Kapitel 29
Endlich waren sie allein. Ruhig war es dennoch nicht. Als wäre der Sturm in ihren Ohren mitgereist, so sehr dröhnte es in ihrem Kopf, bis Valentine erkannte, dass ihr eigenes Blut einen solchen Lärm verursachte. Die letzten Stunden hatten sie mehr mitgenommen, als sie sich bis eben eingestehen wollte. Nur langsam kam ihr Innerstes zur Ruhe, und die Geräusche legten sich.
Im Auto war der dämonische Sturm, der über Köln und dem gesamten Umland tobte, das Hauptgesprächsthema gewesen. Sie hatten schreien müssen, um sich zu verständigen. Selbst als sie dem Einflussbereich des Sturms entronnen waren, redeten sie immer noch viel zu laut miteinander – bis Frédéric plötzlich »Schschscht« machte und alle erstaunt aufhorchten.
Maurice bedauerte, seine Mutter zurückzulassen. Sie hatte hartnäckig darauf bestanden, in ihr Haus gefahren zu werden. Eine Reihe verschiedener Behördengänge stand an, um Geoffreys Tod offiziell zu machen, Rechnungen waren zu bezahlen, seine Konten aufzulösen, Versicherungen zu kündigen, das Haus auf ihren Namen umzuschreiben. Das würde einige Zeit beanspruchen und ihr helfen, den Tatsachen ins Auge zu sehen, hatte sie erklärt. Valentine bewunderte diese Frau, deren Leben vollkommen auf den Kopf gestellt war und die dennoch alles in allem recht gefasst wirkte. Beinahe so, als fiele trotz der Trauer eine große Last von ihren Schultern.
Es hatte nichts genützt, dass Maurice darauf drang, bei seiner Mutter zu bleiben, um ihr in allen Belangen beizustehen. Obwohl Aliénor, Valentine und Frédéric dies ebenfalls für sinnvoll hielten, schickte sie ihn fort. Angesichts der Bedrohung durch die Erfüllung der Prophezeiung sei die Anwesenheit ihres Sohnes woanders dringender vonnöten.
Im Grunde genommen wollte sie wohl einfach keine Hilfe. Maurice selbst sagte, er erkenne seine Mutter kaum wieder. Sie sei in der kurzen Zeit seit ihrem Fortgehen gereift und freier, vermutlich hätte sie also recht. Im Übrigen müsse sie einige Zeit allein sein, um alles zu verarbeiten, erklärte Chantal abschließend. Um mit sich selbst ins Reine zu kommen; und dann, wenn sie es für richtig halte, würde sie nach Brocéliande zurückfahren.
So waren sie ohne Chantal abgereist. Auf der Fahrt aus der Stadt war die eine oder andere Straße unpassierbar gewesen, jedoch nur selten waren umgestürzte Bäume der Grund. In den meisten Fällen zwang sie eine Erdspalte, quer über die Straße umzukehren und einen Umweg zu fahren.
Auf halber Strecke nach Hause kehrten sie in einem Landhotel ein. Der Besitzer war zunächst nicht erfreut, zu dunkler Morgenstunde aus dem Bett geklingelt zu werden. Der Geldschein, den Frédéric wortlos über den Tresen schob, wirkte allerdings Wunder. Kurz darauf bezogen sie nicht nur ihre Zimmer, um sich den Tag über auszuruhen. Der Wirt stellte sich höchstpersönlich an den Herd und kredenzte ihnen eine halbe Stunde später ein einfaches, aber reichhaltiges Mahl.
* * * *
Endlich allein!
Valentine zog die Vorhänge aus weißem Stoff mit einem kleinformatigen Muster aus Lavendelsträußchen zu. Ihr Herz pochte bis zum Hals. Sie war mit ihm allein, dem Mann, nach dem sie sich mit ihrem ganzen Ich verzehrte. Obwohl sie sich in ihrem Innersten nichts mehr als diese Situation herbeigesehnt hatte und obwohl sie sich nicht zum ersten Mal körperlich lieben würden, fühlte sie einen Anflug von Angst vor ihren eigenen Begierden. Noch war alles neu und aufregend und die dunklen Erinnerungen nicht überwunden.
Ich will ihn!
Suchend schaute sie sich im Zimmer um. Maurice verstand auch ohne Worte. Die Vorhänge waren viel zu dünn, um das Sonnenlicht abzuhalten, das bald hereinfallen und Valentine in Gefahr bringen würde. Er zog eine der beiden zartlila Bettdecken ab, öffnete die Fenster und schob den Bezug über die obere Kante, um sie dort einzuklemmen. Valentine half ihm, die Fenster sicher zu schließen. Ihre Hände berührten sich, und sie unterdrückte ein lustvolles Stöhnen. Was sollte er von ihr denken, wenn sie sich ihm wie eine läufige Hündin entgegenwarf?
Es war für sie selbst kaum zu verstehen. In welcher Situation sie sich auch befanden, sobald sie ihm nahe war, reagierte ihr Körper in einer Weise, dass sie ungeduldig danach gierte, seine nackte Haut zu fühlen.
Valentine schlang ihre Arme um seinen Hals und küsste Maurice so leidenschaftlich, dass sein Körper von einer Sekunde auf die andere von oben bis unten kribbelte, als würde eine Horde Ameisen darüberlaufen. Während der Autofahrt hatten sie keine Gelegenheit für Zärtlichkeiten gehabt. Er hatte das Fahren übernommen, Frédéric und Aliénor hatten hinten gesessen, weil es für Aliénor dort mit ihren Flügeln bequemer war als auf dem Beifahrersitz. Das Navigationsgerät hatte die Richtung vorgegeben, und er war schnell gefahren, damit sie dem Sturm entkamen.
Ungeduldig zerrte Valentine ihm das Shirt über den Kopf. Obwohl nur die Stehlampe eingeschaltet war, war das Zimmer für eine gemütliche Atmosphäre zu hell erleuchtet. Maurice nahm ihr sein Shirt ab und warf es über den Lampenschirm aus cremefarbener Bespannung.
»Besser?«
»Viel besser«, flüsterte sie mit einem hinreißenden sinnlichen Lächeln und legte ihm ihre Hände flach auf die Brust. Als sie mit den Fingerspitzen seine kleinen Brustwarzen berührte, zogen diese sich zu einer festen Knospe zusammen, und er stöhnte leise. Diese wenigen Tage, in denen sie voneinander getrennt gewesen waren, hatten ihm klargemacht, dass er nicht mehr ohne sie sein wollte, und genau jetzt, unter ihrer Berührung, erhielt er die Bestätigung dafür. Oh Himmel, er hatte sie so sehr vermisst.
Er knöpfte ihre Bluse auf und verfluchte innerlich seine ungeschickten Hände. Unverwandt schaute sie ihn an, mit einem Glanz in den Augen, der sie noch schöner machte. Am liebsten hätte er die verdammte Bluse einfach zerfetzt. Ob sie das heiß machen würde? In ihrem Blick lag manchmal – so wie jetzt – eine Verletzlichkeit, die ihn von solchen Ideen abhielt.
Der Verschluss ihres Büstenhalters war weniger hinderlich als die Bluse. Für einen Moment schien sie verlegen, dass er ihre Nacktheit betrachtete und ihre Brüste mit seinen Händen umfing. Straffe, wohl geformte Brüste. Ihre hervorstehenden Nippel waren eine einzige Aufforderung, und er strich zärtlich mit seinen Daumen darüber. Unter seiner Berührung öffneten sich Valentines Lippen ein wenig, der seltsame Ausdruck in ihren Augen verschwand und wich einem Begehren, das ihn darin bestätigte, dass sie beide dasselbe wollten. Langsam erkundeten seine Hände ihren Körper, streichelten über ihre Taille, kitzelten ihren Bauchnabel und öffneten ihre Hose, um sie zusammen mit dem knappen Slip abzustreifen.
Er sog den Duft ihres Schoßes ein, als er sich bückte, um ihr beim Aussteigen aus der Hose zu helfen, undmusste sich anstrengen, seine Ungeduld zu zügeln.
»Jetzt du«, forderte sie, als er sich erhob.
Ihre Hände erkundeten von neuem seine Brust, ihre Lippen brannten heiße Küsse in seine Haut, die bestimmt rote Male hinterlassen würden. Als ob ihn das kümmerte. Sie sollte nie mehr damit aufhören. Langsam, unendlich langsam küsste sie sich nach unten, öffnete mit viel geschickteren Fingern als er seine Hose und streifte sie ihm ab, ohne dabei seine Männlichkeit zu berühren. Es war die reinste Folter, eine unendlich süße, aber qualvolle Folter. Maurice fühlte sich, als wäre er an eine Säule gefesselt, zur Bewegungsunfähigkeit verdammt und in Erwartung ihrer Gunst ausgeliefert.
Er sog tief die Luft ein, als Valentine sich wieder aufrichtete, seine Hose hinter sich warf und mit interessiertem Blick seine Erektion betrachtete. Ihre Lippen zitterten ein wenig.
»Was ist, Liebste?«
»Nichts, ich bin nur aufgeregt«, flüsterte sie.
In ihren Augen lag so viel Zuneigung und Vertrauen, dass ihm ihre Antwort genügte, zugleich verstand er ihr Zögern nicht. Was war nur los mit ihr? Schweigsam schüttelte sie den Kopf und schmiegte sich an ihn, dabei wohlig seufzend. Er fühlte ihre Brüste, wie sie sich gegen seine Haut pressten. Seine Hände umfassten ihren knackigen Po und zogen sie noch näher an sich. Ihr Mund reckte sich ihm entgegen und öffnete sich. Sie leckte über seine Lippen, und dann drang sie vor und verführte seine Zunge zu einem erregenden Tanz.
Diese wunderschöne Vampirin brachte ihn völlig um den Verstand. Alles andere wurde bedeutungslos. Es gab keine Welt dort draußen, keinen mysteriösen Sturm und keine Bedrohung durch die Erfüllung der Prophezeiung. Diese innige Gemeinsamkeit war so tief, dass es ihm völlig egal wäre, müsste er nach ihrer beider Vereinigung sterben. Einmal, nur ein einziges Mal in seinem Leben wollte er das absolute, durch nichts zu übersteigende Glück erleben. Sie war für ihn dieses Glück, von dem er niemals geglaubt hätte, dass es ihm begegnen würde.
Was wollte er noch mehr? Valentine war die Frau seines Lebens. Auf sie hatte er gewartet. Sie hatte er gesucht, ohne überhaupt zu wissen, dass er auf der Suche war. Diese Erkenntnis brachte ihn fast um den Verstand.
Stöhnend räkelte er sich unter ihren zärtlichen Berührungen und liebkoste sie seinerseits. Ihre Hände waren mal hier, mal dort. Streichelten, tasteten, kneteten sanft und erkundeten jeden Winkel seines Körpers. Jede ihrer Berührungen war sinnlich und fachte seine Erregung noch mehr an. Er würde vor Lust platzen, ohne sie erobert zu haben, wenn das so weiterging.
Maurice schob Valentine auf das Bett und glitt über sie, spürte wie ihre Hände seine Brust entlangstrichen und sie erneut ihre Lippen öffnete, um mit ihrer Zunge die seine zu kosten, wieder und wieder. Er stieß mit seiner Zunge an ihre Eckzähne und zuckte zurück. Waren sie länger geworden und verdammt spitz?
Oh, es war so unglaublich, und er wollte mehr, viel mehr, es immer und immer wieder erleben. Diese Nacht durfte nicht die einzige bleiben, in der sie sich liebten. Würde es doch eine Ewigkeit währen.
Ein trüber Gedanke störte sein von Adrenalin und Endorphinen umnebeltes Bewusstsein, während er Valentines Kuss heiß erwiderte. Noch gab er einen jungen und attraktiven Geliebten ab. Noch war seine Haut straff, seine Muskulatur kräftig, seine Erektion standfest. Aber das würde nicht so bleiben. In zwanzig, dreißig, vierzig Jahren wäre Valentine immer noch jung und schön, ihre Haut faltenlos, die Haare ohne graue Strähnen, ihre Libido fordernd, während er …
Besorgt hob Valentine den Kopf, drängte ihn zur Seite und deutete ihm, sich auf den Rücken zu legen. Mit gespreizten Beinen beidseits seines Körpers beugte sie sich über ihn. »Was ist los?«
Ihre seidig glänzenden schwarzen Haare hingen bis auf seine Schultern und seine Brust herab und kitzelten. Ihre Augen funkelten im Halbdunkel wie zwei Edelsteine, mystisch und voller Hingabe.
»Hm? Sag schon«, drängte sie ungeduldig.
Verdammt, ihr entging nichts. Sie hatte sofort bemerkt, dass er für einen Moment abgelenkt gewesen war.
»Ich liebe dich, und ich will mit dir zusammen sein, für immer und ewig.« Seine Stimme hatte eine eigenartige Färbung, rau und kratzig.
»Für immer und ewig«, wiederholte sie so feierlich, dass es fast wie ein Gelöbnis klang. »Ist daran etwas falsch?« Sie rieb ihre Nase an seiner und schnurrte dabei wie ein Kätzchen.
»Nein«, erwiderte er und strich ihr sanft eine Strähne aus dem Gesicht.
»Also was ist, sag es mir sofort. Wir haben geschworen, immer ehrlich zueinander zu sein!«
Maurice kniff kurz die Lippen zusammen. Valentine zog fragend die Augenbrauen hoch, und er gab nach. »Meine Geliebte wird immer noch eine wunderschöne, junge Frau sein, wenn ich längst gealtert bin, graue Haare und Falten habe, krank und hässlich bin. Ich sollte dir das nicht zumuten. Aber ich bin zu schwach, um dich aufzugeben.«
Ein Schatten überzog ihr Gesicht. »Ich liebe dich. Und ich werde dich nicht verlassen, nur weil das Schicksal bestimmt hat, dass du ein Mensch bist. Denk nicht so viel. Liebe mich.«
Valentine sank ein Stück zurück, ohne sich auf ihn zu setzen. Dennoch fühlte er die Feuchte ihrer Schamlippen, die an sein Geschlecht stupsten. Ein Stöhnen entfuhr seinen Lippen. Dies war wirklich der ungeeignetste Augenblick, Probleme zu wälzen. Er war ein solcher Dummkopf.
Sie nahm seine Hände und zog sie auf ihre Brüste. Oh Himmel, sie fühlten sich so gut an. Voller Hingabe stimulierte er ihre festen Knospen und entlockte ihr dabei einen Seufzer nach dem anderen. Vergessen war, worüber sie eben noch gesprochen hatten. Es gab nur sie und ihn und die Erregung, die sie beide zusammenbrachte.
Dennoch entzog sie sich jetzt seinen Liebkosungen, rutschte tiefer, kniete sich zwischen seine Beine. Nach kurzem Zögern und Betrachten seiner Erektion, als entdecke sie etwas für sie vollkommen Neues, leckte sie langsam und genussvoll über sein Geschlecht. Er konnte nicht anders, er musste ihr dabei zusehen. Maurice krallte seine Finger in das Bettlaken. Unter ihren zärtlichen Zungenschlägen zerschmolz er wie Eis in der Sonne. Nie hatte ihn jemand sanfter und erregender verwöhnt. Ihre Augen funkelten, während sie ihn über Bauch und Brust hinweg beobachtete, wie er ihr zusah. Ein Lachen gluckste gegen seinen Schaft, während ihre Zunge auf und ab glitt und ihn in den Wahnsinn trieb.
»Komm zu mir«, stöhnte er.
Sie kroch nach oben, senkte sich langsam über sein Geschlecht, das mühelos in ihre enge, feuchte Spalte glitt. Laut stöhnend verharrte sie einen Augenblick, stützte sich auf seiner Brust ab und wand sich in einem ersten Orgasmus, als er wieder ihre Brustwarzen stimulierte. Wie im Zeitlupentempo bewegte sie ihre Hüften vor und zurück. Ob sie wohl wusste, wie unendlich süß diese Folter für ihn war? Nur einen Deut schneller, und sein Vulkan würde sich entladen. Er wäre machtlos, dies aufzuhalten.
»Komm, deine wundervollen Brüste wollen bestimmt von meinem Mund verwöhnt werden«, stöhnte er.
Links und rechts von seinem Kopf stützte sie sich ab und reckte ihm ihren Busen entgegen. Mit der einen Hand streichelte er ihren Nippel, mit der anderen hielt er die Brust, an der er saugte und schmatzte. Valentine senkte sich noch tiefer über ihn, stöhnte direkt neben seinem Ohr in das Kissen. Ihre Füße klopften außer sich vor Erregung mit den Zehen einen Trommelwirbel auf die Matratze, was ihn innerlich zum Lachen brachte. Er hob seine Hüften, um ihrem Schoß wieder näher zu sein, und stieß sein Glied tiefer in sie hinein. Wenige Bewegungen genügten, und Valentine prustete ihre explodierende Lust vornüber gebeugt in das Kissen, auf dem sein Kopf lag. Die Kontraktion ihrer Vagina sorgte dafür, dass er selbst zum Höhepunkt kam. An ihrem Ohr stöhnend, die Arme fest um sie gelegt, ergab er sich seiner Lust.
Eine Weile verharrten sie in dieser Position, erschöpft und von einer wohligen Zufriedenheit erfüllt. Dann reckte Valentine ihren Kopf empor. »Ich liebe dich. Für immer und ewig«, versprach sie aus tiefstem Herzen und gab ihm einen sanften Kuss auf die Lippen. Und er schwor sich, das Thema »Alter« fürs Erste ruhen zu lassen.