35

Das Licht war warm, seine Seele leicht. Es roch nach Nelken. Bunte Vögel flatterten umher, bis ein großer weißer Vogel kam und sie vertrieb. Das Jenseits hatte Thierry sich nicht so vorgestellt. Aber es war hier durchaus angenehm.

«Geht’s, Chérie?», fragte eine Stimme, die keinesfalls dem lieben Gott gehörte. Und sofort verflüchtigten sich Wärme, Leichtigkeit und Nelkenduft.

Schmerz durchfuhr ihn.

Und der Traum war vorüber.

Thierry hob den Kopf. «Sylvie?», stöhnte er.

«Bonjour», begrüßte ihn seine Frau und strich ihm mit der Hand über seine schweißnasse Wange. Sie lächelte. «Du hast ziemlich wirres Zeug geredet. Da dachte ich, es sei besser, wenn ich dich wecke.»

Thierry blinzelte. «Wo bin ich?»

«Zu Hause.»

Erst jetzt bemerkte Thierry, dass er bei sich daheim im Wohnzimmer auf seiner Lieblingsliege lag. Im Kamin knisterte ein Feuer. Und es roch intensiv nach Nelken.

«Und die bunten Vögel?», fragte Thierry.

Sylvie lächelte. «Das waren wohl Maurice und Maxim, die dich ziemlich unsanft wecken wollten.»

«Dann warst du der große weiße Vogel», sagte Thierry lächelnd und griff nach dem Glas, das seine Frau ihm hinhielt. Schmerz schoss wieder durch seinen rechten Arm. Er ließ ihn sinken und sah, dass er geschient war.

«Vorsicht», sagte Sylvie. «Deinen Arm musst du noch etwas schonen.» Sie führte das Glas an seine Lippen.

Das Wasser tat Thierrys trockener Kehle gut.

«Was ist passiert?», fragte er.

«Ihr hattet einen Unfall in Costa Rica», sagte Sylvie geduldig, als hätte sie ihm das schon mehrfach erklärt. «Du hattest Glück im Unglück.»

«Costa Rica!» In Thierrys Kopf formten sich Gedankenfetzen zu einer Erinnerung: die Kaffeelandschaft, der weiße Kubus darin, das Labor, GeneTica.

«Und ich war die ganze Zeit ohnmächtig?»

«Nein, nein», lächelte Sylvie. «Aber du hast ein paar Gedächtnislücken und vergisst laufend, was gerade passiert. Dein Gehirn wurde anscheinend ordentlich durchgerüttelt. Aber der Arzt meint, das sei bald wieder in Ordnung.»

Langsam dämmerte es Thierry: Nach dem Besuch im Labor waren sie zu einem Restaurant am Fuß des Vulkans gefahren. Gewaltiger Regen, das gestohlene Auto, der mühsame Abstieg vom Berg hinunter, er schob den Rollstuhl mit 

«Und Steffen?», fragte Thierry besorgt. «Wie geht es ihm?»

«Frag ihn selbst», lächelte Sylvie und zeigte zum Kamin hinüber. «Ihr entschuldigt mich einen Moment.»

Thierry drehte den Kopf, so gut er konnte. Auf der Kaminbank saß Steffen Brenn und grinste.

«Ich bin okay», sagte er. «Außer ein paar Schrammen. Du warst ja so nett, mich vorsorglich in den Straßengraben zu kippen. Das hat mir vermutlich das Leben gerettet. Ich danke dir.»

Thierry lächelte. Ein Schmerz über dem Auge zwang ihn aber, das sofort wieder bleiben zu lassen. Er tastete mit den Fingern über seine Stirn – und spürte ein großes Pflaster.

«Eine zünftige Platzwunde», meinte Brenn. «Mit fünf Stichen genäht.»

«Ach so», stöhnte Thierry. «Ich war ja im Spital. Und wie bin ich dorthin gekommen?»

«Lange Geschichte», meinte Brenn und begann dann zu erzählen, was sich in jenen frühen Morgenstunden am Hang des Volcán Poás zugetragen hatte. Je länger er redete, desto mehr geriet er in ein Feuer, als erlebte er das Ganze noch einmal.

 

Noch bevor der Geländewagen Thierry erfasst hatte, war Steffen Brenn aus dem Rollstuhl geschleudert worden. Er stürzte die steile Böschung hinunter, versuchte sich irgendwo festzuklammern, an Ästen, Steinen, großen Blättern. Doch er fand keinen Halt, bis ihn endlich ein großer Felsblock stoppte.

Er blieb liegen, das Gesicht gegen den nasskalten Stein gedrückt, unfähig, sich zu rühren. Schrammen und Wunden überall. Nicht eine Stelle war an seinem Körper, die nicht unerträglich schmerzte. Sämtliche Glieder mussten gebrochen sein.

Er konnte nur warten, bis Thierry ihm zu Hilfe kam. Doch es tauchte kein Thierry auf, der besorgt zu ihm herunterrief, ob alles in Ordnung sei.

«Thierry!», rief Brenn verzweifelt.

Keine Antwort.

«Thierry!»

Oben auf der Straße blieb es still.

Auch vom Auto war nichts mehr zu hören.

Da begriff Brenn langsam, was geschehen war: Der Wagen hatte nicht gebremst. Er war ihnen auch nicht ausgewichen. Im Gegenteil: Der Fahrer hatte absichtlich auf sie zugesteuert.

Und plötzlich durchfuhr es ihn wie ein Stromschlag: Es hatte Thierry erwischt!

Brenn versuchte, Arme und Beine zu bewegen.

Es tat höllisch weh. Aber offenbar war doch nicht alles gebrochen.

Er begann auf allen vieren zu kriechen. Versuchte, die Böschung hochzukommen, wobei ihn zu seinem eigenen Erstaunen sein gelähmter Fuß nicht mal so sehr behinderte. Es war so steil, dass man ohnehin nur kriechen konnte. Aber die spitzen Lavabrocken waren kaum zu sehen, zugedeckt unter großen Blättern und Gestrüpp. Immer wieder griff Brenn auf Steine scharf wie Klingen. Nach wenigen Metern waren seine Hände blutig, die Hose zerfetzt, die Haut an den Knien aufgescheuert.

Brenn biss auf die Zähne, ignorierte allen Schmerz, kämpfte sich hoch, Meter um Meter. Und schaffte es bis auf die Straße.

Dort lag Thierry mit einem bizarr verdrehten Arm auf dem Asphalt. Regungslos. Das war der Moment, in dem sein Instinkt die Führung übernahm. Autopilot hatten das die Kollegen während der Ausbildungszeit auf der Notfallstation immer genannt. In Situationen, in denen andere die Nerven verloren, war Brenn die Ruhe selbst, er legte jede Emotion ab, sein Verstand arbeitete vollkommen analytisch und ließ ihn instinktiv das Richtige tun. Eine äußerst nützliche Gabe für einen Arzt.

So schnell er konnte, kroch er zu Thierry. Und sah sofort die Platzwunde über dessen rechtem Auge. Weitere Verletzungen fand er keine, doch der Puls war sehr schwach. Thierry brauchte sofort Hilfe.

Brenn suchte sein Handy. Es war nicht da.

Es lag irgendwo am Abhang unter Gestrüpp. Es zu suchen war zwecklos.

Brenn tastete in Thierrys Hosentasche.

Da war der Autoschlüssel – und sein Telefon!

Als er es herauszog, fielen einzelne Tasten und Kunststoffsplitter auf die Straße.

«Verdammt!» Brenn warf das Telefon ins Gebüsch.

Dann wurde er sofort wieder ruhig. Und ihm wurde klar, dass er Hilfe holen musste. Koste es, was es wolle.

So vorsichtig er konnte, brachte er Thierry in Seitenlage, dann kroch er zum Rollstuhl, der etwas weiter oben am Straßerand lag. Er schien intakt zu sein.

Brenn stellte ihn auf und hievte sich hinein.

Die Straße vor ihm ging abwärts, also brauchte er ihn nur rollen zu lassen – und zu bremsen. Unmöglich mit seinen zerschundenen Händen. Hastig durchsuchte Brenn die Beintaschen seiner Hose. Der Leatherman war noch da! Er klappte die Klinge auf, packte das Ende eines der Hosenbeine, schnitt zwei Fetzen Stoff ab und wickelte sie sich um die wunden Hände.

Dann ließ er den Rollstuhl den Berg hinuntersausen. Nach wenigen hundert Metern hatte das Blut die Stofffetzen durchtränkt. Doch er musste weiter, er musste einen Rettungswagen für Thierry organisieren – so schnell wie möglich.

Dann, als ob es das Normalste der Welt wäre, stand hinter der vierten Kurve der Pathfinder. Ordentlich geparkt. Niemand saß drin.

Was hatte das zu bedeuten?

Wartete der Verrückte irgendwo versteckt? Mit einer Knarre? Hatte er ihn im Visier?

Brenns Hände begannen zu zittern.

Doch es gab kein Zurück mehr. Und zu fliehen war sinnlos. Langsam ließ er sich vorwärtsrollen. Erreichte den Pathfinder und öffnete die Tür.

 

«Und der Schlüssel steckte!», rief Brenn, als könnte er es noch immer nicht glauben. Seine Wangen glühten. «Ich also nichts wie rein in den Wagen und dann zu dir hinauf. Du immer noch am Boden. Ich packe dich auf die Ladefläche – frag mich nicht wie – und rase los. Gleich in der ersten Kurve erwische ich die Kupplung statt der Bremse, weil ich ja nur den linken Fuß benutzen konnte», fuhr Brenn fort. «Im letzten Moment schaffe ich die Kurve. Und bis wir im Krankenhaus sind, geht es schon ganz passabel. Alles mit links, sozusagen», lachte Brenn. «Und kaum unten angekommen, erwachst du aus deiner Ohnmacht.

Weil du so gut trainiert wärst, meinen die Ärzte, habe dir der Zusammenprall mit dem Wagen außer dem gebrochenen Arm und den Prellungen nichts gemacht. Aber die Kopflandung müsstest du wohl noch etwas üben.»

«Werde mir Mühe geben», erwiderte Thierry grinsend. Dann wurde er plötzlich ernst. «Moment mal. Den Autoschlüssel. Den hatte ich doch in der Hosentasche.»

Brenn nickte grimmig. «Siehst du: Die wussten, dass wir da oben im Restaurant waren; die wussten, mit was für einem Auto wir dahin gefahren sind; und die konnten sich auch problemlos einen Zweitschlüssel besorgen. Ich sage ja: Unser Gegner ist zu allem fähig.»

«Die wollten uns umbringen», sagte Thierry erschrocken.

Brenn dachte nach. «Glaube ich nicht. Da gäbe es effektivere Methoden. Die wollten uns lediglich zeigen, dass sie Bescheid wissen, dass sie uns unter Kontrolle haben, dass sie mit uns machen können, was sie wollen. Vielleicht kamen sie auch zu dem Schluss, dass ein toter Dopingfahnder und ein toter Kunde ein zu großes Risiko darstellen. Besser also, man bringt zwei wie uns durch Einschüchterung zum Schweigen.»

«Krasse Fehleinschätzung», knurrte Thierry. «Das beweist, dass wir auf der richtigen Spur sind.»

«Das sehe ich genauso. Bloß haben wir keinerlei Beweise, dass unsere Spur zu GeneTica führt.»

Sylvie kam ins Wohnzimmer zurück. «Wer mag Tarte au vin cuit?» Mit zwei dicken Ofenhandschuhen bewaffnet stellte sie ein großes Kuchenblech auf den Kaminsims.

«Mein Lieblingsgebäck!», rief Thierry. «Von meiner Lieblingsbäckerin.»

«Heute läuft das unter Medizin», sagte Sylvie und küsste Thierry. Sie verteilte den Kuchen und schenkte Tee ein.

«Lasst’s euch schmecken.»

Noch bevor sie den ersten Bissen nehmen konnten, hupte es draußen im Hof.

Sylvie lief zum Fenster.

«Ein Wagen!»

«Und, wer ist’s?» fragte Thierry.

«Nie gesehen.»

Schon lief Sylvie aus dem Haus.

Nach Thierrys Einschätzung hätte sie längst beim Wagen sein müssen, doch die Hupe verstummte nicht.

Und plötzlich hörten sie Sylvies Stimme voller Panik: «Thierry!»

Brenn und Thierry schossen gleichzeitig auf. Brenn packte die Krücken. So schnell sie konnten, liefen sie in den Hof.

Direkt in gleißend helles Scheinwerferlicht.

Die Hupe heulte in die Nacht hinaus.

Sie liefen auf den kleinen Wagen zu. Ein Peugeot. Neben der geöffneten Fahrertür stand Sylvie und starrte mit vor Entsetzen geweiteten Augen Thierry und Brenn an. «Schnell!»

Im Auto saß eine dunkelhaarige Frau. Sie war vornüber auf das Lenkrad gesackt.

Brenn trat zum Wagen und berührte die Frau an der Schulter. «Madame!»

Die Frau rührte sich nicht.

Brenn zog sie vom Lenkrad weg. Endlich gab die Hupe Ruhe.

Langsam wandte die Frau ihnen das Gesicht zu. Angst und Verzweiflung verzerrten ihre Züge zu einer grausigen Fratze.

«Wer sind Sie?», rief Brenn. «Was ist passiert?»

Er beugte sich zu der Frau hinunter und sah ihr in die Augen. «Hören Sie mich, Madame?»

Die Frau stieß einen röchelnden Laut aus.

«Schnell, einen Krankenwagen!», rief Brenn zu Sylvie.

Sie rannte ins Haus zurück.

Thierry starrte die Frau im Auto an. Ihr Gesicht hatte eine ovale Form, ihre Haut die Farbe von Milchkaffee: eine Latina, die man unter anderen Umständen zweifellos als hübsch bezeichnet hätte. Ihre dunklen Augen waren mandelförmig. Diese Augen hatte er schon einmal gesehen. Aber wo?

«Sie wollen mich töten», keuchte die Frau.

«Wer?», fragte Brenn mit fester Stimme. «Wer will Sie töten?»

Die Frau öffnete den Mund, wollte etwas sagen. Aber sie brachte nur einen kehligen Laut hervor.

Sylvie kam angerannt, hinter ihr die aufgeregten Zwillinge. «Der Krankenwagen ist unterwegs!», rief Sylvie.

«Gut», sagte Brenn und wandte sich wieder der Frau zu. «Wer will Sie töten?»

Ihr Mund öffnete sich wieder. Ein bizarres Pfeifen war zu hören, dann ein Wort, das wie Firma klang.

«Eine Firma?»

Ein Hustenanfall schüttelte die Frau, dann brachte sie mühsam hervor: «Sie haben gestern Ruth getötet.»

«Wer ist Ruth?»

«Ruth», keuchte die Frau, «Ruth.» Wieder hustete sie. «Gómez Delgado»

Ihre Augen flackerten und weiteten sich flehend.

Und plötzlich wusste Thierry, wo er diese Augen gesehen hatte: bei GeneTica, im Labor, die Frau mit der Maus.

«Wer sind Sie?», rief Thierry.

Doch anstelle einer Antwort brachte die Frau nur ein Röcheln hervor. Dann sackte ihr Kopf nach vorn.

«Bleiben Sie wach!», sagte Brenn und tätschelte ihr die Wangen. «Halten Sie durch. Gleich kommt Hilfe.»

«Hey, hört mal!», rief Sylvie aufgeregt. Sie hatte die hintere Tür des Wagens geöffnet und unter dem Fahrersitz die Handtasche der Frau gefunden. Sie hielt ihren Personalausweis in der Hand. «Rosa Luz Gómez Delgado. Sekretärin bei der costaricanischen UNO-Delegation in Genf.»

«Die Schwester!», rief Thierry. «Das ist die Schwester der Frau im GeneTica-Labor.»

Plötzlich bäumte sich die Verletzte auf, sog gierig Luft in ihre Lungen. Ein Pfeifen und Quietschen drang aus ihrem Mund. Sie spuckte Blut bis an die Windschutzscheibe, dann quoll hellroter Schaum zwischen ihren Lippen hervor. Die Frau hustete erneut. Ihr ganzer Körper zuckte. Wobei ihre Jacke verrutschte und den Blick auf ihre weiße Bluse freigab.

Im Stoff klaffte ein dunkelrotes Loch.

Entsetzt starrte Thierry darauf und begriff sofort: Lungendurchschuss.

«Warmes Wasser, Gazetücher und Desinfektionslösung», orderte Brenn, als gäbe er Befehle im Operationssaal.

Sylvie rannte abermals los.

«Und einen Schlauch!», rief Brenn ihr nach. «Einen dünnen!»

Dann riss er der Frau die Bluse auf.

Der Einschuss befand sich knapp unterhalb der linken Brust – der Killer hatte wohl aufs Herz gezielt. Ein kreisrundes Loch mit scharfen Rändern. Da aus dem Rücken kein Blut drang, musste das Projektil noch in der Lunge stecken.

Sylvie kam mit einem Eimer und Gazetüchern angerannt. Sofort nahm Brenn ein Tuch, benetzte es und reinigte den Mund der Frau.

«Druckverband», wies er Thierry an. «Direkt ins Loch.»

Thierry schnappte sich Gazetücher, rannte um das Auto herum, riss die Tür auf, kniete auf den Beifahrersitz, legte ein zusammengeknotetes Tuch direkt auf die Einschussstelle und drückte mit aller Kraft darauf.

«Den Schlauch», befahl Brenn.

«Ich habe keinen», rief Sylvie völlig außer sich.

«Ich brauche sofort einen Schlauch», erwiderte Brenn ungerührt. «Die Frau erstickt uns sonst.»

«Maxim!», schrie Thierry, während er noch immer den blutgetränkten Stoffknoten in die Wunde der Frau presste. «Die Aquariumpumpe!»

Sofort liefen die Zwillinge los.

Die Schwerverletzte bäumte sich auf. Sie rang nach Luft. Mit einem Tuch versuchte Brenn ihre Mundhöhle, so gut es ging, zu reinigen.

Dann kamen die Zwillinge zurück. «Geht der?», rief Maxim. In seiner Hand hielt er einen transparenten Silikonschlauch.

«Und ob der geht!» Brenn nahm den Schlauch, streckte ihn Sylvie hin. «Desinfizieren. Einfach voll drüber.»

Sylvie kippte die Desinfektionslösung über den Schlauch.

Brenn blies ihn aus.

«Jetzt nicht bewegen», wies er die Frau an und sah ihr eindringlich in die Augen. Er fasste sie an der Stirn und drückte ihren Kopf ins Genick. Dann führte er den Schlauch in den offenen Mund ein und schob ihn weiter bis in die Luftröhre.

Die Frau hustete nass. Wehrte sich.

Thierry ließ den Druckverband fallen, packte ihre Schultern und hielt sie fest. Brenn nahm das andere Ende des Schlauchs in seinen Mund und sog daran.

Langsam kroch der rosa Schaum durch den transparenten Schlauch hoch und verschwand in Brenns Mund.

Er spuckte ihn aus.

Nahm den Schlauch wieder in den Mund und sog.

Die Frau gurgelte.

Brenn spuckte wieder Blut aus.

Schob den Schlauch tiefer.

Sie wollte sich ihm entwinden.

Thierry hielt sie mit aller Kraft fest.

Brenn sog.

Und spuckte aus.

Dann zog er den Schlauch heraus.

«Weiter runter darf ich nicht.» Er wischte sich den blutigen Mund mit einem Tuch sauber.

Die Augen der Frau weiteten sich, als endlich wieder Luft in ihre Lungen drang.

«Ich …» Sie hustete. Keuchte. «Ich … habe die … Mäuse hingelegt.»

Thierry starrte sie an. «Was wissen Sie von den Mäusen?»

«Ruth … hat sie … geschickt.» Ein neuer Hustenanfall bahnte sich den Weg aus der kollabierenden Lunge. Wieder spuckte die Frau rosa Schaum. Dann presste sie einzelne Worte hervor: «Ruth … wollte … nicht …»

Ihr Kopf fiel vornüber.

«Durchhalten!, » beschwor sie Brenn. «Was wollte Ruth nicht?»

Plötzlich fiel zuckend blaues Licht in den Hof.

Reifen knirschten im Kies.

Polizisten und Sanitäter kamen herbeigerannt. Sie hoben die Frau auf eine Trage und brachten sie zum Rettungswagen.

Thierry lief ihnen nach.

«Was wollte Ruth nicht?», flehte er die Verletzte an.

Die Frau sah ihn mit schreckensweiten Augen an.

Röchelnd nahm sie ihre letzten Kräfte zusammen und presste mühsam hervor. «Experimente … Sportler … sterben.»

Ein Sanitäter schob Thierry zur Seite und stülpte der Frau eine Sauerstoffmaske über.

Ein Polizist bat Brenn, im Streifenwagen mitzukommen.

Dann rasten die Autos los, dass die Kieselsteine in alle Richtungen spritzten.

Ebenso entsetzt wie erschöpft blieben Thierry, Sylvie und die Zwillinge zurück.

Als der Motorenlärm schon lange verklungen war, standen sie noch immer im Hof und schauten zur Ausfahrt. Dann ging Thierry langsam zum Wagen der Frau. Er setzte sich auf den Beifahrersitz und betrachtete fassungslos die Blutspritzer an der Windschutzscheibe.

«Jetzt haben wir eine Zeugin», sagte er leise.

Dann löschte er die Scheinwerfer.