211

»Es ist mir ein Rätsel, warum die Hanse Ihre Ressourcen nicht besser verwaltet hat«, sagte Rlinda. »Wenn wir es richtig machen, wird Rhejak innerhalb kurzer Zeit reich.«

Allahu hob den Blick von der Frachtliste der Unersättliche Neugier. »Sehen Sie sich um, Captain Kett. Dies ist bereits ein Paradies. Was könnten wir uns mehr wünschen?« Nicht weit entfernt begegneten sich zwei Medusen im Wasser und schlugen verspielt mit ihren Tentakeln. Jugendliche balancierten auf ihren Schalen und riefen sich geg eitig

ens

Herausforderun‐

gen zu.

»Wird es nicht langsam Zeit für uns?«, fragte BeBob.

Rlinda seufzte tief. »Im Ildiranischen Reich erwartet uns mehr Handelsministerkram, und mir fallen keine Rechtfertigungen dafür ein, unseren Aufenthalt auf Rhejak zu verlängern. Wir müssen Termine einhalten und Lieferfristen beachten. Danke, Mr. Allahu.« Rlinda stemmte sich hoch und streckte die Hand aus. »Die Zeit bei Ihnen war wundervoll, wie zweite Flitterwochen.«

»Oder wie zehnte«, kommentierte BeBob aus dem Mundwinkel.

»Hör auf, meine Exmänner zu zählen.« Rlinda machte ein geschäftsmäßiges Gesicht. »Ich setze Rhejak auf die Liste der Welten, die ich regelmäßig ansteuern werde. Bestimmt lässt sich etwas finden, das Sie gebrauchen können.«

»Wir würden uns in jedem Fall über Ihre Rückkehr freuen«, erwiderte Allahu.

Die Verhandlungen waren gut verlaufen. Rhejak unterhielt enge Beziehungen zu den Roamern auf Constantine III und gehörte zu den ersten ehemaligen Hanse‐Kolonien, die sich der neuen Konföderation angeschlossen hatten. Alle waren bereit gewesen, die Seiten zu wechseln, von den Arbeitern der Riff‐Fabriken über die Medusen‐Treiber und Tang‐

Ernter bis hin zu den Fischern.

Na hde

c

m einige weitere Kisten mit persönlichen Gegenständen und von Rlinda ausgewählten Delikatessen an Bord ge

212

bracht waren, kehrten sie und BeBob in ihr Schiff zurück und starteten.

Rlinda warf einen letzten, sehnsuchtsvollen Blick auf das Meer und die darin verstreuten Inseln. Als sie den Orbit erreichten, rief sie Navigationskarten auf den Schirm und begann damit, den Kurs nach Ildira zu berechnen, einer schönen Welt, wenn auch nicht so ie

angenehm w

Rhejak.

Sie fuhr fast aus der Haut, als BeBob aufschrie und hastig nach den Kontrollen des Kopiloten griff. »Was ist los?«

Rlinda hob den Kopf und sah zehn Manta‐Kreuzer, die in Gefechtsformation herankamen ‐ die Unersättliche Neugier flog ihnen direkt entgegen. Rasch änderte sie den Kurs und wich den Schiffen aus. »Das sind bestimmt keine Touristen.« Unten im Frachtraum löst

ch mehrere Behä

en si

lter aus der

Verankerung und krachten aufs Deck.

Rlinda aktivierte den Sender. »Hier ist die Unersättliche Neugier. Wir rufen Rhejak! Zehn Manta‐Kreuzer sind gerade erschienen und machen keinen sehr freundlichen Eindruck.«

»Können plötzlich eintreffende Kriegsschiffe überhaupt freundlich wirken?«, fragte BeBob neben ihr.

Allahus Stimme kam aus dem Kom‐Lautsprecher ‐ offenbar war er ins Verwaltungsgebäude zurückgekehrt. »Voll bewaffnete Mantas? Wie können wir uns gegen sie verteidigen?«

»Woher soll ich das wissen? Versuchen Sie, sich irgendwie ...

vorzubereiten.«

BeBob betätigte die Kontrollen und aktivierte die Manövrierdüsen.

»Aufgepasst, sie könnten jederzeit das Feuer auf uns eröffnen!«

»Bring uns weg von hier!«

Mit der höheren Schubkraft des von Roamern modifizierten Triebwerks rast die

e

Unersättliche Neugier an den Mantas vorbei, beschrieb einen weiten Bogen und verließ das Sonnensystem.

212

75 # ADMIRAL SHEILA WILLIS

Willis' Waffenoffizier blickte besorgt auf den Zielerfassungsschirm. »Soll ich das Feuer eröffnen, Admiral? Das Schiff entkommt uns.«

»Natürlich nicht. Es ist nur ein Frachter. Sieht mir nicht mal nach einem Roamer‐Schiff aus.« »Aber Admiral... es hat uns bestimmt geortet.« »Na und?«

»Alle werden erfahren, dass wir nach Rhejak gekommen sind. Das Schiff könnte überall Alarm schlagen.«

»Früher oder später erfahren ohnehin alle davon. Das ist doch der Sinn der ganzen Sache ‐ die übrigen Kolonien sollen das große Zittern kriegen. Wir sind hierhergekommen, um Recht und Ordnung zu schaffen und die Herrschaft der Hanse wiederherzustellen. Und genau das habe ich vor. Ich jage nicht einfach so einem einzelnen Schiff hinterher. Wer auch immer an Bord ist, hat sich wahrscheinlich in die Hose gemacht, als er uns sah.«

»Ja, Admiral«, erwiderte der Waffenoffizier verlegen.

Conrad Brindle ging mit energischen Schritten zur Kommunikationsstation.

»Hat das Schiff etwas gesendet, bevor es das System verließ?«

»Ja, Sir, eine Nachricht für den Planeten. Darin wurden die Bewohner vor uns gewarnt.«

Willis erhob sich aus ihrem Kommandosessel. »Bereiten Sie unsere Angriffseinheiten vor. Wir sollten schnell zuschlagen, bevor sich Komplikationen ergeben.« Wie zuvor bei der Theroc‐Mission regte sich Unbehagen in ihr. »Die Leute dort unten kennen ja die TVF. Wir erinnern sie nur daran, dass sie noch immer geliebte Mitglieder einer großen, glücklichen Familie sind.«

dle senkte die Stim

Brin

me. »Halten Sie das nicht für ein wenig naiv,

Admiral?«

213

»Ja. Aber ich nenne es lieber Optimismus, bis man mir das Gegenteil beweist.« General Lanyan hätte sofort die Waffen sprechen lassen, um die Bewohner des Planeten einzuschüchtern, aber Willis verzichtete bei solchen Gelegenheiten auf Gewalt, solange es ging.

Sie überließ das Kommando dem Ersten Offizier, suchte ihr Quartier auf und streifte dort eine weißblaue Uniform über. Rasch verzehrte sie ein weiteres Schinken‐Käse‐Sandwich, das auf sie wartete ‐ nur für den Fall, dass die Rhejakaner keinen Festschmaus für sie veranstalteten. Willis brachte ihr Haar in Ordnung, überprüfte Manschetten und Sitz ihrer Uniform und verließ dann ihre Unterkunft, um sich mit der ersten Welle von Angriffsschiffen auf den Planeten zu begeben.

Besatzungsmitglieder eilten zu ihren Stationen. Für den Einsatz auf Rhejak eingeteilte Soldaten holten ihre Waffen und die für eine längere Besatzung notwendige Ausrüstung, machten sich dann auf den Weg zum Hangar. Willis kletterte in eins von siebenundzwanzig Angriffsschiffen und gab den Startbefehl.

Während des Flugs bewahrte sie die Ruhe, stellte eine Korn‐Verbindung her und sah auf den Übertragungsschirm. Das geflohene Händlerschiff hatte ihr leider den Überraschungseffekt genommen. »Rhejak ist immer eine Kolonie der Hanse gewesen, und wir kommen, um unsere Unterstützung anzubieten. Wir unterstellen Sie der Aufsicht der Terranischen Verteidi‐

gungsflotte und werden Ihre Produkte zu den anderen Welten der Hanse bringen, wo man sie dringend benötigt.« Willis fügte ein freundliches Lächeln hinzu und wusste, dass ihre Worte völliger Unsinn waren.

Flüche und Verwünschungen drangen aus dem Kom‐Lautsprecher, für die Admiralin ein deutlicher Hinweis, dass ihr Optimismus unangebracht war.

Sie seufzte und beschloss, die Sache direkt anzugehen. »Na schön, offenbar Sie nich

sind

t besonders glücklich darüber. Teilen Sie uns mit, wo unsere Schiffe landen können. Anschließ

ire

end sprechen wir d kt miteinander.«

214

»Nehmen Sie Ihre verdammten TVF‐Schiffe und ...«

Eine andere Stimme erklang. »Ich bin Hakim Allahu, Handelssprecher von Rhejak. Hiermit erinnere ich Sie daran, dass wir eine unabhängige Welt sind. Wir haben uns in aller Form von der Hanse‐Charta losgesagt. Die TVF

hat hier nichts verloren.« Aus dem herausfordernden Tonfall wurde Resignation. »Andererseits sind wir nicht so dumm zu glauben, dass wir Ihre Streitmacht besiegen könnt

t

en. Uns bleib nichts anderes übrig, als vor

Ihrer Invasion zu kapitulieren.«

»Wer hat etwas von einer Invasion gesagt?«

»Wie würden Sie es nennen, Admiral? Sie kommen mit zehn Schlachtschiffen hierher und bringen damit unseren Planeten unt re

er Ih

>Aufsicht<.«

Willis wusste, dass sich diese Leute nie mit der Besetzung ihrer Welt abfinden würden, doch sie wollte, dass sie möglichst wenig darunter litten.

»Es tut mir leid, aber wir müssen unsere Befehle befolgen.«

Als sich die Angriffsschiffe der Ansammlung von Riffen und Inseln näherten, bewunderte Willis das wunderschöne blaugrüne Meer, die Farbenpracht der Korallen und die weißen Strände. Große Tentakelwesen glitten durchs Wasser. Die Piloten hielten nach geeigneten Landeplätzen Ausschau, und schnell stellte sich heraus, dass sie in einer Klemme steckten. »Admiral, es können nicht mehr als jeweils zwei Angriffsschiffe an einer Stelle land n. Es e

gibt hier keinen Raumhafen.«

»Bringen Sie dieses Schiff und eine Eskorte zum Verwaltungszentrum, damit ich dort mit Mr. Allahu reden kann. Die anderen Einheiten bleiben in der Luft, bis wir diese Sache geklärt haben.«

»Sollen wir dabei eine drohende Haltung einnehmen, Admiral?«, f e der

ragt

Pilot. »Sollen wir mit aktivierten Waffen über die Siedler hinwegfliegen?«

Willis rollte mit den Augen. »Ich glaube nicht, dass sie blind sind, und utlich si

verm

nd sie auch nicht dumm. Ich schlage vor, wir üben ein wenig üc

Zur khaltung, einverstanden?«

214

Ihr Angriffsschiff ging auf einem flachen Riffteil nieder. Willis stieg aus und rang sich ein Lächeln für Allahu und die anderen Repräsentanten Rhejaks ab. Sie hoffte, dass es möglich war, auf dem Verhandlungsweg eine friedliche Lösung zu erreichen. »Wie wär's, wenn wir uns die Hände schütteln und die ganze Angelegenheit bei einem Drink besprechen? Um den Schnaps kümmere ich mich, wenn Ihnen das lieber ist.«

»Lieber wäre mir ganz etwas anderes«, erwiderte Allahu. Über ihnen kreisten die Angriffsschiffe mit einem unheilverkündenden Brummen. »Ihr Abzug, zum Beispiel. Wir sind eine kleine Kolonie. Wir haben hier nicht viele Anwälte und dergleichen, aber für mich steht fest: Was Sie hier mach n, ist e

absolut illegal.«

»Kommt darauf an, von welcher Seite man die Gesetze betrachtet, Mr.

Allahu. Aber ich bin nicht hier, um juristische Dinge mit Ihnen zu besprechen; dafür bin ich nicht zuständig. Rhejak produziert viele wichtige Exportgüter, und der Vorsitzende der Hanse hat gesagt, dass Sie bei der Erklärung Ihrer Unabhängigkeit nicht alle Vorschriften beachtet haben. Der Krieg gegen die

oge

Hydr

r ist jetzt vorbei, und wir müssen miteinander

zurechtkommen, bis die Hanse wieder auf beiden Beinen steht.«

»Sie meinen die Konföderation, Admiral. Die Hanse existiert prakt cht

isch ni

mehr.«

»Die Hanse bezahlt meinen Sold, und deshalb bin ich hier.« Draußen im Wasser sah Willis große, mit Schalen ausgestattete Tentakelwesen, an Riffen festgemachte Flöße und Fabriktürme, die Mineralien und Metall aus dem Meerwasser gewannen. Die Schönheit von Rhejak überraschte sie. Bei der Einsatzbesprechung war nur die Rede von den lokalen Ressourcen gewesen, für die sich die Hanse interessierte. Soldaten mussten in den wichtigsten Fabrikanlagen stationiert werden, um eine kontinuierliche Produktion zu gewährleisten. »Wir mischen uns so wenig wie möglich ein, verspre

das

che ich Ihnen.«

Allahu stützte die Hände an die Hüften. »Und wie wollen Sie 215

das bewerkstelligen? Wo wollen Sie all diese Leute unterbringen?« Er zeigte erst auf die beiden gelandeten Angriffsschiffe und dann auf die a n

nderen i

der Luft.

»Offenbar gibt es hier keine Landmasse, die allen unseren Schiffen Platz bietet. Dieses Problem lösen wir mit großen Flößen. Und mit der TVF‐

Technik sollte es uns möglich sein, schwimmende Kasernen zu bauen.«

76 # DAVLIN LOTZE

Davlin hatte eine einfache Zuflucht für insgesamt dreiundfünfzig aus der Llaro‐Siedlung geflohene Kolonisten geschaffen: ein Versteck in den Sandsteinklippen, von mehreren Überhängen geschützt. Mit Steinman wuchs die Zahl der Flüchtlinge auf vierundfünfzig.

Davlin Lotze hatte sich ein ruhiges Leben gewünscht, als eine ganz normale Person unter anderen ganz normalen Personen, doch die Ereignisse im Spiralarm holten ihn immer wieder ein. Jetzt sah er sich erneut in die Rolle des Anführers und Retters gedrängt.

Davlin hatte die am besten zu verteidigende Höhle hoch oben in den Klippen gewählt und, einfallsreich wie immer, einen kleinen Generator installiert, der Elektrizität und Wärme lieferte. Zusammen mit zwei Roamern hatte er an der Rückwand ein Sickerwasserbecken erweitert und ein Rohr samt Filter hinzugefügt, wodurch ihnen frisches Wasser zur Ver‐

fügung stand. Es war nicht viel und würde sicher nicht mehr rei wenn

chen,

ihre Gruppe weiter wuchs.

Aus in der Ebene gesammelten Gräsern und leichtem Holz hatten die Flüchtlinge Matten, Kissen und einfache Möbel angefertigt. Alle arbeiteten as Überleben der Gruppe u

für d

nd mussten dabei auf viele

Annehmlichkeiten verzichten. Manch

216

mal fühlte sich Davlin, als wären sie Schiffbrüchige auf einer einsamen Insel, mit dem großen Unterschied, dass sie nicht auf sich aufmerksam machen durften ‐ sie mussten vor den Klikiss verborgen bleiben.

Steinman staunte. »Ein solches Lager habe ich mir auf Corribus eingerichtet.

Mit der Hilfe von Orli Covitz.« Er ging umher, sah sich erst die Möbel und dann die Vorräte an, schnupperte an getrockneten Schoten und Beeren, die die Flüchtlinge gesammelt hatten. »Hier ist es natürlich hübscher und bequemer. Und hier sind mehr Leute untergebracht.« Er strich sich übers verfilzte Haar, in dem Holzsplitter und Grasschnipsel steckten ‐ es schien ihm nichts auszumachen.

»Wir hatten keine große Wahl.« Davlin beobachtete die Flüchtlinge, wie sie ihr Bettzeug für den Tag zusammenpackten. Die Köche versuchten, genug Lebensmittel für eine weitere Mahlzeit zusammenzukratzen. Aber wenigstens gab es hier keine Klikiss. »Wenn der eine Remora, den wir haben, mit einem Sternenantrieb und einem Langstrecken‐Navigations‐

system ausgestattet wäre, hätte ich mich damit auf den Weg gemacht, um Hilfe zu holen. Doch diese Möglichkeit gab es nicht, und deshalb beschloss ich, ein gutes Versteck vorzubereiten, für all die Personen, die aus der Siedlung fliehen können. Natürlich ist dies nur ein Provisorium ‐ a uf Dauer

können wir so nicht überleben.«

Ohne Ausrüstung und irgendeine Form von Landwirtschaft konnte dieses Lager nicht autark sein. Davlin musste bald eine Lösung finden, und er wusste, dass das auch vielen der Flüchtlinge klar geworden war.

»Ich kann auf die Jagd gehen und uns Nahrung beschaffen«, bot Steinman an. »Viele der hiesigen Geschöpfe sind essbar, wenn man nicht zu empfindlich ist. Die Eidechsen sind so weit in Ordnung. Die Knochen knirschen ein wenig, und die Schuppen kratzen im Hals, aber daran gewöhnt man sich.«

lin nickte. Wenn der

Dav

Hunger groß genug wurde, war man bereit, fast

s zu es

alle

sen. Und diese Leute erwartete Hun

216

ger, denn die Klikiss hatten auf ihren Feldern nicht einen Getreidehalm zurückgelassen.

»Wie lange dauert es Ihrer Meinung nach, bis die Hanse merkt, dass eine ihrer TVF‐Stationen schweigt?«

Diese Frage war bereits mehrfach an Davlin herangetragen worden, und er hatte darüber nachgedacht. Jahre waren vergangen, bevor Basil Wenzeslas beschlossen hatte, Nachforschungen in Hinsicht auf die Colicos‐Archäologen anzustellen, die nichts mehr von sich hören ließen. Davlin und Rlinda Kett waren nach Rheindic Co geschickt worden, doch zu jenem Zeitpunkt war es schon zu spät gewesen. »An Ihrer Stelle würde ich nicht mit Hilfe von der Hanse rechnen.«

Ein dunkelhaariger junger Mann, nicht älter als neunzehn, lief auf ihn zu.

»Davlin! Der Remora hat eine Nachricht empfangen. Die Anzeige des automatischen Logbuchs blinkt.«

»Was hattest du im Cockpit zu suchen? Die Instrumente kö en le nn

icht

beschädigt werden.«

»Ich habe nur die blinkende Anzeige gesehen und bin sofort hierhergekommen. Vielleicht ist es eine Rettungsnachricht.« Der junge Mann ‐ einer der von Davlin geretteten Crenna‐Ko‐lonisten ‐ steckte voller verzweifelter Hoffnung, wie ein Mann, der über einem Abgrund hing und sich an einer dünnen Wurzel festhielt.

Davlin wollte ihm seinen Optimismus nicht nehmen. »Vielleicht. Gehe ir

n w

der Sache auf den Grund.«

Steinman begleitete sie zu einem Wadi mit steilen Wänden am Fuß der Klippen. Als er das kleine TVF‐Schiff in einer von gelegentlichen Regenfluten ausgewaschenen Lücke sah, lachte der alte Mann beeindruckt.

»Sie haben den Remora in der Lücke gelandet?«

»Sie ist breit genug. Beim nächsten großen Regen wird hier alles überflutet, aber ich hoffe, dass wir bis dahin weg sind.« Wenn die Klikiss Jagd auf sie hten ... Davlin bezweifel

mac

te, dass selbst eine ganze Garnison Silbermützen

in der Lage gewesen wäre, den Unterschlupf auf Dauer zu verteidigen.

217

Der junge Mann eilte voraus, und Davlin folgte ihm, kletterte an der steilen Klippe nach unten und benutzte dabei Haltepunkte, die er sich zuvor gut eingeprägt hatte. Den Vorschlag, Stufen in den Fels zu hauen oder gar eine Leiter aufzustellen, hatte er abgelehnt, aus Sorge, dass die Klikiss solche Veränderungen bemerkten.

Steinman bildete den Abschluss und sprach die ganze Zeit über ‐ offenbar wollte er sich damit von der Furcht vor dem gefährlichen Abstieg ablenken.

Einmal verloren seine Finger den Halt, und er schnappte nach Luft, als er ein kleines Stück rutschte.

Unten im Trockental zog der junge Mann die tarnenden Büsche vom Cockpit‐Zugang. »Sehen Sie? Die Anzeige blinkt.«

Davlin kletterte halb durch den Zugang, aktivierte die Kontrollen und überprüfte das Kommunikationssystem. »Du hast recht. Eine Mitteilung ist gespeichert.«

Steinman beugte sich in die Pilotenkanzel, Schulter an Schulter mit Davlin, und der junge Mann schlängelte sich irgendwie ins Cockpit. Gemeinsam hörten sie sich Roberto Clarins Hilferuf an.

Davlin presste die Lippen zusammen. Die Worte überraschten ihn kaum. Er spielte die Nachricht noch einmal ab und sah seine beiden Begleiter an. »Ich habe bereits Pläne geschmiedet, aber wir müssen sie früher in die Tat umsetzen, als ich dachte.«

77 # KÖNIG PETER

Peter hielt Estarras Hand und lächelte ermunternd, als eine Hebamme der Roamer seine Frau untersuchte. »Noch einige Wochen. Das Baby ist gesund und die Mutter ebenfalls. Die Geburt sollte problemlos verlaufen.«

218

Peter lachte leise. »Eine problemlose Geburt mit großen politischen Folgen für Konföderation und Hanse.«

Estarra richtete einen liebevollen Blick auf ihn. »Die Roamer sprechen bereits darüber. Sie möchten die Geburt mit einem großen Fest feiern.«

Peter vermutete, dass sie an etwas Ähnliches wie das Fest dachte, das die Clans aus Anlass der Verlobung ihres Bruders Reynald mit Cesca Pero i n

veranstaltet hatten.

Peter rieb Estarras Rücken, und sie schloss die Augen und lächelte, als würde sie gleich zu schnurren beginnen. »Mach dich auf jede Menge Besucher gefasst«, sagte er.

Yarrod erschien in der Tür. »Ein Händler der Roamer von den Golgen‐

Wolkenminen ist gerade eingetroffen. Angeblich bringt er wichtige Neuigkeiten.«

»Es gibt immer wichtige Neuigkeiten.« Estarra klopfte auf Peters Hand.

»Reib mir weiter den Rücken.«

»Er hat gesagt: Wenn es mehr grüne Priester bei den Wolkenminen gäbe, hätte die Nachricht sofort übermittelt werden können.« Yarrod klang ht

nic

beeindruckt.

»Wir arbeiten daran«, erwiderte Peter. Hundert neue Freiwillige waren bereits aufgebrochen, um das Kommunikationsnetz der Konföderation dichter zu spannen. »Ich gehe und höre mir an, was der Mann zu t

berich en

hat.«

Boris Goff sprach mit den anderen Roamern der Pilzriff‐Stadt, erzählte ihnen den neuesten Klatsch und wiederholte immer wieder seine Geschichte. Als Peter den Thronsaal betrat, drehte sich Goff rasch um. »Ah, da sind Sie ja! Meine Güte, die riesigen Bäume im Orbit könnten selbst unschuldige Händler abschrecken.«

»Sie schrecken die TVF ab, und das ist noch viel besser.« Peter nahm auf seinem Thron Platz und hielt sich nicht mit Formalitäten auf. »

t

Nun, was ha

es mit den wichtigen Neuigkeiten auf sich?«

r ha

»Wi

ben einen früheren TVF‐Offizier namens Patrick Fitzpatrick III. Er ist desertiert und hat uns gesucht.«

219

Peter runzelte die Stirn. »Fitzpatrick ... Ich habe von ihm gehört. Ist er nicht der Enkel der früheren Hanse‐Vorsitzenden?«

»Und wenn schon.« Goff konnte seine Aufregung kaum unter Kontrolle halten. »Als er Golgen erreichte, ließ er eine Bombe platzen. Er hat dieses ganze Durcheinander ins Rollen gebracht! Er hat alles gestanden.«

»Von welchem Teil des >Durcheinanders< sprechen wir hier?«

»Er hat Raven Kamarows Schiff zerstört. Patrick Fitzpatrick gab den r e sten

Schuss ab.«

Peter schüttelte langsam den Kopf. »Bestimmt steckt mehr dahinter.

Befolgte er einen Befehl?«

»Er meint, General Lanyan hätte ihn angewiesen, Kamarows Ekti für die Tiwis zu beschlagnahmen und die Zeugen zu beseitigen.«

Aus Peters Händen wurden Fäuste. Während des ganzen Debakels hatten Lanyan oder Wenzeslas diesen Punkt nie erwähnt. Plötzlich ergab alles

. »Was au

einen Sinn

ch immer die Propagandamaschine der Hanse

verbreitet hat... Die Roamer hatten von Anfang von Anfang an recht.«

»Genau.«

Was Fitzpatrick auch getan hatte: General Lanyan, von dem der Befehl stammte, war der größere Verbrecher. Doch der größte Kriminelle hieß Basil Wenzeslas, denn er hatte das politische Klima für all jene Gräuel geschaffen, dem König wichtige Informationen vorenthalten und seine Untergebenen zu solchen Aktionen ermächtigt.

Peter dachte nach. Basil war kleinlich und rachsüchtig geworden, hatte den Weitblick verloren, der ihn einst zu einem guten Vorsitzenden gemacht hatte. Die vielen Krisen und Rückschläge hatten ihm mehr und mehr von seiner Aufgeschlossenheit genommen. Peter war bereits davon überzeugt gewesen, dass Wenzeslas zurücktreten musste, aber jetzt gab es nicht mehr den geringsten Zweifel daran. Doch diese Nachricht bedeutete auch, dass sie t

nich warten durften, bis der Vorsitzende sein Amt niederlegte. Peter konnte den Ereignis

219

sen nicht einfach ihren Lauf lassen, wenn die Konföderation stark werden und die Menschheit eine Zukunft haben sollte.

Boris Goff lächelte erwartungsvoll und presste dabei die Hände aneinander.

Peter atmete tief durch und hob die Stimme, damit ihn alle Anwesenden hörten. Die grünen Priester außerhalb des Thronsaals kamen näher und gaben die Worte des Königs durch den Telkontakt weiter.

»Wir haben unanfechtbare Beweise für Verbrechen gegen die Menschheit, verübt von zwei hochrangigen Repräsentanten der Hanse. Hiermit ächte und verurteile ich sowohl General Lanyan als auch den Vorsitzenden Basil Wenzeslas. Von jetzt an gelten diese beiden Männer als Verbrecher, die vom Rest des Spiralarms isoliert werden müssen. Ich brauche die Hilfe aller Roamer, Konföderationskolonien und Händler. Verbreiten Sie meinen Beschluss auf allen Welten, insbesondere auf jenen, die noch immer der Hanse treu sind.

Die Bewohner der Erde müssen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Ich bin noch immer ihr König und rufe sie auf, sich gegen den Vorsitzenden zu erheben und ihn zu stürzen. Erst dann haben wir wahren Frieden.«

78 # PATRICK FITZPATRICK III.

Patrick wurde streng bewacht an dem Tag, als er vor das Clan‐Gericht der Roamer geführt werden sollte ‐ obwohl die Gypsy beschlagnahmt war und es für den jungen Mann gar keine Fluchtmöglichkeit gab. Vielleicht fürchteten die Roamer eine Sabotage ihrer Ekti‐Reaktoren oder Antigravsysteme, was vielleicht zu einem Absturz der Wolkenmine geführt hätte. Es blieb Patrick ein Rätsel, warum sie ihm misstrauten, obwohl er en Ort

dies

monatelang gesucht hatte ‐ nicht um weiteren Schaden anzurichten, sondern um sich bei Zhett zu entschuldigen.

220

»Sie haben es sich selbst zuzuschreiben«, sagte ein verdrießlicher Arbeiter, der ihm einen Teller mit pikantem Fleisch und hydroponischem Gemüse brachte. »Denken Sie nur an den Schaden, den Sie angerichtet ha n. Wir be

glauben, dass Sie zu allem fähig sind.«

»Ich verstehe.« Patrick dankte dem Mann und aß die Mahlzeit. Der Geschmack des Essens brachte angenehme Erinnerungen zurück. Zwar hatte er keinen rechten Appetit, ließ aber nichts auf dem Teller zurück.

Wenn seine Großmutter ihn jetzt sehen könnte ... Bestimmt hätte sie ihn ausgelacht, weil er sich nicht vorbereitet und keinen einzigen Versuch gemacht hatte, die Situation zu seinem Vorteil zu manipulieren. Mit Manipulationen war er nie so gut zurechtgekommen wie die alte Streitaxt Maureen Fitzpatrick, und das bedauerte er nicht. Er wollte nicht manipulieren, sondern ehrlich sein. Sicher, er hatte sich die Raumjacht ge‐

schnappt, als er sie brauchte ... Irgendwann würde er eine Mögl t

ichkei

finden, die dadurch entstandene Schuld zu begleichen.

Zhett hatte ihn nicht besucht, und es gab noch immer viele Dinge, die schwer auf seinem Gewissen lasteten. Die Sache mit Raven Kamarow zu gestehen ... Nie war ihm etwas schwerer gefallen. Vielleicht bekam er nie Gelegenheit, Zhett sein Herz zu öffnen, was möglicherweise noch schwieriger gewesen wäre. Warum gab sie ihm nicht wenigstens die Chance, ihr zu sagen, wie leid es ihm tat? Er hatte ganz verges e

sen, wi

verdammt stur sie sein konnte.

Die metallenen Wände seines kleinen, engen Quartiers schufen eine klaustrophobische Atmosphäre. An Bord einer Wolkenmine hoch in der Atmosphäre eines Gasriesen ... Hätten ihm die Roamer nicht wenigstens eine Zelle mit Fenster geben können? An Himmel herrschte hier gewiss kein Mangel. Er überlegte, was er dem Clan‐Gericht sagen sollte, wusste aber t, welche

nich

Fragen es an ihn richten würde. Also saß er einfach nur da, wartete ... und dachte an Zhett.

221

Schließlich öffnete sich die Tür, und vom Flur kam nach Industrieanlagen riechende Luft herein. Del Kellum stand da, in einem schicken Hemd, dessen Brustteil das Symbol seines Clans aufwies. Es war sehr elegant und sauber, und Patrick vermutete, dass Kellum es nur selten trug. »Sind Sie bereit, Junge? Ich hoffe, Sie haben die Zeit hier für die Suche nach Ihrem Leitstern genutzt.« »Ich wusste nicht, dass man so etwas von mir erwartet.« »Jeder Mann sollte seinen Leitstern finden. Kommen Sie.« Patrick folgte ihm gehorsam.

Das Clan‐Gericht bestand aus Kellum und vier anderen Wolkenminen‐

Verwaltern, und es hatte sich in dem kuppeiförmigen Raum auf dem obersten Deck versammelt. Die Decke war transparent und gewährte Blick auf die Dunstschwaden in der hohen Atmosphäre. Als Patrick den Raum betrat, musterten ihn die Verwalter mit offensichtlicher Verachtung.

Zhett saß am Kopfende des Tisches neben ihrem Vater, gekleidet in einen dunklen Arbeitsanzug, der sich zu perfekt an ihren Körper schmiegte. Sie war wunderschön, doch ihr Gesicht blieb ernst, ohne ein Lächeln. Patrick warf ihr einen hoffnungsvollen Blick zu, aber die Kühle wich nicht aus ihren Augen. Ihre Unnahbarkeit war schlimmer als der schlimmste Vorwurf.

Wenn sie sich doch nur fünf Minuten Zeit genommen hätte, ihm zuzuhö

..

ren.

Kellum eröffnete die Verhandlung

Cl

des an‐Gerichts und wirkte sehr ernst.

»Patrick Fitzpatrick III., bitte stehen Sie auf.«

Patrick sah an sich herab. »Ich stehe.«

»Erzählen Sie uns noch einmal von Ihren Verbrechen, die Sie bereits gestanden haben. Legen Sie für das offizielle Protokoll noch einmal ein Geständnis ab.«

»Ich wette, hier vor Gericht bestreitet er alles«, brummte Bing Palmer.

»Ich streite nichts ab. Ich bin hierhergekommen, um für das zu büßen, was ich getan habe, und um Verzeihung zu bitten. Welche Strafe Sie auch beschließen ‐ ich akzeptiere sie.« Pat

221

rick erhoffte sich eine Reaktion von Zhett, aber sie saß noch immer reglos wie eine Statue.

Er nannte noch einmal seine Verfehlungen, nicht nur in Hinsicht auf Raven Kamarow. Er schilderte seine Rolle an Bord der Kriegsschiffe, die Yreka angegriffen hatten, und beschrieb weitere Ereignisse, die die Roamer betrafen. Schwindel erfasste ihn, während er sprach, und die Knie wurden weich. Das Herz klopfte so heftig, als wollte es ihm in der Brust zerspringen.

»Die Zeit bei den Roamern hat mir gezeigt, wie falsch das alles war. Deshalb habe ich die Terranische Verteidigungsflotte verlassen und auch allem anderen den Rücken gekehrt. General Lanyan würde mich bei meiner Heimkehr als Deserteur hinrichten lassen.«

»Klingt so, als stünden Ihnen keine Möglichkeiten mehr offen.«

»Ich habe alle Brücken hinter mir abgebrochen. Hier bin ich, ohne Mil von de

Ihnen zu erwarten.«

»Wir sind auch nicht geneigt, Milde walten zu lassen.« Kellum sah seine Tochter an. »Es sei denn, du möchtest zu seinen Gunsten sprechen, Sch atz.

Es liegt bei dir.«

Zhetts Blick traf Patrick, und für ein oder zwei Sekunden schien das Eis in ihren Zügen zu schmelzen. Doch dann erstarrte ihr Gesicht wieder. Sie schüttelte den Kopf, und Patrick fühlte, wie ihm das Herz schwer wurde.

Del Kellum legte beide Hände auf den Tisch und wirkte plötzlich wie ein bedrohlicher Fremder. Seine Stimme war völlig emotionslos, als er sagte:

»Uns bleibt keine Wahl, Patrick Fitzpatrick III. Sie sind nicht nur für den Tod von Raven Kamarow verantwortlich, sondern haben auch beim Angriff auf Yreka mitgewirkt, dem zahlreiche Kolonisten zum Opfer fielen. Darüber hinaus sind Sie an Ereignissen beteiligt gewesen, die zahllose Roamer das Leben kosteten und viele andere in Not brachten. Nach dem alten k

Wol enminenkodex gibt es dafür nur eine angemessene Strafe.« Er verschränkte die Arme. »Wir übergeben Sie dem Wind.«

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Die Verwalter der anderen Minen murmelten voller Unbehagen. Selbst Zhett wirkte für einen Moment bestürzt.

Patrick versuchte, den Gesichtern Einzelheiten zu entnehmen. »Was bedeutet das? Wovon reden Sie da?«

»Haben Sie jemals einen alten historischen Vidfilm über Piraten g ehen?

es

«,

fragte einer der Verwalter mit scharfer Stimme.

Kellum nickte. »Ein guter Vergleich. Wir sind hier hoch oben in der Atmosphäre des Gasriesen, und unter uns erstreckt sich ein tiefer Wolkenozean. Sie werden über die Planke gehen.«

79 # TASIA TAMBLYN

Die neuen und umgerüsteten Schiffe verließen die Werften von Osquivel ohne großes Trara, doch dieses Schiff hatte eine ganz besondere Bed ng

eutu

für die Roamer.

Sie versammelten sich zu einer Zeremonie, die zugleich eine ergreifende Taufe als auch eine Party war. Tasia, Robb und Nikko standen in der Verwaltungsstation und sahen durchs Fenster zum neuen Transporter.

Wenn er etwas extravaganter gewesen wäre, hätte man ihn vielleicht als Luxusliner bezeichnet. Er bot sechzig Personen Platz ‐ und doppelt so vielen, wenn die Passagiere bereit waren, eng zusammenzurücken. Ein Rettungsschiff.

»Es wird Zeit, dass wir die Internierten von Llaro fortbringen. Shizz, es hat mir ganz und gar nicht gefallen, sie dort abzusetzen.«

»Du hast von einem recht angenehmen Planeten gesprochen.« Robb wandte sich vom Fenster ab und sah Tasia an.

»Genau. Und Roamer sind nicht für angenehme Orte bestimmt. Sie sollen nicht faul und dick werden.«

lle

»Vie icht gilt das nicht für alle Roamer«, sagte Nikko. »Als mein Vater die Wolkenmine aufgab und sich bei meiner Mut

223

ter auf dem Treibhaus‐Asteroiden niederließ, ging es ihm um etwas mehr Komfort.«

Werftarbeiter versammelten sich an den Aussichtsfenstern. Das Licht von Scheinwerfern fiel auf den Rumpf des neuen Schiffes, der wie ein Flickenteppich aus Metallplatten aussah. »Da kommt die Drohne!

Aufgepasst.«

Ein kleines Modul, nicht größer als der Spielzeugkarren eines Kinds, näherte sich dem Schiff mit Kollisionskurs. An seinem Bug befand sich eine Flasche, die zerbrach, als sie mit geringer Geschwindigkeit gegen den Rumpf prallte. Flüssigkeit spritzte, gefror sofort und bildete glitze er

rndes Eis an d

Flanke des neuen Schiffes.

»Eine Verschwendung von gutem Sekt, wenn ihr mich fragt«, brummte Caleb Tamblyn. Tasias Onkel war gekommen, um Denn Peroni zu überreden, ihm mit Material und Arbeitern beim Wiederaufbau der Plumas‐

Wasserminen zu helfen.

»Es war kein besonders guter Sekt«, erwiderte Denn in verschwörerischem Ton. Dann hob er die Stimme. »Wir taufen dieses Schiff auf den Namen Osquivell« Die Zuschauer jubelten und konnten es gar nicht abwarten, mit dem versprochenen Festschmaus zu beginnen.

»Osquivel. Was für ein Name.« Robb schüttelte den Kopf. »Viele Erinnerungen verbinden sich mit diesem Planeten, und die meisten von ihnen sind unangenehm. Wir haben hier einen ordentlichen Tritt in den Hintern gekriegt.«

»Nicht wir, sondern die Tiwis, Robb. Die Roamer haben sich versteckt und bekamen nichts ab. Der Name Osquivel steht auch dafür, nach Widri eiten gk

und Unglück wieder aufzustehen, so wie du es gemacht hast.«

»Du kannst den Namen erklären, wie du willst, er gefällt mir trotzdem nicht.« Robb schlang den Arm um Tasias Taille und zog sie an sich. »Was aber nicht heißt, dass ich abergläubisch bin oder so.«

Tasi t

a s rich ihm durchs struppige Haar. »Dies ist eine Feier, Robb! Hör auf, Trübsal zu blasen.«

223

»Trübsal blasen? Ich fliege mit einem Luxusliner zu einem Urlaubsplaneten wie Llaro, in Begleitung eines hübschen, wenn auch rechthaberischen Roamer‐Mädchens. Was könnte ich mir mehr wünschen?«

Das von Denn vorbereitete Büfett bot Fertiggerichte neben frischem Fleisch, Obst und Gemüse an, das er Roamer‐Händ‐lern abgeschwatzt hatte, die auf Yreka gewesen waren. Von den Golgen‐Wolkenminen hatte Del Kellum einen Kiste mit Orangenlikör mitgebracht. Caleb und Denn hielten ein Glas in der Hand, nippten immer wieder daran und führten eine Art verbales Duell.

»Ich gerate immer in Schwierigkeiten, wenn ich mit euch Tamblyn rü

‐B dern

trinke.«

»Sie geraten auch dann in Schwierigkeiten, wenn Sie nicht trinken«, erwiderte Caleb.

Tasia schlenderte zu ihnen. »Mein Onkel kann schrecklich grob sein, Denn, aber ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie ihm auf Plumas helfen würden.

Dort sieht es wirklich schlimm aus. Robb und ich wollten uns selbst darum kümmern, aber wir stehen jetzt in den Diensten der Konföderation. Die Wasserminen gehören noch immer me

sich mei

inem Clan, auch wenn

ne

Onkel nicht sehr gut darum gekümmert haben.«

»Nicht gut darum gekümmert!«, platzte es aus Caleb heraus.

»Ich kann die Hilfe nicht selbst leisten«, sagte Denn. »Morgen mache ich mich auf den Weg zum Weisen Imperator, um geschäftliche Verhandlungen mit ihm zu führen. Die Konföderation wird stärker, und die ehemaligen Hanse‐Kolonien produzieren Überschüsse für zusätzliche Märkte. Unter sol‐

chen Umständen könnte das Ildira

g

nische Reich zu einem uten Kunden

werden. Rlinda Kett ist bereits dorthin unt weg

er

s.«

»Aber was ist mit meinen Wasserminen?«, fragte Caleb.

»Mit unseren Wasserminen«, warf Tasia ein.

»Ich kann ihm einige Pakete Abdichtmasse, ein paar Arbei 224

ter und vielleicht auch eine Schaufel schicken, wenn er damit umgehen kann«, grummelte Caleb, aber Tasia wusste, dass er Gefallen an diesem Geplänkel fand. »Ich erwar

on jet

te v

zt an einen Preisnachlass bei den

Wa

ef

sserli erungen f

l.«

ür Osquive

»Für die nächsten fünf Jahre.«

»Zehn.«

Tasia überließ sie ihrem Feilschen. Während die Feier noch andauerte, brachten Arbeiter Vorräte, Kleidung und traditionelle Roamer‐Leckerbissen an Bord der Osquivel. Als diese besondere Mission bekannt geworden war, hatten sich mehr als genug Freiwillige bei Tasia gemeldet. »Wenn wir Sie alle mitnehmen, bleibt gar kein Platz mehr für die internierten Roamer auf Llaro«, hatte Tasia gesagt und die meisten Männer und Frauen abgewiesen.

Robb und sie konnten vermutlich mit den TVF‐Babysittern auf Llaro fe ti r g

werden, und Nikko bestand darauf mitzukommen.

Zwar sprach Robb mit den Roamern, aber er wirkte traurig. Schließlich sagte Tasia: »Na schön, heraus damit. Etwas belastet dich, und es ist nicht der Name des Schiffes. Hast du wieder Albträume über die Droger?«

»Mit den Drogern bin ich fertig. Dies ist persönlicher. Ich ...« Robb sah zu Boden, richtete den Blick seiner honigbraunen Augen dann wieder auf sie.

»Ich habe Händlern Nachrichten für zu Hause mitgegeben, aber keine Antwort erhalten. Es würde mich nicht wundern, wenn mein Vater noch immer sauer ist, weil ich bei dir und der Konföderation geblieben bin. Aber ich hätte gedacht, dass meine Mutter ihn wenigstens dazu bringt, mit mir in Kontakt zu bleiben. Nichts dergleichen. Funkstille ‐ er lehnte jede Art von Kommunikation mit mir ab. Wie ich hörte, war er bei Admiral Willis, als sie mit ihren Mantas nach Theroc flog.«

Tasia schnaubte. »Glaubst du

immer,

noch

die richtige Entscheidung

getroffen zu haben

ü

»Nat rlich. Ic

ei dir, o

h bin b

der?«

»Richtige Antwort.«

225

»Aber dieses Schweigen ... Es ist so kalt, so unnötig. Es beunruhigt mich.«

»Und du fühlst dich verlassen.« Tasia legte ihm die Hand auf den Arm.

Er nickte. Nach einigen Sekunden boxte sie ihn verspielt und umarmte ihn dann. »Komm mit zu unserem Quartier; dort bringe ich dich auf andere Gedanken. Wenn wir in einigen Tagen nach Llaro fliegen, tun wir etwas, auf das wir stolz sein können, ganz gleich, was alle anderen denken.«

80 # DAVLIN LOTZE

Es leuchteten viele Sterne über Llaro. Davlins Augen passten sich schnell an und ließen ihn das Ziel erkennen. Eine weitere Mission. Er hätte nicht gedacht, dass er im Schutz der Dunkelheit zurückkehren und versuchen würde, in den ummauerten Bereich zu gelangen.

Ein langer, anstrengender Marsch durch die Wildnis lag hinter ihm und Hud Steinman. Sie wussten beide, dass die Zeit drängte, und das Schicksal der Siedler jenseits der Mauern aus Harzzement lag ihnen am Herzen. Als die anderen Flüchtlinge von Clarins Nachricht erfahren hatten, war eine große Gruppe von ihnen bereit gewesen, sich sofort auf den Weg zu machen und an einem eventuellen Kampf teilzunehmen. Doch Davlin hatte es abgelehnt, sie mitzunehmen. »Es war schwierig genug, Sie hierherzubringen.

en

Bleib

Sie in Sicherheit. Zwei von uns genügen.«

Vorsichtig näherten sie sich der Siedlung, lauschten immer wieder und hielten nach jagenden Klikiss Ausschau. Sie sahen das Glühen der Leuchten, die die Siedler aufgestellt hatten, um einen Teil der Dunkelheit zu eiben. Von der erweiterten

vertr

Klikiss‐Stadt in der Nähe ging eine seltsame

Phosphores

225

zenz aus, und das Gerüst des vor kurzer Zeit errichteten Transportals ragte weit in die Höhe. Es war so groß, dass die Brüterin ganze Armeen von Klikiss auf die Reise und in den Kampf gegen andere Subschwärme schicken konnte.

Steinmans Aussagen erwiesen sich als richtig: Die Öffnungen in der Mauer waren verbarrikadiert, aber mit Davlins Militärmesser ließen sich die improvisierten Tore öffnen.

Die nervösen, besorgten Kolonisten hielten in den Straßen der Siedlung Wache, und es dauerte nicht lange, bis die beiden Männer entdeckt und willkommen geheißen wurden. Jemand lief los, um Roberto Clarin Bescheid zu geben, und Davlin begann mit seiner Arbeit.

Clarin hatte keine Zeit verloren und die von Davlin versteckten Waffen und Geräte holen lassen. Er kam mit blutunterlaufenen Augen und zerzaustem Haar, erweckte den Eindruck, seit Tagen nicht mehr geschlafen zu haben.

Bürgermeister Ruis wirkte ebenso ausgezehrt.

»Wie oft wollt ihr Leute von Crenna euch noch in solche Situationen bringen?«, sagte Davlin im für ihn typischen humorlosen Ton.

Ruis' Miene erhellte sich. »Helfen Sie uns aus dieser Patsche. Anschließend sind wir die langweiligsten Leute im ganzen Spiralarm, das vers c

pre he ich

Ihnen.«

Die Gefangenen hatten schon Vorbereitungen für die Verteidigung getroffen. Ein alter Datenschirm gab einen kurzen Überblick. »Margaret Colicos gibt uns Bescheid, wenn die Brüterin so weit ist. Wir haben genug gesammelt, um den Käfern richtig wehzutun, und es gibt genug Freiwillige, die sich um das Wehtun kümmern wollen. Crim und Maria Chan Tylar üben bereits mit den Waffen und bilden Schützen aus.« Ruis lächelte. »Mit der Mauer haben uns die Klikiss eine gute Verteidigungsmöglichkeit gegeben.

Ein taktischer Fehler von ihnen. Wir können auf der Mauer Stellung beziehen und von dort aus auf sie schießen, wenn sie kommen, um uns zu holen.«

226

»Die Kugeln werden Ihnen eher ausgehen als die Klikiss«, prophezeite Steinman.

»Die Mauer ist vor allem dafür bestimmt, Sie hier drinnen zu halten.« Davlin ging die Liste auf dem Datenschirm durch: Projektilwaffen, Betäubungspistolen und Schockstäbe. Viele Kolonisten hatten damit begonnen, Schlupflöcher zu bauen, verborgene Falltüren und Tarnwände, und dahinter geheime Räume, in denen sie sich verstecken konnte er

n. Ab

Davlin zweifelte, ob das alles ihnen etwas nützte.

»Jede verstreichende Stunde gibt uns die Möglichkeit, den Schaden zu maximieren, den wir anrichten können.« Davlin klopfte mit dem Finger auf Davlins Liste. »Wir haben Sprengstoff, und damit lassen sich Landminen herstellen. Wir verstecken sie an den Stellen, wo die Klikiss in den ummauerten Bereich vorstoßen wollen. Darüber hinaus platzieren wir Bomben an der Mauer. Wir sprengen sie auf, wenn eine rasche Flucht nötig ist. Aber wenn es dazu kommt, hat bereits die letzte Phase begonnen.«

Davlin warf einen Blick aufs Chronometer. »Noch vier Stunden bis Sonnenaufgang. Wir müssen uns beeilen. Hoffen wir, dass uns noch einige Tage bleiben, bis es rundgeht.«

81 # JESS TAMBLYN

Nachdem Jess und Cesca König Peter und Königin Estarra über die Clan‐

Politik der Roamer informiert und Theroc verlassen hatten, stand ihnen der ganze Spiralarm offen.

Jess empfand es als sehr angenehm, mit Cesca allein zu sein, mit seiner Frau.

Es gab ihnen beiden Gelegenheit, ihre Liebe füreinander und sogar den Grund für ihre Existenz neu zu bestimmen. Sie flogen durchs leere All chen den St

zwis

ernen, brauchten weder Treibstoff noch Essen, nur die Energie der Wentals.

227

»Wir sind keine gewöhnlichen Leute mehr, Jess«, sagte Cesca. »Was auch immer wir tun ‐ es könnten sich große Konsequenzen daraus ergeb im

en. Be

Leitstern, was soll aus uns werden?«

»Bevor wir irgendwelche Entscheidungen treffen, möchte ich dir n,

zeige

worüber wir reden.« Jess lächelte. »Was wir in uns tragen.«

Er brachte ihr Schiff zu einem stürmischen Gasriesen, dessen rostrote Wolkenbänder Knoten zu bilden schienen. Cesca erkannte die Welt namens Haphine ‐ erst vor einem Monat war sie hier gewesen. Aber sie hatte sich verändert. »Warum bringst du uns

e

hierh r? Ich dachte, die Hydroger sind

besiegt.«

»Das sind sie auch. Du hast sie besiegt.«

»Mithilfe der Wentals.«

Das Schiff flog durch eine immer dichter werdende Atmosphäre, und Jess spürte Echos der Wasserentitäten in den Wolken. Er wusste, dass Cesca sie ebenfalls fühlte. Die Wentals reagierten und verbanden sich mit der Energie des Schiffes und in ihren Zellen. Haphine war einst ein Planet der Hydroger gewesen, doch jetzt gab es in den Tiefen dieser Welt keine Gefahr mehr.

Sie sanken in die Wolken, umgeben von den gigantischen Ausmaßen des Gasriesen, und Jess schauderte plötzlich. Ha‐phines Atmosphäre bot weitaus mehr Platz als jeder terrestrische Planet, war um ein Vielfaches größer als alles, was die Roamer jemals besiedelt hatten. Und diese Unermesslichkeit brachte ein ganz besonderes Empfinden von Einsamkeit.

An seinem grenzenlosen Himmel gab es nicht eine einzige Wolkenmin e der

Roamer, und es existierte nicht eine Siedlung auf den Monden.

Schließlich näherten sie sich einer Ansammlung von Kuppeln und aus einzelnen Segmenten bestehenden Kugeln. Ihre wabenartigen Strukturen und geometrischen Verbindungen formten eine gewaltige Stadt, in der ein k herrsch

Druc

te, der einen Menschen sofort zermalmt hätte. Jess hatte rere sol

meh

227

che Metropolen gesehen. »In jedem Gasriesen gibt es solche Stadtsphären.«

Aber diese Hydroger‐Stadt war leer und zerstört. Kuppeln waren eingestürzt, und Wental‐Korrosion hatte viele kristalline de

Wän zerfressen

und einstürzen lassen.

Cesca sah sich erstaunt um. »Die Wentals haben dies getan?«

»Wir haben dies getan, indem wir die Wentals hierherbrachten.«

»Die Hydroger griffen uns. Sie haben den Krieg begonnen.«

»Aber es war kein neuer Konflikt, und diesmal verloren sie. Die Hydroger sind noch immer da, so wie auch die Wentals nach dem letzten Krieg nicht völlig ausgelöscht waren. Doch das Gleichgewicht hat sich zweifellos verschoben.« Das Wasserschiff glitt um die Ruinen der Stadtsphäre, und Jess und Cesca blickten hinaus. »Die Macht der Wentals hat solche Zer‐

störungen angerichtet, aber wir sind auch zu anderen Dingen fähig.« Er berührte Cesca und spürte das Prickeln durch die Haut. »Wir kön en,

nen bau

anstatt niederzureißen. Wir können neu erschaffen, anstatt zu v

ernichten

Jess hatte die Worte kaum ausgesprochen, als er begriff: Cesca fühlte die Möglichkeiten ebenfalls. »Du hast recht, Jess. Wo fangen wir an?«

Das Wental‐Schiff umkreiste noch einmal die Stadt der Hydroger. »Auf Plumas.«

Der Eismond glitzerte im Licht der fernen Sterne. Auf seiner Oberfläche glühten die Lampen von Basisstationen und Landefeldern. Die Roamer‐

Frequenzen waren voller Stimmen: Gespräche zwischen Tankermannschaften, Reparaturgruppen und Arbeitern auf dem Mond. Jess stellte fest, dass neue Pumpstationen errichtet worden waren, und in ihrer Nähe standen Transferkuppeln, Andockstationen und Baracken. Die Spuren von Fahrzeugen zeigten sich im Eis der Oberfläche. Weiter unten, bei den s

Was erminen, sah die Sache bestimmt ganz anders aus. Seine Mutter ‐

beziehungsweise der verdorbene

228

Wental im Leichnam seiner Mutter ‐ hatte großen Schaden angerichtet.

Unter der kilometerdicken Eisdecke kommandierten Caleb, Wynn und Torin Tamblyn von Osquivel ausgeliehene Arbeiter herum, die sich mit Grab‐ und Baumaschinen abmühten. Jess' Onkel zuckten erschrocken zusammen, als sie beobachteten, wie Cesca und er direkt aus dem Eis der trübe d

n Wan

kamen.

»Bist du gekommen, um einen Blick auf das hiesige Durcheinander zu werfen, Jess?«, fragte Wynn.

»Ich bin hier, um etwas dagegen zu unternehmen.«

»Hilfe können wir immer gebrauchen.« Caleb stützte die Hände in die Hüften und blickte sich um, als hätte er die Leitung über alles. »Du hättest hören sollen, wie Denn Peroni darüber sprach, was Profitechnike l r eisten

könnten. Nun, ich habe den einen oder anderen Gefallen eingefor rt de .«

»Wo ist mein Vater?«, fragte Cesca und sah sich hoffnungsvoll um.

»Er ist zu geschäftlichen Verhandlungen nach Ildira geflogen. Ich weiß nicht, warum er ans Tageslicht und zu den Banketten des Prismapalastes wollte, obwohl er das hier haben könnte.« Caleb machte eine Geste, die dem

Ausmaß der Zerstörung galt.

Die Arbeiter von den Osquivel‐Werften stützten rissige Wände mit Metallträgern ab, die eigentlich als Teil von Raumschiffgerüsten gedacht gewesen waren. Noch immer hing der ungefilterte Geruch von Abgasen in der Luft. Einige der verfärbten Wände wurden spiegelblank geschliffen, während Bohrgruppen die Schächte reparierten.

Jess beobachtete die Metallbalken an den Wänden und fühlte die Risse wie Wunden im eigenen Leib. Cesca erging es nicht anders, das wusste er. »Die Stützelemente sind nicht mehr al

Pf

s ein laster über den Rissen in der

Decke.«

rzeit

»De

können wir nicht mehr tun.«

»Wir nehmen euch einen Teil der Arbeit ab.« Jess ergriff 229

Cescas Hand. Wenn sie sich berührten, fühlte es sich immer so an, als schlösse sich ein Stromkreis.

»Um Ausrüstung und Geräte müssen Sie sich selbst kümmern«, wand e sic t

h

Cesca an die Arbeiter von Plumas. »Wir kümmern uns um Eis und W

asser.«

Jess hob die Hand, und Funken tanzten auf seinen Fingerspitzen. »Die Wentals sind bereit, die Wassermoleküle und das Eis mit ihrer Präsenz zu erfüllen. Cesca und ich werden diesem Ort wieder die Form geben r

, die e

haben sollte.«

Die Tamblyn‐Brüder wechselten einen unsicheren Blick. »Hast du nicht gesagt, dass die Wentals hier alles kontaminieren würden?«, fragte Wynn.

»Wir verkaufen Wasser ‐ das ist unser Geschäft. Und wie sollen wir es verkaufen, wenn es plötzlich... lebt?«

»Die Wentals versichern mir, dass sie ihre Verbreitung begrenzen und sich zurückziehen können, wenn sie fertig sind. Sie werden das Wasser nicht verändern, so wie sie Cesca und mich verändert haben.«

»Na schön«, sagte Caleb. »Wenn du sicher bist... Meinetwegen. W werden ir

uns bestimmt nicht beklagen, wenn du uns monatelange Arbeit ers st.«

par

Jess spürte, wie die Wentals in ihm ihre Kraft sammelten und sich vorbereiteten. Cesca wusste ebenso wie er, was es zu tun galt, und sie nahmen sich verschiedene Aufgaben vor. Selbst als er Cescas Hand losließ ...

Die Kraft in ihm verringerte sich nicht. Er ging übers Eis, zum Rand des Ozeans, kniete an der Eiskante und hielt die Finger ins kalte Wasser. Ranken aus Wental‐Energie wuchsen aus ihm und schienen das Meer in den Ton eines Bildhauers zu verwandeln. Knappe Bewegungen hoben Vorhänge aus Wasser, die genau dort blieben, wo Jess sie zurückließ.

Aus der dunklen Tiefe, vom Licht der künstlichen Sonnen unberührt, holte Jess Wasser empor und bewegte etwas, das lange unbewegt gewesen war.

Er spürte die pulsierende Präsenz der Nematoden, die Karla Tamblyn kontrolliert hatte,

230

doch in den Gehirnen der primitiven Lebewesen gab es keine Erinnerungen daran. Jess sondierte mit seinen Wental‐Sinnen, ohne den Geschöpfen zu schaden.

Cesca ging zur nächsten Wand, legte dort die Hände aufs Eis und setzte die Kraft in ihr frei. Sie schob die Wassermoleküle beiseite und teilte das Eis, streckte den Arm bis zur Schulter hinein. Funkelndes Licht ging von ihrer Hand aus, verbreitete sich wie kleine Wellen in einem Tümpel. Wentals strömten durchs dicke Eis und sausten nach oben, auf der Suche nach Rissen, die es zu schließen galt.

Jess holte noch mehr Wasser aus dem Ozean, formte wie aus Ton daraus neues Eis und füllte die von Karla geschaffenen Rillen und Hohlräume. Er stabilisierte die Eisflächen, auf dass sie wieder festen Boden für die Pumpanlagen boten.

Er ließ Stützsäulen wie Stalaktiten aus der hohen Decke herabwachsen und Wasser aufsteigen und gefrieren ‐ beides vereinte sich zu Pfeilern, die ebenso dekorativ wie funktionell waren. Zusammen mit Cesca glättete er die Wände der Eishöhle und begradigte die Liftschächte. In der Dec e k

verankerten sie schwere Halterungen für neue künstliche Sonnen.

Sowohl die Tamblyn‐Brüder als auch die von Osquivel stammenden Arbeiter mussten hastig zur Seite weichen, um bei dem schnellen Wiederaufbau nicht im Weg zu sein. Was unter normalen Umständen Stunden, Monate oder sogar Jahre gedauert hätte, brachten Jess und Cesca in kaum sechzig Minuten zustande.

Voller prickelnder Energie traten sie schließlich zurück und sahen sich das Ergebnis an. In Decke und Wänden der großen Höhle funkelten und schimmerten Reste der Wental‐Kraft. Wynn und Torin standen beide mit offenem Mund da und hatten nie so sehr wie Zwillinge ausgesehen. Caleb blieb skeptisch und schien zu glauben, dass noch immer etwas sc en

hiefgeh

konnte, ganz gleich, wie neu und perfekt alles aussah.

Wentals widerstrebte es, ihr

Den

neues Habitat zu verlassen. Durch die

Ausbreitung in Eis und Wasser des Mondes

230

hatten sie Kraft gewonnen und sogar Spaß gehabt. »Es wird Zeit für den Rückzug«, sagte Jess. Das wissen wir.

Plötzlich spürte er, wie Kraft in ihn zurückfloss. Der phosphoreszierende Glanz verließ die Wände, Säulen und die Tiefen des Ozeans. Das schimmernde Wunder nahm Abschied vom Eismond.

Jess atmete tief durch. Cesca schlang die Arme um ihn. »Wir haben gute Arbeit geleistet«, sagte sie.

82 # DENN PERONI

Als die Sture Beharrlichkeit auf Ildira landete, tastete Denn unbewusst nach dem Band in seinem Haar. Er hatte sich etwas Duftwasser an den Hals getupft und seine beste Kleidung angezogen. Caleb hielt ihn für einen Dandy, der zu sehr auf sein Äußeres bedacht war. Aber Denn ließ sich von dem Spott nicht vergrämen. Seiner Meinung nach hätte Caleb gut daran getan, selbst mehr auf sein Erscheinungsbild zu achten. Und auch auf Hygiene.

Im Prismapalast nahmen Rlinda Kett und Branson Roberts bereits an einem Empfang teil. Denn erfuhr, dass er ‐ zum Glück! ‐ eine Vorstellung ildiranischer Sänger verpasst hatte. Für die Musik der Ildiraner hatt ich

e er s

nie erwärmen können.

Der Weise Imperator hieß ihn willkommen und bat ihn, am langen Tisch Platz zu nehmen, in der Nähe der anderen menschlichen Händler. »Captain Kett hat mir von der neuen Regierung der Menschen erzählt. Die politischen Differenzen und Probleme bei Ihnen faszinieren mich immer, aber ich muss

gestehen, dass ich sie nicht ganz verstehe.«

a

»Wir uch nicht, Herr. Selbst nach Jahrtausenden versuchen wir noch immer, damit zurechtzukommen. Wir geben uns alle Mühe.«

231

Ildiraner des Bediensteten‐Geschlechts eilten herbei und brachten Denn einen Teller mit extravaganten Köstlichkeiten. Dies war zweifellos besser als die Fertiggerichte an Bord oder das Essen des Proviantmeist von

ers

Osquivel.

Während der Mahlzeit sprachen sie darüber, neue Handelsrouten einzurichten und mehr Waren für den ildiranischen Markt anzubieten: Ekti von den Wolkenminen der Roamer, exotische Produkte von Theroc, hitzebeständige Materialien von Constantine III. Immerhin war Rlinda die Handelsministerin der Konföderation, und Denn repräsentierte die Roamer‐

Clans.

Die TVF hatte Rhejak übernommen, und hinzu kamen wenig erfreuliche Meldungen über die Situation auf der Erde, aber abgesehen davon gewann Denn den Eindruck, dass die Situation sich allmählich verbesserte.

Geschichten über die Rückkehr der Klikiss, die seit Jahrtausenden als ausgestorben galten, klangen übertrieben und nicht unbedingt n ch einer a

konkreten Gefahr, obwohl Denn nicht an ihrem wahren Kern zweifelte.

Er war schon einmal auf Ildira gewesen, und die Veränderungen beeindruckten ihn. »Ich habe Ihre Orbitalwerften gesehen, Herr. Sie erneuern die Solare Marine zehnmal schneller, als das in meinen Roamer‐

Werften möglich wäre. Vermutlich liegt es an Ihrer perfekten ildira nischen

Kooperation.«

Der Weise Imperator lächelte. »Eigentlich müssen wir Menschen für diese Effizienz danken. Eine Technikerin namens Tabitha Huck leitet die Arbeiten in den Orbitalwerften. Sie gehörte zu den Himmelsminenbetreibern der Hanse, die eine Zeit lang ... unsere Gäste waren. Wir haben ihr angeboten, für uns tätig zu werden.«

»Menschen der Hanse leisten das?«, fragte Denn Peroni erstaunt. »Vielleicht könnte ich das eine oder andere von dieser Tabitha Huck lernen.«

eise Imperator w

Der W

andte sich an einen Bediensteten, der sofort loseilte.

»Ich werde Ihnen eine Besichtigungstour ermöglichen.«

232

Die ildiranischen Orbitalwerften kamen einem Muster an Effizienz gleich.

Denn glaubte, seinen Augen nicht trauen zu können. Bauarbeiter flogen präzise koordiniert durchs All, wie Tänzer, die alles perfekt eingeübt hatten.

Die Komponenten der Kriegsschiffe wurden so montiert, als wollten sie zusammengesetzt werden. Denn sah keinen einzigen Fehlgriff, nicht das geringste Zögern. »Das ist unglaublich, Ms. Huck. Beim Leitstern, so etwas habe ich nie zuvor gesehen. Es ist kaum zu fassen.«

Bei den Ildiranern gab es offenbar eine telepathische Verbindung, aber die wenigen Dutzend früheren Hanse‐Techniker (die Denn nie sonderlich beeindruckt hatten), schienen ebenso gut aufeinander abgestimmt zu sein.

Tabitha leitete die Arbeitsgruppen von ihrer zentralen Station aus. Sie gab ihren Untergebenen knappe Anweisungen, nannte dabei nur einige wenige Details, und doch wussten alle, worum es ging, und die Zusammenarbeit funktionierte reibungslos.

Mit ihrem kantigen Unterkiefer und der etwas zu breiten Nase war Tabitha nicht unbedingt eine Schönheit. Hinzu kam, dass sie das Haar kurz trug, was praktischen Erwägungen gerecht wurde und nur wenig mit Mode zu tun hatte. Trotzdem hatte sie eine Ausstrahlung, eine Aura von Zufriedenheit, die ihr eine andere Art von Ästhetik verlieh. »Eigentlich ist es ganz einfach, wenn man weiß, worauf es ankommt, Mr. Peroni. Wenn alle eine gemeinsame Vorstellung teilen, werden Anweisungen zu beiderseitigem Einvernehmen. Jeder Mann und jede Frau weiß, was er oder sie zu leisten vermag und was alle anderen machen. Auf diese Weise gibt es keine unnötige Redundanz. Alles klappt problemlos.«

»Aber wie stellen Sie das an?« Denn beobachtete die rege Betriebsamkeit bei den Raumdocks. In nur einer Stunde war das Gerüst eines neuen Kriegsschiffs mit der Hälfte aller benötigten Rumpfplatten ausgestattet worden. »Vielleicht sollte ich Ildiraner einstellen, wenn sie so gut mit schen zusammen

Men

arbeiten. Können Sie mir den einen oder anderen Tipp geben?«

232

»Ich kann Ihnen etwas Besseres geben.« Tabitha lächelte, und ihre Haut schien zu leuchten.

Als hätte man ihn gerufen, kam Kolker genau in diesem Augenblick herein, mit einem glitzernden Medaillon auf der unbedeckten grünen Brust. »Ich habe etwas Neues entdeckt. Eine Verbindung von Thism, Telkontakt und menschlichen Gedanken. Meine Methode entfernt eine Augenbinde, von deren Existenz wir gar nichts wussten.«

»Ist es ein Betriebsgeheimnis, oder sind Sie bereit, mich einzuweihen?

Nennen Sie Ihren Preis, wenn es so gut funktioniert, wie Ms. Huck behauptet.«

»Es gibt keinen Preis. Es freut mich, dass Sie Int esse zei er

gen.« Kolkers

Finger strichen über das Medaillon. »Ich brauche es Ihnen nur z n.«

u zeige

»Es ist gratis? Aber das ergibt doch keinen Sinn.«

»Mein Lohn besteht darin, Ihren Gesichtsausdruck zu sehen, wenn Sie verstehen.«

»Wie Sie meinen.« Denn ließ sich vom grünen Priester die Hand auf die Stirn legen, wie zu einem Segen. »Ist dies eine Art religiöses Ritual? Aber wie ...«

»Ich glaube, ich bin stark genug, es ohne den Schössling zu schaffen«, sagte Kolker. »Ich habe die Lichtquelle, die Seelenfäden und den Telkontakt. Jetzt brauche ich nur noch... ah, da ist es ja.«

Kolkers Hand an Denns Stirn schien wärmer zu werden. Bevor der Roamer weitere Fragen stellen konnte, gingen in seinem Bewusstsein plötzlich tausend Lampen an, und neue Eindrücke strömten seinen Sinnen entgegen.

Er sah jeden und alles um sich herum: die Hanse‐Techniker, die Ildiraner und ihr Thism, die Raumschiffe im All, die Werften, den Planeten und seine sechs Sonnen. Seine Geist fühlte sich an, als hätte ihn jemand weit geöffnet, er fa

und

nd keine Worte, um seine Freude zum Ausdruck zu bringen.

»Donnerwetter!«, brachte er schließlich hervor.

233

83 # SULLIVAN GOLD

Als die Unersättliche Neugier auf den Start vorbereitet wurde, erhielt Sullivan vom Weisen Imperator die Erlaubnis, das Ildi‐ranische Reich zu verlassen. Er fand Rlinda Kett und Branson Roberts im Gespräch mit ildiranischen Beamten ‐ es ging darum, welche ildiranischen Waren verladen werden sollten. Rlinda brauchte einige Sekunden, um ihn zu erkennen. »Sullivan Gold, nicht wahr? Sie waren der Verwalter der Hanse‐

Wolkenmine, habe ich recht?«

»Ja«, sagte er, aber danach fehlten ihm die Worte. Eigentlich wollte er um keinen besonders großen Gefallen bitten, doch für ihn bedeutete es viel.

»Der Weise Imperator Jora'h hat mir geraten, mich an Sie zu wenden. Ich kann es gar nicht abwarten, wieder ein normales Leben zu führen, meine Frau und meine Enkel wiederzusehen. Es ist sehr schwe achric

r, N

hten zur

Erde zu schicken. Könnte ich vielleicht, äh, mit Ihnen fliegen?«

»Zur Erde?«, fragte Roberts. »Das soll wohl ein Witz sein.«

»Zur Erde oder wenigstens zu einem Außenposten der Konföderation oder der Roamer, wo ich eine Passage an Bord eines anderen Schiffes buchen kann. Es ist mir gleich, wie lange es dauert. Eins steht fest: Ich komme meiner Familie nicht näher, wenn ich hierbleibe. Der Weise Imperator hat versprochen, jeden Preis zu zahlen, den Sie verlangen.« Als Rli te,

nda kicher

fragte Sullivan: »Was finden Sie so komisch?«

»Ildiraner haben keine Ahnung, wie man verhandelt. Sie denken einfach nicht daran, dass jemand ein so großzügiges Angebot ausnutzen könnte.«

»Ich bin sicher, dass er es ernst meint«, sagte Sullivan. Der Weise Imperator hatte ihm eine Schachtel mit wertvollen Edelsteinen und münzenartigen Metallscheiben gegeben, mit denen er den größten Teil der Schulden seiner Familie bezahlen konnte.

234

»Oh, das glaube ich«, erwiderte Rlinda vorsichtig. »Aber die Neugier fliegt mit vollen Frachträumen. Schließlich bin ich die Handelsministerin der Konföderation. Wie viele wollen sonst noch mit?«

Sullivan kratzte sich an der Wange und bemerkte die Bartstoppeln ‐ er hatte erneut vergessen, sich zu rasieren. »Nur ich. Die anderen arbeiten mit Tabitha an der Erneuerung der Solaren Marine, und unser grüner Priester ist von irgendwelchen Offenbarungen oder einer neuen Religion fasziniert, was auch immer. Sie sind alle unzertrennlich geworden, und das meine ich nicht nur im übertragenen Sinn. Ich bin der Einzige, der Ildira e

verlass n

möchte.«

»Na schön, wir werden uns schon irgendwie einig.« Rlinda nahm das Diamantfilmblatt entgegen, das ihr einer der ildiranischen Handelsbeauftragten reichte. »Wir starten morgen. Sie sollten also sser be

damit beginnen, Ihre Sachen zu packen.«

Sullivan trat Tabitha und Kolker in der zentralen Verwaltungsstation gegenüber. Sie wirkten abgelenkt und beschäftigt. Kolker schien in stumme Gespräche vertieft zu sein wie beim Telkontakt mit anderen g ün r en

Priestern. Doch diesmal steckte mehr dahint r, spürt e

e Sulliva .

n

»Wollen Sie wirklich hierbleiben?«, fragte er zum dritten Mal.

»Wir sind hier glücklich«, antwortete Kolker.

»Und ich hatte nie zuvor eine Gruppe, mit der ich so gut zusammenarbeiten konnte«, sagte Tabitha. »Die ildiranischen Arbeiter folgen mir wie kleine Entlein, und der Weise Imperator bezahlt mich mehr als gut. Wa kön s

nte ich

mir sonst noch wünschen?«

»Und Sie, Kolker? Wir könnten Sie nach Theroc zurückbringen.«

»Ich brauche nur den Schössling zu berühren, wenn ich auf Theroc sein möchte. Hier wartet wichtigere Arbeit auf mich, und es gibt bereits viele Konvertiten unter den grünen Pries

234

tern.« Er zöge

ni zu uns geh

rte. »Und jetzt, da Denn Pero

ört... Dadurch

ergeben sich im Spiralarm neue Möglichkeiten für uns.«

Das überraschte Sullivan. »Denn Peroni?«

»Er wollte wissen, wie wir so effizient arbeiten können.« Tabitha lächelte zufrieden. »Er war sehr beeindruckt.«

»Und als ich es ihm zeigte ...«, sagte Kolker. »Für ihn fühlte es sich an wie die Lösung eines sehr komplexen Rätsels, an dem er sein Leben lang gearbei t te

hat.«

»Es dauert nur einige wenige Sekunden, und dann würden Sie verstehen, Sullivan«, sagte Tabitha in einem drängenden Tonfall. »Dann könnten Sie alles ganz deutlich sehen, so wie wir.«

Tabitha und Kolker waren fasziniert und begeistert, aber zum Glück deutete in ihren Gesichtern nichts darauf hin, dass sie daran dachten, ihn zu zwingen. Sie waren noch immer seine Freunde und würden nicht gegen seinen Willen handeln ‐ die Veränderung machte sie nicht zu Fanatikern mit blindem Missionarseifer. »Ich habe genug gesehen, herzlichen Dank, und ich beneide Sie nicht um Ihr Glück. Lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen, Ihnen für all die Jahre der guten Arbeit zu danken. Es war nicht immer leicht.«

Sullivan umarmte sie nacheinander, nahm seine Sachen und machte sich auf den Weg zu Captain Kett und ihrer Unersättliche Neugier.

84 * SIRIX

Sirix plante den Angriff auf die Brüterin und ihren wachsenden Subschwarm, während sich die von den Robotern übernommenen TVF‐

fe Ll

Schif

aro näherten. Angesichts ihrer begrenzten Ressourcen beschloss er einen neuen, direkten Angriff.

235

Er war gefährlicher und brachte ein höheres Risiko an Verlusten mit sich, aber er entsprach auch den Traditionen des alten Krieges und de weck,

m Z

für den die Roboter geschaffen waren.

Als die Schiffe in den Orbit schwenkten, sagte QT: »Ich habe alle zur Verfügung stehenden Daten über menschliche Aktivitäten auf Llaro sowie ihre Anlagen und industrielle Kapazität heruntergeladen. Ich kann Ih nen

eine Zusammenfassung geben, wenn Sie möchten.«

»Die Siedlung der Menschen interessiert mich nicht. Mir geht es um die Klikiss. Wir werden sie auslöschen, so wie wir auch die anderen Subschwärme ausgelöscht haben. Die menschliche Präsenz ist nicht wichtig.«

Die Sensoren orteten einen sich schnell entwickelnden Sub‐schwarm der Klikiss, was Sirix' Erwartungen entsprach. Neu errichtete Türme ragten zehn Stockwerke weit auf. In den alten Ruinen wimmelte es von Arbeitern und Ausrüstung. Ein Transportal stand im Freien, nicht weit von der ummauerten Siedlung der Menschen entfernt. Im weiten Umkreis gab es nicht mehr die geringste Vegetation, und Sirix vermutete, dass die Teilung der Brüterin unmittelbar bevorstand. Bei den anderen Subschwärmen im Spiralarm sah es bestimmt ähnlich aus. Sirix war entsch osse l

n, sie alle zu

vernichten.

»Das Verteidigungspotenzial ist beträchtlich«, sagte PD.

»Und der Subschwarm ist groß«, fügte QT hinzu.

»Wir sind bereit.« Sirix glaubte fest daran, dass er recht hatte. Bisher hatte er aus sicherer Entfernung angegriffen, dabei die Jazer‐Kanonen der Schiffe, ferngelenkte Bomben und nukleare Sprengköpfe eingesetzt. Diesmal sollten Bodentruppen gegen die Klikiss vorgehen. Die Waffenkammern an Bord der Kriegsschiffe enthielten jede Menge Jazer‐Gewehre, Impuls‐Blaster, hochenergetische Betäubungspistolen und Raketenwerfer.

Sirix stattete die Soldaten‐Kompis und alle schwarzen Roboter mit d

Han feuerwaffen aus. Seine Streitmacht bestand aus insgesamt tausend Robotern und doppelt so vielen Soldaten

236

ompis. Bei den kleinen Angriffsschiffen waren die Sicher‐eitssysteme deaktiviert worden, was bedeutete: Sie konnten mit der Geschwindigkeit von Projektilen auf die Oberfläche stürzen. Der harte Aufprall machte den Robotern nichts aus ‐sie würden die kleinen Schiffe sofort verl sen und as

in

den Kampf ziehen.

Einen solchen Angriff konnte der Subschwarm nicht überleben.

Sirix beschloss, selbst an dem Einsatz teilzunehmen, und er ließ sich von PD

und QT begleiten. Er zweifelte nicht daran, dass sie kompetente Kämpfer waren, aber er nahm sie vor allem deshalb mit, weil er ihnen das grässliche Wesen der Klikiss zeigen wollte. Außerdem sollte ihnen der heftige Kampf, den sie erleben würden, eine Vorstellung vom Ausmaß des alten Krieges zwischen den schwarzen Robotern und ihren Schöpfern vermitteln. Die beiden gefangenen Kompis nahmen jede Gelegenheit wahr, Neues zu lernen.

Wie ein Meteorregen gingen die Angriffsschiffe mit den Robotern außerhalb der ummauerten Menschensiedlung nieder. Der Aufprall war tatsächlich sehr heftig, aber Sirix fand sofort das Gleichgewicht wieder, öffnete die Luke und verließ das kleine Schiff mit den beiden Kompis. Schwarze Roboter und Soldaten‐Kompis kamen aus den anderen Angriffsschiffen, alle mit TVF‐

Waffen ausgerüstet.

Sie liefen sofort los und eröffneten das Feuer auf alle Klikiss, denen sie begegneten. Späher, Ernter und Techniker starben zu Hunderten. Die Klikiss quiekten und pfiffen, während die Roboter und Kompis keinen Ton von sich gaben. Sie stießen immer weiter vor, schneller als der Subschwarm reagieren konnte.

Vor ihnen, unweit der Klikiss‐Stadt, ragte das neue Transportal auf. Sirix vermutete, dass die Brüterin bereits viele Krieger zu anderen Welten geschickt hatte, um dort zusätzliche Subschwärme zu gründen oder isierende Brüterinnen zu töt

rival

en. Bei den neuen Bauwerken fand Sirix

nach kurzer Suche

236

das niedrige Gebäude, in dem sich das Zentrum des Sub‐schwarm‐

Bewusstseins befand.

Überrascht stellte er fest, dass die Mauer um die menschliche Siedlung offenbar von den Klikiss errichtet worden war. Furchterfüllte Siedler waren hastig Leitern emporgeklettert, standen auf der dicken Mauer und beobachteten den Ansturm der schwarzen Roboter. Die Brüterin hatte diese Menschen an einem Ort festgesetzt, und Sirix fragte sich nach dem Grund dafür. Damit die Menschen nicht im Weg waren? Oder hatten die Klikiss irgendetwas mit ihnen vor? Aber wozu konnten ihnen Menschen nüt ich zl

sein?

Hunderte von stacheligen Kriegern eilten den Robotern entgegen und versuchten, eine Verteidigungslinie zu bilden. Einige von ihnen flogen. Ohne Rücksicht auf die eigene Sicherheit warfen sich die Krieger den Soldaten‐

Kompis entgegen und starben im Speerfeuer von Jazer‐Strahlen un n

d kleine

Raketen.

Doch die Insektenwesen kamen so schnell heran, dass viele von ihnen die Soldaten‐Kompis erreichten. Die Klikiss zerfetzten die Kompis und machten sich dann über die schwarzen Roboter her. Sirix kämpfte mit wilder Entschlossenheit. Als er hinter den mit Dornen und Stacheln besetzten Kriegern einen großen Domat sah, setzte er sich sofort mit den anderen Robotern und Kompis in Verbindung. »Tötet den Domat. Das hat ob st er e

Priorität.«

Das metallene Heer richtete enormen Schaden an, als es sich dem gut verteidigten niedrigen Gebäude näherte. Vier Roboter griffen den großen Domat an. Sie schössen mit ihren Waffen, schlugen mit ihren Gliedmaßen und Greifklauen zu, und schließlich fiel das silbergrau und schwarz gestreifte Geschöpf ‐ ein großer Sieg für die Roboter.

PD und QT marschierten neben Sirix, schössen mit ihren eigenen Waffen und setzten beeindruckend viele Gegner außer Gefecht. QT richtete seine optischen Sensoren auf die Mauer, von der aus die hilflosen Menschen den Kampf beobachte

237

ten. Seine Worte überraschten Sirix. »Seht nur, die Menschen haben ebenfalls Kompis.«

Der schwarze Roboter drehte seinen flachen Kopf und sah zwei Kompis, die bei den entsetzten Menschen standen. Einer war ein schlichtes Gouvernanten‐Model, der andere ein Freund‐lich‐Kompi. Ein vertraut wirkender Freundlich‐Kompi. Sirix blieb stehen. »Das ist DD.«

85 * ORLI COVITZ

»Das ist Sirix«, sagte DD, und seine künstliche Stimme klang besorgt.

Von der Mauer aus beobachtete Orli, wie ein Schwärm schwarzer Roboter aus den Angriffsschiffen kam und die Klikiss massakrierte. Aus Angst vor der Brüterin hatten die Siedler ihre Verteidigung organisiert, während sich gleichzeitig eine weitere Gruppe auf die Flucht vorbereitete. Mit dieser In‐

vasion hatte niemand gerechnet.

Einige Stunden zuvor hatten Maria Chan und Crim Tylar ‐in denen Orli immer mehr so etwas wie Ersatzeltern sah ‐ Kleidungsstücke und Lebensmittel zusammengepackt, die sie eigentlich gar nicht entbehren konnten. Sie wollten das Mädchen fortschicken, wenn sich eine Gelegenheit dazu ergab. Orli hatte ihre Synt

izerstr

hes

eifen genommen und sie in ihren

Rucksack gepackt.

Dann waren die Roboter gelandet.

Orli wusste nicht, ob sie sich freuen oder noch mehr fürchten sollte. Die schwarzen Roboter töteten weitaus mehr Klikiss, als es den menschlichen Verteidigern möglich gewesen wäre. Aber sie hatten auch die Menschen der

‐Kolo

Corribus

‐nie umgebracht, unter ihnen Orlis Vater.

238

»Das ist Sirix«, wiederholte DD. »Wir müssen von hier fliehen.«

»Derzeit sind die Roboter beschäftigt«, sagte Mr. Steinman. »Sie haben ke e in

Zeit für uns.«

Wie um seinen Worten zu widersprechen, hob Sirix einen mehrgelenkigen Arm, deutete damit zur Mauer und gab einen zwitschernden Pfiff von sich.

Einige Roboter lösten sich aus der Streitmacht der Angreifer und wandten sich der Siedlung zu. Mit ihren TVF‐Waffen schössen sie auf die Mauer und schufen tiefe Krater in ihr.

»In Deck

rief

ung!«,

Davlin. »Sie schießen nicht direkt auf uns, aber sie wollen ganz offensichtlich in die Siedlung eindringen.«

»Sie wollen zu uns«, sagte Orli und kehrte rasch in die fragwürdige Sicherheit hinter der Mauer zurück.

»Und zu mir.« DD klang sehr besorgt.

Die schwarzen Maschinen näherten sich der Mauer, während das Gros d er

Streitmacht den Angriff auf die stacheligen Klikiss fortsetzte.

Maria und Crim hatten ihre Schützen‐Gruppe zusammengetrommelt, und die Männer und Frauen gingen mit ihren Waffen in Verteidigungsposition.

Aber es widerstrebte ihnen, auf die schwarzen Roboter zu schießen. »Ich verschwende nicht gern Munition«, sagte Maria.

»Aber ich würde gern einige dieser Roboter erledigen«, erwidert

.

e ihr Mann

»Ich muss die Kinder schützen«, ließ sich UR vernehmen. »Wenn dies eine Gelegenheit zur Flucht ist, so sollten wir sie nutzen.«

»Es ist mehr als nur eine Gelegenheit«, sagte Davlin. »Diese Ablenkung gibt uns die Chance, doppelt so viele Personen von hier fortzubringen. Die Leute sollen au

, solan

fbrechen

ge sich die Klikiss und ihre Roboter gegenseitig

ablenken.«

n

»Sola ge sie sich ablenken?«, wiederholte Mr. Steinman. »Sie zerfetzen sich gegenseitig!«

238

»Umso besser«, sagte Crim. »Welcher Seite sollen wir die Daumen drücken?«

Margaret gesellte sich ihnen hinzu. Der Angriff schien sie zu bedrücken und gleichzeitig neue Hoffnung in ihr zu wecken. »Ganz gleich, wer aus diesem Kampf heute als Sieger hervorgeht... Anschließend hat er es auf uns abgesehen.«

»Wohin sollen wir uns wenden?«, fragte DD. »Begleiten Sie uns?«

»Mir ist noch nicht ganz klar, was ich tun muss.«

Maria gab ihre

en Stoß m

m Mann ein

it dem Ellenbogen. »Wenn eine Gruppe

aufbricht... Du solltest dich ihr anschließen, Crim.«

»Nein! Ich bleibe bei dir.«

»Wir haben eine Vereinbarung. Für niemanden von uns gibt es Sicherheit.

Die Flüchtlinge in Davlins Versteck brauchen deinen Schutz ebenso wie die Leute hier meinen. Einer von uns muss am Leben bleiben, für Nik o ‐

k wo

auch immer er ist.«

»Wir wollten eine Kreditscheibe werfen und entscheiden lassen.«

»Das habe ich bereits ‐ du hast verloren. Außerdem schieße ich besser.«

»Das stimmt nicht«, sagte Crim verwirrt. »Ich schieße ebenso gut wie du.«

»Heute nicht. Geh mit den anderen!« Maria gab ihrem Mann einen raschen Kuss, umarmte Orli und kletterte dann eine wacklige Leiter hoch zu den anderen Schützen, die auf der Mauer standen und bereits das Feuer eröffnet hatten. Sie schoss zusammen mit den Männern und Frauen, denen sie den Umgang mit Waffen beigebracht hatte. Mehrere Roboter, die bereits an der Mauer hochkletterten, wurden getroffen und stürzten zu Boden.

Davlin ergriff Mr. Steinmans dünnen Arm und zog ihn zu Orli, dem erna

Gouv

nten‐Kompi und den Kindern. »Führen Sie sie zum Unterschlupf in den Sandsteinklippen. Sie begleiten sie, Bürgermeister Ruis.«

239

»Aber wie sollen wir die Siedlung verlassen, ohne gesehen zu werden?«

Ein von den angreifenden Robotern abgefeuertes Geschoss explodierte an einem Klikiss‐Turm. Das Gebäude stürzte ein, und die Trümmer verschwanden in einer großen Staubwolke.

»Dieses Durcheinander wird noch eine Weile dauern. Lauft! Niemand wird euch bemerken.« Davlin holte die Fernbedienung aus seiner Tasche und drückte auf die Taste. Der an der Mauer platzierte Sprengstoff explodierte und riss ein Loch.

Orli zögerte vor der Öffnung, als sich der Staub legte. Zwar konnten sie jetzt alle in die weite, öde Ebene fliehen, aber in den Trockentälern bei den Klippen gab es kaum Schutz, nur einige Felsen und tote, klauenartige Bäume.

UR setzte sich in Bewegung und schob die Kinder vor sich her. Mr.

Steinman, Bürgermeister Ruis und Crim Tylar brachen mit einer eig nen e

Gruppe auf. DD drehte sich um. »Kommen Sie mit uns, Margaret?«

Die ältere Frau antwortete nicht sofort und sah Orli an. »Hast du die Synthesizerstreifen? Schütze die anderen, wenn die Klikiss kommen.«

»Wie meinen Sie das? Wird mich die Brüterin wiedererkennen?«

»Benutze deine Musik. DD, geh mit und hilf den Leuten!«

»Sollte ich nicht bei Ihnen bleiben, Margaret?« Die Stimme des Kompi wies darauf hin, dass er hin und her gerissen war.

»Du kannst diesen Leuten mehr helfen als mir. Geh jetzt!«

Mehrere schwarze Roboter kletterten über die Mauer, und ihre Waffen ört

zerst

en einen anderen Teil der Barriere. Als DD sah, wie sich Sirix nä rt

he e, machte er sich mit den anderen auf den Weg.

240

6 # WEISER IMPERATOR JORA'H

Als der Weise Imperator die Repräsentanten verschiedener Geschlechter begrüßte, beobachtete er Daro'hs Gesicht und bemerkte darin Intelligenz und Sensibilität. Anstatt jeden Tag damit zu verbringen, Vergnügungsgefährtinnen zu empfangen, wie es bei einem Erstdesignierten normalerweise der Fall war, leistete Daro'h seinem Vater und Ni ra im

Audienzsaal der Himmelssphäre Gesellschaft.

Jora'h war kaum vorbereitet gewesen, als ihn der Tod seines Vaters gezwungen hatte, zum Weisen Imperator zu werden, und dieser Fehler sollte sich bei Daro'h nicht wiederholen. Ein Erstdesignierter durfte nie vergessen, dass er eines Tages das Oberhaupt des Ildiranischen Reiches sein würde. Die Verbrennungen im Gesicht des jungen Mannes waren inzwischen fast geheilt, doch die zornige Röte würde noch eine Weile bleiben. Daro'h machte sich große Sorgen in Hinsicht auf die weit ren e

Aktivitäten der Faeros.

Jora'h konnte es ihm nicht verdenken. Seit er Adar Zan'nh mit der Rettungsmission beauftragt hatte, fühlte er ein beständiges Anwachsen der Furcht im Reich. Hinzu kam der Eindruck von Leere, eine besorgniserregende Stille im Thism. Seine Scouts waren nicht aus dem Horizont‐Cluster zurückgekehrt. Er hatte weder eine Meldung von Tal O'nh erhalten, der die einst rebellischen Welten besuchte, noch etwas von der wissenschaftlichen Gruppe auf Hyrillka gehört. Niemand erstattete Bericht.

Nach zwei Stunden höfischer Pflichten schien die Warteschlange der Pilger, die den Weisen Imperator sehen wollten, noch immer endlos zu sein. Jora'h gab Yazra'h ein diskretes Zeichen, woraufhin sie mit ihren drei Isix‐Katzen zum Podium trat und mit ihrem Kristallspeer auf den Boden klopfte. »Der Weise Imperator braucht jetzt Ruhe und möchte allein sein. Soll ich ebenfalls gehen, Herr?«, fügte sie an Jora'h gewandt hinzu.

240

Jora'h schüttelte den Kopf, und die Pilger verließen den Audienzsaal gehorsam. »Ich lege Wert auf euren Rat.« Er griff nach der Hand der grünen Priesterin an seiner Seite. Niras ungewöhnliche Präsenz verunsicherte und verwirrte die Ildiraner, und deshalb schwieg sie bei den Audienzen. Aber sie war da und gewährte Jora'h stumme Unterstützung.

Daro'h nahm neben dem Chrysalissessel auf dem Podium Platz. »Was wünschst du, Herr?«

»Das sollte ich dich fragen, mein Sohn. Du bist ganz offensichtlich beunruhigt.«

»Ich mache mir Sorgen um Dobro. Haben wir etwas von den dortigen Bewohnern gehört? Sind sie in Sicherheit? Sie haben so viel hinter sich, sowohl die Menschen als auch die Ildiraner, und jetzt sind sie ohne ein Oberhaupt. Können sie sich selbst regieren?«

»Das können sie bestimmt, wenn sie Gelegenheit dazu erhalten«, sagte Nira ein wenig zu scharf. »Dies ist vielleicht genau das, was sie brauchen.«

»Du hast jetzt eine größere Verantwortung, Erstdesignierter«, sagte Jora'h.

»Du musst an das ganze ildiranische Volk denken, nicht nur an die Bewohner von Dobro.«

»Ich verstehe, Herr. Und doch ...« Daro'h war das genaue Gegenteil des gefühllosen, egozentrischen Thor'h. Als zweiter adlig geborener Sohn war er in Udru'hs Fußstapfen getreten und hatte geglaubt, dass seine Verantwortung allein der Splitter‐Kolonie Dobro galt. Er hatte nie daran gedacht, einmal der Erstdesignierte zu werden. »Was können wir g

in Bezu

auf die Faeros tun?«

»Ich weiß nicht, was mit meinem Bruder Rusa'h geschehen ist. Ich weiß nicht einmal, wieso er noch lebt. Als er in die Sonne flog, wollte er sich direkt in die Lichtquelle stürzen. Es ging ihm nicht darum, wei den

teren Scha

anzurichten.«

»Die Faeros haben ihn irgendwie verändert«, sagte Daro'h. »Ich habe es ge he

se n.«

Jora'h nickte. »Seine Labilität und das falsche Thism müs 241

sen ihn für sie geöffnet haben. So bizarr es auch klingen mag, es ist nicht beispiellos. Vor kurzer Zeit habe ich erfahren, dass schon einmal Ildir n a er

zu den Faeros übergewechselt sind.«

Die Nachforschungen des Erinnerers Vao'sh und seines menschlichen Kollegen hatten die Probleme aufgezeigt, denen sich das Reich gegenübersah. Es bereitete Jora'h großes Unbehagen, noch mehr unangenehme Wahrheiten zu erfahren, doch diesem Wissen kam große Bedeutung zu. Wenn er nur einen Weg gefunden hätte, es konkret zu nutzen.

Die neuen Informationen enthüllten einen Teil von dem, was während des alten Krieges gegen die Shana Rei geschehen war, Geschöpfe, die Licht schluckten und Ildiraner in den Wahnsinn trieben. Geschichten über die Shana Rei dienten vor allem dazu, ildiranische Helden in Situationen zu beschreiben, die Tapferkeit und Opferbereitschaft erforderten. Bei ihrer sorgfältigen Lektüre hatten Erinnerer subtile Hinweise darauf gefunden, dass die Shana Rei eine Erfindung waren, eine Fiktion, die bei der Vertuschung des ersten Kriegs gegen die Hydroger entstandene Lücken füllen sollte. Doch auch das war eine Lüge. Bei weiteren Nachforschungen hatte Vao'sh festgestellt, dass die Shana Rei tatsächlich existierten. Und die Faeros hatten den Ildiranern geholfen, sie zu besiegen.

Zum ersten Mal weihte Jora'h jemand anders in die Geschichte ein, die die Erinnerer Vao'sh und Anton Colicos in den so lange versiegelten Apokryphen entdeckt hatten. »Vor langer Zeit fanden einige Ildiraner eine Möglichkeit, sich mit den Faeros zu verbinden und einen Kontakt herzustellen, der dem der grünen Priester mit dem Weltwald ähnelt. Als den Ildiranern der Untergang durch die Shana Rei drohte, wandte sich der damalige Weise Imperator namens Xiba'h mit der Bitte um Hilfe an die Faeros. Er hoffte, dass ihr elementares Feuer die Geschöpfe der Dunkelheit verjagen konnte. Als seine Kontaktversuche fehlschlugen, bereitete der e Imperat

Weis

or Xiba'h seinen Erstdesignierten vor und brachte ein großes Opfer dar, um die Faeros zu

rufen

242

»Welches Opfer?«, fragte Daro'h.

»Er bekam die Aufmerksamkeit der Faeros, indem er sich selbst verbrannte.

Mitten in Mijistra ging der Weise Imperator in Flammen auf. Es war ein unglaubliches Feuer, groß und hell. Als Xiba'h verbrannte, lockte sein Schmerz im Thism die Faeros an. Sie kamen und erklärten sich bereit, den Ildiranern zu helfen. Feuerkugeln der Faeros ver

ie Ges

trieben d

chöpfe der

Dunkelheit.«

»Das ist eine schreckliche Geschichte, Jora'h«, sagte Nira.

»Und doch entspricht sie der Wahrheit.«

Daro'h sprach etwas an, über das der Weise Imperator noch nicht nachgedacht hatte. »Wenden sich die Faeros deshalb gegen uns? Brachte Rusa'h ein größeres Opfer dar, als er sich in die Sonne stürzte? Sind sie deshalb zu seinen Helfern geworden?«

»Ich hoffe, das ist nicht der Grund, aber ich habe gelernt, Rusa'h nicht zu unterschätzen.«

87 * HYRILLKA-DESIGNIERTER RIDEK'H

Der Kreis schloss sich. Tal O'nh und seine Kriegsschiffeskorte beendeten die große Tour durch den Horizont‐Cluster. Sie hatten die von der Rebellion verheerten Welten besucht: Shonor, Alturas, Garoa und all die a deren n

Planeten, die Rusa'h mit seinem falschen Thism übernommen hatte.

Ridek'h begriff, dass der Weise Imperator die Reise nicht nur als zeremonielle Tour oder politische Demonstration geplant hatte. Der junge Mann hatte Gelegenheit bekommen, andere Designierte kennen zu lernen zu sehen, wie sie mit

und

den großen Herausforderungen umgingen ‐ das

bot Ridek'h die Möglichkeit, viel zu lernen. Trotz seiner jungen Jahre und 242

mangelnden Erfahrung fühlte er inzwischen eine größere Zuversicht, die Bereitschaft, dem gegenüberzutreten, was ihm bisher Angst gemacht hatte.

Er glaubte, seiner Aufgabe gerecht werden zu können. Er konnte auf die Hilfe des altgedienten Tal zurückgreifen, und auf die Arbeit und das Engagement des ildiranischen Volkes. Seines Volkes. Er stand nicht allein da, und er war nicht schwach. Er würde nicht aufgeben.

Tal O'nh brachte die Schiffe jetzt zurück nach Hyrillka, zu jener Welt, die der junge Ridek'h regieren sollte, wenn die dort tätige wissenschaftliche Gruppe zu dem Schluss gelangte, dass sie wieder besiedelt werden konnte. Mit eigenen Augen hatte er den Kampf der Faeros und Hydroger bei Hyrillkas primärer Sonne gesehen und beobachtet, wie sich das Klima des Planeten veränderte, als der Stern fast starb. Er selbst hatte all den tapferen Bewohnern die Anweisung gegeben, ihre Sachen zu packen und Hyrillka zu verlassen. Ridek'h hoffte, dass die Angehörigen des Wissenschaftler‐

Geschlechts den Planeten für eine Neubesiedelung freigaben.

Doch als die Kriegsschiffe Hyrillka erreichten, musste Ridek'h feststellen, dass das Lager der wissenschaftlichen Gruppe vollkommen zerstört worden war. Ein Inferno schien die teilweise wiederaufgebaute Stadt heimgesucht zu haben. Die Raumschiffe der Solaren Marine flogen langsam und in voller Alarmbereitschaft über den verbrannten Boden hinweg. Nur einige rußgeschwärzte Mauern waren von den Gebäuden übrig geblieben, und Asche breitete sich dort aus, wo sich das L

d

ager er Wissenschaftler

befunden hatte.

»Was ist hier geschehen?«, entfuhr es Ridek'h.

Der alte Tal blickte mit einem Auge auf die Bilder ‐ in der anderen Augenhöhle steckte ein Kristall. »Es dürfte klar sein, was hier passiert ist.

Die Faeros. Der Erstdesignierte Daro'h hat uns vor der Gefahr gewar .«

nt

Ridek'h trat an die Seite des alten Kommandeurs. »Zeigen Sie mir den Zitadellenpalast. Dort war Rusa'h zu Hause. Könnte er hierfür verantwortlich sein?« Die Antwort kam mit

243

den nächsten Bildern. Enorme Hitze hatte Stein und Glas des Palastes schmelzen lassen ‐ nur ein dunkler, glasiger Haufen war davon übrig.

Ridek'h verstand nicht, warum die feurigen Elementarwesen so viele Gebäude und auch die Wissenschaftler verbrannt hatten. Welchen Grund gab es dafür? »Sie können nicht alle tot sein. Das ist unmöglich!« Ridek'h drehte sich ruckartig zur Kommunikationsstation um und sah dann noch einmal seinen Mentor an, der zustimmend nickte. »Senden Sie auf allen Frequenzen.« Seine Stimme klang selbst für seine eigenen Ohren hoch und dünn, aber er erinnerte sich daran, dass er der Designierte war. »Hier spricht der Hyrillka‐Designierte Ridek'h. Ich rufe alle, die diese Nachricht empfangen. Bitte melden Sie sich.«

Eine seltsam vertraute ‐ und donnernde ‐ Stimme drang aus den Kom‐

Lautsprechern im Kommando‐Nukleus. Ridek'h drückte die Hände an die Ohren. »Der Name des Möchtegern‐Usurpators lautet also Ridek'h. Ein Kind.« Der Beobachtungsschirm schien in Flammen aufzugehen, und ein Gesicht erschien in dem Feuer ‐ Rusa'h. »Du bist nicht der wahre Hyrillka‐

Designierte! Ich bin hierher zurückgekehrt, weil ich meine Untertanen wieder in meinem Thism vereinen wollte, aber sie waren alle fort. Die wenigen Forscher, die ich den Flammen übergab, reichten den Faeros kaum.«

»Den Ausgangspunkt der Signale festste

, rief

llen!«

O'nh. »Woher kommen

sie?«

»Feuerkugeln der Faeros direkt voraus, Tal!«

»Alle Verteidigungssysteme aktivieren.« Fünf flammende El‐lipsoide rasten den Kriegsschiffen entgegen. »Sofortige Fluchtmanöver. Volle Beschleunigung.«

Ridek'h war bleich geworden und wandte sich an den militärischen Kommandeur. »Soll ich ihm antworten? Was soll ich sagen?«

ibt nichts zu

»Es g

sagen, Designierter. Wir müssen fort.« Ridek'h straffte die Schultern und versuchte, m

zu

utig

sein.

244

»Aber dies ist Hyrillka. Dies ist mein Planet. Er hat mein Volk angegriffen!«

»Und er ist der verrückte Designierte, der sich mit den Faeros verbündet hat. Uns bleibt nichts anderes übrig, als Sie in Sicherheit zu st

bringen. Das i

meine Priorität.«

Als die Einheiten der Solaren Marine beschleunigten, jagten die feurigen Schiffe wie riesige Kanonenkugeln heran. Der junge Ridek'h erinnerte sich an den Kampf bei Hyrillkas Sonne. Wenn die Faeros mit Kugelschiffen der Hydroger fertig werden konnten, hatten die ildiranischen Kriegsschiffe keine Chance gegen sie.

Tal O'nhs Streitmacht verließ die Atmosphäre von Hyrillka, und als das Flaggschiff plötzlich den Kurs änderte, kippte das Deck unter Ridek'h; er wankte und hielt sich an der Kommandostation fest. Von den Faeros verfolgt, flogen die Kriegsschiffe der Solaren Marine durchs interplanetare All.

»Kehr zu mir zurück.« Die Worte des verrückten Designierten klangen wie das Fauchen eines Flammenwerfers, Der Tal schenkte ihnen keine Beachtung.

»Treffen Sie Vorbereitungen für die Aktivierung des Sternenantriebs!«, rief O'nh. Niemand wusste, ob ihnen die Faeros auch dann folgen konnten, wenn sie mit Überlichtgeschwindigkeit flogen. Es gab kaum etwas, das man über sie wusste.

Die Faeros kamen näher, und erstes Feuer traf die verzierten Außenhüllen der ildiranischen Schiffe. Ein Triebwerk nach dem anderen wurde beschädigt, doch die großen Kriegsschiffe setzten ihren Flug fort.

Waffenoffiziere der Solaren Marine feuerten Projektile, Energiestra nd

hlen u

Raketen ab, doch damit ließ sich gegen die Feuerkugeln nichts ausrichten.

Ridek'h fragte sich, wie die Kriegsschiffe entkommen sollten. Er kniff die Augen zu und versuchte, den Weisen Imperator durch die Verbindung im Thism zu erreichen. Zwar war er der offizielle Designierte, doch ihn trennte eine Generation von den stärksten Strängen. Ridek'h konnte keine Nachricht übermitteln.

245

Der junge Designierte entnahm dem Gesichtsausdruck von Tal O'nh, dass der eine schwere Entscheidung treffen musste. Der alte Kommandeur sprach mit dem Kommandanten des letzten Kriegsschiffs. »Septar Jen'nh, Sie müssen die Faeros aufhalten. Unsere Priorität besteht darin, den Designierten Ridek'h zum Weisen Impera

tor zu ckzubringen. Er muss

überleben.«

»Wie Sie befehlen, Tal. Wie soll ich vorgehen?«

»Die Faeros unterscheiden sich von den Hydrogern, aber vielleicht erweist sich die von Adar Kori'nh entwickelte Methode als nützlich.«

Der Septar zögerte, aber nur für einen Moment. »Ja, Tal O'nh.«

Der Kristall in O'nhs Augenhöhle glänzte. »Im Namen des Weisen Imperators danke ich Ihnen für den Dienst, den Sie dem Reich erweisen, Septar Jen'nh. Die Lichtquelle wird Sie willkommen heißen, und die Saga der Sieben Sonnen wird sich an Sie erinnern.«

Jen'nh unterbrach die Verbindung ohne ein weiteres Wort. Das letzte und am schwersten beschädigte Kriegsschiff blieb zurück und wandte sich den heranrasenden Feuerbällen zu. Der Septar setzte alle Waffen ein, über die sein Schiff verfügte, feuerte damit auf den Gegner, doch die Explosion n e

verpufften wirkungslos.

Ridek'h beobachtete das Drama auf den Bildschirmen, als die anderen Kriegsschiffe ihre Flucht fortsetzten und den beschädigten Triebwerken alles abverlangten. Voller Sorge drehte er sich zu Tal O'nh um. »Was macht er? Was kann er erreichen?«

Septar Jen'nh manövrierte vor den Faeros und schien sie ablenken zu wollen. Wieder erklang die donnernde Stimme des Designierten Ru 'h.

sa

»Das ist sinnlos. Damit erreicht ihr nichts. Ihr...«

h überrasch

Jen'n

te sogar den verrückten Designierten, indem er sein Kriegsschiff direkt in die Flammen steuerte. Es

245

blitzte grell, und eine der Feuerkugeln flackerte. Ridek'h spürte stechenden Schmerz im Thism, als das Kriegsschiff verdampfte und alle Ildiraner an Bord verbrannten. Die Faeros stoben auseinander wie Funken aus der lut G

eines Feuers.

Es genügte. Die übrigen Kriegsschiffe der Solaren Marine wurden noch etwas schneller und erreichten die für den Sternenantrieb nötige Geschwindigkeit. Schlagartig wuchs die Entfernung zu den Faeros.

O'nh richtete den Blick des einen Auges auf Ridek'h, der schwer atmend und mit gerötetem Gesicht dasaß. »Wir sind noch nicht sicher, Designierter. Für niemanden gibt es Sicherheit.«

88 * ADAR ZAN'NH

Der Adar brachte seine Rettungsschiffe nach Cjeldre, der nächsten früheren Klikiss‐Welt auf seiner Sternenkarte. Bisher hatten sie vier kleine menschliche Kolonien auf Klikiss‐Planeten besucht und sie alle zerstört vorgefunden. Zan'nh versuchte, optimistisch zu bleiben und hoffte, da ss sie

diesmal Überlebende fanden.

Die völlige Vernichtung der Siedlungen und der Tod der Kolonisten hatten Zan'nh schockiert. Niemand verdiente so etwas. Nach zehntausend Jahren hatte es nicht den geringsten Hinweis auf eine Rückkehr des Insektenvolkes gegeben. Ildiraner waren zwar nicht davon ausgegangen, dass jene Welt en

zur freien Verfügung standen, aber inzwischen war Zeit genug vergangen.

Wegen der stark elliptischen Umlaufbahn des Planeten gab es auf Cjeldre viele Wintermonate. Zan'nh fragte sich, ob die menschlichen Kolonisten von den sehr niedrigen Temperaturen gewusst hatten, bevor sie durchs Transportal gekommen

246

waren, um ihre Siedlung zu errichten. Bestimmt hatten sie das Beste daraus gemacht und hart gearbeitet, um sich ein neues Zuhause zu schaffen. Es war die Art der Menschen. Zan'nhs Einstellung ihnen gegenüber änderte sich immer mehr.

Die Kriegsschiffe der Solaren Marine erschienen über den weiten, schneebedeckten Ebenen von Cjeldre. Adar Zan'nh öffnete einen Kom‐

Kanal, stellte sich vor, erklärte seine Mission und hoffte, kei z

ne Klikiss u

provozieren.

Als zahlreiche kleine Schiffe starteten ‐ wie jene, mit denen sie es bei Maratha zu tun bekommen hatten ‐, begriff Zan'nh, dass die Insektenwesen nach Cjeldre gekommen waren. Ihm wurde das Herz schwer. Er musste davon ausgehen, dass die Klikiss bereits al

le Menschen auf dem Planeten

getötet hatten.

Die kleinen Komponentenschiffe fügten sich zu einem riesigen Schwarmschiff zusammen, das vor Zan'nhs Flotte aufragte und immer wieder die Form änderte. Es griff nicht an, versperrte den ildiranischen Schiffen aber den Weg zum Planeten.

»Aufgrund der Größe des Schwarmschiffs können wir bei einer direkten Konfrontation keinen Sieg erringen, Adar«, sagte der taktische Offizier.

»Dann sollten wir es besser nicht zu einer Konfrontation kommen lassen.

Wir verzichten auf alle Manöver, die als Provokation aufgefasst werden könnten.« Zan'nh atmete tief durch und seufzte. »Bereiten Sie ein mit alten Übersetzungsgeräten ausgestattetes Kampfboot vor. Sie bleiben hier, in Verteidigungsbereitschaft. Ich begebe mich a

Pla

uf den

neten und spreche

mit der Brüterin.«

»Sind die Klikiss zu Verhandlungen bereit, Adar?«

»Die Klikiss sind mir unbegreiflich. Ich weiß nicht einmal, ob sie das Konzept von Verhandlungen verstehen. Nach unseren Aufzeichnungen leben Hunderte von menschlichen Kolonisten auf dem Planeten. Wenn die Klikiss sie nicht wollen, besteht unsere Aufgabe darin, sie fortzubringen.«

rere k

Meh

leine Kampfboote mit Ildiranern des Soldaten‐Geschlechts an Bord verließen die Kriegsschiffe, flogen vorsichtig 247

und ohne Zwischenfall an dem großen Schwarmschiff vorbei und sanken durch die Atmosphäre. Eine erste Sensorsondierung zeigte Anzeichen von menschlichem Leben, und Zan'nh schöpfte neue Hoffnung. Vielleicht kam er diesmal nicht zu spät.

Die Kampfboote landeten in der schneebedeckten Ebene unweit der immer weiter wachsenden Klikiss‐Stadt. Zan'nh stieg aus, trat allein in den bitterkalten Wind und ließ die Soldaten zurück. Neue Türme ragten zwischen den alten Ruinen auf, und in der Nähe standen die aus Fertigteilen errichteten Gebäude der Menschen. Eiszapfen hingen an Dachvorsprüngen, und hier und dort hatten sich Schneewehen gebildet. Um zu vermeiden, durch die niedrigen Temperaturen träge zu werden, hatten die Klikiss in ihrer Stadt Thermolaternen aufgestellt.

Zan'nh stapfte durch den kalten Wind und zeigte keine Furcht. Er würde sich auf die alten Übersetzungsprotokolle verlassen, und auf den eigenen Verstand. Selbst wenn die Klikiss seine Worte verstanden ‐ konnten sie auch ihre Bedeutung erfassen? Wenn ihm ein schrecklicher Fehler unterlief und es dadurch zu einem Krieg kam ... Er bezweifelte, dass das geschwächte Ildiranische Reich überleben konnte. Zan'nh atmete die kalte Luft tief ein und blieb in Bewegung.

Was mochte den menschlichen Kolonisten durch den Kopf gegangen sein, als plötzlich die Klikiss durchs Transportal gekommen waren? Zan'nh sah hohe Barrieren aus Harzzement, hinter denen frierende Menschen gefangen waren. Als ihm zirpende und zwitschernde Klikiss‐Scouts entgegenkamen, hob er ein automatisches Übersetzungsgerät. Zwei große Domate näherten sich.

Er blieb stehen und hielt die Hände offen, um zu zeigen, dass sie leer waren, wandte sich dann direkt an die Domate. »Ich bin wegen der Siedler ge mmen, die sich bei Ihrer Rückk

ko

ehr hier befanden.« Zan'nh wartete, bis

das Gerät übersetzt hatte. »Ich kann sie fortbringen.«

247

Die Brüterin sprach durch ihre Domate. »Dieser Planet gehört uns.«

»Ja, dieser Planet gehört Ihnen.« Zan'nh neigte den Kopf nach hinten und sah zu den großen Geschöpfen hoch. »Das bestreite ich nicht. Aber Sie sind zehntausend Ja

ort

hre f

gewesen. Diese Menschen wussten nicht, dass Sie

zurückkehren würden.«‐

»Wir sind zurück.«

»Und wir bringen die Menschen weg von hier, damit sie nicht länger stören.

Töten Sie sie nicht.«

»Sie waren hier. Dieser Planet gehört uns.«

»Sie wussten nichts von Ihnen.« Zan'nh sah ins kantige Gesicht des Klikiss vor ihm, erkannte darin aber keine vertrauten Regungen. »Wir wünschen keinen Konflikt. Wir möchten einen Konflikt verhindern. Wir sind Ildiraner.

Es gab keinen Zwist zwischen uns. Wir waren sogar Verbündete. I Brüt

hre

e‐

rin erinnert sich bestimmt daran.«

»Unsere Brüterin weiß alles«, sagte der Domat. »Aber dies sind ke ine

Ildiraner. Sie sind ... etwas anderes.«

Zan'nh veränderte die Einstellung des Übersetzungsgeräts. »Es sind Menschen, und ich bin gekommen, um sie wegzubringen. Dann haben Sie Ihren Planeten wieder ganz für sich allein, so wie damals.«

Die Krieger rieben ihre vorderen Gliedmaßen aneinander. Zan'nh hielt den Blick nach vorn gerichtet, und die Domate starrten ihn mit ihren Facettenaugen an. Warum zögerten die Klikiss?

»Erlauben Sie mir, die Menschen fortzubringen?«, fragte Zan'nh. »Sie sind keine Ildiraner und auch nicht an Ihren Kriegen beteiligt.« Angesichts der Kriegsschiffe am Himmel und der Kampfboote in der Nähe ... Zan'

e,

nh hofft

dass die Klikiss einen Konflikt mit der Solaren Marine vermeiden wollten.

Der angespannte Moment zog sich in die Länge. Die Brüterin schien über alle Aspekte des Problems nachzudenken und zu überlegen, welche Vor‐

und Nachteile sich daraus ergaben.

248

Schließlich hoben die Domate wie widerstrebend ihre mehrgelenkigen Gliedmaßen und wichen zwei Schritte zurück. »Nehmen Sie die Menschen und entfernen Sie sie von dieser Welt.« Der Domat deutete zur Maue , r auf

der Menschen standen und um Hilfe riefen. »Dieser Planet gehört uns.«

»Er gehört Ihnen«, bestätigte Zan'nh und erteilte den Soldaten in den Kampfbooten Anweisungen. Sofort schufen sie eine Öffnung in der Mauer, und verzweifelte Menschen verließen ihre Siedlung. Dankbar sanken sie auf die Knie und schluchzten; andere griffen nach den Händen und Unif r o men

der Ildiraner.

Zan'nh musste rasch handeln. »Nehmen Sie diese Leute an Bord der Kampfboote und bringen Sie sie zu den Kriegsschiffen. Wir müssen schnell handeln und dürfen den Klikiss keine Gelegenheit geben, es sich anders zu überlegen.« Weniger als hundert Kolonisten hatten überlebt, und an Bord der Kampfboote gab es genug Platz für sie.

Zan'nh wich zu seinem kleinen Schiff zurück und behielt dabei die Domate im Auge ‐ er konnte es gar nicht abwarten, Cjeldre wieder zu verlassen. Er schickte sich an, die Rettungsmission zu erfüllen, mit der ihn der Weise Imperator beauftragt hatte, aber ihm war nicht nach triumphieren zumute.

Reglos beobachteten die Klikiss, wie die Solare Marine den Planeten verließ.

89 # SIRIX

Bevor die schwarzen Roboter die Haupttürme auf Llaro zerstören konnten, kam plötzlich eine große, überwältigende Welle von Klikiss‐Kriegern aus der Stadt, ausgestattet mit den glockenförmigen Waffen, die Sirix beim erst n Ang

e

riff auf Wollamor kennen gelernt hatte. Konnte dies der gleiche Subschwarm

249

sein? Die Krieger begannen damit, schwarze Roboter, Soldaten‐Ko i

mp s und

sogar im Weg stehende Klikiss niederzumähen.

Gegen die unerwartete Verstärkung hatten Sirix' Truppen kaum eine Chance. Er sah die sich anbahnende Katastrophe und begriff, dass er es sich nicht leisten durfte, DD weiter zu verfolgen oder den Kampf gegen die Klikiss fortzusetzen. Zwar waren die Verluste der Insektenwesen dreimal so groß wie die der Roboter, doch Sirix wusste, dass er noch mehr Verluste nicht verkraften konnte. Ihm blieb keine andere Wahl, als den Rückzug anzuordnen.

»Zu den Schiffen! Zurück in den Orbit.« Er dachte daran, noch einmal die schweren Waffen zu verwenden, um die Klikiss auf dem Planeten auszulöschen und seinen Gefährten die Flucht zu ermöglichen. Vielleicht war es doch noch möglich, den Sieg zu erringen, wenn auch zu einem höheren Preis als vorgesehen.

Einige TVF‐Landeschiffe waren beim Aufprall beschädigt worden, und den an Bord kletternden Robotern gelang es nicht, die Triebwerke zu zünden.

Ein Schiff startete, doch dann fiel der Antrieb aus, und es stürzte ab. Bevor die Roboter aus dem Wrack kriechen konnten, fielen die Klikiss

.

über sie her

Es waren so viele schwarze Roboter auf dem Boden zerstört worden, dass es für die Übrigen genug funktionierende Schiffe gab. Sie hoben ab, stiegen gen Himmel und verließen das Schlachtfeld mit der Absicht, aus der Umlaufbahn ein Inferno zu entfesseln.

Doch die Brüterin von Llaro hatte noch eine unangenehme Überraschung parat.

Die Klikiss reagierten, als Sirix' Landeschiffe zur Kampfgruppe im Orbit zurückkehrten. Sie hatten noch nicht angedockt, als Hunderte von kastenförmigen Raumschiffen ihre planetaren Basen verließen.

Di Größe der

e

feindlichen Streitmacht und die schnelle Reaktion der Klikiss deuteten darauf hin, dass die Brüterin

249

Vorbereitungen für einen Schwarmkrieg getroffen hatte. Sirix hatte einen Subschwarm angegriffen, der weitaus besser vorbereitet gewesen war, als er erwartet hatte.

Die kleinen Schiffe erreichten die Umlaufbahn und eröffneten das Feuer auf die größeren TVF‐Einheiten. Wie Mücken schwirrten sie umher, dann verbanden sich die einzelnen Schiffe miteinander und bildeten etwas, das Sirix als ein Kli‐kiss‐Schwarmschiff erkannte, mit genug Feuerkraft, um die Panzerung eines TVF‐Schlachtschiffs zu durchdringen.

Bei Scholld waren seine Roboter auf ein ähnliches Konglomeratschiff gestoßen, doch dieses Schwarmschiff verfügte zweifellos über ein noch größeres Potenzial. Die einzelnen Komponenten ordneten sich neu an und veränderten ihre Struktur, bis eine bizarre Kanone entstand; ihr Lauf war groß genug, um einen Asteroiden zu verschlucken. Energetische Ranken tasteten über die vielen Komponenten, wuchsen zusammen und versorgten die zentrale Waffe mit Energie.

In der Mündung der Kanone glühte es orangefarben, und dann blitzte es blauweiß. Die gewaltige Entladung traf einen von Sirix' Manta‐Kreuzern und desintegrierte ihn. Innerhalb von zwei Sekunden drehte sich das Schwarmschiff im All, richtete die Superwaffe auf ein neues Ziel und lud sie mit Energie. Bevor der zweite Manta noch beschleunigen und sich in Sicherheit bringen konnte, kam es zu einer neuerlichen Entladung, und der Kreuzer platzte auseinander.

Sirix wusste, dass sein Moloch ein primäres Ziel war. »Mehr Schub von unserem Triebwerk.« Das Schlachtschiff ging tiefer, flog durch die obersten Schichten von Llaros Atmosphäre und versuchte, hinter den Horizont des Planeten zu gelangen und sich damit aus dem Schussfeld des Schwarmschiffs zu bringen. Als es Llaros Schatten erreichte, änderte Sirix den Kurs und entfernte sich vom Planeten. Die hohe Beschleunigung machte widers

den

tandsfähigen Robotern nichts aus. PD und QT verloren das Gleichgewicht, fielen, rutschten übers Deck und prallten gegen die Wand.

250

Doch der Moloch konnte die Reichweite des Schwarmschiffs der Klikiss nicht schnell genug verlassen. Aus großer Entfernung spuckte es destruktive Energie, von der sich zum Glück ein großer Teil im All verlor.

Funken sprühten aus Konsolen im Kontrollraum des Molochs, aber das große Schiff wurde nicht vernichtet und setzte den Flug fort.

Eins der anderen Roboter‐Schiffe sprang über den Südpol des Planeten hinweg, hielt auf das Schwarmschiff zu und eröffnete das Feuer. Mehrere Jazer‐Strahlen trafen Dutzende von kleinen Komponenten, doch das Schwarmschiff änderte einfach seine Konfiguration und richtete erneut seine exotische Waffe aus ‐ diesmal zeigte die Mündung der Kanone auf den angreifenden Manta. Wieder blitzte es grell im All, und die Entladung verdampfte den Kreuzer.

Der Moloch floh, während das Schwarmschiff im Orbit des Planeten Jagd auf die übrigen TVF‐Mantas machte. PD kämpfte gegen die starke Beschleunigung an und brachte sich in eine sitzende Position. »Jenes Schiff hat sich für uns geopfert. Warum sollten Roboter so etwas tun?«

QT lag noch immer auf dem Boden und erwiderte: »Es ist... unerwartet und

... unlogisch.«

Sirix bestätigte das Opfer nicht. Jeder schwarze Roboter war einzigartig und nicht mehr oder weniger wert als die anderen. Es ergab keinen Sinn, dass sich einige von ihnen zerstören ließen, um ihn, ihren De‐facto‐Anführer, zu schützen. Die Vorstellung allein war verwirrend, doch Sirix nahm sich nicht die Zeit, über diese Anomalie nachzudenken. Stattdessen berechnete er die Verluste. Drei zerstörte Mantas, die Triebwerke des Molochs beschädigt.

Hunderte von schwarzen Robotern vernichtet.

Mit Vollschub verließen sie das Llaro‐System ‐ die Mission war fehlgeschlagen. Sirix' Träume von großen Eroberungen lösten sich auf. Mit Rest

dem

seiner einst so großen Streitmacht suchte er das Heil in der ht.

Fluc

251

90 * ORLI COVITZ

Orli und die anderen Flüchtlinge verließen die Siedlung, liefen über die von den Klikiss völlig abgeernteten Felder und versuchten, das Durcheinander des Kampfgebiets so schnell wie möglich hinter sich zu lassen. Die Brüterin kämpfte um ihren Schwärm, und Orli vermutete, dass sie alle Klikiss zurückgerufen hatte ‐ in der weiten Ebene gab es jetzt bestimmt keine Patrouillen mehr. Wir sind schon wieder auf der Flucht, dachte das Mädchen.

»Ich kenne einen Ort, wo wir bis zum Einbruch der Nacht Unterschlupf finden können«, sagte Mr. Steinman. »Wenn wir uns ranhalten, schaff ir

en w

es bis morgen Abend zu Davlins Versteck.«

Einige der Flüchtlinge stöhnten leise. Es waren insgesamt zwanzig, unter ihnen sieben Kinder und zwei Kompis. »Selbst wenn wir die Höhle mit den anderen erreichen, was dann?«, fragte Crim Tylar. »Verstecken wir uns einfach nur?« Offenbar behagte es ihm ganz und gar nicht, seine Frau i der n

Siedlung zurückgelassen zu haben.

Die a

ha

nderen

tten ähnliche Sorgen. »Wie lange können wir dort ohne Lebensmittel und Ausrüstung überleben? Einige Tage? Und dann?«

»Wir leben für einen weiteren Tag«, sagte Bürgermeister Ruis mit g m

roße

Nachdruck. »Und dann sehen wir weiter.«

»Ein Schritt nach dem anderen«, fügte DD munter hinzu. »Wer zu viele Schritte zu schnell macht, gerät ins Stolpern.« Er wanderte unermüdlich neben dem Gouvernanten‐Kompi. UR gab sich alle Mühe, die Kinder beisammenzuhalten. Manchmal trugen DD und er die kleineren von

;

ihnen

die Erwachsenen halfen ihnen dabei.

Jeder zurückgelegte Meter brachte sie weiter von der Siedlung fort in die weite Ebene, wo sie einer Klikiss‐Patrouille sofort aufgefallen wären. »Ich hoffe, die schwarzen Roboter

251

haben bei den Klikiss großen Schaden angerichtet«, sagte DD. »Es wäre auch gut, wenn Sirix zu den Opfern des Kampfes zählen würde.«

»Ich hoffe, sie schlagen sich gegenseitig die Schädel ein«, sagte Crim.

»Darüber würde ich mich freuen.« Er warf einen Blick a f Mr. S

u

teinmans

Projektilgewehr. »Wissen Sie, wie man damit umgeht?

«

»Man richtet es auf das Ziel und drückt ab, nicht wahr?«

»Es wäre mir lieber, wenn Sie mehr Erfahrung hätten.«

Nach drei Stunden Marsch führte Steinman sie zu einer Ansammlung von Felsen, manche von ihnen groß wie ein Haus. Als sie sich dort niederließen, war Orli völlig erschöpft. Den Kindern erging es nicht anders, und sie wimmerten leise, als sie zu Boden sanken. Orli rutschte näher heran, holte die Synthesizerstreifen hervor und spielte ein Schlaflied, während alle darauf warteten, dass es dunkel wurde. Sie fand einige Kraftriegel in ihrem Rucksack, brach sie auseinander und verteilte die Stücke unter den Kindern.

Der Gouvernanten‐Kompi war beeindruckt. »Danke, Orli Co‐vitz.«

DD stand wie ein Zinnsoldat am Rand der Felsengruppe und hielt Wache.

Die Flüchtlinge waren nicht eben leise, als sie sich für die Nacht einrichteten. Steinman lehnte sein Gewehr an einen Felsen und streck te

sich. »Ich könnte ein Nickerchen vertragen.«

»Etwas stimmt nicht«, sagte DD. »Ich höre ungewöhnliche Geräusc he.«

Ein Kratzen und Schaben kam aus den dunklen Spalten zwischen den Felsblöcken. »Ein verdammter Käfer!«, rief Crim und sprang auf.

Ein Klikiss‐Scout ‐ kleiner als ein gepanzerter Krieger, aber trotzdem sehr gefährlich ‐ kam aus seinem finsteren Versteck unweit der Kinder. Die en und M

Jung

ädchen schrien und sprangen zurück, stolperten dabei über Steine. DD ergriff einen Neunjährigen am Arm und zog ihn beiseite.

252

Der Klikiss klickte mit seinen vorderen Gliedmaßen. Mr. Steinman griff nach seinem Gewehr, doch das Insektenwesen stieß ihn einfach beiseite. Seine Flügel vibrierten, und ein bedrohliches Brummen erklang. Bürgermeister Ruis warf einen Stein nach dem Geschöpf, doch er prallte an dem harten Ekto‐skelett ab.

Als sich der Klikiss den Kindern zuwandte, trat ihm UR in den Weg. »Sie werden ihnen nichts zuleide tun.« Eine Gliedmaße kam herab und traf den Gouvernanten‐Kompi ‐ der wuchtige Hieb hätte einen Menschen getötet, doch UR erbebte nur, ohne von der Stelle zu weichen. Der Scout pfiff, packte URs rechten Arm mit zwei Klauen, zog und riss ihn von der Schulter. UR

taumelte, und hydraulische Flüssigkeit spritzte aus dem Stumpf an der Schulter. Der Klikiss stieß gegen den Kompi, der zwische elsen fiel. DD

n die F

lief auf ihn zu, mit der Absicht, UR zu helfen.

Orli hatte eine verzweifelte Idee. Ihre Finger tasteten über die Synthesizerstreifen, aktivierten sie und begannen zu spielen. Aufs Geratewohl wählte sie eine ihr vertraute Melodie, und die Kläng t

e ertön en

aus dem integrierten Lautsprecher.

Als der Klikiss‐Scout die für ihn unvertraute Musik hörte, hielt er inne, drehte den Kopf und suchte nach ihrem Ursprung. Steinman zielte mit seinem Gewehr und schoss. Das Projektil verwandelte den Kopf des Klikiss in grünlichen Brei, und das Insektenwesen sank zuckend zu Boden.

Die Flüchtlinge erholten sich nur langsam von ihrem Schrecken und halfen UR wieder auf die Beine. Der Gouvernanten‐Kompi war benommen und desorientiert, und DD sprach in einem beruhigenden Ton. »Der Schaden lässt sich beheben. Es sind keine Speichermodule oder andere wichtige Systeme in Mitleidenschaft gezogen. Die offenen hydraulischen Leitungen kann ich abklemmen, um weiteren Flüssigkeitsverlust zu verhindern. Du mst wieder in Ordnung, UR.«

kom

»Das war sehr geistesgegenwärtig von dir, Orli«, sagte Ruis.

253

Er schien sich elend zu fühlen. »Eine sehr ungewöhnliche Ver‐

teidigungsmethode.«

Orli war von sich selbst überrascht. »Es schien mir das Richtige zu sein.

Margaret hat mich darauf hingewiesen.«

»Es tut mir leid für uns alle«, sagte Steinman, »aber wir müssen wieder aufbrechen. Die Brüterin hat uns durch den Scout gesehen.«

»Wunderbar«, kommentierte Crim und hob den abgetrennten Arm des Gouvernanten‐Kompis. »Verschwinden wir von hier, und zwar schnell.«

91 # VORSITZENDER BASIL WENZESLAS

Trotz Basils sorgfältiger Informationskontrolle machten sich die Leute ein eigenes Bild von der Situation, und einige begehrten sogar gegen die Hanse auf. König Peters Verurteilung des Vorsitzenden hatte sich bei den früheren Kolonien schnell herumgesprochen, auch unter den Dissidentengruppen auf der Erde, die immer mehr Zulauf bekamen.

Und das nach all dem, was der Vorsitzende für sie getan hatte! Sahen sie denn nicht, was auf dem Spiel stand? Basil kam sich wie jemand vor, der versuchte, eine Flut mit bloßen Händen zurückzuhalten. Warum lehnten die Menschen eine starke Führung ab und beharrten auf einem selbstzerstöre‐

rischen Verhalten? Sie ließen sich von allem ablenken und glaubten jedem lächerlichen Gerücht. Es wäre ihnen ganz recht geschehen, wenn er alles hingeworfen, seinen Posten aufgegeben und all die Idioten sich selbst überlassen hätte.

Aber das kam für Basil nicht infrage. Dafür lag ihm die Menschheit zu sehr erzen. Se

am H

lbst wenn sonst niemand sah, was getan werden musste, selbst wenn sich die anderen

253

weigerten, seine Anweisungen zu befolgen: Er hatte den erforderlichen Weitblick, um die Menschheit vor dem Untergang zu bewahren.

Die Terranische Hanse war die größte Organisation in der menschlichen Geschichte, die stärkste und wohltätigste Gemeinschaft, die der Mensch je gekannt hatte. Doch kaum sahen sich die Bürger Schwierigkeiten gegenüber, warfen sie all das über Bord. Was für eine Wankelmütigkeit! Sie weigerten sich, Opfer zu bringen oder hart zu arbeiten. Wenn sie sich doch nur so sehr bemüht hätten wie er! Sie waren schwach und ließen sich leicht von Lügnern und Scharlatanen wie König Peter beeinflussen. Manchmal verlor Basil fast die Hoffnung und zweifelte daran, ob er die Wende herbeiführen konnte. Aber er war der Vorsitzende der Hanse und hielt an der Entschlossenheit fest, alles in Ordnung zu bringen, ob es die Bürger wollten oder nicht. Er musste eben noch härter arbeiten.

Als Basil von den ungeheuerlichen Anschuldigungen und dem aufgezeichneten Geständnis von Patrick Fitzpatrick hörte, schickte er der früheren Vorsitzenden Maureen Fitzpatrick eine Vorladung, die er ihr von einigen Wächtern in ihrer Rocky‐Mountain‐Villa überreichen ließ ‐ auf diese Weise sollte sichergestellt sein, dass sie seiner Einladung auch wirklich Folge leistete. Hanse‐Prioritäten hatten Vorrang vor allen anderen Terminen, die Maureen haben mochte.

Als die frühere Vorsitzende eintraf, bot sie ein makelloses Erscheinungsbild in ihrem taubengrauen Gewand und der Halskette aus geschmackvollen Perlen. Ihre Haut war straff, und das Haar zeigte einen reifen Grauton; nichts deutete auf ihr wahres Alter hin. Zweifellos unterzog sich Maureen Fitzpatrick teuren Verjüngungsbehandlungen, die Tangextrakt von Rhejak verwendeten ‐ so wie auch Basil. Wenn Admiral Willis ihre Aufgabe e füllte, r

kosteten die Lieferungen von Rhejak bald nicht mehr so viel Geld ...

Ma reen bet

u

rat das Penthousebüro, ging zum Fenster und genoss die Aussicht. »Es ist eine Weile her, seit ich zum letz 254

ten Mal hier oben war. Danke für die Einladung.« Sie drehte sich zu Basil um. »Sie haben ziemlich viel am Hals. Brauchen Sie Rat?«

Basil runzelte die Stirn. »Ich habe meine eigenen Berater.«

»Nicht so viele wie ich damals, habe ich gehört.« Maureen ging zur Bar und nahm sich ein Glas Wein, ohne zu fragen. Damit setzte sie sich, trank einen Schluck, hielt das Glas ins Sonnenlicht und betrachtete den granatroten Inhalt. »Interessanter Jahrgang. Von Relleker? Ich kann Ihnen einig sere

e bes

Weine empfehlen, wenn Sie möchten.«

»Das ist nicht nötig. Ich trinke nur selten bei der Arbeit ‐und ich arbeite immer.«

»Ich erinnere mich gut an meine Zeit als Vorsitzende.« Maureen h

nahm noc

einen Schluck. »Nicht schlecht.«

Zorn brodelte in Basil, als er sah, dass sich Maureen Fitzpatrick in seinem Büro viel zu sehr zu Hause fühlte. »Die jüngsten Entwicklungen haben mich gezwungen, Sie hierher zu bestellen, Madame Fitzpatrick. Es geht um Ihren Enkel.«

Sie stellte das Glas ab. »Was hat Patrick angestellt? Seine Gefangenschaft bei den Roamern hat ihn stärke eei

r b

nflusst, als wir dachten. Er braucht

intensive psychologische Betreuung.«

»Er sollte verhaftet werden.«

Das schien Maureen zu erstaunen. »Wieso das denn? Braucht General Lanyan wieder einen Sündenbock für Soldaten, die sich unerlaubt von der Truppe entfernt haben?«

»In Kriegszeiten nennt man so etwas Desertion«, sagte Basil. Er spürte ein kurzes Verlangen nach einer Tasse Ka

o

rdam m‐kaffee und schob es beiseite.

»Diesmal geht es um etwas Ernsteres als

, Madame Fitzp

Desertion

atrick.«

»Jetzt haben Sie mein Interesse ge

ck

we t.«

»Ihr Enkel plant den Sturz der Hanse‐Regierung.«

Maureen lachte schallend. »Patrick? Mein Patrick?«

Ba l akt

si

ivierte den Tischschirm. Eine Aufzeichnung von Peters Rede war zu sehen, und es folgte Patrick Fitzpatricks Geständnis.

255

Maureen hörte ernst zu. »Ja, Patrick hat mir von dem Angriff auf das Roamer‐Schiff erzählt. Ich habe versucht, ihm die politischen Realitäten zu erklären.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich bitte um Entschuldigung, Vorsitzender. Ich hätte nie erwartet, dass Patrick sich seinen TVF‐Pflichten entzieht, aber ich weiß, dass er sich sehr schuldig fühlte. Ich hätte besser auf ihn aufpassen sollen. Wissen Sie, seit einiger Zeit habe ich ihn nicht mehr gesehen. Er hat meine private Raumjacht gestohlen und ist damit verschwunden, bevor die Hydroger zur Erde kamen. Leider weiß ic t,

h nich

wo er sich aufhält.«

Basil kochte. »Er ist bei den Roamern, an Bord einer ihrer Wolkenminen!

Ich finde es schlimm genug, dass er in aller Öffentlichkeit von jenem Angriff gesprochen hat. Ich dachte, wir hätten die Roamer einigermaßen unter Kontrolle gebracht ‐und jetzt gießt er Öl ins Feuer. Und zur Krönung des Ganzen gibt er die Schuld nicht nur sich selbst, sondern auch seinem vorgesetzten Offizier und dem Kommandeur der Terranischen Verteidigungsflotte. Das ist absolut unverzeihlich. General Lanyan vorzuwerfen, den entscheidenden Befehl gegeben zu haben, und mir Vertuschung zur Last zu legen ... Es ist feige, die Schuld auf Vorgesetzte abzuwälzen! Ich möchte, dass Sie etwas unternehmen. Reden Sie mit Ihrem Enkel, bringen Sie ihn dazu, seine Behauptungen zurückzunehmen. H

n

ole

Sie ihn wenigstens hierher zurück.«

»Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie ich das anstellen soll. Er hört nicht auf mich.« Basil wollte die frühere Vorsitzende schon fortschicken, als sie sich vorbeugte. Sie sah sich im Zimmer um, als wollte sie sich vergewissern, dass niemand zuhörte. »Machen wir uns nichts vor. Sie wissen ebenso gut wie ich, dass Lanyan tatsächlich jenen Befehl gegeben hat. Es war eine sehr schlechte Entscheidung, mit gravierenden Folgen für uns alle. Dadurch kam es zu einer Konfrontation mit den Roamern.«

»Ich hatte die Situation immer unter Kontrolle.«

»Oh, natürlich.« Maureen musterte Basil einige Sekunden.

255

»Als frühere Vorsitzende bitte ich um Erlaubnis, ganz offen sprechen z u

dürfen.«

Seine Züge verhärteten sich. »Ich weiß konstruktive Kritik immer zu schätzen.«

»Mir ist klar, was Sie durchmachen. Während meiner Amtszeit musste ich mit mehreren Katastrophen fertig werden, und ich weiß, wie schwer so etwas sein kann. In der denkbar besten Welt gibt eine kluge Person kluge Anweisungen, die von klugen Leuten befolgt werden. Doch diese drei Dinge kommen nur selten zusammen. Angesichts der menschlichen Natur sind Kompromisse manchmal wichtiger als Befehle.«

»Kompromisse? Warum sollte ich Kompromisse mit Leuten schließen, die sich irrenl«

»Damit Sie dafür sorgen können, dass das Richtige geschieht. Sehen Sie sich die Entwicklung seit Beginn des Hydroger‐Kriegs an. Nehmen Sie Ihre Entscheidungen objektiv unter die Lupe. Sie werden feststellen, dass in der Rückschau betrachtet eine andere Vorgehensweise besser gewesen e.«

wär

»Zum Beispiel?«, fragte Basil in einem eisigen Ton, der deutlich machte, dass er eigentlich gar keine Antwort wollte.

»Zum Beispiel die Sache mit den Roamern und dem Ekti‐Embargo. Wie Sie Patricks Aussagen entnehmen können, waren die Vorwürfe der Roamer der Hanse gegenüber durchaus gerechtfertigt. Sie hätten Wiedergutmachung leisten und auf diese Weise den angerichteten Schaden begrenzen

.

können

Dann wäre die Hanse stark geblieben.«

»Danke für Ihren Rat. Ich werde ihn in Erwägung ziehen.« Basil t s and auf,

um Maureen zur Tür zu führen, aber sie war noch nicht fertig.

»Und dann Ihre peinlichen Streitereien mit König Peter. Er hatte recht hinsichtlich der Klikiss‐Roboter und Soldaten‐Kompis. Das ist inzwischen allen klar geworden, aber Sie wollen es trotzdem nicht zugeben. Sie inen nicht

sche

in der Lage zu sein, Fehler einzugestehen. Wenn der König jetzt gegen Sie Stellung bezieht, neigen die Leute dazu, ihm zu glaube n. Und

256

das ist noch nicht alles.« Maureen Fitzpatrick richtete den Finger auf Basil.

»Sie haben die Kolonien der Hanse im Stich gelassen, ihnen dringend benötigte Versorgungsgüter vorenthalten und die TVF benutzt, um ...«

»Danke. Ich werde, wie schon gesagt, Ihre Ratschläge in Erwägung ziehen.

Sie können Ihr Glas Wein mitnehmen, wenn Sie wollen.«

»Ich weiß Ihre Aufgeschlossenheit und Bereitschaft zum Zuhören sehr zu schätzen.« Maureens Stimme war voller Sarkas‐mus, als sie zur Tür ging.

Basil bemerkte etwas in ihren Augen und verstand plötzlich. Sie war wie ein Schakal in der Nähe eines verwundeten Tiers. Maureen Fitzpatrick wollte die Regierungsgeschäfte übernehmen und wieder zur Vorsitzenden werden! Vielleicht hatte sie ihren Enkel angestiftet, jene Vorwürfe zu erheben, in der Hoffnung, Basil dazu zu bringen, sein Amt niede ule rz

gen.

Die alte Streitaxt konnte ihn in erhebliche Schwierigkeiten bringen.

Nachdem sie das Büro verärgert verlassen hatte, rief Basil seinen Stellvertreter Cain zu sich. Maureen Fitzpatrick musste genau beobachtet werden.

92 # PATRICK FITZPATRICK III.

Der Wind von Golgen war kalt wie der Tod, als Patrick nach draußen trat. Er trug keine Fesseln ‐ wohin hätte er auch laufen können? Er fühlte sich hilflos und verloren, aber gleichzeitig verspürte er eine sonderbare Zufriedenheit. Er hatte endlich seine Verbrechen gestanden, und dafür erwartete ihn nun die traditionelle Strafe der Roamer. Mehr musste nicht gesagt werden. Patrick hatte nie das Wunder von Vergebung erwartet, sich a

nur d s eine oder andere Wort von Zhett erhofft. Als er sich auf dem offenen Deck plötzlich mit dem gren

257

zenlosen Himmel des Gasriesen und seinem unauslotbar tiefen Wolkenmeer konfrontiert sah, bekam er es plötzlich mit der Angst zu tun un nn zu

d bega

zittern.

Von einem logischen Blickwinkel aus gesehen war diese ganze Sache völliger Blödsinn. Er hätte zu Hause in der Villa seiner Großmutter bleiben, einen guten Job in der Terranischen Verteidigungsflotte annehmen oder mit einer politischen Karriere beginnen können, wie Maureen es sich ge‐

wünscht hatte. Ihre Hoffnungen in Bezug auf ihn waren oft falsch gewesen, aber er glaubte inzwischen, dass sie nur das Beste für ihn gewollt hatte. Er wiederum hatte die alte Streitaxt brüskiert und ihre Raumjacht gest le oh n,

um Zhett zu suchen.

Nun, er hatte sie gefunden, die Frau, die er liebte, und in welcher Lage befand er sich jetzt? Die Roamer wollten, dass er in den Tod sprang ‐ und Zhett hatte nicht ein einziges Wort an ihn gerichtet.

Patrick hatte sich selbst in die Ecke getrieben. Jetzt war es zu spät für die Flucht, und er wollte auch gar nicht fliehen. Alle Brücken waren hinter ihm abgebrochen.

Er hob den Kopf. Der Wind zerzauste ihm das Haar, und er kniff die Augen zusammen, blickte starr geradeaus. Die Schirmfelder waren deaktiviert; es gab keine Barriere zwischen Deck und offenem Himmel. Del Kellum erwartete Patrick zusammen mit den Verwaltern der anderen Wolken‐

minen.

Boris Goff war von Theroc zurückgekehrt, und Bing Palmer stand neben Kellum. In den meisten Gesichtern sah Patrick Zorn und auch Unbehagen.

Vielleicht wollten sie eigentlich gar nicht, dass es auf diese Weise endete.

Patrick wollte es gewiss nicht.

»Ich glaube, ich könnte mehr für Sie erreichen und mehr wiedergutmachen, wenn Sie mich am Leben lassen«, s

er. »Aber ich werde nicht

agte

um mein

Leben betteln.«

et

»Ges z ist Gesetz«, erwiderte Kellum.

Patrick nickte. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dafür sor 257

gen könnten, dass das Schiff meiner Großmutter zu ihr zurückgebracht wird.« Wie befohlen trat er auf dem metallenen Deck einen Schritt vor und sah Del Kellum an. Der kräftig gebaute Mann erwiderte den Blick, ohne irgendwelche Gefühle zu zeigen. Zhett war ebenfalls zugegen, stand mit geradem Rücken und vermied es, ihn anzusehen. Patrick hatte gehofft, Schmerz oder ein wenig Kummer in ihrem Gesicht zu erkennen. Er wünschte sich, dass sie zu ihm lief und ihn festhielt, ihn daran hinderte, über die Planke zu gehen, aber sie rührte sich nicht von der Stelle.

»Patrick Fitzpatrick III., Sie wissen, warum Sie hier sind«, sa

, und

gte Kellum

seine Stimme hallte laut übers Deck.

Patrick atmete tief durch und sah zu dem einen Meter breiten Weg ins Nichts. »Na schön.« Man erwartete von ihm, dass er freiwillig auf die Planke trat und in die Tiefe von Golgen sprang, aber er wusste nicht, ob er genug Mumm dafür hatte.

Das Wolkenmeer erschien ihm ruhelos, sogar voller Groll. Patrick dachte noch einmal an all die Fehler, die er gemacht hatte, und an ihre weitreichenden Konsequenzen. Er wollte niemanden dazu zwingen, ihn von der Planke zu stoßen, und erst recht nicht in Zhetts Beisein um sein Leben flehen. Nein, das auf keinen Fall. Zwar hatte sie in keiner Weise auf seine Entschuldigungen reagiert und zeigte ihm noch immer die kalte Schulter, doch sie sollte ihn nicht als Feigling in Erinnerung behalten. Er trat auf die Planke. Ohne Geländer und ein weites Deck um ihn herum fühlte er sich plötzlich von Schwindel erfasst. Voller Bitterkeit dachte er daran, wie peinlich es wäre, das Gleichgewicht zu verlieren und einfach von der Exe‐

kutionsplanke zu stolpern.

Er straffte die Schultern und warf einen letzten Blick über die Schulter zu Zhett. Sie erschien ihm blasser, und die Lippen waren zusammengepresst.

Ein Funkeln in ihren Augen deutete vielleicht darauf hin, dass sie Tränen ck

zurü hielt. Es gab ihm ein wenig Kraft. Seine Reise hierher war nicht ganz umsonst gewesen.

258

»Ich akzeptiere die Strafe«, sagte er. »Ich weiß, dass ich großen Schmerz verursacht habe, und ich hoffe, dass mein Tod den Leidenden ein wenig Linderung verschafft.«

Von Zhett kam ein Geräusch, das sich wie ein unterdrücktes Schluchzen anhörte. Sie wandte sich halb ab, und das Haar fiel ihr vors Gesicht.

Patrick machte einen weiteren Schritt. Der am Geländer stehende Kellum schien zufrieden zu sein. Patrick war nicht böse auf Zhetts Vaters. Dem Clan‐Oberhaupt waren durch die eigenen Regeln die Hände gebunden.

Patrick räusperte sich. »Ich hoffe, du überwindest irgendwann den Hass auf mich, Zhett.« Er überlegte, ob er ihr sagen sollte, dass er sie liebte, fürchtete aber, dass sie glaubte, er wolle sie manipulieren. Außerdem: Wenn Zhett wirklich davon überzeugt war, dass er die Strafe verdiente, würde das Ge‐

ständnis seiner Liebe kaum etwas daran ändern.

Patrick sah wieder nach vorn, über die Planke und in die Leere. Unter ihm erstreckte sich das Wolkenmeer von Golgen, tief und dazu bereit, ihm den Tod zu bringen. Del Kellum biss sich auf die Lippe. Die Verwalter der anderen Wolkenminen wirkten unruhig und angespannt.

Noch ein Schritt. Die Umgebung schien von Patrick fortzurücken, an Realität zu verlieren. Und noch ein Schritt. Das Ende der Planke befand sich v m,

or ih

und dahinter erwartete ihn tödliche Leere.

Hinter ihm erklang eine Stimme wie das Lied eines Engels. »Warte! Bleib stehen!«

Patrick erstarrte wie von einem Fesselfeld erfasst. Er sah nicht zurück und starrte in die wogenden Wolken.

»Warte!«, rief Zhett erneut. »Na schön. Ich spreche für ihn. Richtet ihn nicht hin. Ich will keine Ausflüchte machen, aber ... aber er bedauert, was er getan hat. Lasst ihn auf eine andere Art und Weise büßen. Beim Leitstern, ich ertr g

a e es nicht, ihn sterben zu sehen!« Patricks Knie wurden immer weicher ‐ wenn er jetzt das Bewusstsein verlor, fiel er über 259

en Rand der Planke und in die Tiefe. Zhetts Stimme war vol‐er Gefühl, als sie sich an ihren Vater wandte. »Rette ihm das Leben, Vater, ich bitte dich!«

Patrick drehte den Kopf und sah, wie Zhett die Hände ihres Vaters ergriff.

Sie erschien ihm schöner als jemals zuvor, obwohl er sie durch n

eine

Dunstschleier vor seinen Augen sah.

»Sei nicht stur, Vater. Du weißt, dass dies nicht richtig ist. Lass ihn zurückkommen.«

Kellum hob die Arme. »Also gut, ihr habt es gehört! Ein Roamer hat für diesen Mann gesprochen. Holt ihn von der Planke.« Das Clan‐Oberhaupt wirkte sehr erleichtert und brummte. »Wurde auch Zeit, verdammt. Wie lange sollte dieses Affentheater denn noch dauern?«

Schwach und desorientiert wankte Patrick auf das Deck zurück, und Zhett schlang die Arme um ihn. Er blickte in ihre Augen, die ihm ebenso tief erschienen wie das Wolkenmeer von Golgen. »Ich hatte nicht mehr t,

gehoff

dass du für mich sprechen würdest.«

»Ich hab's mir im letzten Augenblick anders überlegt.« Zhett wich zurück und stemmte die Hände an die Hüften. »Du solltest es besser wert sein.«

Kellum näherte sich ihnen. »Ich wusste, dass sie ihre Meinung ändern würde.« Er sah seine Tochter an und lächelte. »Du hast dir verdammt viel Zeit gelassen ‐ Zeit genug, um Magengeschwüre zu bekommen. Waru st

m ha

du diesen armen jungen Mann so gequält?«

»Diesen armen jungen Mann? Er wurde zum Tod verurteilt! Ich habe ihn gerettet.«

»Nein, hast du nicht, Schatz.« Kellum schüttelte den Kopf. Patrick sah von Zhett zu ihrem Vater, der nun übers ganze Gesicht strahlte und Patrick zuzwinkerte. »Ich habe darauf gewartet, dass meine Tochter zur Vernunft kommt. Segler hielten sich mit Netzen bereit und hätten Sie aufgefangen ‐

nach einer Weile.«

Patrick schwankte, erneut der Ohnmacht nahe, und hätte 260

dem grinsenden Kellum am liebsten die Faust ins Gesicht geschmettert.

Zhett richtete einen finsteren Blick auf ihren Vater und ielt h

Patrick

weiterhin fest. »Du bist auf Bewährung, soweit es mich betrifft«, sagte sie.

Patrick wusste nicht, ob sie ihn oder ihren Vater meinte.

93 # CELLI