen würde, um sie alle auf‐
zulisten. Seht euch an, wie ihr mit dem Massaker auf Usk prahlt! Und ihr droht damit, es auf Rhejak zu wiederholen! Um Himmels willen, euer Moloch hat ein Roamer‐Schiff vernichtet, das Meeresfrüchte geladen hatte!
Wenn jemand von euch das für eine gute Idee hält, so kann er von mir aus seinen formellen Protest zu Protokoll geben. Er erhält Gelegenheit, in der Arrestzelle einen Aufsatz über staatsbürgerliche Verantwortung zu schreiben.«
Willis wartete, aber niemand nahm ihr Angebot an. Hurrarufe kamen von ihren eigenen Soldaten; Hakim Allahu und die anderen Repräsenta nten von
Rhejak klopften sich auf den Rücken.
»Damit dürfte dies wohl geklärt sein.« Willis wählte fünfundzwanzig ihrer Soldaten aus, von denen sie wusste, dass sie sich absolut auf sie verlassen konnte. »Brechen wir mit dem Truppentransporter auf, bevor General Lanyans Leute an Bord meiner Jupiter zu misstrauisch werden. Wir wissen bereits, wie schießwütig sie sind.«
Willis ging mit ihren Männern an Bord des Schiffes und wusste, dass sie nicht genug Feuerkraft für einen Kampf gegen
367
den Moloch hatte. Sie musste ihn unter Kontrolle bringen, bevor es zu einem
Gefecht kommen konnte.
Auf der Brücke des Manta‐Flaggschiffs war Lieutenant Commander Brindle von Willis' Rückkehr überrascht. »Admiral! Wir haben versucht, Sie zu erreichen. Der General hatte gerade mit seiner Ansprache begonnen, als wir den Kom‐Kon‐takt mit Rhejak verloren.«
»Ein Defekt bei den planetaren Kommunikationsanlagen.« Willis hatte auch während des Flugs mit dem Transporter Funkstille gewahrt und nu D‐
r ihr I
Signal gesendet, bevor sie an Bord gekommen war.
Brindle steckte voller Fragen. »Wo ist der General? Dies entspricht nicht dem üblichen Prozedere.«
»Ich erkläre gleich alles.« Willis ging zum Kommandosessel, und rin B
dle
machte ihr rasch Platz. »Ich habe eine Mitteilung für die Jupiter.«
»Ich setze mich sofort mit ihrem Kommandanten in Verbindung.«
»Nicht nötig.« Willis beobachtete den Moloch, der wie ein stählerner Wal hinter den Manta‐Kreuzern wirkte, und gab vom Kommandosessel aus einen Code ein. Anzeigen leuchteten auf und markierten ein Deck dem
nach
anderen. »Senden Sie dies. Und warten Sie keine Bestätigung ab.«
»Was hat das zu bedeuten, Admiral? Wo ist General Lanyan? Ist etwas passiert? Der Kommandant der Jupiter hat bereits mehrmals angefragt...«
Willis richtete einen kühlen Blick auf Brindle. »Verwechseln Sie mich mit einem Interviewpartner, Mr. Brindle?«
»Mitteilung wird gesendet, Admiral«, meldete der Kommunikationsoffizier.
Die codierten Signale gingen hinaus. Willis hatte es General Lanyan nie verziehen, ihr die Jupiter weggenommen zu haben. Ihre Lippen formten ein zufriedenes Lächeln, als sie sah, wie die Anzeigen Deck für Deck erloschen.
Die Waffensysteme des
367
Moloch wurden deaktiviert, ebens das Tr
o
zlich trie
iebwerk. Plöt
b der
Moloch antriebslos im All.
»Admiral, gerade ist etwas mit der Jupiter geschehen!«
Brindle trat einen Schritt näher zum Hauptschirm. »Findet ein Angriff statt?«
»Keine Sorge. Das Schiff wird uns keine Probleme mehr bereiten.« Willis schüttelte verwundert den Kopf. »Ich finde es erstaunlich, dass der General meinen Killcode vergessen hat. Vielleicht dachte er, ich würde es nicht wagen, ihn zu benutzen.«
Voller Empörung drehte sich Brindle zu ihr um. »Das ist unerhört, Admiral!«
»Ich habe nach den Vorschriften gehandelt und General Lanyan wegen zahlreicher Verstöße gegen das militärische Protokoll seines Kommandos enthoben.«
»Verstöße gegen das Protokoll?«
»Er hat einen harmlosen Roamer‐Frachter vernichtet, unschuldige Zivilisten getötet, Privateigentum zerstört und einen Militärputsch auf einer Welt mit legitimer Regierung zu inszenieren versucht.« Willis wirkte sehr ernst bei diesen Worten. »Ich kann die Aufzählung fortsetzen, wenn Sie möchten.«
Bevor Brindle Gelegenheit bekam, irgendeine Antwort zu geben, jubelte die Brückencrew. »Wurde auch Zeit, Admiral!« Willis hatte die Wirkung der schrecklichen Bilder auf ihre Soldaten und Offiziere nicht unterschätzt.
Sie behielt ihren Ersten Offizier im Auge und erkannte ihn als möglichen Unruheherd. »Haben Sie ein Problem damit, Mr. Brindle?«
In seinem Gesicht mahlten die Muskeln. »Ja, Admiral«, sagte er schließlich.
»Ja, das habe ich. Sie haben sich widerrechtlich die Autorität Ihres vorgesetzten Offiziers angeeignet. Es ist Ihre Pflicht, General Lanyans Befehlen Folge zu leisten, ob sie Ihnen gefallen oder nicht.«
nern Sie sich
»Erin
an den Geschichtsunterricht, Lieutenant Commander.
Denken Sie daran, wie oft Worte wie >Ich habe
368
nur meine Befehle befolgt als Rechtfertigung für Verbrechen gegen die Menschheit herhalten mussten. Haben Sie die Bilder von Usk gesehen, auf die der General so stolz ist? Hier wollte er das Gleiche anstellen, ohne Gerichtsverfahren, ohne irgendwelche Beweise! Mein Seelenfrieden wäre für immer verloren gewesen, wenn ich zugelassen hätte, dass er damit durchkommt.«
Willis hatte keine Zeit für eine längere Debatte. Da ihr Erster Offizier noch immer mit seinen Zweifeln rang, traf sie eine rasche Entscheidung. »Ich möchte niemanden auf meiner Brücke, der meine Vorgehensweise für falsch hält. Hiermit stelle ich Sie in Ihrem Quartier unter Arrest, Mr. Brindle.
Denken Sie über das nach, was ich Ihnen gesagt habe, und nehmen Sie dabei Ihren moralischen Kompass zur Hand. Wenn etwas schiefgeht, so verspreche ich Ihnen, dass man Ihnen nichts von den kommenden Ereignissen zur Last legen wird.«
Ohne ein weiteres Wort und ohne militärischen Gruß verließ Brindle die Brücke. Willis nahm in ihrem Kommandosessel Platz und nickte der Brückencrew zu. »An Bord der Jupiter befinden sich nur so viele Besatzungsmitglieder, wie für den Einsatz ihrer Waffen nötig sind. Stellen Sie ein Enterkommando zusammen, das in dem Moloch Ordnung schafft.«
Willis stand wieder auf und. schritt durch den Kontrollraum. »Ich möchte mit den Kommandanten der einzelnen Mantas sprechen. Jetzt sofort. Ich weiß nicht, wie viele von ihnen noch überredet werden müssen, aber es soll alles so glatt wie möglich laufen. Wir sollten vermeiden, dass sich die Waffen der anderen Kreuzer gegen uns richten.« Ihr fiel etwas ein. »Oh, und senden Sie die Nachricht, die wir vom König erhalten haben und die zu Sanktionen gegen die Hanse aufruft. Das Massaker von Usk gibt jenen Worten eine ganz neue Bedeutung.«
Die Admiralin blieb stehen und überlegte. Die Manta‐Kom‐mandanten hatten König Peter Treue geschworen, und deshalb nahm sie an, sie auf ihre Seite ziehen zu kö
. Selbst
nnen
Lanyans
369
Hardliner an Bord der Jupiter kamen vielleicht zur Vernunft, wenn Willis genug Zeit hatte, ihnen ins Gewissen zu reden.
131 # DAVLIN LOTZE
Die Kämpfe der Klikiss setzten sich bis in den Nachmittag hinein fort, und Davlin bezweifelte, dass ihre kleine Gruppe bis zum Abend unentdeckt bleiben konnte ‐ dann würde ihnen die Dunkelheit der Nacht bei der Flucht helfen. Er zerlegte das Problem in einzelne Teile und nahm sich ein Stück nach dem anderen vor.
Zwar waren sie geschwächt und erschöpft, aber sie blieben fest entschlossen, die Chance zur Flucht zu nutzen. Davlin sah deutlich, dass niemand von ihnen aufgeben wollte, nicht einmal Margaret Colicos. Robb Brindles Rückenwunde bereitete ihm offenbar starke Schmerzen, schien aber nicht lebensgefährlich zu sein.
»Hier ist es wie in einem Labyrinth«, sagte Nikko. »Und ich neige ohnehin dazu, mich zu verirren. Wie sollen wir nach draußen gelangen und un s an
den kämpfenden Klikiss vorbeischleichen?«
»Ich könnte den besten Weg projizieren«, bot sich DD an. »Wenn wir die Ruinen erreichen, finde ich einen besseren Ausgang für uns.«
Orli legte einen beruhigenden Arm um den Kompi, schwieg aber.
DD führte sie zurück zur alten Stadt. Doch als sie die verwitterten Tunnel mit TVF‐Leitungen und Interkom‐Systemen erreichten, spürte Davlin eine Veränderung bei den Klikiss. Arbeiter hasteten vorbei und zögerten nur
, um
kurz
einen Blick auf die Menschen zu werfen, eilten dann weiter. Etwas veränderte sich.
369
Margaret lauschte dem Klicken und Zirpen. »Wir müssen weg von hier.
Schnell. Die Brüterin steht kurz
g
vor dem Sie über den anderen
Subschwarm.«
»Dann sollten wir uns sputen«, sagte Robb.
Davlin traf eine Entscheidung. »Ich weiß, wie wir die Klikiss aufhalten können. Aber ich schätze, die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs beträgt nur zehn Prozent.«
»Zehn Prozent?« Nikko sah ihn enttäuscht an.
»Immer noch besser als null Prozent«, sagte Tasia. Sie kratzte ich s
am Kopf,
fand dabei ein kleines Stück Harz und warf es weg. »Was machen
«
wir?
»Ihr versucht, irgendwie nach draußen zu gelangen. Flieht zur Osquivel und rettet die anderen Leute bei den Sandsteinklippen. Tamblyn, Brindle, schnappen Sie sich ein Bodenfahrzeug der Klikiss ‐ Sie haben Grips genug, mit den fremden Kontrollen klarzukommen.« Davlin vertraute ihnen. Tasia und Robb waren zweifellos intelligent und einfallsreich genug, um wie er zu
»Spezialisten für obskure Details« zu werden.
»Klingt so, als hätten Sie nicht vor, später zu uns zu kommen«, sagte Robb.
Margaret wandte sich an Lotze. »Nach allem, was Sie getan haben, Davlin ...
Ich habe nicht vor, Sie im Stich zu lassen.«
»Mir fällt schon was ein. Ich ändere meinen Plan, wenn es nötig ist. Warten Sie nicht auf mich. Wenn alles glattgeht, bin ich dicht hinter Ihnen.«
»Wenn alles glattgeht?«, wiederholte Nikko und stöhnte. »Wann ist jemals irgendetwas glattgegangen?«
Davlin wandte sich an Orli. »Ich brauche deinen Rucksack.«
Das Mädchen nahm ihn widerstrebend ab. »Meine Synthesizerstreifen?«
»Ich benötige sie, um uns alle zu retten. Und jetzt ‐ los mit euch!« Davlin verlor keine Zeit, nahm Orlis Rucksack und lief durch die Tunnel. Er folgte Verla
dem
uf der elektrischen Leitungen zu den zentralen Systemen, die vor mehr als einem
370
Jahr von den TVF‐Wachhunden installiert worden waren: Einige glühende Anzeigen wiesen darauf hin, dass die Energieversorgung noch funktionierte, zumindest teilweise. Die Klikiss hatten einige Komponenten aus den Kasernen entfernt, den übrigen Teilen jedoch keine Beachtung geschenkt.
Weitere Insektenwesen krabbelten durch die Tunnel. Einigen von ihnen fehlten Gliedmaßen, bei anderen waren die Rückenschilde verletzt. Die Luft roch nach Staub und Klikiss‐Blut. Wenn der Hauptkampf tatsächlich vorbei war, so machte die siegreiche Llaro‐Brüterin jetzt Jagd auf die letzten Angreifer. Es dauerte bestimmt nicht mehr lange, bis das Schwarm‐
bewusstsein Davlins Präsenz zur Kenntnis nahm.
Wenn das geschah, würden die Käfer versuchen, ihn gefangen zu nehmen.
Durch eine kleine Fensteröffnung sah er nach draußen. Beim Trapezgerüst des neuen Transportals zerrissen die stärksten Krieger des Llaro‐Schwarms vier feindliche Domate. Die großen, gestreiften Geschöpfe setzten sich zur Wehr, wurden aber überwältigt und getötet.
Davlin scherte sich nicht darum, welche Seite gewann. Ihm blieb in jedem
Fall nur wenig Zeit.
Das alte Kontroll‐ und Kommunikationszentrum der TVF befand sich in einer kleiner Höhle, und ein Maschendrahttor trennte es von den Tunneln.
Davlin schnitt mühelos durch den Draht und nahm mit Erleichterung zur Kenntnis, dass die Klikiss seiner Präsenz in ihrer alten Stadt keine Beachtung schenkten. Derzeit spielte er einfach keine Rolle für sie.
Er ließ Orlis Rucksack auf den harten Steinboden fallen und ging davon aus, dass die anderen inzwischen das Freie erreicht hatten. Er hoffte es. Wenn sie nicht schnell verschwanden, würden ihnen die Klikiss wieder ihre volle Aufmerksamkeit schenken. Davlin holte Orlis Synthesizerstreifen hervor und legte sie auf den Boden. Sie funktionierten noch.
Er aktivierte die kleine Energiequelle, stellte eine Verbindung her, öffnete die Abdeckplatte des Interkom‐Systems und
371
brachte die Drähte an. Einige Töne erklangen, doch die Klikiss schienen sie nicht zu bemerken. Davlin ließ sich vom Instinkt leiten. Während seiner vielen Einsätze als Agent der Hanse hatte er sich mit den Funktionen aller gewöhnlichen Systeme vertraut gemacht. Wenn Margaret Colicos' kleine Spieldose die Brüterin beeindruckt hatte, so sollte Orlis komplexere Musik eine ähnliche Wirkung erzielen. Davlin beabsichtigte, den Käfern reichlich davon zu geben. Hoffentlich genügte es.
Er rief die aufgezeichneten Melodien aus dem Speicher ab und programmierte die Streifen auf kontinuierliche Wiedergabe. Dann drehte er die Lautstärke ganz auf und drückte die Play‐Taste.
Tonfolgen kamen aus den Lautsprechern des Interkom‐Systems und hallten durch die Tunnel. Ein Klikiss‐Arbeiter näherte sich dem Zugang der hle,
Hö
doch als die Musik erklang, drehte sich das Geschöpf wie verwirrt.
Die Synthesizerstreifen spielten weiter, und ihre Musik faszinierte die Klikiss. Die Brüterin hörte sie durch das kollektive Bewusstsein, und Davlin hoffte, dass sie ebenso verwirrt war wie der Arbeiter vor dem Höhleneingang.
Er schlüpfte durchs Maschendrahttor, schloss es hinter sich und lief los. Es wurde Zeit, dass er selbst einen Weg nach draußen fand.
132 # ADAR ZAN'NH
In jedem von Tal O'nhs fünf Schiffen ließ Zan'nh Techniker zurück, die notwendige Reparaturen vornehmen und die dringend benötigten Kriegsschiffe nach Ildira zurückfliegen sollten. Der Adar musste sofort rechen.
aufb
Während Ridek'h und der blinde Tal der Obhut der Mediziner übergeben wurden,
371
wies Zan'nh seine Schiffe an, mit Höchstgeschwindigkeit nach Ildira zu fliegen.
Als sie dort eintrafen, mussten sie feststellen, dass die Faeros bereits da waren.
Ein Dutzend Feuerkugeln flogen über den kristallenen Türmen des Prismapalastes und griffen sie mit Flammen an. Ein großer Turm des Palastes war bereits geschmolzen und in sich zusammengesunken. Das Licht von orangefarbenem Feuer flackerte durch die transparenten Wände und wies darauf hin, dass im Innern des Palastes ein verzweifelter Kampf stattfand.
Auf dem elliptischen Hügel in der Mitte der sieben zusammenlaufenden Flüsse suchten Pilger Schutz vor dem Feuersturm. Sie konnten nicht entkommen, und jeder von ihnen verwandelte sich in eine lebende Fackel.
Zan'nh und alle anderen an Bord der Kriegsschiffe fühlten die Vibrationen des Schreckens. Früher hatte der verrückte Designierte seine Opfer zunächst vom Thism getrennt und sie dann getötet, doch jetzt ließ er die Eroberung von Ildira wie laute Trommelschläge durchs Thism hallen, damit alle Ildiraner im Reich davon erfuhren. Vermutlich spürte auch der Weise Imperator Jora'h den unerträglichen Schmerz.
Der Adar wusste nicht, wie er gegen einen solchen Feind vorgehen sollte.
Tal O'nhs Kriegsschiffe hatten bestimmt alle Waffen benutzt, die ihnen zur Verfügung standen. Als Zan'nh den blinden Tal im Medo‐Zentrum des Flaggschiffs besuchte, sagte O'nh mit brüchiger Stimme: »Unsere Projektile und Energiestrahlen richteten nichts gegen sie aus. Die Panzerung unserer Schiffe konnte ihrer Hitze nicht standhalten. Wie kämpft man gegen Flammen?«
Zan'nh überlegte, suchte nach einer Lösung für das Problem und wünschte sich, dass Adar Kori'nh ‐ oder Sullivan Gold oder Tabitha Huck ‐ zugegen gewesen wären. Vielleicht hätten sie ihm einen Rat geben können. Doch al musste er ganz allein zur
diesm
echtkommen. Die Faeros griffen den
Prismapalast an! Er konnte nicht Tage damit verbringen, Ideen für eine Stra 372
tegie zu sammeln. Er musste sich selbst etwas einfallen lassen, und zwar schnell.
»Die Wassertanks vorbereiten. Vielleicht können wir das Feuer löschen.«
Mit voller Geschwindigkeit näherten sich die Kriegsschiffe den flammenden Ellipsoiden und spritzten Wasser aus ihren Tanks. Nur einige wenige Faeros waren nach Ildira gekommen. Vielleicht konnte Zan'nh irgendwie mit ihnen fertig werden.
Große, heiße Dampfwolken entstanden in der Atmosphäre und dehnten sich in alle Richtungen aus. Die Faeros setzten ihren Flug fort, verbrannten Ildiraner in der Stadt und umkreisten den Prismapalast. Und sie rt
reagie en
auf den Angriff der Kriegsschiffe ‐ ihre Flammen wurden heller.
Beim zweiten Anflug ließ Zan'nh Wasser auf den Platz vor dem Palast strömen. Die extrem heißen Kristallplatten platzten, als das kalt e Wasser
auf sie fiel. Flüssiges Glas und Metall erstarrten zu seltsamen Formen.
Zwei Kriegsschiffe konzentrierten ihre Wasserstrahlen auf eine einzelne Feuerkugel und entleerten ihre Tanks. Die Fa‐ero‐Glut verlor an L cht eu
kraft
und wurde dunkel ‐ das Wasser hatte das Feuer gelöscht.
Die anderen Faeros rasten den beiden Kriegsschiffen entgegen und kollidierten mit ihnen. Zan'nh spürte heftigen Schmerz im Thism, als die Besatzungsmitglieder der beiden Schiffe starben und die Faeros ihr Seelenfeuer aufnahmen. Unkontrolliert stürzten die beiden Kriegsschiffe der Solaren Marine mit brennenden Triebwerken in die Tiefe und zerbarsten in der Stadt.
Der Himmel über Mijistra war voller Dampf, der sich wie ein Tarnmantel um die restlichen Schiffe des Adars legte. Doch es würde sicher nicht l nge a
dauern, bis die Faeros sie fanden.
»Adar! Ich empfange eine dringende Sendung aus dem Prismapalast.«
»Worum geht es?«
373
»Der Erstdesignierter und einige andere ... Sie versuchen zu entkommen und brauchen unsere Hilfe.«
133 # NIKKO CHAN TYLAR
Die Leichen großer Insektenwesen lagen am Rand der Klikiss‐Stadt. Die summenden und klackenden Geräusche des wilden Kampfes waren einer gespenstischen Stille gewichen, als Scouts und Krieger die letzten Angehörigen des rivalisierenden Subschwarms töteten. Der Geruch k
wec te
Übelkeit in Nikko.
Als sie an einem weiteren Leichenhaufen vorbeikamen, deutete er zum großen neuen Transportal. »Seht nur, etwas anderes kommt durch!«
Siegreiche Llaro‐Klikiss stapften durchs schimmernde Transportal und trugen ihre größte Trophäe: die gefangene Brüterin des anderen Subschwarms. Nikko riss die Augen auf, als er die Monstrosität sah; er wusste instinktiv, um was es sich handelte. Nie zuvor hatte er etwas so Abscheuliches gesehen. Orli schauderte. Margaret legte ihr die Hand auf die Schulter und zog das Mädchen mit sich. »Kommt! Das ist die letzte gro ße
Ablenkung für die Klikiss, und wir müssen sie nutzen.«
Die acht Llaro‐Domate, durch die letzte Teilung erneuert, stapften zur gegnerischen Brüterin und begannen damit, sie zu verschlingen. Schrille Schreie erklangen.
Und plötzlich ertönte Musik aus den TVF‐Lautsprechern.
Die Melodie ließ alle Klikiss innehalten. Orli blieb stehen und war ebenso überrascht wie die Insektenwesen. Tränen glänzten in ihren Augen. »Das bedeutet, Davlin hat es geschafft!«
usik
Die M
erzielte sofortige Wirkung. Selbst die Klikiss auf dem Schlachtfeld zögerten, obwohl viele von ihnen zu weit
373
entfernt waren, um die Töne zu hören. Doch die Brüterin empfing die Wahrnehmungen aller Klikiss, und Desorientierung erfasste den ganzen Subschwarm.
»Das nenne ich ein gutes Ablenkungsmanöver«, sagte Tasia. »Und man kann sogar noch dazu summen.« Sie lief los, dorthin, wo die Bodenfahrzeuge r
de
Klikiss standen.
Nikko fühlte sich erschöpft wie nie zuvor in seinem Leben. Mit einem der Bodenfahrzeuge ‐ ein offenes Gerüst mit Drahtgeflechträdern und einem Motor ‐ würden sie wesentlich schneller vorankommen und sich gleichzeitig ein wenig ausruhen können.
Robb und Tasia sprangen an sechs Kriegern vorbei, die verwirrt klickten und unsicher ihre vorderen Gliedmaßen hoben. Einige Insektenwesen prallten gegeneinander, als würde die Musik
r
sie benebeln. Ande e suchten
nach ihrem Ursprung. »Sie sehen uns nicht. Nutzen wir unsere Chance!«
Nikko lief ebenfalls zu den Fahrzeugen. Die Klikiss hatten keine Sicherheitssysteme installiert, und bestimmt war es nicht weiter schwer, den Motor eines solchen Bodenwagens zu starten und diesen zu steuern.
Andererseits: Die Käfer hatten mehr Gliedmaßen als Menschen, und Nikko fragte sich, ob zwei Hände genügten, die Kontrollen zu bedienen.
Klikiss‐Krieger wankten vor ihnen, wie in den Melodien gefangen. Plötzlich verklang die Musik ‐ kein Laut kam mehr aus den Lautsprechern i der n
alten Stadt.
»Es bedeutet, dass sie Davlin umgebracht haben!«, entfuhr es Orli.
»Es bedeutet, dass sie die Musik abgestellt haben.« Tasia sprintete zum nächsten Fahrzeug. »Damit ist die Schonfrist vorbei.«
Die Köpfe von Klikiss‐Kriegern drehten sich wie Zielerfassungssysteme, und ihre Blicke richteten sich auf die Mensche
sah
n. Die Brüterin
direkt durch
ihre Augen und beobachtete alles. Auch Margaret.
Die alte Xeno‐Archäologin trat trotzig vor und hob ihre 374
Spieldose. Klickende Laute kamen aus ihrem Mund, als sie versuchte, direkt mit den Klikiss zu kommunizieren. Dann zog sie ihre Spieldose auf, un ie
d d
vertraute Melodie erklang. »Lauft und nehmt euch einen der Wagen.«
»Kommen Sie mit uns, Margaret«, sagte DD. Orli zog am Arm des Kompi.
»Ihr habt es gehört!«, rief Tasia. »Lauft! Ich hoffe, jemand weiß, wie man einen von diesen Klikiss‐Buggys fährt.«
Margaret hielt ihre Spieldose hoch erhoben und ließ die Melodie für die Klikiss erklingen, für die Brüterin. Der nächste Krieger streckte eine Gliedmaße aus und nahm Margaret vorsichtig die Spieldose aus der Hand.
Zwei Scouts kamen von rechts und links und packten sie. Margaret versuchte, sich zu wehren, aber die beiden Insektenwesen hoben sie hoch und trugen sie behutsam fort, während sich Krieger den a n
ndere
Flüchtlingen näherten.
»Margaret!«, rief Orli. Nikko zog sie mit sich zum Bodenwagen.
Drei Klikiss‐Krieger stapften in Richtung der Fahrzeuge, begleitet von einem größeren Geschöpf ‐ einem der seltsamen, von menschlicher DNS
beeinflussten Wesen. Er war so groß wie ein Domat, hatte ein helles Ektoskelett, und der längliche Körper verfügte über starke Arme und Scheren.
Nikko zögerte, und Robb gab ihm von hinten einen Stoß. »Schnell ge
, solan
sie noch desorientiert sind.«
Tasia sprang in den offenen Wagen, überprüfte die Kontrollen und zog versuchsweise an Hebeln. Nichts geschah. »Dies könnte eine ziemlich kurze Flucht werden.«
Die drei Klikiss‐Krieger und ihr heller Begleiter wandten sich den Menschen zu. Robb warf sich neben Tasia in den Wagen, schlug auf die Kon d
trollen un
versuchte, den Motor zu starten.
Die Krieger umgaben sie und hoben ihre scharfen Gliedmaßen. Nikko sah t ins Gesi
direk
cht des Hybriden ‐ es wirkte wie eine Fratze, und doch gab es seltsam vertraute Elemente darin.
375
In der Mimik hinter den steifen Gesichtsplatten schienen alte Erinner en
ung
zum Ausdruck zu kommen, die Echos einer anderen Existenz.
Plötzlich erkannte Nikko in dem Gesicht des fremden Wesens etwas von seiner Mutter. Die Züge veränderten sich weiter, und es erschienen Merkmale anderer Gesichter, von Roamern und Kolonisten. Und dann, als hätte der Hybride Nikko erkannt, kehrte die geisterhafte Miene von Maria Chan Tylar zurück.
Orli versuchte, Nikko in den Wagen zu ziehen, und dabei bemerkte sie ebenfalls die Ähnlichkeit mit Maria Chan Tylar, mit der Frau, die sie bei sich aufgenommen hatte. Nikko war wie erstarrt und wartetet darauf, dass das Geschöpf mit seinen Gliedmaßen zuschlug.
Stattdessen drehte sich der groteske Hybride zu einem Krieger um, packte den dornigen Kamm auf dem Kopf des Klikiss, drehte ihn mit einem Ruck und riss so den ganzen Schädel ab. Der völlig überraschte Krieger k ick l
te
kurz und sank tot zu Boden.
Die beiden anderen Krieger, von einer verwirrten Brüterin gelenkt, wandten sich von den Menschen ab und fielen über den Hybriden her, der einen der ihren getötet hatte. Das helle Wesen setzte sich mit aller Entschlossenheit zur Wehr, trat und schlug zu.
»Lasst uns endlich von hier verschwinden, verdammt!«, rief Tasia.
Nikko taumelte zurück und stieß gegen das Fahrzeug, war aber nicht imstande, den Blick vom Kampf abzuwenden. Robb ergriff seinen Arm und rief ihm ins Ohr: »Wir fahrenl«
Aber der Bodenwagen der Klikiss schien anderer Meinung zu sein. Zwar lief inzwischen der Motor, doch ein knirschendes Geräusch kam vom Getrieb .
e
Das Fahrzeug machte einen Ruck nach vorn und blieb dann wieder ste
.
hen
Ma
Dem
ria‐Hybriden gelang es, einen zweiten Krieger zu töten, doch der dritte riss ihm den hellen Leib auf. Nikko ver
375
stand nicht, was geschah. Wenn die Domate genetische Informationen von den Menschen »aufnahmen«, die sie verschlangen ... wurden dann auch Erinnerungen transferiert? War das, was er gesehen hatte, tatsächlic n
h ei
Echo seiner Mutter?
Auf Befehl der Brüterin trafen drei weitere Krieger ein und nahmen am Kampf gegen den verräterischen neuen Hybriden teil. Die zornigen Klikiss umringten ihn und begannen damit, ihn regelrecht zu zerfleischen. Nikko stöhnte.
Der Motor brummte lauter, aber Tasia hatte noch immer nicht herausgefunden, wie man den Wagen in Bewegung setz e von S
te. Di
chleim
bedeckten Klikiss‐Krieger kamen näher. Orli trat ihnen in den Weg.
»Was macht sie da?«, rief Robb. »Komm an Bord, Mädchen!«
Mit klarer, aber ungeübter Sopranstimme sang Orli ein Lied. Die Melodie war den Klikiss vertraut ... und klang doch ein wenig anders. Von ganzem Herzen sang das Mädchen »Green‐sleeves« ‐ auf diese Weise hatte die Brüterin das Lied noch nie gehört. Die Krieger erstarrten, hoben ihre scharfen Gliedmaßen und neigten den Kopf. Orli sang weiter.
Dadurch bekam Tasia die Zeit, die sie brauchte. Endlich brachte sie das fremde Fahrzeug in Gang.
Erschüttert von dem, was er gesehen hatte, nahm Nikko Orlis Hand und zog sie in den offenen Wagen, als der sich in Bewegung setzte. Kaum war Orlis Lied verklungen, stapften die Krieger wieder los, doch inzwischen hatte der Bodenwagen an Fahrt gewonnen.
Nikko und Orli saßen nebeneinander, beide aus unterschiedlichen Gründen wie betäubt. DD schwieg, und Nikko fragte sich, ob auch ein Kompi bestürzt sein konnte.
s au
»Wa
ch immer wir gerade gesehen haben«, sagte er. »Ich möchte nie er einen
wied
Blick darauf werfen müssen.«
376
134 # DAVLIN LOTZE
Als die Musik viel eher als erwartet verklang, wusste Davlin, dass er in Schwierigkeiten war. Statisches Knistern kam aus den Lautsprechern, und dann herrschte Stille. Die Käfer mussten die Synthesizerstreifen gefunden und zerrissen haben.
Er hatte gehofft, die Klikiss‐Stadt verlassen zu können, bevor das geschah.
Davlin schlich durch die düsteren Tunnel und blieb dabei im Schatten, aber auf Dauer konnte er sich nicht verstecken. Mit ihren Fühlern konnten die Insektenwesen Vibrationen entdecken, und vielleicht waren sie sogar in der Lage, ihn zu wittern und seiner Spur zu folgen, als hätte er sie mit Farbe auf ge
den Boden
malt. Wenn die Brüterin nach ihm zu suchen begann, würden ihn die Klikiss finden.
Er lief los.
Davlin hatte eine Lichtgranate und ein kleines Metallrohr aus dem TVF‐
Ausrüstungsschuppen für den Notfall behalten. Als Waffen gaben sie nicht viel her, aber sie waren besser als gar nichts.
Er erreichte eine kleine, nur wenige Zentimeter breite Belüftungsöffnung und blickte nach draußen. Auf dem Schlachtfeld fraßen die Llaro‐Domate tote Klikiss und nahmen die DNS des bezwungenen Subschwarms für die nächste Teilung auf. Die Brüterin würde sich erneut fortpflanzen, die im Kampf gefallenen Krieger ersetzen und ihren Subschwarm vergrößern.
Ein ganzes Stück hinter den Domaten floh eine Gruppe von Menschen mit einem Bodenwagen der Klikiss. Davlin seufzte erleichtert, und ein Teil der Anspannung wich von ihm. Jetzt wusste er, dass die anderen entkommen waren, dass sie das startbereite Raumschiff erreichen, die Überlebenden bei den Sandsteinklippen retten und Llaro verlassen konnten.
r ihnen hint
Als e
erherblickte, begriff Davlin, dass er keine Möglichkeit hatte, zu ihnen aufzuschließen. In gewisser Weise
377
war es eine befreiende Erkenntnis. Es gab ihm die Freiheit, einen eigen n e
Weg ins All zu suchen. Immerhin war er Spezialist für solche Dinge.
Das Transportal in der alten Stadt bot die beste Möglichkeit für ihn, den Planeten zu verlassen. Jede andere Welt war besser als Llaro ‐
vorausgesetzt, dort gab es keine Klikiss.
Davlin drang weiter in die alte Schwarmstadt vor. Er wusste, wo sich das Transportal befand, denn immerhin hatte es ihn zusammen mit den Crenna‐
Kolonisten hierhergebracht. Doch als er sich der entsprechenden Höhle näherte, sah er beunruhigend viele Arbeiter und Scouts in den Tunneln. Das Transportal war nahe, aber vielleicht musste er sich das letzte Stück des Weges dorthin freikämpfen.
Zwei dornige Krieger drehten ihre gepanzerten Köpfe in seine Richtung.
Davlin wurde klar, dass die Brüterin seine Präsenz nicht länger ignorieren würde.
Er zögerte nicht, sprang vor, zielte genau und rammte das Metallrohr in den Thorax des nächsten Kriegers. Das Geschöpf klackte mit den Scheren, zischte, pfiff und fiel zur Seite ‐ seine Masse genügte, Davlin das Rohr aus der Hand zu ziehen. Der zweite Krieger schlug nach ihm, und eine gezackte Gliedmaße traf ihn an Schultern und Rücken, riss eine tiefe Wunde.
Jäher Schmerz ließ Davlin zur Seite taumeln, und er wankte an dem Klikiss vorbei. Zwar blutete er stark, aber er lief erneut los. Der Krieger nahm die Verfolgung auf, und im engen Tunnel kratzte sein massiger Leib an den Wänden entlang. Dav‐lins Beine schienen immer schwerer zu werden, und er hörte das käferartige Wesen direkt hinter sich. Mit zitternder Hand holte er die Lichtgranate hervor, warf sie aber nicht sofort. Er brachte eine Ecke hinter sich, taumelte durch eine torbogenartige Öffnung und fand sich plötzlich in der Höhle mit dem Transportal wieder.
Zehn weitere kampfbereite Klikiss warteten dort auf ihn. Mehrere tote höri
Ange
ge des gegnerischen Subschwarms lagen auf dem Boden, und einige Arbeiter waren damit beschäftigt,
377
die Leichen zu zerlegen und fortzutragen. Hinter Davlin näherte sich zischend und klackend der Krieger. Als sich ihm auch die Klikiss in der Höhle zuwandten, aktivierte er die Lichtgranate, stellte sie auf drei Sekunden ein und warf sie in die Höhle.
Davlin prägte sich den Weg ein und kniff die Augen zu. Er musste unbedingt die Portalwand erreichen. Blutend taumelte er nach vorn, zählte bis drei und wartete nicht einmal den Blitz ab. Das grelle Licht trieb die Insektenwesen zurück, und als er die Augen wieder öffnete, sah er blitzende Punkte. Eine Art schwarzes Rauschen füllte die Augenwinkel. Der Schmerz im Rücken wurde fast unerträglich. War irgendeine Art von Klikiss‐Gift in die Wunde geraten? Deutlich spürte er, wie ihm Blut über Rücken und Beine rann.
Schließlich erreichte er die Felswand mit dem Transportal ‐das glatte Trapez befand sich direkt vor ihm. Davlin schlug mit der Hand darauf, doch das Portal blieb fest und undurchlässig. Als er sich anschickte, eine Koordinatenkachel auszuwählen ‐ irgendeine ‐, hörte er, wie die Klikiss zischten und sich wieder in Bewegung setzten. Das grelle Licht hatt ur
e sie n
vorübergehend gelähmt.
Davlin drückte auf eine Koordinatenkachel, und daraufhin erschimmerte das Transportal. Er wusste nicht, welche Welt er ausgewählt hatte, und es war ihm gleich. Ihm ging es nur darum, Llaro zu verlassen. Er w f si ar
ch nach
vorn, in das, was eben noch fester Stein gewesen war.
Ein Klikiss hielt ihn am Bein fest. Krallen bohrten sich ihm in den Oberschenkel und zogen ihn zurück. Davlin schob die Hände durchs Transportal und versuchte verzweifelt, sich am Rand festzuhalten. Ein weiterer Krieger kam heran, packte seinen Arm und riss ihn von der trapezförmigen Wand zurück.
Davlin schrie und wehrte sich, aber es hatte keinen Zweck. Klikiss‐Klauen itt
schn en ihm in die Arme, und er spürte ein Stechen in der linken Seite, zwischen den Rippen. Er verlor
378
immer mehr Blut und damit auch Kraft, konnte nicht mehr kämpfen.
Die Krieger drehten Davlin um und zogen ihn mit sich; eine breite Blutspur blieb auf dem Boden zurück. Davlin hob den Kopf und sah, wie vor ihm zwei Domate erschienen. Sie blockierten den Höhlenzugang, und damit gab es für Davlin keine Fluchtmöglichkeit mehr.
135 # YAZRA'H
Der Prismapalast begann wie eine Sonne zu glühen. Einige der großen Kuppeln waren bereits geschmolzen. Die Faeros schienen überall zu sein.
Die Ildiraner brauchten ihr Oberhaupt, doch der Weise Imperator war nicht da. Der Erstdesignierte Daro'h kannte seine Pflicht: Er musste einen Weg finden, die Flammen wirkungsvoll zu bekämpfen. Und Yazra'hs Aufgabe bestand darin, ihn am Leben zu erhalten.
Sie hatte den Audienzsaal zusammen mit dem Erstdesignierten und allen anderen verlassen. Als sie durch den Thronsaal flohen, verwandelte sich die Kuppel des Terrariums in ein riesiges Vergrößerungsglas. Die Pflanzen und Vögel verbrannten und verkohlten. Der einzige Weltbaumschössling war schon beim ersten Anflug der Faeros in Flammen aufgegangen.
Als Adar Zan'nh die elementaren Feuerwesen mit Wasser angriff, trieb Yazra'h ihre Begleiter zu größerer Eile an. Die Luft brannte ihnen in Kehle und Lungen. Sie liefen durch schimmernde Flure und Treppen hinunter, h
durc Räume, über denen der Himmel brannte ‐ der Weg nach draußen war weit. Die drei Isix‐Katzen wichen die ganze Zeit nicht von Yazra'hs Seite.
379
Daro'h war noch immer in das feuerfeste Tuch gehüllt und fragte: »Können wir die Kriegsschiffe des Adars erreichen?«
»Ich weiß nicht. Aber wir müssen den Prismapalast verlassen.«
Osira'hs Augen und die ihrer jüngeren Geschwister glänzten wie im Fieber.
Sie waren jetzt von dem neuen Thism getrennt, das sie entdeckt hatten, doch sie blieben auf eine Weise miteinander verbunden, die Yazra'h seltsam erschien.
»Wir sollten dorthin gehen, wo sich die sieben Flüsse treffen«, sagte Osira'h.
»Vielleicht sind wir in den unterirdischen Kanälen sicher ‐ bis wir irgen dwie
den Adar erreichen können.«
Yazra'h ergriff den Erstdesignierten an der Schulter und lenkte ihn in einen anderen Flur. »Ja, das ist eine gute Idee. Hier geht's nach draußen!« Sie führte die Gruppe an, und kurze Zeit später erreichten sie einen gewölbten Nebenausgang. Draußen erwartete sie heißer Dampf vom Wasser der Solaren Marine. Überall lagen scharlachrote und gelbe Kristallsplitter.
Die Glutbälle der Faeros tanzten am Himmel, von Flammen umgeben. Die Kriegsschiffe des Adars setzten noch immer Wasser aus ihren Tanks gegen sie ein. Yazra'h und ihre Begleiter beobachteten, wie eine weitere Faero‐
Kugel schwarz wurde und auf die Stadt fiel. Yazra'hs Augen brannten jedes Mal, wenn sie versuchte, Einzelheiten zu erkennen.
Hunderte von Wächtern waren der Hitze zum Opfer gefallen und gestorben.
In Spiegelrüstungen gekleidete Tjoster kamen herbei, um gegen die Feuerwesen zu kämpfen. Die kräftig gebauten Athleten rückten ihre Helme zurecht und hoben prismatische Laserstäbe. Yazra'h hatte einmal an der Seite dieser Männer gekämpft, bei ihnen trainiert und ihre Kräfte mit ihnen gemessen. Ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten kannte sie genau. Vielleicht konnten sie mit ihren Waffen etwas gegen den ungewöhnlichen Feind ausrichten.
Als ein Feuerball der Faeros vom Himmel herabraste, rief 379
Yazra'h ihren Isix‐Katzen einen Befehl zu, woraufhin sie in den fragwürdigen Schutz eines gewölbten Überhangs liefen. Daro'h zog sich das feuerfeste Tuch enger um die Schultern, und Osira'h und die and der
eren Kin
rückten zusammen, als die Flammen näher kamen.
Die Tjoster duckten sich hinter ihre Schilde, hoben die Laserlanzen und schickten dünne Strahlen nach oben. Einige der Männer schrien, als Feuer einen Weg durch kleine Lücken zwischen den einzelnen Segmenten ihrer Rüstungen fand. Flammen und Licht reflektierten von den spiegelnden Schilden. Den Faeros schienen die Reflexionen überhaupt nichts auszumachen.
Als der Feuerball nach dem Angriff wieder aufstieg, lagen mehr als die Hälfte der Tjoster tot am Boden, ihre Rüstungen geschmolzen und zerbrochen. »Laufen Sie, Yazra'h!«, brachte einer der Überlebenden hervor.
»Bringen Sie den Erstdesignierten fort!«
Schließlich erreichten Yazra'h und ihre Begleiter die Stelle, an der sich das Wasser der sieben Flüsse vereinte, in die Tiefe stürzte und Kanäle es neu verteilten. Osira'h beugte sich über die Öffnung im Boden. »Wir sind schon einmal dort unten gewesen. Wir können springen.«
»Tut, was Osira'h sagt.« Es blieb Yazra'h nicht genug Zeit für Fragen. Ihre Katzen bleckten die Zähne, fauchten und sprangen. Daro'h ließ das feuerfeste Tuch fallen und trat vor, um den Kindern zu helfen.
Der feurige Avatar des verrückten Hyrillka‐Designierten kam von Flammen umhüllt aus einem Torbogen. Die kristallenen Wände des Palastes spiegelten seinen Glanz wider. S
irkte ruhi
ein Gesicht w
g und zufrieden,
doch seine Stimme donnerte. »Wo ist Jora'h?«
»Mein Vater ist vor dir sicher!«, rief Daro'h.
Eine von Yazra'hs Isix‐Katzen sprang auf die Erscheinung zu. Rusa'h winkte und ein B
nur,
litz schoss aus den Flammen um ihn herum. Yazra'h schrie, als sich die Katze in eine
380
Rauchwolke verwandelte. Die anderen beiden Tiere fauchten laut, doch Yazra'h winkte sie hinter sich. Zorn und Trauer erfassten sie.
n
Am liebste
hätte sie sich auf Rusa'h gestürzt, aber das wäre Selbstmord gewesen.
»Ins Wasser, Osira'h, los!« Das Mädchen nahm die Hand seines Bruders Rod'h, und gemeinsam sprangen sie über den Rand des Wasserfalls. Gale'nh, Tamo'l und Muree'n folgten rasch.
Rusa'h hob die Hände und warf Flammen. Im letzten Moment nahm Yazra'h das feuerfeste Tuch und hielt es schützend vor Daro'h, ihre beiden Katzen und sich selbst. Feuer loderte über den Stoff, und die Luft wurde so heiß, dass man sie nicht mehr atmen konnte. Brandblasen entstanden an Yazr s
a'h
Fingern.
Die letzten Tjoster hoben ihre Spiegelschilde, brüllten herausfordernd und zielten mit ihren Laserlanzen auf den verrückten Designierten. Ein Mann stieß seinen kristallenen Speer sogar in den feurigen Körper. Rusa'h heulte auf, zerschmetterte die Lanze und warf den Tjostern eine Woge aus Feuer entgegen. Alle gingen zu Boden. Einem solchen Angriff konn n
ten icht einmal
ihre Spiegelrüstungen standhalten.
»Muss ich mit ansehen, wie alle für mich sterben?«, rief Daro'h.
Yazra'h stieß ihn zum Wasserfall. »Nein! Ihr Opfer gibt dir Zeit zu fliehen.«
Sie gab dem Erstdesignierten noch einen Stoß, sodass er über den Rand des Wasserfalls stolperte, befahl dann ihren widerstrebenden Katzen, in die Tiefe zu springen. Rusa'h richtete weitere Flammen auf Yazra'h, doch die sprang ebenfalls und fiel durch die Gischt. Die Glut loderte üb eg
er sie hinw
und verwandelte das Wasser eines der sieben Flüsse in heißen Dampf.
Yazra'h stürzte mindestens zehn Meter tief, und unten nahm das kühle Wasser des Beckens sie auf. Daro'h, die Kinder und ihre beiden Isix‐Katzen amme
schw
n dort. Yazra'hs Haut war voller Blasen, ein großer Teil des Haars verbrannt,
381
und sie konnte kaum mehr etwas sehen. Sie spürte, wie die beiden Katzen neben ihr versuchten, sich über Wasser zu halten.
»Hier entlang!«, rief Osira'h. Sie folgten der Strömung eines Kanals, stießen dabei immer wieder gegeneinander. Schließlich kamen sie durch einen anderen Kanal unter dem elliptischen Hügel hervor wieder ins Freie, weit von Rusa'h entfernt.
Die verkohlten Leichen von Pilgern, die ins Feuer der Faeros geraten waren, trieben in der Strömung. Als der Kanal breiter wurde, zog Yazra'h Osira'h und Gale'nh ans Ufer. Nachdem der Erstdesignierte Daro'h Rod'h und seinen jüngeren Schwestern geholfen hatte, holte er seinen Kommunikator hervor und versuchte, Adar Zan'nh zu erreichen. Er bekam sofort Antwort.
»Wir haben euch geortet, und ich lasse euch von einem schnellen Angriffsjäger abholen. Wir können den Kampf gegen die Feuerbälle nicht fortsetzen.«
Oben am Himmel strahlten die Faeros noch heller, als sich das Flaggschiff des Adars näherte. Yazra'h bemerkte ein kleineres Schiff, das schnell auf sie zukam: der versprochene Angriffsjäger. Als er landete, hatte sie alle aus dem Wasser geholt und ans Ufer gebracht. Der Erstdesignierte Daro'h, Osira'h und ihre vier Geschwister, die beiden Isix‐Katzen und Yazr k
a'h let‐
terten an Bord, erschöpft und voller Verbrennungen. Aber sie lebten noch.
Der Angriffsjäger verbrachte nicht mehr als zwei Minuten am Boden, startete wieder, flog zum Flaggschiff und ließ die Feuer von Ildira unter sich zurück.
381
136 # TASIA TA MB LYN
Die Osquivel war verbeult, zerkratzt und schmutzig, aber für Tasia bot sie einen wundervollen Anblick.
Nach der Flucht aus der Klikiss‐Stadt waren sie mit hoher Geschwindigkeit über das wellige Land gefahren und dabei ordentlich durchgeschüttelt worden. Sie navigierten mithilfe der Sterne und ihres Instinkts. DD gab sich alle Mühe, ihnen den Weg zu weisen, und Robb und Tasia rangen mit den fremdartigen Kontrollen. Einige Klikiss hatten halbherzig die Verfolgung aufgenommen, doch die Entfernung zu ihnen war schnell gewachsen.
Robb hielt den Bodenwagen in der abgelegenen Schlucht an, als er voraus das Schiff sah. Mit einem Stöhnen kletterte Tasia aus dem Klikiss‐Fahrzeug ‐
es war schnell, aber alles andere als bequem. »An Bord mit euch, so rasch wie möglich. Wir müssen zu den Sandsteinklippen fliegen. Die Landung dort dürfte schwer werden, aber uns bleibt keine Wahl. Lo re
s, verlie n wir keine
Zeit.«
Orli deutete nach vorn. »Jemand ist schon da. Mr. Steinman.«
Steinman, Crim Tylar und drei andere Roamer standen beim Transporter, in den Händen Waffen und auf den Bodenwagen gerichtete Lampen. »Wird auch verdammt Zeit, dass ihr kommt!«, sagte Steinman. »Warum hat es so lange gedauert?«
»Wir hatten eine kleine Auseinanderset ung
z
mit den Klikiss«, sagte Robb.
»Wir haben Davlin verloren.«
»Und Mar
t Colicos«, fü
gare
gte DD hinzu.
»Tot?«
»Wer weiß?«
Die Roamer wirkten betroffen. Nikkos Vater schüttelte den Kopf. »Wenn sie am Leben sein könnte
noch
n, müssen wir zurück und sie retten.«
»Er hat uns angewiesen, nicht zurückzukehren«, sagte Tasia 382
knapp. »Davlin würde sich selbst töten, um zu verhindern, dass wir das Leben all dieser Leute riskieren, um ihn zu retten. Und um ganz ehrlich zu sein: Ich glaube, inzwischen ist es zu spät.«
»Wir müssen weg von hier, sofort«, sagte Robb. »Die Klikiss sind hinter uns her.«
Tasia neigte den Kopf ein wenig zur Seite und glaubte, klickende und zirpende Geräusche zu hören. Doch die Insektenwesen konnten sie noch nicht erreicht haben. »Bleib wachs
,
am DD. Mach von deinen Sensoren
Gebrauch und warn uns rechtzeitig.«
»Das werde ich tun, Tasia Tamblyn.«
Tasia schauderte und dachte an ihren Kompi EA, der von Klikiss‐Ro n
boter
zerfetzt worden war. Sie hasste sie alle: die Klikiss und ihre Roboter.
Crim Tylar umarmte seinen Sohn so fest, dass diesem der Atem stockte.
Nikko sagte nicht, was er im hellen Gesicht des Klikiss‐Hybriden gesehen hatte. Er konnte mit dem Wissen kaum fertig werden und wollte v iden,
erme
seinen Vater damit zu belasten.
»Nachdem ihr gestern nicht zurückgekehrt seid, haben wir die Sachen gepackt«, sagte Steinman. »Als wir heute Morgen noch immer nichts von euch gehört hatten, beschlossen wir, hierherzukommen und zu warten, für den Fall, dass ihr Hilfe braucht.« Er hob seine Strahlwaffe. »Wir waren bereit.«
»Ich habe die Bordsysteme überprüft und das Triebwerk vorbereitet«, sagte Crim. »Eine Stunde hätte ich euch noch gegeben ‐ dann wären wir mit dem Schiff zu den Sandsteinklippen geflogen.« Er sah Nikko an. »Ich bin froh, dass du zurück bist.«
DD hob sein Polymergesicht zum sternenbesetzten Himmel, richtete den Blick seiner optischen Sensoren dann auf Tasia. »Ich fürchte, viele Klikiss nähern sich, die meisten mit niedrig fliegenden Schiffen, ig
ein e ohne
technische Hilfsmittel.«
Tasia verlor keine Zeit. »Alle in die Osquivell« Sie scheuchte 383
den Kompi an Bord und wartete, bis die anderen die Rampe hinaufgelaufen waren, schloss dann die Luke. »Wir kriegen Besuch! Bringt das S
n die
chiff i
Luft! Wie schnell können wir die Flüchtlinge an Bord nehmen?«
»Ein sich nähernder Klikiss‐Schwarm wird uns gewaltig anspornen.«
Bevor die Insektenwesen eintrafen, ließ Robb den Transporter aus dem Trockental aufsteigen und flog ihn dann ohne Positionslichter in einer Höhe von nur wenigen Metern über die Landschaft. »Tamblyn, erinnerst du dich an irgendwelche Hügel
oder dergleichen, die uns in den Weg geraten könn‐
ten?«
»Ich bin mir nicht sicher ...«
»Wir hätten uns besser die Zeit nehmen und unsere externen Sensoren reparieren sollen.« Robb riss das Schiff nach oben, als er voraus einige Felsen aufragen sah. Crim Tylar verlor das Gleichgewicht und fiel aufs Deck, kam aber sofort wieder auf die Beine.
Keine zehn Minuten später sahen sie die Silhouetten der Sandsteinklippen mit ihren Höhlen und Überhängen. »Ich weiß nicht, ob es dort einen guten Landeplatz gibt, Brindle. Setz einfach irgendwo auf und lass uns die Leute an Bord nehmen.« Tasia wandte sich an Crim Tylar. »Wie viele Passagi re e
müssen wir an Bord nehmen?«
»Es sind insgesamt achtun ne
d unzig Flüchtlinge, soweit ich weiß. Unter
ihnen auch Kinder.«
»Und UR«, fügte DD hinzu.
»Damit kommen wir klar«, sagte Robb. »Keine Sorge.« »Wer macht sich Sorgen?«
Robb wählte eine einigermaßen ebene Stelle vor den Sandsteinklippen, und Staub wirbelte auf, als die Osquivel landete. Tasia war als Erste durch die Luke, und die anderen folgten ihr, als Robb das Schiff mit den Stabilisa oren t
sicherte.
a
»Alle n Bord!«, rief Tasia den Leuten zu, die bereits in Richtung Schiff liefen. »Dies ist die einzige Möglichkeit, Llaro zu 383
verlassen, und die Käfer sind uns dicht auf den Fersen! Einsteigen! Nie d
man
braucht ein Ticket vorzuzeigen!«
»Beeilt euch!«, rief Steinman. Zusammen mit Tasia lief er den Flüchtlingen entgegen.
Männer, Frauen und Kinder eilten zum Schiff. Manche trugen Rucksäcke oder Taschen; andere liefen mit leeren Händen und so schnell sie konnten.
Bürgermeister Ruis kam mit einer Gruppe und trieb die anderen a t
n. »Wo is
Davlin? Er sollte uns helfen.«
»Tut mir leid«, sagte Tasia. Ruis schwieg bestürzt und schüttelte den Kopf.
Tasia glaubte, ihm eine Erklärung schuldig zu sein, und deshalb fügte sie hinzu: »Er hat uns eine Gelegenheit zu Flucht verschafft und war davon überzeugt, eine andere Möglichkeit zu finden, Llaro zu verlassen.«
Ruis schien darin einen vagen Hoffnungsschimmer zu sehen. »Und in
wer b
ich, dass ich an ihm zweifle? Ihm ist immer etwas eingefallen.«
Der einarmige Gouvernanten‐Kompi UR brachte die Kinder an Bord und forderte sie auf, nicht zu trödeln. Einige der kleineren Mädchen und Jungen weinten ‐ sie hatten zu viel Angst und Schrecken erlebt. DD half dem anderen Kompi. Orli nahm zwei der kleinen Kinder an den Händen und führte sie schnell über die Rampe.
»Keine reservierten Sitze«, sagte Nikko, der neben seinem Vater stand. »Um genau zu sein: Es gibt überhaupt keine Sitze. Kommt einfach an Bord n u d
sucht euch einen Platz. Den Rest regeln wir später.«
Als sich die letzten zehn Flüchtlinge durch den Flaschenhals der Luke zwängten, blickten DD zum Himmel hoch. »Es nähern sich viele Klikiss, Tasia Tamblyn. Sie müssen uns gefolgt sein.«
»Hätte mich auch gewundert, wenn wir ihnen entwischt wären.« Tasia rief Na
den chzüglern zu: »Bewegung! In fünfzehn Sekunden schließe ich die Luke. Wer dann nicht an Bord ist, bleibt hier. Na los!«
384
Die letzten Überlebenden gerieten in Panik, ließen ihre Sachen fallen und hasteten die Rampe hoch. Alle schafften es an Bord. Tasia musste zwei Flüchtlinge beiseiteschieben, um die Luke zu schließen.
Robb saß bereits im Pilotensessel, fuhr das Triebwerk hoch, beobachtete die Anzeigen und betätigte Kontrollen. Tasia bahnte sich einen Weg zum Cockpit, halb betäubt vom Lärm der Flüchtlinge. »Wenn irgendetwas den Geist aufgibt, sitzen wir hier fest. Wir hatten nicht genug Zeit, das k
Triebwer
auf Herz und Nieren zu überprüfen.«
Tasia justierte die Sensoren und sondierte mit ihnen den Himmel. Auf den Bildschirmen zeigten sich zahlreiche Ortungsreflexe. »Klar, Robb, lass dir ruhig Zeit. Fünf Sekunden, zehn ... so viel du willst.«
Nikko wartete keine Anweisung ab, langte zwischen Robb und Tasia nach vorn und betätigte die Kopiloten‐Schalter für die vertikalen Düsen. Die Osquivel schüttelte sich und stieg gen Himmel, als die Klikiss herankamen.
Drei allein fliegende Krieger knallten gegen die Außenhülle und kratzten an Luke und Fenstern, doch die verletzten Geschöpfe fanden nirgends Halt und fielen in die Tiefe.
Weiter oben kamen Klikiss‐Schiffe aus mehreren Richtungen. Robb und Nikko bedienten die Navigationskontrollen gemeinsam und brachten den Transporter steil nach oben. »Alle festhalten!«, rief Tasia und brachte sich an der reparierten Waffenkonsole in Position. Sie schoss einfach aufs Geratewohl und ging von der Annahme aus, dass alles, was die Strahlen dort draußen trafen, ein Ziel war. Auf den Schirmen war zu sehen, wie vier Fugmaschinen der Klikiss explodierten.
»Mal sehen, wie viel Beschleunigung wir kriegen«, sagte Robb.
Orli und Steinman hielten sich an einer hinteren Sitzbank im Passagierabteil D
fest. D und UR schafften es irgendwie, das Gleichgewicht zu wahren ‐ ihre Füße schienen am Boden festgenietet zu sein.
385
Die Scanner orteten mehrere Klikiss‐Schiffe, die aus dem Orbit kamen. »Das könnte ein Problem werden«, sagte Tasia. »Dann schieß!«
Tasia betätigte die Waffenkontrollen, und mehrere Strahlblitze schufen eine Lücke in der gegnerischen Formation. Glühende Wrackteile stürzten vom Himmel. Die Osquivel stieg weiter auf, und schließlich blieb die Atmosphäre unter ihr zurück. Sie raste an den Schiffen der Insektenwesen vorbei, und einige von ihnen versuchten, die Verfolgung aufzunehmen. Aber der Transporter hatte bereits zu viel Fahrt gewonnen.
Mit einem erleichterten Seufzen schob Tasia Robb beiseite und nahm seinen Platz ein. »Lass mich ans Steuer.« Sie erlaubte sich erst, richtig aufzuatmen, als der Sternenantrieb aktiv wurde und die Osquivel weit von Llaro fortbrachte.
137 # PATRICK FITZPATRICK III.
Patricks Gefühle für Zhett waren noch intensiver geworden. »Ich komme aus einer reichen Familie, aber ich kann dir nicht viel anbieten. Nicht r.«
meh
»Du hast mir bereits das schönste Geschenk gemacht, Fit‐zie, eins das ich nie vergessen werde.« Aus einer der vielen Taschen ihres Overalls holte Zhett einen Zettel und entfaltete ihn. Zum Vorschein kam die bunte und nicht sehr kunstvolle Zeichnung ei
enst
nes Blum
raußes, die Patrick an die
Tür ihrer Unterkunft geklebt hatte.
Er lachte leise. »Das hast du aufbewahrt?«
»Natürlich. Man sieht, wie viel Mühe du dir gegeben hast. Von Talent kann kaum die Rede sein, aber es steckt zweifellos viel Arbeit dahinter.«
»Ich wusste nicht einmal, ob du das Bild bekommen hast. Ich habe nie etwas von dir gehört.«
385
»Ich fand, du hattest keine Antwort verdient. Immerhin hattest du dich noch nicht entschuldigt.«
»Du hast mir gar keine Gelegenheit dazu gegeben! Ich konnte nicht it m dir
reden.«
Zhett zuckte mit den Schultern, als wäre dies ein unwichtiges Detail.
»Wenigstens ist jetzt alles klar. Ich habe versucht, für alles zu büßen. Ich habe all das gestanden, was den Roamern Schaden zugefügt hat.«
Zhett seufzte übertrieben. »Aber du hast dich nie bei mir entschuldigt.«
Patrick blinzelte und fand keine Worte. Schließlich fragte er: »Wie meinst du das? Ich habe vor den Verwaltern aller Himmelsminen gesprochen.
Roamer und Konföderation haben von mir erfahren, welche Schuld auf mir lastet. Ich bin bereit gewesen, mich von eurem Gericht verurteilen zu lassen.
Ich bin sogar für dich auf die Planke gestiegen!«
Zhett wölbte die dunklen Brauen. »Du hörst nicht zu, Fitzie. Du hast dich nicht bei mir entschuldigt.«
Bisher hatte Patrick nur die weitreichenden Folgen seiner schrecklichen Fehler gesehen, nicht aber den persönlichen Aspekt. Plötzlich begriff er, was Zhett hören wollte. »Es tut mir leid, dass ich dich getäuscht habe. Es tut mir leid, dass ich dich hintergangen und in der Asteroidenkammer eingesperrt habe, um den anderen Gefangenen zur Flucht zu verhelfen. Ich habe dich benutzt, und du hast es nicht verdient, so behandelt zu werden. Es tut mir leid, dass ich deine Gefühle verletzt habe.«
»Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber wir müssen weiter daran arbeiten.« Zhett gab ihm erneut einen Kuss. »Und ich belohne dich immer dann, wenn du es richtig hinbekommst.«
hett
Als Z
ihm ein mit Clansymbolen besticktes Samtband gab, wusste Patrick nicht, was es damit auf sich hatte. Del Kellum 386
wirkte sehr zufrieden. »Du hast jahrelang an dem Verlobungsband gearbeitet, mein Schatz.«
»Habe ich nicht«, erwiderte Zhett schnell. Doch sie errötete, a r Vater
ls ih
skeptisch lächelte.
»Streckt die Hände aus«, wies Kellum das Paar an. Zhett kam der Aufforderung sofort nach, und Patrick wollte die linke Hand anbieten, aber Zhett nahm seine rechte und hielt sie neben die ihre. Sie standen eina der n
gegenüber.
Kellum sah Patrick an. »Dies ist dein freier Wille, nicht wahr? Zhett zu heiraten, meine ich.«
Patricks Blick ging von Zhett zu ihrem Vater. Er zög rte e
nicht. »Natürlich ist
dies mein freier Wille. Ich bin nur nicht mit euren Zeremonien vertraut.«
»Schon gut, verdammt. Wir improvisieren einfach.«
Zhett lachte. »Klar! Du bist der sturste Traditionalist, den ic h kenne, Vater.«
»Pscht. Gib meine Geheimnisse nicht preis. Dieser junge Mann gehört och n
nicht zum Clan.«
Sie standen nicht auf dem Landedeck des Hangars, sondern auf einem kleinen Balkon der Golgen‐Himmelsmine. Kellum mochte Patrick einige seiner Verfehlungen verziehen haben, aber das Clanoberhaupt schien noch nicht bereit zu sein, ihn ganz zu akzeptieren. Eine dünne Kraftfeldbarriere hielt den kalten Wind des Gasriesen von ihnen fern, doch Patrick spürte, wie er eine Gänsehaut bekam, als er Zhett berührte.
»Danke dafür, dass Sie mich aufnehmen, Sir. Und danke dafür, dass Sie mich vor dem Sprung von der Planke bewahrt haben.«
»Du solltest besser dafür sorgen, dass ich jene Entscheidung nicht bereue, verdammt.«
»Das werde ich. Versprochen.« Patrick hatte nur Augen für Zhett und fühlte ein wundervolles Staunen, von dem er glaubte, dass es ihn nie verlassen e. »Ich w
würd
ünschte, meine Großmutter könnte dies sehen. Dein Vater und die alte Streitaxt haben viel gemeinsam.«
387
Patrick fragte sich, wie Maureen Fitzpatrick reagieren würde, wenn sie erfuhr, dass ihr blaublütiger Sohn trotz seiner Herkunft und familiären Verpflichtungen beschlossen hatte, eine Roamerin zu heiraten. Seine Großmutter würde außer sich sein, doch bei dieser Sache hatte sie nichts mitzureden ‐ was die alte Dame vermutlich am meisten gestört hätte.
Kellum nahm das Band, schlang es um beide Handgelenke und verknotete es. Patrick fand es einfacher, die Hand zu drehen und ihre Finger mit denen von Zhett zu verflechten.
»Jetzt seid ihr durch die Fäden eures Lebens und die eurer Liebe verbunden.
Der Knoten ist immer da, ganz gleich, was a
re sehen.« Kellum
nde
trat
zurück, stemmte die Hände in die Hüften und schien auf etwas zu warten.
»Was soll ich jetzt machen?«, flüsterte Patrick.
Zhett beugte sich vor und gab ihm einen langen Kuss. Als sie sich schließlich voneinander lösten, sagte Patrick: »Oh, der Teil gefällt mir.«
138 # SIRIX
Seit dem Erwachen aus der Hibernation vor einigen Jahrhunderten wusste Sirix, dass die noch existierenden schwarzen Roboter niemandem trauen durften. Er hatte ihre Klikiss‐Schöpfer verachtet und gewusst, dass die Ildiraner schließlich ausgelöscht werden mussten. Er hatte auch gelernt ie
, d
Neuankömmlinge auf der galaktischen Bühne zu hassen, die Menschen.
Er weigerte sich zu glauben, dass sein einst so mächtiger Metallschwarm besiegt war.
Von der Flotte aus übernommenen TVF‐Schiffen waren ihm nur zwanzig eiten geblieben, unter ihnen
Einh
ein Moloch. Einige unabhängige
Robotergruppen waren mit ihren Schiffe zu
387
ihm gekommen, doch für Sirix und seine Gefährten gab es trotzdem keine Sicherheit. Die Klikiss hatten sie gejagt, auf jedem Schlachtfeld geschlagen und immer wieder in die Flucht getrieben.
Sirix und seine schrumpfende Anzahl von Gefolgsleuten mussten sich aus einem System nach dem anderen zurückziehen. Über zwei Drittel der Soldaten‐Kompis waren bereits zerstört. Weitaus schmerzlicher war der Verlust Tausender einzigartiger schwarzer Roboter, jeder von ihnen mit individuellen Erinnerungen. All jene Kampfgefährten ...
Sirix hatte geplant, den Spiralarm zu beherrschen, alle Kli‐kiss‐Welten zu übernehmen und die Menschen auszurotten. Stattdessen stießen sie immer wieder auf zurückgekehrte Klikiss, die unbesiegbar zu sein schienen. Zwar verfügten die Roboter über TVF‐Waffen und einen strategischen Vorteil, aber die zahlenmäßige Überlegenheit der Klikiss war einfach zu groß: Sie zerstörten die Schlachtschiffe und verfolgten sie mit Schwarmschiffen.
Sirix beschloss, sich zunächst einmal zu verstecken. Seine kleine Flotte kehrte zu dem Ort zurück, den er für seinen Ursprung hielt, zumindest den seiner gegenwärtigen Existenzphase. Die zwanzig Kriegsschiffe erreichten das Hyrillka‐Sys‐tem und näherten sich dem abgelegenen Eismond, auf dem die erste Gruppe der Roboter Tausende von Jahren geruht hatte. Auf der Grundlage der ‐ falschen ‐Vereinbarung mit den Ildiranern hatten die Roboter dort in der Hibernation gewartet, bis vor fünfhundert Jahren ildiranische Arbeiter im Auftrag eines Weisen Imperators zum Eismond gekommen waren und die Schläfer »durch Zufall« geweckt hatten.
■ Dieser Mond schien ein guter Ort zu sein, sich von den Niederlagen zu erholen und Pläne zu schmieden. War es am besten, einfach tausend Jahren zu warten? Sirix und die anderen schwarzen Roboter würden darüber cheiden.
ents
Die TVF‐Schiffe näherten sich dem dunklen Mond, flogen über die vereiste Oberfläche und landeten.
388
PD und QT leisteten Sirix wie immer Gesellschaft. »Wir haben großes Interesse an diesem historisch bedeutenden Ort«, sagte PD.
»Der Hyrillka‐Mond ist jetzt unsere Zuflucht. Unsere Pläne haben sich geändert.«
Auf fingerartigen Beinen trippelte Sirix durch die eisige Landschaft und fand die Reste der alten Hibernationsstätte. Einige der von den ildiranischen Arbeitern gegrabenen Tunnel waren im Lauf der vergangenen fünf Jahrhunderte eingestürzt. Ilkot und zwei andere schwarze Roboter entfernten Schutt und Geröll. Andere Roboter kamen mit Thermoschneidern der TVF und schmolzen neue Tunnel ins Eis der Basis.
Tief im Innern des alten Stützpunkts, wo es dunkel und bitterkalt war, fühlte sich Sirix wieder einigermaßen sicher.
»Die Verluste sind unser größter Schwachpunkt«, wandte er sich an die versammelten Roboter. »Wir haben Hunderttausende und vielleicht sogar Millionen von Klikiss getötet, aber die Brüterinnen erschaffen immer mehr Krieger und Arbeiter. Neue Subschwärme entst
sch
ehen und werden
nell
größer.«
Ilkot drehte den Kopf, und das Glühen seiner optischen Sensoren reflektierte in einem düsteren Rot von den Eiswänden. »Wenn wir einen unserer Roboter verlieren, so ist das ein unwiederbringlicher Verlust.«
Nach Ilkots Berechnungen waren inzwischen 7894 Roboter verloren gegangen.
Sirix bezweifelte, ob sie jemals imstande waren, sich von diesem schweren Schlag zu erholen. Es war ihnen nicht gelungen, die Erde zu erobern, und inzwischen hatten die Menschen die Kompi‐Fabriken zerstört, was bedeutete: Es gab keine Möglichkeit für Sirix, die Lüc n in se ke
inen Reihen
durch neue Soldaten‐Kompis zu schließen.
»Wir sind bereit, unseren Rat anzubieten«, sagte QT.
Das gesammelte Wissen Tausender schwarzer Roboter und die taktische Programmierung zahlreicher Soldaten‐Kompis hatten nicht ausgereicht, eine Lösung zu finden. Sirix be
389
zweifelte, dass er irgendeinen nützlichen Rat von den beiden Freundlich‐
Kompis erwarten durfte.
»Für die Überwindung der derzeitigen Krise brauchen wir mehr Klikiss‐
Roboter«, sagte PD.
Das war nur zu offensichtlich. Sirix sah sich in seiner Annahme bestätigt, dass die beiden Kompis keine nützlichen Vorschläge hatten. »Es gibt keine weiteren Klikiss‐Roboter. Wir haben alle geweckt, die sich in der Hibernation befanden.«
»Das meint PD nicht.« QT schien zum gleichen Schluss gelangt zu sein. »Ihr müsst mehr Klikiss‐Roboter bauen. Neue Roboter. Findet jemanden e
, der si
für euch konstruieren kann.«
Sirix zögerte und hörte, wie ein Summen von den anderen Robotern kam.
An etwas so Groteskes hatte er bisher nicht gedacht. Die schwarzen Roboter waren vor Jahrtausenden von den Klikiss geschaffen und programmiert worden. Jeder Roboter war ein Individuum, mit eigenen Gedanken und Gefühlen, und voller Hass auf die Schöpfer. Klikiss‐Roboter hatten nie Kopien von sich angefertigt. Eine sonderbare Vorstellung ‐ als wären si e
einfach nur Maschinen.
Doch eigentlich gab es keinen Grund, weshalb so etwas unmöglich sein sollte...
»Ein ausgezeichneter Vorschlag, PD und QT. Danke dafür.« Sirix sprach wieder zu den anderen Robotern. »Wir müssen eine Produktionsanlage r unsere Kontr
unte
olle bringen und ihre Arbeiter zwingen, unseren
r
Erfo dernissen gerecht zu werden.«
389
139 # ADMIRAL SHEILA WILLIS
Willis war sehr froh, wieder an den Kontrollen des Moloch zu sitzen, an den einem Gitter‐Admiral angemessenen Platz. Sie hatte zwei Mantas als Wache bei Rhejak zurückgelassen, und diesmal sah Hakim Allahu keine B
g
edrohun
darin, sondern empfand ihre Präsenz als beruhigend.
Die Jupiter flog zur Erde. Von den Besatzungsmitgliedern des Moloch und der zehn Manta‐Kreuzer hatten es nur 163 abgelehnt, sich ihr anzuschließen. Admiral Willis hatte sie nicht unter Druck gesetzt, ihnen nur gesagt, dass sie ihrem Gewissen folgen sollten. Sie kannten die Befehle des Vorsitzenden und die Bilder von Usk ‐ einige von ihnen waren selbst auf dem Planeten gewesen. Außerdem hatten sie die Rede des Königs gehört .
Nur wenige von denen, die mit Willis auf Rhejak gewesen waren, stellten ihre Entscheidung infrage. Während ihrer Zeit auf dem Meeresplaneten hatten die Soldaten gesehen, dass die »abscheulichen Rebellen« nur versuchten, über die Runden zu kommen. Sie hatten direkt beobachten können, wie absurd die Anklagen und Vorwürfe der Hanse waren.
Jene, die darauf beharrten, der offiziellen TVF‐Linie zu folgen, gehörten fast ausschließlich zu General Lanyans Kommando, und die Arrestzellen füllten sich mit Unzufriedenen. Willis behandelte sie so gut wie möglich und versprach ihnen, sie auf der Erde abzusetzen, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Es war eine richtige, ehrenhafte Entscheidung ‐obwohl Willis riskierte, sie eines Tages zu bereuen, so wie die Dinge derzeit lagen. Doch bei den betreffenden Männern und Frauen handelte es sich um Angehörige der Terranischen Verteidigungsflotte, auch wenn der blinde Gehorsam sie in eine falsche Richtung lenkte.
nä
»Wir
hern uns dem Rand des Erde‐Systems, Admiral. Wie nahe sollen wir heran?«
390
»Nahe genug, um ein Baby vor die Tür zu legen. Stellen Sie eine Wachgruppe zusammen und bringen Sie die Gefangenen zum Hangar.«
Willis hatte einen Truppentransporter für die Soldaten vorbereitet, die mit ihrer »Meuterei« nichts zu tun haben wollten. Techniker hatten die Systeme des Schiffs so modifiziert, dass die Waffen nicht funktionierten und das Triebwerk keinen vollen Schub entwickeln konnte. Es würde einen lben
ha
Tag brauchen, um zu den Werften im Asteroidengürtel zu kriechen.
Die Admiralin streckte sich und ging zum Lift. »Ich verabschiede den General.«
Unten im Hangar wachten ihre Soldaten über einen rot‐gesichtigen Lanyan.
Die Nachwirkungen des Schusses aus der Schockpistole hatten ihm für einige Tage stechende Kopfschmerzen beschert, doch inzwischen waren sie überwunden. Der General richtete einen finsteren Blick auf sie und ereiferte sich darüber, was sie getan hatte. »Sie haben sich für immer und ewig meine Feindschaft zugezogen, Willis.« Sie wusste, dass er ganz bewusst darauf verzichtete, ihren Rang zu nennen.
»Mag sein. Aber ich schlafe besser mit dem Wissen, dass ich die Bevölkerung eines ganzen Planeten vor Ihren schlimmen Entscheidungen bewahrt habe. Oder sollte ich sagen: vor den schlimmen Entscheidun en g
des Vorsitzenden?«
»Sie sollten >Ja, Sir, General< sagen und dann Ihre Befehle befolgen.«
Willis verdrehte die Augen. »Vernünftige Argumente höre ich mir gern an, aber wenn man mit Ihnen redet... Genauso gut könnte man versuchen, mit einer leeren Wand zu diskutieren. Sie sollten dankbar sein, dass ich Sie zur Erde bringe und nicht zur Konföderation, wo man Sie vor ein Gericht stellen würde.«
»Sie würden es nicht wagen. Das wissen selbst Sie besser.« »Ich weiß ischen vieles besser a
inzw
ls vorher, General. Wenn es Ihnen ein Trost ist:
Bis vor kurzer Zeit war es mir ein
391
Vergnügen und eine Ehre, unter Ihnen zu dienen. Vielleicht kommen Sie eines Tages zur Vernunft.«
Lanyan sah mit einer Mischung aus Überraschung, Ärger und Stolz zum Schiff und beobachtete, wie seine Soldaten an Bord gingen. »Nur ein Truppentransporter? Solche Schiffe sind da
für bestimmt, nicht mehr als
hundert Mann aufzunehmen.«
»Sie sind dafür bestimmt, hundert Mann bequem unterzubringen«, sagte Willis. »In diesem Fall hundertdreiundsechzig. Sie müssen etwas zusammenrücken, aber das dürfte Ihren loyalen TVF‐Soldaten nichts ausmachen.«
Lanyan schnitt eine finstere Miene. »Dies ist ein großer Fehler, Willis.«
»Oh, es sind zweifellos Fehler gemacht worden. Unsere Meinungen gehen nur bei der Interpretation auseinander.«
Willis hatte in Erwägung gezogen, Lanyan als Gefangenen mitzunehmen und ihn der Konföderation als Verbrecher zu übergeben, aber sie wusste selbst nicht genau, wo sie stand. Sie fragte sich, wer von ihnen beiden es mehr verdiente, vor Gericht gestellt zu werden.
Der Treuebruch, der ihr am meisten zu schaffen machte, betraf ihren Ersten Offizier Conrad Brindle. Während des Arrests in seiner Kabine hatte er die Paradeuniform angezogen und dann gewartet. Willis hatte beschlossen, ihn nicht bei den anderen Gefangenen unterzubringen. Tiefes Unbehagen erfasste sie, als Brindle in den Hangar kam und vor dem Transporter an die Seite des Generals trat. Sein Gesicht blieb seltsam leer. »Sind Sie g z an sicher,
dass Sie es sich nicht anders überlegen wollen, Lieutenant Commander?«
»Ich kann nicht reinen Gewissens an einer Meuterei gegen meinen vorgesetzten Offizier und die Regierung der Erde teilnehmen«, erwiderte er kühl. »Mein eigener Sohn hat bereits beschlossen, zum Deserteur zu werden. Das ist genug Schande für meine Familie, herzlichen Dank.« Er te Willis
kehr
den Rücken zu und folgte Lanyan an Bord. Brindle würde den Transporter fliegen.
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Die Admiralin trat hinter den Atmosphärenschild zurück, als sich das Außenschott öffnete und das Schiff den Hangar des Molochs verließ. Es entfernte sich von den Manta‐Kreu‐zern, beschleunigte mit dem leistungsbegrenzten Triebwerk und nahm Kurs auf den fe n
rne
Asteroidengürtel mit den Werften der TVF.
»Truppentransporter gestartet und unterwegs, Admiral.«
Willis fühlte einen kurzen Schmerz und bedauerte, in eine solche Situation geraten zu sein. Schwere Entscheidungen bedeuteten eine schwere Last.
»Funktionieren Triebwerk und Lebenserhaltungssysteme wie vorgesehen?«
»Ja, Admiral. Das Schiff wird seinen Bestimmungsort erreichen, ab er wenn
die TVF irgendwelche Wachhunde hierherschickt, sind wir längst weg.«
Willis kehrte zur Brücke zurück. Sie hatte jetzt eine richtige Kampfgruppe unter ihrem Kommando, und der Vorsitzende Wenzeslas konnte es sich kaum leisten, einen so großen Teil seiner restlichen Flotte zu verlieren.
Zehn Mantas und ein Moloch.
Sie nahm im Kommandosessel Platz. »Nehmen Sie Kurs auf Theroc. Mal sehen, ob König Peter einige Schlachtschiffe gebrauchen kann.«
140 # CELLI
»Du bist bereit, und der Weltwald ist bereit für dich« sagte Yarrod zu Celli und strich ihr noch etwas mehr Farbe auf die Wange. »Ich habe nie zuvor erlebt, dass die Bäume so schnell einen Akolythen akzeptiert haben.« Seit Cellis Onkel sich Kolkers Gruppe angeschlossen hatte, lebte er in einer Welt ekstatischer Freude und geschärfter Wahrnehmungen. Aber er kümmerte no
sich ch immer um seine anderen Pflichten und war ganz offensichtlich stolz auf sie.
392
Eine innere Wärme erfüllte Celli. Als Akolythin hatte sie gewusst, wann sie so weit war. Der Weltwald wollte sie, und jetzt spürte Celli, dass er sie immer gewollt hatte. Voller Geduld hatten die Bäume darauf gewartet, dass sie selbst zu diesem Schluss gelangte. »Ich habe lange geübt, auch als ich noch keine Akolythin war.«
Solimar und die grünen Priester hatten den Umstand begrüßt, dass Celli bald zu ihrer Gemeinschaft gehören würde. Als er sie umarmte, wusste sie: Die letzte Barriere, die noch zwischen ihnen existierte, würde bald verschwinden, und wenn das geschah, würden sie sich vollkommen verstehen. Uneingeschränkte Kommunikation erwartete sie.
Celli wusste nun, wohin sie gehörte. Während des größten Teils ihres Lebens war sie ohne Führung gewesen, und niemand hatte Erwartungen an sie gestellt. Reynald, Beneto, Sarein, Estarra ... sie alle hatten einen klaren Weg vor sich gesehen. Nicht so Celli, die jüngste Tochter. Jetzt begriff sie, dass die Weltbäume für sie einen Platz bei den grünen Priestern vorgesehen hatten, was auch ihrem eigenen Wunsch entsprach.
Nachdem Yarrod Farbe auf beide Wangen aufgetragen hatte, erklärte er Celli, was mit ihr geschehen würde. »Alle Akolythen müssen es hinter sich bringen, bevor sie grüne Priester werden. Du musst es eb üb
enso erstehen
wie ich, wie wir alle.«
Celli hatte Solimar nach Einzelheiten gefragt, aber er war sehr zurückhaltend gewesen. »Ich möchte dir die Überraschung nicht verderben.«
Und so machte sich Celli allein auf den Weg in den dichtesten, geheimnisvollsten Teil des Waldes. Sie hätte sich gern von Solimar begleiten lassen, aber das war nicht erlaubt. Diese Reise musste sie allein antreten.
Mit beschwingten Schritten legte sie viele Kilometer zurück und besuchte Orte, die sie nie zuvor gesehen hatte, üppige Wiesen und Dickichte, die noch ra
über schender waren als jene Stelle, an der sie den hölzernen Beneto‐
Golem gefunden hatte.
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Als sie eine stille, einladend wirkende Schlucht erreichte, teilte ihr der Instinkt mit, dass sie hineingehen sollte. Die Bäume wiesen ihr den Weg, das erste Flüstern des Telkon‐takts. Zweige, Schlingpflanzen und Blattwedel wichen erst vor ihr beiseite, und dann schloss sich das Grün um Celli. Doch es regte sich keine Furcht in ihr, im Gegenteil: Sie empfand dies als Umarmung ‐ und wurde eins mit dem Weltwald ...
141 # KÖNIG PETER
Peter glaubte, dass die aufregenden Neuigkeiten in Bezug auf Celli bei der Königin die Wehen ausgelöst hatten. Ihre kleine Schwester war gerade in den tiefen Wald losgezogen, um grüne Priesterin zu werden, da platzte be i Estarra die Fruchtblase.
Theronische Ärzte und Hebammen wurden gerufen. Roame‐rinnen eilten herbei, um mehr Hilfe zu leisten, als nötig war. Peter blieb an Estarras Seite.
Dies war ihr erstes Kind, und niemand konnte sagen, wie leicht oder schwer die Geburt sein würde. Für Peter schien jeder Moment eine Ewigkeit zu dauern.
Schweiß perlte auf Estarras Stirn, aber ihre Gedanken schienen mehr Peters ni
Besorg s zu gelten als ihren Schmerzen. »Sei unbesorgt ‐ Fraue n
n mache
dies schon seit Jahrtausenden.«
»Aber du nicht, und man kann so etwas nicht üben.« Peter drückte ihre Hand fester als beabsichtigt. Immer wieder dachte er daran, dass Basil alles versucht hatte, dieses Kind noch im Mutterleib zu töten, und er fürchtete, dass es der Vorsitzende nach der Geburt erneut versuchen könnte. Aber Estarra und er hatten Basils Pläne schon mehrmals durchkreuzt, d sie un
waren erneut dazu imstande.
»Es könnte eine Weile dauern«, sagte Estarra während einer Pause chen den Wehen. »Wenn du wic
zwis
htige Arbeit zu erledigen hast... Du
weißt, wo du mich finden kannst.«
393
»Derzeit ist mein Platz hier. Nicht einmal einer der stürmischen Roamer könnte mich von hier wegbringen.« Peter sah kurz zur Tür. »Außerdem hält OX alle sogenannten Notfälle von mir fern.« Der Lehrer‐Kompi war inzwischen so tüchtig geworden, dass Peter ihm vorübergehend die Aufgaben eines persönlichen Sekretärs übertragen hatte. Der Kompi brachte ihm stündliche Zusammenfassungen mit Situationsbewertungen und sorgfältigen Analysen.
Idriss und Alexa waren natürlich ebenfalls besorgt. Estarra war ihr viertes Kind, doch sie schickte sich an, ihr erstes Enkelkind zur Welt zu bringen.
Ständig befanden sie sich in der Nähe und wirkten mindestens ebenso nervös wie damals, als sie Oberhäupter von Theroc geworden waren und schwierige Entscheidungen treffen mussten. »Oh, wenn doch nur Reynald und Beneto hier wären und dies sehen könnten«, sagte Alexa und wischte ihrer Tochter den Schweiß von der Stirn.
»Und ich wünschte, Sarein käme nach Hause«, fügte Idriss hinzu. »Es sieht nicht danach aus, dass sie jemals Mutter wird.«
Als Peter Mutter Alexas Liebe und Sorge sah, dachte er mit einem Stich im Herzen an seine eigene Mutter, Rita Aguerra. In seinem alten Leben, bevor ihn Wenzeslas zum König gemacht hatte, war Rita nach langen Arbeitsschichten müde heimgekehrt, hatte aber immer Zeit für ihn und seine drei Brüder gefunden. Als König hätte Peter jetzt so viel für sie tun können. Doch seine Familie existierte nicht mehr. Alle waren tot: seine Mutter, Rory, Carlos und auch der kleine Michael. Die unmittelbar bevorstehende Geburt seines eigenen Kinds erneuerte den Schmerz des Verlustes. Peter vermisste sie so sehr, dass er die Augen schloss und tief durchatmete. Sie waren alle tot ‐ Basil hatte sie umgebracht.
Trotz der anfänglichen Aufregung dauerten Estarras Wehen einen ganzen Tag. Nach den ersten sieben Stunden sagte eine gelangweilte Roamer‐
Hebamme: »Sie hat es nicht eilig, oder?«
394
»Ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?«, fragte Peter.
»Bei der ersten Schwangerschaft ist es völlig normal«, erwiderte ein theronischer Arzt und richtete einen verärgerten Blick auf die Hebamme.
Estarra trank ein wenig Saft, setzte sich auf und wirkte bereits erschöpft.
»Es scheint kein Ende zu nehmen.« Sie biss die Zähne zusammen und atmete schwer, als ein neuer Wehenschub begann. »Aber ich werde schon damit fertig. Dies kann eigentlich nicht viel schwerer zu ertragen sein als die endlos langen politischen Bankette und die Konferenzen der vers n
chiedene
Hanse‐Komitees.«
Unterdessen erfasste Unruhe die grünen Priester und Weltbäume ‐ etwas Sonderbares schien im Spiralarm zu geschehen. Yarrod und die anderen grünen Priester waren in den Wald gezogen, um sich zu beraten. Kolkers Konvertiten, die mit ihm die neue Thism‐Telkontakt‐Verbindung teilten, und die anderen grünen Priester sprachen gemeinsam über ihre Sorgen.
Selbst die großen Schlachtschiffe der Verdani im Orbit spürten etwa s und
erhöhten ihre Wachsamkeit.
Am nächsten Morgen wurden Estarras Wehen stärker und kamen in kürzeren Abständen. Die Roamer‐Hebamme schlug keinen Kaiserschnitt mehr vor, »damit wir es hinter uns bringen«. Peter sah Estarras Schmerzen, aber auch ihre Entschlossenheit und ihren ungebrochenen Optimismus. Er fühlte sich hilflos. Als er sich abwenden und mit einer unruhigen Wande‐
rung durchs Zimmer beginnen wollte, ergriff sie seine Hand und hielt i hn
fest.
Nach dem langen Warten ging die Geburt selbst schnell über die Bühne.
Estarra war müde, verschwitzt und voller Freude. Peter saß neben ihr auf der Bettkante, und beide zusammen hielten sie ihren neugeborenen Sohn.
Der kleine Junge war vollkommen gesund und schrie so laut, als wollte er überall im Weltwald gehört werden. Voller Staunen berührte Peter die kl
e Na
ein
se. Mutter Alexa war wie im siebten Himmel, und Vater Idriss hatte tränenfeuchte Wangen.
395
Peter sah Frau und Sohn mit unermesslicher Liebe an und wünschte sich erneut seine Mutter in der Nähe. Dies wäre auch ihr erstes Enkelkind gewesen. Rory, Carlos und Michael wären durch seinen Sohn zu Onkeln geworden ...
Selbst diese bittersüße Erinnerung konnte seine Freude nicht trüben. Der kleine Junge hatte Estarras Augen, und sein flaumiges dunkles Haar erinnerte Peter daran, wie sein eigenes gewesen war, bevor er durch die Persönlichkeitsmodifikationen der Hanse blond wurde. Er gab sei hn
nem So
einen Kuss auf die Stirn, und Stolz erfüllte ihn.
n
»Wir nennen ihn Reynald, ach deinem Bruder«, flüsterte er Estarra zu.
»Wenn du d
nden bist.«
amit einversta
»Ja, das gefällt mir sehr.«
142 # VORSITZENDER BASIL WENZESLAS
Basils Anweisungen gemäß wurde das gekaperte Kriegsschiff des Weisen Imperators ohne großes Aufsehen zur Erde gebracht. Starke Traktorstrahlen zogen das reich verzierte Schiff zur TVF‐Basis auf dem Mond, wo zufällige Beobachter es nicht sehen würden. Wenzeslas wollte mit Jora'h reden, bevor er ihm erlaubte, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen.
Er schüttelte den Kopf. Ein weiterer früherer Verbündeter, der plötzlich
sich
gegen die Hanse wandte. Eine weitere Enttäuschung, ein weiterer
...
Verrat
Admiral Diente verdiente ein Lob für seine Tüchtigkeit bei diesem besonderen Einsatz, und der Vorsitzende wollte dafür sorgen, dass er es auch bekam. Willis hingegen verdiente es, für ihren Verrat standrechtlich erschossen zu werden. General Lanyan und seine verlegenen, aber nachweislich loyalen Soldaten waren in Schande heimgekehrt. Basil war so wütend,
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dass er es abgelehnt hatte, mit Lanyan zu reden, obwohl der General mehrere immer verzweifelter klingende Berichte geschickt hatte.
Wenzeslas überlegte, ob er das Kommando über die Terranische Verteidigungsflotte Admiral Diente übertragen sollte. Bisher war er der Einzige, der wirklich geleistet hatte, was er von ihm erwartete ...
Der Form halber nahm Basil seinen Stellvertreter Cain mit zum Mond. Da der Weise Imperator mindestens einen grünen Priester an Bord hatte, dachte er daran, auch Sarein mitzunehmen, die nominelle Botschafterin von Theroc, aber sie hatte ihn in letzter Zeit kritisiert und seine Entscheidungen zu oft infrage gestellt. Basil beschloss, sie nicht an dieser Sache zu beteiligen. Trotz seiner Bemühungen, sie unter Kontrolle zu halten, wusste er nicht mehr, wie weit er ihr trauen konnte.
Was Cain betraf... Der stellvertretende Vorsitzende wirkte sehr besorgt, als sie zur TVF‐Basis flogen. »Ich bezweifle, dass das Ildiranische Reich Ihnen
dies verzeiht.«
Basil seufzte. »Ich weiß, dass Sie nichts davon halten, aber ich versichere Ihnen, dass es die richtige Entscheidung war. Ich sehe das Licht am Ende des Tunnels. Alles wird gut, sobald ich den Weisen Imperator zur Vernunft gebracht habe.«
Die Mondbasis bot nur wenig Komfort. Es war ein auf Zweckdienlichkeit ausgerichteter Stützpunkt, in dem Rekruten lernten, ohne Annehmlichkeiten auszukommen. Boden und Wände bestanden aus versiegeltem Gestein, die Möbel aus Metall und Glas, das man aus Regolith gewonnen hatte. Im Laufe seines hedonistischen Lebens hatte Jora'h vermutlich noch nie derart strenge Bedingungen in Kauf nehmen m n. In
üsse
Basil regte sich kein Mitleid mit ihm.
Der Weise Imperator wartete, aber Wenzeslas ließ sich Zeit. Als sie den Mond erreichten, erfrischte er sich, zog sich um und prüfte sein Erscheinungsbild, bevor er sich zusammen mit seinem Stellvertreter auf den Weg zum Oberhaupt des Ildiranischen Reiches machte. TVF‐Soldaten achten die Tür der un
bew
terirdischen Kaserne, die man Jora'h und seinem
Ge
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folge zur Verfügung gestellt hatte. Die Gefangenen mussten die sanitären Anlagen gemeinsam benutzen und bekamen im Speisesaal gewöhnliche TVF‐Rationen. Basil war sicher, dass sie sich bald daran gewöhnen würden.
Jora'h befand sich im Gemeinschaftsraum der Kaserne und wirkte sehr kühl.
Im Gegensatz zu seinem korpulenten Vorgänger war dieser Weise Imperator bereit gewesen, seinen Prismapalast zu verlassen. Vermutlich bereute er das inzwischen. Wenn er nur nicht zuerst nach Theroc geflogen wäre ...
»Willkommen bei der Hanse, Weiser Imperator«, sagte Basil. »Ich entschuldige mich für die Unterbringung. Vielleicht können wir n
Ihne
irgendwann mehr Bequemlichkeit bieten.«
»Irgendwann?« Jora'h trat auf Basil zu. »Sie können mich nicht hier gefangen halten. Ich bin der Weise Imperator des Ildiranischen Reichs, keine x‐beliebige Geisel.«
»Sie sind als mein Gast hier. Angesichts des allgemeinen politischen Wandels haben die Terranische Hanse und das Ildiranische Reich viel miteinander zu besprechen. Sie können heimkehren, sobald alles zufriedenstellend geregelt ist.«
»Ich muss sofort nach Ildira zurück!« Zorn glühte in Jora'hs Gesicht, und sein Zopf zuckte wie eine Schlange auf heißem Pflaster. Basil wäre fast zusammengezuckt, als er sah, wie sich das Haar des Weisen Imperators von ganz allein bewegte.
Eine grüne Priesterin kam näher und blieb neben Jora'h stehen. »Die Faeros greifen Ildira an! Mijistra brennt. Der Weise Imperator muss dorthin zurück, damit er sein Volk führen kann. Die Solare Marine erleidet schwere Verluste.«
Basil nahm diese unerwartete Nachricht mit großem Interesse entgegen.
Wie in aller Welt hatten sich die Ildiraner die Feindschaft der Faeros zugezogen? Wenn die bereits geschwächte Solare Marine von einem neuen Feind bedrängt wurde ‐ umso besser. Dann brauchte die Terranische Verteidigungsflotte keine Vergeltung von den Ildiranern zu befürchten. »In dem Fall biete ich Ihnen Sicherheit bei uns. Wir werden Sie beschützen.«
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Die grüne Priesterin sprach erneut. »Nach unserer Gefangennahme habe ich durch den Weltwald Bericht erstattet. König Peter und Königin Estarra wissen, dass Sie den Weisen Imperator als Geisel genommen haben.«
»Peter kann gern hierherkommen und versuchen, ihn zu befreien.« Basil war froh, dass er dieser Frau den Schössling weggenommen hatte ‐ sie konnte keine Mitteilungen mehr schicken oder empfangen. Von der Außenwelt abgeschnitten befanden sich diese Leute unter seiner
.
Kontrolle
Zu der Gruppe gehörte auch ein menschlicher Gelehrter. Anton Colicos erschien Basil vertraut, und schließlich erinnerte er sich vage. Anton hatte ihn auf das Verschwinden seiner Eltern Margaret und Louis Colicos aufmerksam gemacht und um Hilfe bei der Suche nach ihnen gebeten. Basil fragte sich, ob er während seiner Zeit im Ildiranischen Reich Wichtiges über die Ildiraner herausgefunden hatte. Er nahm sich vor, den Gelehrten verhören zu lassen.
Cain berührte Basil am Ellenbogen. »Sir, vielleicht sollten wir das Gespräch später fortsetzen, wenn wir uns alle beruhigt haben.«
»Mein Volk wird angegriffen«; sagte Jora'h. »Wie soll ich mich unter solchen Umständen beruhigen!«
»Trotzdem halte ich den Vorschlag meines Stellvertreters für gut, und hinzu kommt, dass mich eine wichtige Besprechung mit dem Erzvater im Verwaltungszentrum der Hanse erwartet. Ich bin nur hierhergekommen, um Sie zu begrüßen und unseren Dialog in Gang zu bringen.« Er schenkte dem Weisen Imperator ein fast vergessenes freundliches Lächeln. »Sie und Ihre Gruppe können hierbleiben. In Sicherheit.«
Basil drehte sich um, und die TVF‐Wächter schlossen und verriegelten die Tür hinter ihm. Schon nach wenigen Schritten waren die zornigen Rufe in der Kaserne nicht mehr zu hören. Der Vorsitzende lächelte zufrieden, als er zusammen mit Cain zum Shuttle zurückkehrte.
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Der Erzvater erreichte den obersten Stock der Hanse‐Pyramide. Er war jemand, der es verstand, Anweisungen entgegenzunehmen und zu befolgen.
Der Vorsitzende hoffte, dass es ihm mit der Zeit gelang, eine Gruppe von Leuten zusammenzustellen, die seine persönliche Vision teilten.
nn
Nur da
konnte die Hanse wieder stark werden.
Das Oberhaupt des Unisono veranstaltete tägliche Kundgebungen und nutzte sie, um die von den zurückgekehrten Klikiss‐»Dämonen« verursachte Furcht zu schüren. Basil vermutete, dass sich die Insektenwesen überhaupt nicht um die Menschheit scherten ‐ die ihnen zum Opfer gefallenen Kolo‐
nisten hatten sich einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort befunden.
Wenn die Klikiss damals fast ausgestorben waren, konnten sie keine große Bedrohung darstellen, trotz des recht wilden Berichts von General Lanyan über Pym.
Cain saß bei ihm im Büro, als der Erzvater die von Basil geschriebene neue Rede las. »Rationale und politische Erwägungen spielen für die breite Masse keine Rolle mehr«, sagte der Vorsitzende. »Ich habe den Bürgern einen Vertrauensvorschuss gegeben und gehofft, dass sie ihr dummes Gezänk ver‐
gessen und sich auf das Wohl der ganzen Menschheit besinnen. Leider muss ich feststellen, dass diese Strategie nicht zum gewünschten Erfolg geführt hat.«
»Wie wollen Sie jetzt vorgehen, Sir?«, fragte Cain und schien die Antwort zu fürchten.
»Gesetze können helfen, vernünftigen Bürgern den richtigen Weg zu weisen, aber sie führen auch zu endlosen Diskussionen und werden immer wieder neu interpretiert. Religiöse Gesetze hingegen sind viel klarer. Sie erlauben keinen Kompromiss und geben uns genau die richtigen Werkzeuge an di e
Hand.«
»Die Öffentlichkeit wird den Plan durchschauen, Vorsitzender. D Leut ie
e
dort draußen sind intelligenter, als Sie glauben.«
Ba l lacht
si
e leise. »Die Geschichte hat immer wieder das Gegenteil bewiesen.«
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Der Erzvater legte die Rede beiseite und runzelte die Stirn. »Dies ist sehr aufhetzerisch.« Als Basil ihm einen scharfen Blick zuwarf, fügte er rasch hinzu: »Aber es ist auch sehr gut geschrieben. Sie tun recht daran, die Leute aufzustacheln.«
»Üben Sie die Rede gut ein, bevor Sie sie halten. Sie ist wichtig «
.
»Sind sie nicht alle wichtig, Vorsitzender?« »Ja, natürlich.«
Der Erzvater murmelte vor sich hin, als er Basils Büro verließ.
»Ich verstehe mich auf diese Dinge, Mr. Cain«, wandte sich der Vorsitzende an seinen Stellvertreter. »Um richtige religiöse Leidenschaft zu wecken ‐
und darum geht es mir ‐, braucht die Hanse ein charismatisches religiöses Oberhaupt. Unser gehorsamer Erzvater kann dieser Rolle nicht gerecht werden. Er ist zu zahm. Wir brauchen einen neuen König, der die Hanse unter der Ägide des Unisono führt. Wissen Sie, das Volk ist ziellos und sehnt sich nach einem echten Monarchen. Der neue König wird unser Heiland sein.« Basil drückte eine Taste und rief damit den Kandidaten, den er so lange von allen isoliert hatte. »Ich plane dies schon seit einer ganzen Weile.«
Er hatte immer wieder mit dem jungen Mann gesprochen, seine Ausbildung überwacht und schließlich festgestellt, dass er bereit war. Genau zur richtigen Zeit.
Captain McCammon kam herein, begleitet von einem dunkelhaarigen Prinzen mit braunen Augen und einem Gesicht, das auf geradezu gespenstische Weise vertraut wirkte und an die Züge von König Peter erinnerte; das gleiche Kinn, die gleichen Brauen. Basil hatte ganz be wusst
darauf verzichtet, die Farbe von Haar und Augen zu verändern.
»Dies ist unser neuer Prinz, den der Erzvater so bald wie möglich krönen wird. Wir stellen ihn der Bevölkerung der Erde vor und schicken Nachrichten an alle, selbst an Repräsentanten der Konföderation auf Theroc.«
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Der junge Mann trat auf Cain zu und schüttelte ihm die Hand.
»Ich möchte Ihnen König Rory vorstellen.« Basil gestattete sich ein Lächeln.
»Peter wird genau wissen, wer er ist.«
143 # DAVLIN LOTZE
Davlin blutete ‐ und atmete ‐ noch, als die Klikiss‐Krieger ihn zur neuen Brüterin brachten. Er versuchte noch immer, sich zur Wehr zu setzen, hauptsächlich deshalb, weil er gar nicht wusste, wie man aufgab. Es regte sich keine Verzweiflung in ihm; stattdessen fühlte er Zorn und Enttäuschung. Der Blutverlust machte ihn schwindelig, und er nahm benommen zur Kenntnis, dass das linke Bein gebrochen war, außerdem einige Rippen. Stechender Schmerz begleitete jeden Atemzug und wies auf innere Verletzungen hin.
Die Klikiss zerrten Davlin in einen düsteren Raum mit gewölbter Decke, der ihm wie die stinkende Höhle eines Drachen erschien. Doch er war kein Ritter in glänzender Rüstung ‐ er konnte kaum kriechen. Erneut wand sich Davlin hin und her und versuchte, sich zu befreien. Durch das Blut an den Armen und auf dem Rücken war seine Haut glitschig, und die Krieger mussten mit den Klauen ihrer vorderen Gliedmaßen fester zugreifen.
Einer der neuen großen Domate ragte neben dem Eingang auf. Zwar hatte auch dieses Geschöpf deutlich sichtbare Tigerstreifen, aber es unterschied sich von den Domaten der vorherigen Generation. Die aufgenommene DNS
gab ihm einige menschliche Merkmale ‐ Mitgefühl zählte allerdings nicht dazu. Als ein weiterer großer Domat in die Höhle kam, gefolgt von zwei re
ande n, wusste Davlin, was sich anbahnte.
Die Llaro‐Brüterin hatte den Kampf gewonnen, und die sieg 400
reichen Domate hatten die letzten Stunden damit verbracht, übers Schlachtfeld zu stapfen und genetisches Material von den Soldaten der rivalisierenden Brüterin aufzunehmen. Schleim bedeckte alle acht Domate; getrocknete Körperflüssigkeit klebte an Kiefern, Rückenschilden und Gliedmaßen.
Um den Schwarmkrieg zu gewinnen, musste die Llaro‐Brü‐terin ihren Subschwarm erneut stark vergrößern. Zur letzten Teilung war es erst vor kurzer Zeit gekommen, nachdem die Domate die DNS der Llaro‐Kolonisten aufgenommen hatten. Die Klikiss der neuen Generation waren schnell gereift und hatten alle zur Verfügung stehenden Nahrungsmittel ver‐
braucht. Die neue Brüterin hatte sich immer mehr aufgebläht und musste weiter wachsen.
Und Davlin würde an diesem Wachstum beteiligt sein. Die Krieger zogen ihn in die Höhle und ließen ihn dann einfach zu Boden sinken. Die gestreiften Domate zerrt
aue
en ihn über den r
n Boden, und dadurch bildete sich eine
Spur aus frischem Blut.
Dann sah Davlin die Brüterin.
Das Zentrum des Subschwarms war eine abscheuliche Ansammlung einzelner Komponenten, wie ein Haufen aus Maden, die über einen verfaulenden Kadaver krochen. Sie bildeten einen Körper, der wie eine abstrakte Skulptur in der Mitte der Höhle aufragte. Er geriet in Bewegung, und so etwas wie ein Kopf drehte sich. Davlin spürte eine grässliche, u
‐
nfass
bare Intelligenz irgendwo in der Masse.
Die Brüterin sah ihn an und schien genau zu wissen, wer Davlin Lotze war.
Er gewann den Eindruck, dass sie alles über ihn wusste, seine Vergangenheit und selbst die bestgehüteten Geheimnisse. Gab es in ihr Erinnerungsechos, die von den Llaro‐Kolonisten stammten? Auch w enn das
der Fall war: Er erwartete keine Gnade.
Da in versucht
vl
e sich aufzurichten, konnte das gebrochene Bein aber nicht mit seinem Gewicht belasten. »Was willst du von mir ‐ von uns a llen?«
400
Lautes Surren und Zirpen erfüllte plötzlich die Höhle, als befände sich Davlin mitten in einem Heuschreckenschwarm. Er bekam keine Antwort, jedenfalls keine, die er verstand. Das Summen im Hintergrund wurde lauter.
Immer mehr Blut tropfte auf den Boden, und Davlin schwanden die Sinne ‐
ein schwarzer Vorhang schien sich um ihn herum herabzusenken. Mit seiner ganzen Willenskraft kämpfte er gegen die Bewusstlosigkeit an. »Was willst du?«, rief er.
Die Gedanken der Brüterin trafen ihn wie ein Windstoß, und sofort bekam er Kopfschmerzen. Hinter ihm machten sich Arbeiter daran, den Höhlenzugang mit Harzabsonderungen zu schließen. Sie mauerten ihn gewissermaßen ein, zusammen mit der Brüterin und den Domaten, die ruhig dastanden und warteten.
Davlin versuchte davonzukriechen, obwohl es keinen Ausweg mehr für ihn gab. Er wollte sich einfach nicht damit abfinden, dass es vorbei war.
»Menschen verdienen dies nicht. Wir sind nie eure Feinde gewesen. Versuch uns zu verstehen, bevor du uns umbringst. Wir werden dies nicht einfach so
mit uns geschehen lassen und gegen euch kämpfen.«
Wieder kam Bewegung in die große Masse, die das Schwarm‐bewusstsein enthielt, und sie begann sich zu teilen. Hunderte und Tausende der Würmer
‐ Larven einzelner Klikiss ‐ krochen los, verließen die Einheit der Brü in
ter
und wurden zu hungrigen Einzelwesen, die sich Davlin näherten.
Doch zuerst erreichten sie die passiv wartenden Domate. Indem sie die gestreiften Riesen fraßen, verwandelten sie sich in große Ungeheuer, die sich ein wenig von denen der vorherigen Generation unterschiede är
n, st ker
und aggressiver waren. Derzeit waren sie noch klein und schwach.
Davlin ballte die Fäuste und schlug auf die Würmer ein, als sie auf ihn zukrochen. Aber ebenso gut hätte er versuc
Schlä
hen können, mit
gen nach
lnen Reg
einze
entropfen einen Schauer aufzuhalten.
Mitten in den Resten dessen, was zuvor der Körper der Brü 401
terin gewesen war, sah er eine anders geformte Larve. Wie eine kleine Königskobra richtete sie sich auf, und Davlin begriff instinktiv, dass es sich um den Keim der neuen Brüterin handelte. Augen glitzerten, und ihr Blick richtete sich auf sein Gesicht. Die neue Brüterin wollte ihn für sich.
Noch mehr Würmer krochen über den Boden. Die Domate standen reglos da, ihre mehrgelenkigen Gliedmaßen ausgestreckt, die Rückenschi lde
geöffnet, damit das zarte Fleisch darunter leicht erreichbar war.
Plötzlich bemerkte Davlin das Glänzen von Metall. Es ging von einem quadratischen Kasten aus, der nicht größer war als seine Hand: Margarets Spieldose. Er erinnerte sich an den seltsamen Einfluss, den Musik auf die Klikiss ausübte, rollte sich von den Würmern fort und versuchte, den Schmerzen in Bein, Brustkorb und Rücken keine Beachtung zu schenken. Er streckte die Hand nach der Spieldose aus, doch einer der Domaten packte und zerfetzte sie. Ein letztes Klimpern erklang, und es war alles andere als melodisch.
Jetzt fühlte Davlin tatsächlich Verzweiflung. Er sank zurück, hob den Kopf und beobachtete, wie sich zahllose hungrige Larven über die gestreiften Körper der Domate hermachten. Sie bohrten sich hinein, bissen zu und fraßen. Die vielen kleinen Geschöpfe leisteten schnelle Arbeit bei den acht Domaten: Die großen Kadaver sanken in sich zusammen und schrumpften immer mehr.
Als sich ihm die Brüterinnenlarve näherte, wich Davlin nicht zurück.
Stattdessen warf er sich nach vorn, ungeachtet der Schmerzen. Er war dafür ausgebildet, zu kämpfen und zu töten ‐ jemand wie er ergab sich nicht. Er schloss die Hände um das sich hin und her windende Geschöpf, doch es war glatt und kribbelte, als gingen kleine elektrische Entladungen davon aus. Die Larve trachtete nicht danach, sich aus seinem Griff zu lösen, schlang sich dessen u
statt
m ihn. Ein Kampf begann, bei dem es nicht nur um körperliche Kraft ging, sondern auch um Willensstärke.
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Davlin ließ nicht los, und die unreife Brüterin wurde schwächer ‐ sie hatte Furcht erwartet, doch stattdessen bekam sie es mit unerschütterlicher Entschlossenheit zu tun. Das Schwarm‐bewusstsein sah sich mit der Notwendigkeit einer Veränderung konfrontiert. Davlin wusste, dass er nicht überleben konnte, was aber keineswegs bedeutete, dass er sich mit der Niederlage abfand.
Die Würmer fielen über ihn her.
144 # JESS TAMBLYN
Als sie schließlich den abgelegenen Planeten Charybdis erreichten, fanden Jess und Cesca eine tote Welt vor. Dichte, schweflige Wolken hatten sich in der primordialen Atmosphäre gebildet. Nackte, rußgeschwärzte Felsen ragten dort auf, wo sich einst Meere erstreckt hatten. Ganze Ozeane wa en r
verdampft, die Wentals ausgelöscht.
»Die Hölle scheint hierhergekommen zu sein.« Jess' Worte waren a k um
mehr als ein Flüstern. Cesca w
n
ar ebenso e tsetzt wie er.
»Die Wentals brauchen unsere Hilfe, Jess. Wir müssen etwas tun.«
et
»Und wir werden was tun, Cesca. 0 ja.«
Wir müssen uns zur Wehr setzen, ertönten die Wental‐Stimmen inmitten ihrer Gedanken. Mit eurer Hilfe werden wir stärker. Vielleicht stark genug.
Während des Flugs hatten sie die Stimmen der fernen Entitäten gehört und erfahren, was auf Charybdis geschah. Jess hatte die ganze elementare Kraft in seinem Körper mobilisieren müssen, um den Zorn zurückzudrängen, der einen Teil des Wassers im Schiff zum Kochen gebracht hatte. Sie lebten, aber er bezweifelte, dass sie sich jemals wieder sicher fühlen rden.
wü
402
Zuvor hatten Cesca und er beim Schwimmen in ihrem Schiff die wundervolle Kraft der Wasserwesen gefühlt. Jetzt, als sie in den Ruinen von Charybdis standen, empfingen sie eine Woge des Schmerzes nach der anderen. Auf diese Weise mussten die Wentals empfunden haben, als sie auseinandergerissen und in den Weiten des Alls verstreut worden waren.
Solche Schmerzen mussten sie auch fühlen, wenn sie in die heiße Atmosphäre einer Sonne gezogen wurden.
Jess und Cesca sahen sich bestürzt auf dem verheerten Planeten um. Hier und dort gab es kleine Tümpel in Kratern, aber sie waren steril, ohne Leben.
Das restliche Wasser auf Charybdis enthielt nicht mehr die Lebenskraft der Wentals. Schwere, dunkle Wolken zogen über die dunkle Landschaft hinweg, Leichen der Wentals.
Die von den Faeros freigesetzte Energie musste schier unglaubli sen
ch gewe
sein. Jess fragte sich nach dem Grund für den Zorn der feurigen Wesen.
»Warum haben die Faeros dies getan?« Cesca weinte, und Jess legte den Arm um sie. Ihre Tränen enthielten Wental‐Kraft, die jedoch nicht ausreichte, dieser Welt neues Leben zu geben. Würde Charybdis für immer tot bleiben? »Warum wollen sie die Wentals vernichten?«
Weil sie Chaos sind. Sie sind Feuer.
Wut brodelte in Jess. »Das genügt mir nicht als Erklärung.« Er dachte an die kosmische Balance zwischen Ordnung und Chaos, Entropie und Schöpfung, Leben und Tod. So etwas wie einen Grund konnte er darin nicht erkennen.
Barfuß ging er über das immer noch dampfende schwarze Gestein. »Es ist Irrsinn. Wir müssen etwas dagegen unternehmen. Und das werden wir auch!« Er atmete tief ein und füllte sich die Lungen mit den letzten Resten der toten Wentals. Erstaunlicherweise spürte er, wie die Kraft in seinem Innern zunahm. »Es ist mir gleichgültig, wie verheert dieser Planet ist ‐ wir en die Wentals n
bring
ach Charybdis zurück. Wir sammeln immer mehr von
ihnen im Spiralarm, und ich
403
schwöre: Die Faeros werden uns nicht noch einmal überraschen.«
Hoffnung und Entschlossenheit erfassten die beiden. Auch die Wentals in Jess und Cesca und im Wasserschiff schöpften neuen Mut und nahmen ihre Kraft zusammen. Die Went
wa
als
ren nicht am Ende, begriff Jess. Ganz und
gar nicht.
»Dies ist ein Krieg«, sagte er.
145 # FAERO-IN KAR NATION RUSA'H
Rusa'h richtete sich im Prismapalast ein, wo er hingehörte. Ein riesiges Prisma nahm das Licht seines lebendigen Feuers auf und gab es weiter.
Helle Reflexionen strahlten durch die kristallenen Wände und gleißten wie ein Fanal nach draußen. Das Licht auf Ildira war hell, sehr hell.
Die feurigen Elementarwesen hatten die dunkel gewordene Sonne Durris‐B
wieder entzündet, und das verloren geglaubte Licht kam einem Signal gleich. Es bedeutete, dass der Ruhm des Ildiranischen Reiches größer sein würde als jemals zuvor. Die Faeros über Mijistra hatten Zehntausende von Seelenfeuern hilfloser, kurzsichtiger Ildiraner aufgenommen. Sein Volk. Jetzt verstand jeder von ihnen die Wahrheit der Lichtquelle, der reinigenden Flammen. Wenn sie nur vorher auf ihn gehört hätten. Jetzt war seine Macht endlich groß genug, sie zu zwingen, auf ihn zu hören.
Rusa'h wollte diese große Stadt nicht zerstören, sondern sie retten. Sie läutern.
Der Chrysalissessel ‐ der ihm gebührende Thron ‐ hatte die Pracht seiner Präsenz bedauerlicherweise nicht ausgehalten. Seine Reste lagen am Boden, in Form von Asche und geschmolzenem Edelmetall, das Lachen bildete.
Alles im Palast war verbrannt und tot.
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Rusa'h fühlte sich gesättigt ‐ vorübergehend. Der Angriff von Adar Zan'nh hatte ihn zwei der großen Feuerbälle gekostet, doch hoch über dem Prismapalast dehnten sich die anderen Feuerkugeln pulsierend aus. Ihre Reproduktion begann. Sie teilten sich: Aus einem Faero wurden zwei Faeros, dann vier. Immer mehr glühten am Himmel über Ildira.
Die übrigen Faeros waren unterdessen gegen die Wentals in den Kampf gezogen. Der letzte Konflikt hatte begonnen.
Dank des grünen Priesters, den Rusa'h an diesem Ort vorgefunden hatte ‐
jener grüne Priester, der sich ein eigenes Thism Telkontakt‐Netz geschaffen hatte ‐, verfügte er über einen Zugang zum Weltwald. Er nutzte ihn und projizierte seine Gedanken wie flammende Speere. Die feurigen Elementarwesen folgten ihm entlang der Seelenfäden, bis sie das exo
,
tische
seltsam vertraute Netz der grünen Priester und ihres Telkon‐takts fanden.
Früher waren Menschen vom ildiranischen Thism getrennt gewesen, aber jetzt drang Rusa'h unaufhaltsam in das Bewusstsein der grünen Priester ein, durch offene Verbindungen, die Kolker und seine Anhänger unwissentlich geschaffen hatten. Er fand eine nach der anderen, und das Feuer loderte dem Zentrum des Weltwalds entgegen.
Als die Weltbäume Celli mit ihrem Grün umarmten, fühlte sie sich von Blättern, Blattwedeln, Schlingpflanzen und Wurzeln umgeben. Ein Hauch von Furcht regte sich in ihr, ein vages Gefühl des Erstickens kam und ging ...
und dann öffnete sich nicht nur der Weltwald für sie, sondern die ganze Welt, das ganze Universum. Während der Metamorphose löste sich der Geist vom Kör
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per und folgte den zahllosen Verbindungssträngen zwischen Weltbäumen und grünen Priestern im Spiralarm. Der Kontakt mit dem Verdani‐
Bewusstsein war nur kurz, aber in dieser Zeit sah und erlebte sie mehr als in den bisherigen neunzehn Jahren ihres Lebens. Celli stürzte in eine viele Jahrtausende lange Geschichte, in der es um gewaltige Schlachten ging, um Zerstörung und Niederlagen, um die Kriege gegen die Hydroger und Faeros.
Mit den Augen der grünen Priester erblickte sie Hunderte von Welten.
Der Spiralarm war noch weitaus wundervoller, als sie gedacht hatte.
Staunend setzte sie die geistige Reise fort und stellte fest: Nach all den Jahren, in denen sie Beneto so sehr vermisst hatte, konnte sie nun einen direkten Kontakt mit ihrem Bruder in seinem riesigen Baumschiff über Theroc herstellen. Celli fühlte sich wie ein Teil von ihm, spürte die ge‐
waltigen, dornigen Zweige wie Erweiterungen ihrer Arme und Beine. Es war herrlich! In ihren Gedanken hörte sie, wie Beneto mit ihr lachte.
Irgendwann, nach Tagen oder vielleicht nur nach Minuten, verließ Celli das Dickicht und spürte, wie ihr das Haar ausfiel. Ihre Haut hatte sich verändert, verlor ihre goldene Bräune, wurde smaragdgrün und prickelte, wenn Sonnenlicht darauf fiel. Sie bewegte die Finger, betrachtete ihre Unterarme und betastete das Gesicht. Sie hätte nie gedacht, dass die Farbe Grün so schön sein konnte. Celli fühlte sich besser als zuvor, erfüllt von einem größeren Verständnis für alles.
Begeistert lief sie zur Pilzriff‐Stadt zurück. Mühelos brachte sie einen Kilometer nach dem anderen hinter sich, und ihre Füße schienen dabei kaum den Boden zu berühren. Mit neuer Kraft sprang sie zu einem der niedrigen Blattwedel empor, schwang sich von Ast zu Art, flog, sprang und landete. So schön war der Baumtanz nie zuvor gewesen! Sie schien gar nicht fallen zu können, weil der ganze Weltwald sie umarmte. Empfand Solimar stä di
n g auf diese Weise? Jetzt konnte Celli den Tanz auf eine ganz neue Art genießen.
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Und es war nicht mehr möglich, dass sie sich verirrte. Jeder Teil des Weltwalds war ein Teil von ihr. Durch den Telkontakt erfuhr sie viele Dinge und empfing Nachrichten aus allen Bereichen des Spiralarms. Ah, Estarra hatte ihr Kind zur Welt gebracht! Celli fühlte kurze Enttäuschung, weil sie nicht dabei gewesen war, aber sie würde viel Zeit mit dem kleinen Jungen verbringen und helfen, wo sie konnte. Sie wusste, dass König Peter und ihre Schwester das Kind Reynald nennen wollten. Celli spürte plötzlich einen Kloß im Hals. Natürlich würden sie ihn Reynald nennen!
Als sie die Lichtung unter der Pilzriff‐Stadt erreichte, warteten dort grüne Priester auf sie, unter ihnen Yarrod und seine Gruppe. Der König und die Königin blickten von einem Balkon herab. Estarra hielt ihr Kind in den Armen ‐ oh, wie der kleine Junge lächelte!
Solimar trat auf sie zu, und sie umarmten sich, waren dabei wie nie zuvor miteinander verbunden. Noch im Dickicht des Weltwalds hatten sie im Telkontakt aufgeregt miteinander gesprochen. Aber jetzt, als er direkt vor ihr stand, schien die Verbindung noch stärker zu sein.
Durch den Telkontakt spürte sie auch, dass Yarrod und die anderen Konvertiten fern waren, vom Rest des Netzes getrennt. Als ihr Staunen nachließ, bemerkte sie eine Art Hintergrundsummen in ihrem Kopf. Die Verdani waren unruhig und besorgt, schienen sich sogar ... zu fürchten?
Etwas Dunkles und Gefährliches breitete sich im Spiralarm aus. Yarrod und seine konvertierten grünen Prieste
nen es deut
r schie
licher zu fühlen als die
anderen.
»Was ist das, Solimar? Verstehst du es?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich verstehe es nicht besser als sonst jemand.
Yarrod gibt keine Auskunft. Es ist etwas, über das seine Konvertiten Bescheid wissen ...«
Plötzlich versteifte sich Yarrod, streckte die Arme aus und spreizte die Finger. Seine grüne Haut leuchtete von innen heraus, und mit einem plötzlichen Fauchen verwandelte er sich
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in eine Feuersäule. Die anderen Konvertiten gingen ebenfalls in Flammen auf. Etwas hatte sie über ihre mentalen Verbindungen erreicht ‐ etwas, gegen das sie sich nicht wehren konnten. Yarrod und seine Gefährten sanken zu Boden und zerfielen zu Asche.
Hoch oben in der Umlaufbahn begannen die riesigen Schlachtschiffe der Verdani zu trudeln. Celli fühlte, wie sich Beneto zur Wehr setzte, wie er sich selbst und seinen gewaltigen dornigen »Körper« vom Rest des Weltwalds trennte. Eins der Baumschiffe begann sogar im Vakuum des Alls zu br
.
ennen
Schmerz kam und wurde immer stärker. Celli taumelte zurück und Solimar mit ihr. Beide berührten die einander überlappenden goldenen Borkenschuppen eines weit aufragenden Weltbaums. Verzweifelt suchten sie nach einem Anker und einer Möglichkeit, den Bäumen zu helfen.
Die Weltbäume konnten dem schrecklichen Feuer, das durch ihr Netzwerk loderte, nicht entkommen. Sechs der größten Bäume am Rand der Lichtung zitterten und begannen zu dampfen. Die Faeros suchten sich einen Weg im Verbindungsnetz der Verdani wie ein Funke im Zunder. Der Kern des größ‐
ten Baumes explodierte; er wurde wie zuvor Kolker zu einer Säule aus Feuer. Die anderen riesigen Bäume brannten von den Wurzeln aufwärts, verbrannten aber nicht. Hitzewellen gingen von ihnen aus, als Feuer durch ihr Kernholz gleißte, ohne es zu zerstören. Flammenbäume.
Die Faeros hatten Besitz von ihnen ergriffen ‐ sie wollten nicht vernichten, sondern übernehmen. Wie riesige erstarrte Fackeln standen die gewaltigen Bäume da und brannten immer heißer, ohne dass sich ihre Substanz auflöste. Der Rest des Waldes schien zurückzuweichen.
und Soli
Celli
mar liefen fort von den Flammen, und das unlöschbare Feuer brei te
te sich aus.
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