ZEHNTES KAPITEL

Um sechs Uhr hockten alle in meinem Jeep, verschlafen und gähnend, und nach zehn Kilometern schliefen die drei Frauen wieder. Nur Rodenstock starrte in die Lichtbahn der Scheinwerfer. »Was wird van Straaten denken, wenn er sie sieht?«

»Das kommt drauf an. Hat er die Zeitung vorher gelesen, wird der Schock nicht allzu groß sein. Auf jeden Fall wird er denken, er leidet unter Halluzinationen. Erst dann wird er überlegen, was er unternehmen kann.«

»Glaubst du, er wird sie töten wollen?« fragte er.

»Ich denke ja«, nickte ich. »Eigentlich muß er es sogar, denn Betty ist lebensgefährlich für ihn. Sie weiß zuviel, sie weiß viel zuviel.«

»Dann schickt er also einen Mann, um das erledigen zu lassen«, murmelte er.

»Das ist reine Spekulation. Vielleicht versucht er es diesmal persönlich.«

Ich wich einem Eichhörnchen aus, das wie ein schmaler Schatten über den festgefahrenen Schnee jagte.

»Ich denke, die schlafen im Winter«, sagte Rodenstock.

»Es ist eben kein Verlaß mehr«, erwiderte ich. »Auf nichts.«

»Was ist, wenn dieser Jimmy Muffensausen bekommt und Kremers anruft?«

»Das Risiko müssen wir eingehen, wir haben gar keine Wahl.«

Wenig später fragte Rodenstock: »Glaubst du, daß van Straaten den Mord richtig geplant hat?«

»Sicher hat er das. Jimmy sagt, er ist von van Straaten eine Woche vor Weihnachten gewissermaßen fest angestellt worden. Wie das, wo Ole und Betty doch noch fest im Sattel saßen und eifrig Geschäfte machten. Es war einer dieser Fehler, den der Beste macht. Van Straaten hat Jimmy in den Markt geschickt, weil er wußte, daß Betty und Ole nicht mehr lange leben würden.«

»Ja, ja«, antwortete er gedehnt. »Glaubst du, du könntest den Trauzeugen machen?« wechselte er dann das Thema.

»Oh ja, mit Vergnügen.«

Von der Rückbank kam Emmas Stimme. »Das ist aber eine erfreuliche Nachricht, Rodenstock. Aber hättest du nicht besser mich gefragt, ob ich dich überhaupt heiraten will?«

»Oh nein!« brüllte Rodenstock. »Das ist ja schlimmer als Ohnsorg-Theater!« Gegen das anschließende Gelächter konnte er sich nicht wehren. Anfangs war er richtig sauer, dann verzog sich sein Mund, wurde breit und breiter. Schließlich gluckste er und hieb sich begeistert auf die Schenkel. »Wir werden es der Welt schon zeigen, Weib!«

»Und wie!« pflichtete sie ihm bei.

»Herzlichen Glückwunsch«, gähnte Monika.

»Sehr schön!« hauchte Dinah innig.

In Höhe Monschau schlief meine gesamte Belegschaft bereits wieder und sortierte erst die Knochen, als ich die letzten Kilometer am Rand von Aachen entlangfuhr, um die Autobahn Richtung Holland zu erwischen. Dinah löste mich ab, ich hockte mich zwischen Emma und Monika und döste sofort ein.

Als ich aufwachte, hatte Dinah die Autobahn verlassen und fuhr sehr schnell auf einer Schnellstraße in die Innenstadt von s'Hertogenbosch. Emma übernahm selbstverständlich das Kommando. »Also: Meine Leute stehen so um die Verwersstraat, so daß van Straaten nicht entkommen kann, falls wir das wollen. Aber das wollen wir ja eigentlich nicht. Wir wollen, daß er dich sieht, Monika. Du kommst also vom Kirchplatz hoch und biegst dann nach rechts in die Straße ein. Du gehst bitte normal, eher langsam als schnell. Du bleibst vor seinem Geschäft stehen. In zwei Häusern gegenüber habe ich ebenfalls Männer und Frauen postiert. Du brauchst also nicht die geringste Furcht zu haben. Wir werden alles filmen und fotografieren. Wir fahren jetzt zuerst ins Präsidium und bringen die Kabel an, die Kamera und all den Schnickschnack ...«

Sie sprach noch gute fünf Minuten weiter, gab sehr ins Detail gehende Verhaltensmaßregeln und schaffte es, daß Monika nicht über Gebühr zittrig war.

Im Präsidium wurde die junge Frau mit all dem Equipment versorgt, das sie brauchte. Dann gingen wir alle auf unsere Posten, das heißt, Rodenstock, Dinah und ich stellten uns in die Einmündung einer Straße etwa hundert Meter vom Antik-Laden entfernt. So hatten wir einen hervorragenden Logenplatz.

»Lieber Gott, hilf ihr«, hauchte Dinah atemlos.

Jetzt kam im dunstigen Licht der schmalen, uralten Straße eine junge Frau in Rollkragenpullover und Jeans, in Westernstiefeln und Parka herangeschlendert, und es war mir bewußt, daß wir nicht annähernd alle Risiken hatten ausschalten können, daß jede Form von Überraschung möglich war bis hin zu einem schnellen Tod. Wer wollte denn behaupten, daß dieser Jörn van Straaten sich so sehr in der Gewalt hatte, daß er nicht hinging und Monika Sekunden nach dem ersten Begreifen erschoß – einfach so, sicher ist sicher.

»Lieber Himmel!« flüsterte Rodenstock.

»Geh nie auf dem Bürgersteig«, hatte Emma ihr eingebleut. »Der ist viel zu schmal, und die Gefahr, daß dir ein Fuß umknickt, ist zu groß. Du gehst in der Straßenmitte, Autos fahren dort nur selten, du kannst also in der Fahrbahnmitte gehen. Du ziehst die Kapuze deines Parkas über den Kopf. Und du streifst die Kapuze ab, wenn du ganz sicher bist, daß er dich im Blick hat. Erst dann, wirklich erst dann.«

Monika lief langsam und scheinbar ohne jede Erwartung, auf eine gewisse Weise wirkte sie trostlos einsam wie eine junge Frau, deren Liebe zerbrochen ist. Hinter ihr tauchte ein flacher Chrysler auf, wir sahen ihn, hörten ihn aber nicht. Er glitt unendlich langsam hinter dem Mädchen her und hielt sich sehr eng an der Bordsteinkante.

»Emma macht das richtig gut«, raunte Rodenstock stolz.

»Wo ist sie denn?« fragte Dinah.

»Was weiß ich«, murmelte er.

Jetzt hielt der Chrysler.

»Sie ist da«, sagte Dinah etwas zu laut, wenngleich niemand auf uns achtete.

Die schmale Figur hatte haltgemacht, war zwei Schritte auf das Schaufenster des Antik-Ladens zugegangen, den Kopf betont hoch. Es kam mir vor, als würde dort eine extreme slow motion ablaufen. Monika hob ihre Hand, ihre linke, und streifte die Kapuze vom Kopf. So stand sie da, und hätte sie geschrien: »Schau mich genau an!«, so hätte mich das nicht gewundert. Dann duckte sie sich in unsere Richtung ab. Sie machte drei oder vier langsame Schritte, bis sie aus dem Blickwinkel van Straatens herausgetreten war. Schließlich bog sie in die Gasse ein, die zum Kirchplatz führte.

Die Schnauze des Chryslers neigte sich weit nach vorn. Jetzt hörten wir den Motor. Der Wagen schoß Zentimeter an van Straaten vorbei, der aus seinem Laden gestürzt war und die Straße hinauf- und hinunter starrte. Er blieb eine ganze Weile dort, als glaubte er nicht, was er gesehen hatte. Dann ging er mit gesenktem Kopf in seinen Laden zurück. Eines war sicher: Der beherrschte Mann war aus der Fassung geraten.

»Vorhang«, sagte Rodenstock. »Jetzt können wir nur noch beten.«

Wir trafen uns am Präsidium und nahmen Monika in den Arm, die wächsern blaß und zittrig war und nicht wußte, ob sie lachen oder weinen sollte. »Er sah mich, Leute, er sah mich. Das Glas spiegelte etwas, aber ich konnte trotzdem erkennen, wie seine Augen ganz groß wurden. Sein Mund ging auf, als wollte er irgend etwas schreien. Was glaubt ihr, liebte er Betty?«

»Ich denke schon«, nickte Emma. »Auf eine gewisse Weise waren sie sich vermutlich ähnlich. Freibeutertypen.«

Sie ließ sich von einem Streifenwagen in ihre Wohnung fahren, um ein paar Sachen einzupacken. Als sie wiederkehrte, flüchtete sie sich an Rodenstocks breite Schultern, und es war ihr vollkommen gleichgültig, daß ein uniformierter Konstabier ihres Präsidiums dabei zusah.

»Bis jetzt«, sagte Emma dann spitz, »hatten wir nichts als einen Haufen Glück. Aber ihr Bild hat sich in seinem Herzen eingenistet. Das wird sein Krebs sein.«

Rodenstock starrte sie verblüfft an, als sehe er sie zum erstenmal.

Wir machten uns auf den Heimweg, das Lockmittel war gelegt, Emmas Leute waren längst vor uns auf der Autobahn und fuhren zu dem Bauern namens Adolphi in die Eifel, von dem sie noch nie im Leben vorher gehört hatten. Ich trat aufs Gas, bis Rodenstock spöttelte, es sehe so aus, als bekäme ich es bezahlt. Darauf wurde ich langsamer, und die Gesichter im Rückspiegel wurden etwas weicher. Dinah legte mir von hinten sanft einen Arm auf die Schulter; es war sehr gut, daß es sie gab.

»Will jemand wetten, daß ich es schaffe?« fragte Monika hell.

Niemand wollte das, und sie stotterte: »Bloß keine gute Laune, Leute.«

Emma fragte in Höhe Wißkirchen: »Haben wir irgend etwas Wichtiges vergessen?«, und gab sich selbst die Antwort: »Haben wir nicht, wir sind nämlich gut.«

Das Gelächter wirkte befreiend.

Ich suchte nach Nachrichten im Radio und stieß auf die wahrhaft entsetzliche Institution RTL – Der Oldiesender, in dem die Nachrichten den gleichen Stellenwert haben wie das Goggomobil bei Mercedes. Immerhin brachten sie rund fünf Meldungen, wovon die aufregendste war, daß Queen Elizabeth ihrem Charles befohlen habe, sich so schnell wie möglich scheiden zu lassen. Sie transit gloria mundi.

Ich rollte auf den Hof, ließ alle aussteigen und lenkte den Jeep in die Garage. Momo und Paul kamen zu mir, und ich ließ ihnen den warmen Jeep. Sie rollten sich nach zwei Minuten friedlich nebeneinander ein. Der Nebel hatte meine große Birke in einen strahlend weißen Turm verwandelt, der Reif lag kiloschwer auf den durchgebogenen Ästen. Ich stopfte die kurze DC, die statt eines pompösen Namens nur die Nummer 195 trug, und paffte vor mich hin. Dinah erschien in der Haustür. »Wo bleibst du denn?«

»Ich bin froh, mal allein zu sein«, knurrte ich.

Sie grinste. »Das wird schon wieder, Baumeister. Sie reißen dein Haus schon nicht ab.« Dann verzog sie die Nase. »Ich kann das verstehen. Ich würde jetzt auch lieber mit dir in der Badewanne hocken.« Sie ließ mich in Ruhe und verschwand.

Ich schleppte ein paar Arme voll Holz und eine Handvoll Briketts in das Arbeitszimmer. Der Ofen war noch an und loderte hell auf, als die trockenen Buchenscheite Feuer fingen. Ich holte mir ein Kissen und blieb vor dem Feuer hocken.

Es war schon dunkel, als der erste Anruf kam. Es war ausgemacht, daß ich an das Telefon gehen sollte. Jemand sagte mit starkem niederländischen Akzent: »Van Straaten hat das Geschäft verlassen. Er hat nicht telefoniert. Er bewegt sich aus der Stadt heraus Richtung Autobahn. Wir nehmen an, daß er nach Amsterdam zu seiner Familie wechselt. Wir sind hinter ihm. Drei PKW, zwei Kleinlaster. Er macht einen ruhigen Eindruck.« Dann klickte es.

»Er fährt von uns weg, statt in unsere Richtung zu kommen«, berichtete ich.

»Das war zu erwarten«, sagte Emma geduldig. »Wir müssen ihm Zeit lassen, mit der Situation richtig umzugehen. Er ist doch ganz verwirrt, der Arme.«

Dann klingelte erneut das Telefon. Diesmal war es Mario, der aufgeweckt forderte: »Hast du nicht ein paar Witze auf Lager? Mir ist so langweilig.«

»Habe ich nicht«, sagte ich. »Bitte um Verständnis, aber ich brauche ein freies Telefon.«

»Natürlich«, meinte er schnell und hängte ein.

Im Westen hatte der Himmel dicht über der Kimm einen intensiv roten Streifen, es würde noch kälter werden. Die Zeit wurde bleiern und blieb schließlich stehen, nichts schien sich zu bewegen.

Endlich hörte ich erneut die holländische Stimme. »Wir fahren jetzt wirklich auf Amsterdam zu. Er hat im Wagen ein paarmal telefoniert, aber wir haben keine Abhörmöglichkeit. Ende.«

»Keine Panik, Leute«, beruhigte Emma. »Er ist uns ganz sicher.«

»Dein Wort in Gottes Ohr«, schnaufte Rodenstock. »Und was, wenn er gar nicht in Junkerath auftaucht?«

»Dann schalten wir auf Plan B um und servieren ihm Monika zum zweitenmal«, erwiderte sie kühl. »Rodenstock, hast du geschlafen?«

»Nicht doch, nicht doch«, murmelte er. »Man macht sich nur so seine Gedanken.«

Mir wurde es zu eng, und ich marschierte mit meinem Handy in den ersten Stock. Ich legte mich auf mein Bett und las in Michael D. Coes Das Geheimnis der Maya Schrift, aber wenn ich ehrlich bin, war ich nicht bei der Sache und verstand kein Wort. Ich hörte, wie die anderen sich kurz vor Mitternacht voneinander verabschiedeten und wie Emma sagte: »Wir können ganz ruhig schlafen.«

Gerade als Dinah sich zu mir gesellte, fiepte das Handy und die holländische Stimme meldete: »Wir haben ihn verloren. Wir haben ihn verloren. Ungefähr sechs Kilometer vor der Stadtgrenze von Amsterdam. Wir bitten um Instruktionen. Ende.«

Ich brachte das Handy zu Emma und sagte: »Die erste Panne. Du sollst deine Leute anrufen.«

Sie war irritiert, fing sich aber schnell. »Das kann nicht schlimm sein, das haben wir gleich.«

Rodenstock machte ein besorgtes Gesicht.

Ich ging zu Dinah zurück und legte mich neben sie.

»Kann ich dich irgendwie ablenken?« fragte sie träge.

»Van Straaten ist ihnen entwischt.«

»Und wenn schon. Emma ist doch kein heuriges Häschen mehr. Baumeister, mach dich nicht verrückt. Ein solches Ding ohne Panne ist unmöglich. Und das weißt du.«

Draußen vor der Tür rief Emma hell: »Siggi, hier ist dein Handy. Es ist alles klar. Sie werden ihn wiederfinden.«

Ich ließ mich auf keine Diskussion ein, holte das Handy und wünschte ihr eine gute Nacht.

Wenig später hörten wir, wie sie und Rodenstock lachten.

»Geh gut mit ihr um«, murmelte Dinah. »Gib ihr die Chance, der Boß zu sein.«

»Die hat sie schon«, sagte ich gallig, aber ich wußte, ich war unfair.

»Nehmen wir an, ich kriege ein Kind«, flüsterte Dinah. »Nehmen wir weiterhin an, es wird ein Mädchen und wir nennen es Sophie. Sie wird vierzehn oder sechzehn und will zu ihrem Geburtstag einen Joint rauchen. Was würdest du tun, was würdest du auf ihre Bitte erwidern?«

»Ich würde wahrscheinlich Verständnis haben, aber Angst hätte ich auch. Ich würde sagen: okay, okay, aber laß mich dabei sein.«

»Ehrlich?«

»Natürlich. Sie ist jung, sie will es probieren. Und wenn sie mich nicht mehr mag, versucht sie es sowieso.« Ich grinste. »Wenn du jemanden nicht besiegen kannst, solltest du dich mit ihm verbünden.«

»Du bist ein Schlaumeier«, seufzte sie. »Ich wette, du würdest fluchen und vor Angst bibbern. Wahrscheinlich würdest du ihr eine runterhauen, oder?«

»Oh nein«, versicherte ich, aber ich wußte, daß Dinah wahrscheinlich recht hatte und wechselte sicherheitshalber das Thema. »Du kannst dich ruhig ausziehen, du brauchst nicht in den Klamotten zu schlafen. So schnell kommt van Straaten nicht.«

»Falls er überhaupt kommt. Wenn seine Frau klug ist, hält sie ihn davon ab.«

»Wenn er klug ist, läßt er sich nicht von ihr abhalten. Glaubst du auch, daß er Betty geliebt hat?«

»Ja«, nickte sie. »Normalerweise würde er das Risiko nicht eingehen, ein junges Mädchen als Nummer eins im Drogengeschäft einzusetzen und gleichzeitig ihren Fast-Ehemann zu betrügen. Ich denke, das war der Fehler, den er machte.« Sie streifte den Pullover über den Kopf, öffnete die Jeans, zog sie aus und deponierte sie über einen Kleiderbügel. »Das Häßlichste ist Marios Fuß und der Tod von Melanie. So nutzlos, so vollkommen idiotisch nutzlos.«

»Melanie hat Jonny geliebt«, sagte ich. »Sie hat ihre eigenen Regeln gebrochen.«

»Ich werde dick. Guck mal, hier am Bauch werde ich dick. Ich fühle mich zu sicher, zu geborgen, zu ruhig. Das geht nicht so weiter, Baumeister, ich bin in zwei Jahren eine Tonne. Und du wirst immer dünner.«

»Daran kannst du Leistungen messen«, meinte ich. »Komm her, und stell dir etwas Unanständiges vor.«

»Das geht nicht. Kein Mensch schläft in diesem Haus. Das können wir nicht bringen.«

»Wir könnten ja unter den Decken verschwinden«, schlug ich vor.

»Ich bin ein anständiges Mädchen«, sagte sie. »Jedenfalls jetzt noch. Und außerdem brauchen wir alle Kräfte und Nerven für unseren Liebling, den Jörn van Straaten.« Dinah löschte die kleine Lampe neben sich. »Schlaf ein wenig, Baumeister.«

Aber ich schlief schon wieder nicht. Ich wanderte aus und hockte mich in die Küche, weil Monika mein Arbeitszimmer besetzt hatte.

Gegen vier Uhr meldete sich die holländische Stimme mit der beruhigenden Nachricht: »Wir haben ihn wahrscheinlich wieder. Er ist im Haus seiner Familie. Er muß seinen Wagen irgendwo abgestellt haben. Auf jeden Fall war plötzlich ein Mann in dem Wohnzimmer, aber dann wurden die Vorhänge zugezogen, bevor wir ihn eindeutig identifizieren konnten. Wir warten den Morgen ab und lassen einen Teil unserer Leute seinen Porsche suchen. Ende.«

Als ich die Treppe hinaufging, um mich endlich schlafen zu legen, stand Emma da und sah mich fragend an.

»Er ist wahrscheinlich bei seiner Familie in Amsterdam und hat irgendwo seinen Wagen abgestellt. Er brauchte ja auch nur Vollgas zu geben, um deinen Leuten zu entkommen. Sie melden sich morgen früh. Willst du das Handy?«

»Gott sei Dank. Ja, ich will dieses verdammte Folterinstrument.«

Langsam näherte sich der Schlaf. Dinah griff nach meiner Hand und hielt sie fest. Vielleicht träumte sie von Sophie, denn sie lächelte ganz entspannt.

Wann würde van Straaten kommen? Und wie? Was würde er antworten? Wir hatten drei Fragen für Monika formuliert, und sie hatte sie unzählige Male vor sich hingesagt.

»Wenn du die dritte Frage gestellt hast«, so Emmas Befehl, »warte seine Antwort ab, und verschenke dann keine Sekunde. Du mußt sagen, du gehst mal pinkeln oder so. Da außer euch niemand in dem Haus ist, und er das wahrscheinlich vorher geprüft hat, wird er dich gehen lassen. Du mußt das Lokusfenster aufstoßen, es liegt etwas höher als ein normales Fenster. Du mußt hindurchgleiten, dich fallen lassen und eng an der Mauer bleiben. Eng an der Mauer.«

»Was ist, wenn er dicht bei mir ist? Wenn er mich festhält oder so? Was ist, wenn er mir nicht vom Leib bleibt?« Monika hatte Angst gezeigt.

»Du mußt ihn vorher stoppen«, antwortete Emma ganz gelassen. »Schrei ihn an. Schrei ihn am besten an, er soll dir vom Leib bleiben. Sag ihm, daß du ihn verachtest, daß du seine Berührung haßt. Dann stellst du die erste Frage. Du darfst ruhig stottern. Es ist sogar besser, wenn du stotterst.«

»Was ist, wenn was schiefgeht?«

»Es wird nichts schiefgehen«, hatte Emma versprochen. »Wenn er in das Haus kommt, mußt du so gut wie nackt sein und nichts am Körper haben als Bettys Bademantel. Van Straaten ist ein Macho. Er wird nie auf die Idee kommen, daß eine Frau bei zehn Grad minus splitternackt über einen Eifler Bauernhof rennt. Glaub mir, ich habe darüber nachgedacht, er wird dich in aller Ruhe zum Klo gehen lassen.«

Ich schlief ein und wurde erst um zehn Uhr wach, als Dinah mich an der Schulter faßte und sagte: »Du mußt aufstehen, es scheint loszugehen.«

»Was ist denn?«

»Van Straaten hat seine Familie verlassen. Er ist auf dem Weg zu seinem Porsche. Das vermuten sie wenigstens.«

»Okay.« Es fiel mir schwer, aber ich stand auf. Ich zog mir Jeans und einen dicken Pullover an; um van Straaten zu übertölpeln, brauchte ich nicht rasiert zu sein.

Wir warteten.

Das Handy klingelte, Emma sagte ganz ruhig: »Ja?« Dann hörte sie zu und murmelte: »Okay, dann.« Sie schaute uns an. »Er ist nicht zu seinem Porsche gegangen, sondern in ein Kaufhaus. Vorne rein und wahrscheinlich hinten hinaus. Sie haben ihn verloren.«

»Scheiße!« fluchte Rodenstock. »Und jetzt?«

»Er wird ein Taxi nehmen«, vermutete sie. »Die Taxizentralen haben für diesen Fall einen Code, die Fahrer kennen sein Foto. Falls er kein Taxi nimmt, kann man davon ausgehen, daß er versucht, zum Flughafen durchzukommen. Auf dem Flughafen befinden sich vier Leute an den wichtigen Punkten. Reicht dir das, Rodenstock?« Sie wirkte jetzt eindeutig spöttisch.

»Wenn ich van Straaten wäre«, meinte er, »würde ich all das, was du jetzt ausführst, erahnen. Und ich würde mich entsprechend vorbereitet haben.« Er stand auf und ging hinaus, er war im höchsten Maße verunsichert.

Bis ein Uhr geschah nichts. Dann befragte Emma ihre Leute in Amsterdam. Sie sprach schnell und abgehackt und kappte schließlich die Verbindung wieder. »Er ist nirgendwo aufgetaucht. Er ist einfach verschwunden.«

»Wie kann er das bei so vielen Babysittern?« fragte ich.

Fünfzehn Minuten später war Mehren am Telefon, und rief verärgert und erregt: »Was ist denn da passiert? Ich dachte, ihr wollt mich steuern, ihr Arschlöcher. Und was ist? Da landet auf meiner Wiese ein Hubschrauber, und dieser Scheißholländer steigt aus, um mich zu besuchen.«

»Sag ihm, was ausgemacht war«, drängte ich. »Spul das Programm ab. Du hast ihn noch nie gemocht, du magst ihn auch jetzt nicht. Sei ein Ekel, behandle ihn unfreundlich. Er wird dich fragen, ob Betty vielleicht noch lebt. Erzähl ihm, was wir vereinbart haben. Sag, daß du dieser Hure alles zutraust und daß sie wahrscheinlich bei einem Kollegen namens Adolphi ist. Wie weit ist er noch entfernt?«

»Sechzig Meter vielleicht. Junge, ihr habt vielleicht eine Scheißorganisation.«

»Dinah, los mit Emma und Monika. Ihr müßt rüber zu Adolphis. Van Straaten hat einen Hubschrauber gechartert, er ist schon in Jünkerath. Vollgas.« Ich rief Jimmy an. »Jetzt mußt du zeigen, was du kannst. Mach Kremers Dampf, schick ihn sofort los. Behaupte von mir aus, sein und dein Leben hängen davon ab. Und gib ihm keine Zeit zu fragen, klar?«

Meiler gab nur einen erstickten Laut von sich und legte auf. Ich fragte mich, was geschehen würde, wenn Kremers gar nicht in seinem Büro war. Um das Chaos zu perfektionieren, würde es genügen, wenn er versunken auf irgendeinem Lokus hockte und mit seiner Verdauung zufrieden war.

»Wir müssen los!« drängte Rodenstock.

Wir hatten es nicht weit. Ich raste die Lindenstraße entlang und querte die Schnellstraße, dann durch den Tunnel, den zwei Linden bildeten und der schneeweiß war. Ich fuhr nicht auf den Hof Adolphis, sondern dran vorbei und parkte hinter dem langgestreckten Stall neben Dinahs Wagen. Ich bemerkte, daß Rodenstock plötzlich eine Waffe in der Hand hielt und den Schlitten faßte, um ihn zurückzuziehen.

»Bist du verrückt?« fragte ich ihn erregt.

»Nicht die Spur«, sagte er. »Ich hab das Ding noch nie ernsthaft benutzt. Heute kann Premiere sein. Es ist für Emma, verstehst du?«

»Das hört sich gut an«, nickte ich.

Die Stalltür knarrte, und Adolphi kam heraus. Er lächelte etwas verkrampft. »Geht es los?«

»Sieht so aus«, sagte ich. »Sind deine Frau und dein Kind vom Hof?«

»Aber ja. Eure Plätze sind ja klar, oder?«

»Na sicher, kein Problem. Und halt dich um Gottes willen raus, sei bloß kein Held.«

»Ich guck mir einen Western im Fernsehen an.« Er grinste kurz und verschwand dann.

»Wir müssen hier hinauf«, erklärte ich. Adolphi hatte eine Aluminiumleiter an eine Luke über den Kühen gestellt. Wir kletterten hinauf und arbeiteten uns vor bis zu dem Fenster, das in der Stirnwand eingelassen war. Der ganze Hof lag vor uns. Links das Wohnhaus, rechts das kleine Gebäude, in dem zwei Wohnungen für Touristen untergebracht waren.

»Sie ist schon drin«, sagte Rodenstock. »Ich kann sie sehen. Sie hat auch diesen gottverdammten Bademantel schon an.« Er zog seine Waffe aus dem Gürtel und schlug kurzerhand die Fensterscheibe ein. »Ich brauche ein freies Schußfeld«, sagte er erklärend.

Da kam Jimmy. Er fuhr wirklich gekonnt, und schoß mit hoher Geschwindigkeit durch den Lindentunnel. Er schleuderte ein wenig, stellte das Auto genau vor das Gästehaus, sah sich kurz um und lief dann in das Wohnhaus.

»Hoffentlich kommt Kremers nicht vor van Straaten«, betete ich. »Siehst du irgendwo Emmas Leute?«

»Nein«, murmelte Rodenstock. »Sie wären auch ziemlich beschissen, wenn man sie sehen könnte. Ich vermute mal, sie hat sogar im Gästehaus welche.«

»Haben sie Gewehre?«

»Präzisionswaffen, Schnellfeuer, vermutlich. Die sägen einen Mann glatt in der Mitte durch.«

»Wie hübsch«, sagte ich.

Dann hörten wir den Hubschrauber. Seine Rotorblätter knallten, als müßten sie durch ein Luftloch rudern. Er kam ungefähr aus Richtung der alten Wehrkirche. Van Straaten ließ den Piloten direkt zwischen Wohn- und Gästehaus niedergehen, er war nicht weiter als dreißig Meter von uns entfernt, und die Luftwirbel nahmen uns den Atem. Van Straaten stieg nicht sofort aus. Wir beobachteten, wie er den Piloten bezahlte und ihm die Hand reichte. Dann kletterte er aus der Maschine.

»Er muß sich unheimlich sicher fühlen«, flüsterte Rodenstock. »Mehren hat ihn also überzeugt.«

Van Straaten machte ein paar Schritte aus dem Rotorbereich hinaus, drehte sich dann zu dem Piloten um und zeigte mit dem Daumen nach oben. Die Touren gingen hoch, die Maschine wippte und stieg dann schnell auf, senkte die Schnauze und flog davon. Obwohl sie noch laut zu hören war, wirkte die Szene plötzlich totenstill.

Monika öffnete die zweiflügelige Fenstertür im Wohnzimmer der unteren Wohnung. Sie stand ein wenig breitbeinig und keifte: »Verdammt noch mal! Laß mich in Ruhe. Was willst du eigentlich hier?«

Van Straaten antwortete nicht sofort, er hatte ein Problem. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, aber ich wette, er lächelte. »Wer ist denn in der Scheune verbrannt, Kleines?«

»Scheiße«, erwiderte sie wesentlich leiser. »Meine Schwester, meine jüngere Schwester, Monika. Hau jetzt ab, ich will dich nicht. Ich will dich nie mehr. Du ekelst mich an, du kotzt mich an.«

Bevor sie die Türflügel schloß, fragte sie klagend: »Eine Frage noch, du Schwein. Weshalb wolltest du uns töten lassen?«

»Ich hatte doch gar keine Wahl«, sagte van Straaten gelassen. »Ole wollte mich töten, das hast du selbst gesagt. Ich war nur schneller und habe einfach die Kölner Gruppe eingesetzt. Aber du lebst doch, und wir könnten zusammen irgendwo hingehen und ...«

»Halt doch deine Schnauze«, rief sie heftig und versperrte die Tür. Für Sekunden sahen wir noch ihren Schatten, wie er in die Tiefe des Wohnzimmers glitt.

»Das war irre!« hauchte Rodenstock.

Van Straaten stand vor dem Gästehaus und drehte sich langsam und bedächtig einmal um sich selbst. Emma hatte vermutet: »Er wird nicht zu Monika in das Haus gehen, ehe er nicht ganz sicher ist, daß ihm aus dem Wohnhaus keine Gefahr droht. Er wird das in jedem Fall zuerst abchecken. Es sollte in diesen Sekunden also niemand zu laut atmen.«

Van Straaten lief mit schnellen Schritten zur Haustür des Wohnhauses und klingelte. Als keine Reaktion erfolgte, drückte er die Klinke nieder. Es war nicht abgeschlossen, er konnte ungehindert in das Haus, und er war offensichtlich gründlich, denn er blieb mehr als drei Minuten verschwunden. Dann erschien er wieder und starrte auf die Tür unter uns, die Tür zum Stall. Er öffnete sie und blickte sich aufmerksam um. Es dauerte eine Ewigkeit. Dann schloß er die Tür wieder und ging hinüber zu dem Gästehaus.

»Mach mir auf«, sagte er leise. Wir konnten es gut verstehen, weil Emma ihren Leuten befohlen hatte, kleine Mikrofone in die harte Gartenerde zu drücken. »Mach mir auf, wir müssen reden.«

Rodenstock hatte den Minilautsprecher in die Brusttasche seines Jacketts gesteckt, die Qualität war hervorragend.

Wir hörten Monikas Stimme so laut, als hocke sie neben uns. »Verdammt noch mal, ich will nicht mit dir reden. Ich rufe meinen Wirt.«

»Im Wohnhaus ist niemand«, erklärte er geduldig. »Das weißt du. Wir sind hier allein. Laß uns reden, wir hatten auch eine gute Zeit miteinander. Du konntest nicht erwarten, daß ich mich abschlachten lasse. Komm, mach auf.«

»Du wirst mich töten«, schluchzte sie.

»Das ist doch verrückt!« reagierte er heftig. »Warum sollte ich das tun? Ich will mit dir leben, ich glaube, du bedeutest mir viel.«

»So ein Scheiß!« Monika mußte den Geräuschen nach hinter der Haustür stehen. »Kannst du mir auch erklären, warum du diesen klebrigen Schleimscheißer Kremers angeheuert hast?«

»Das war Nummer zwei«, flüsterte Rodenstock.

Van Straaten ließ sich wiederum Zeit. »Du weißt, ich bin ein gründlicher Mann. Kremers will befördert werden, er möchte sich im Bundeskriminalamt suhlen, Bedeutung erlangen. Also habe ich ein bißchen mit ihm gespielt und ihm zuerst einmal die ganze Szene hier in der Vulkaneifel geschenkt. Er wollte was zum Spielen, verstehst du? Und eine bessere Tarnung als einen rücksichtslosen Kriminalbeamten gibt es nicht.«

»Und du wirst ihn abschießen, wenn er dir nicht mehr paßt«, sie schluchzte immer noch.

»Natürlich«, sagte er ruhig. »Wenn wir ihn nicht mehr brauchen, tauschen wir ihn gegen einen Besseren aus. Mach mir die Tür auf, bitte.«

»Aber du rührst mich nicht an! Eine Waffe? Hast du eine Waffe?« Das kam sehr schrill.

»Du weißt, daß ich niemals eine Waffe trage. Ich bin doch nicht dumm.«

»Aber du rührst mich nicht an.«

»Ich verspreche es.«

Monika öffnete die Haustür, und man hörte an ihren Schritten, wie sie sich ins Wohnzimmer zurückzog. Hastig sagte sie: »Du bleibst da, du setzt dich da in den Sessel.«

»Ja, ja«, antwortete er nachsichtig. »Ich setze mich.«

»Sie muß kürzer werden«, hauchte Rodenstock. »Verdammt, sie übertreibt. Komm, Mädchen, komm mit der nächsten Frage.«

Wir hörten genau, wie der alte Ledersessel knarzte.

»Warum läßt du mich nicht in Ruhe?« klagte sie. »Was findest du an mir? Ich bin ein Bauerntrampel, sonst nichts.«

»Nummer drei«, flüsterte Rodenstock.

»Was ich an dir finde? Aber das weißt du doch. Du machst mich echt geil. Mit dir zu schlafen, ist wirklich der Himmel. Du bist hemmungslos, verstehst du? Und ich will das, genau das.«

»Es gibt bessere«, meinte sie trocken. »Nein, steh nicht auf. Bleib, wo du bist.«

»Schon gut, schon gut«, murmelte van Straaten. Wieder hörten wir den Ledersessel. »Bist du nackt unter dem Bademantel?«

»Und wenn schon! Wenn ich nicht will, läuft nichts, gar nichts.«

»Die dritte!« drängte Rodenstock. »Die dritte!«

In dieser Sekunde schoss der Opel von Dieter Kremers zwischen den Linden durch. Er gab sich nicht die Mühe, den Wagen ordentlich abzustellen. Kremers stieg aus und sah sich hastig um. Dann rief er: »Jimmy? Wo bist du?«

»Wer ist das?« fragte van Straaten.

»Was weiß ich«, erwiderte Monika trotzig wie ein Kind. »Ein Besucher.«

»Das ist Kremers«, stellt van Straaten plötzlich beunruhigt fest. »Wieso ist das Kremers?«

»Was weiß ich denn«, wiederholte Bettys Schwester.

»Die dritte Frage«, mahnte Rodenstock. »Mach schon!«

»Ich muß mal pinkeln. Darf ich mal aufs Klo?« fragte sie.

»Wieso Kremers?« fragte er. »Das ist eine Falle, oder?«

»Du bist bescheuert«, zischte Monika. »Du hast doch ein Rad ab, van Straaten. Bleib sitzen, bleib da sitzen.« Sie wollte ihre dritte Frage nicht stellen, es würde schwierig genug sein, am Leben zu bleiben.

»Eine Falle«, sagte van Straaten, und merkwürdigerweise klang es heiter. Man hörte, wie er aufstand und sich bewegte.

»Oh Gott, bitte nicht!« betete Rodenstock.

Dann öffnete sich die Haustür, und der Holländer starrte Kremers an, der sehr verdattert wirkte.

»Eh«, stotterte Kremers. »Wieso ... also, ich verstehe das nicht. Also, van Straaten ...«

Van Straaten ließ seinen Blick ruhig über den Hof gleiten. Er sagte tonlos: »Gute Reise, mein Lieber!«, und schoß Kremers zweimal in den Kopf. Dann war etwas hinter ihm, etwas, das ihn vorwärts stieß. Während Kremers mit sehr tolpatschigen Verrenkungen erst taumelte und dann auf die Knie sank, fing van Straaten sich sehr schnell und wendete sich hastig um. Aber Monika hatte die Tür schon zugedrückt, und sie war jetzt so panisch vor Angst, daß sie nur noch schrie.

Van Straaten feuerte einfach durch die Tür, er machte es ruhig und gründlich.

»Du darfst nie hinter einer Tür stehenbleiben!« hatte Emma gesagt. »Sieh zu, daß du sofort zur Seite ausweichst oder dich wenigstens platt auf den Boden legst.«

Monika Schrie weiter.

Rodenstock brachte seine Waffe in den Anschlag. Er hielt sie fachmännisch mit beiden Händen.

Unter uns befahl Emma: »Mijnheer van Straaten, lassen Sie die Waffe fallen. Es hat keinen Sinn mehr.« Merkwürdigerweise sprach sie nicht holländisch und erklärte später, sie habe uns schließlich als nützliche Zeugen gebraucht.

Van Straaten drehte sich um und duckte sich dabei. Die Waffe in seiner Hand wirkte schwarz und häßlich.

Emma schoß auf ihn wie auf eine Scheibe. Sie traf ihn zweimal in den Kopf und zweimal in die Brust. Van Straaten breitete die Arme aus wie ein Gekreuzigter und fiel mit einem häßlichen Geräusch auf den Plattenweg des kleinen Gartens.

»Scheiße«, fluchte Emma und starrte nach einer Schrecksekunde mit einem vollkommen weißen Gesicht zu unserem Fenster hoch. »Kannst du schnell kommen, Rodenstock?«

Ich weiß heute nicht mehr, wie ich diese verdammte Leiter hinunterkam, ich weiß nur noch, daß plötzlich Emmas Männer auf dem Hof standen und versuchten, sie zu beglückwünschen. Aber sie wollte das nicht, sie hörte ihnen gar nicht zu, sie murmelte nur: »Räumt hier auf, und verschwindet nach Hause.«

Monika erschien, und niemand nahm daran Anstoß, daß sie mit weit klaffendem Bademantel durch die beißende Kälte stolzierte.

Sie schrie: »Du warst klasse, Emma, ehrlich, super.« Dann blickte sie auf ihren weißen Bauch und wickelte sich in den Bademantel ein. »Ich hatte die dritte Frage vergessen«, gestand sie.