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«Bestellen Sie dem Herrn Herzog, dass mich Pedro Teacher schickt.»
Der Butler war ein erstaunlich junger Mensch mit dunklem Teint und Kraushaar, langen Koteletten und Stierkämpferpose. Ein größerer Kontrast als zwischen dem Engländer und diesem Zigeuner war nur schwer vorstellbar. Er starrte den Besucher an, als wollte er ihm gleich die Tür vor der Nase zuschlagen, doch dann trat er beiseite, bat ihn mit einer dringlichen Geste herein und schloss rasch die Tür hinter ihm. «Warten Sie hier», sagte er knapp, eher wie ein Verschwörer als wie ein Bediensteter, «ich werde Seine Exzellenz benachrichtigen.»
Er verschwand durch eine Seitentür und ließ Anthony Whitelands in einer geräumigen, hohen, mit Marmorboden ausgelegten Halle allein, die keinerlei Möbel beherbergte und offensichtlich dem Ein und Aus von Freunden diente und um Fremde kurzerhand im Stehen zu empfangen. Ohne das durch die auf den Garten hinausgehenden hohen, schmalen Fenster einfallende goldene Licht wäre es ein düsterer Raum gewesen.
Blind für alles, was nicht mit seinem eingeschränkten Interessengebiet zu tun hatte, betrachtete Anthony die Bilder an den Wänden. Die meisten zeigten Jagdszenen, unter denen ihm eine ganz besonders auffiel. Tod des Aktaion gilt als eines der wichtigsten Werke aus Tizians Reifezeit. Das Bild, das er jetzt in Augenschein nahm, war eine wundervolle Kopie des Originals, das zu studieren er nie die Gelegenheit gehabt hatte, obwohl er viele Farbtafeln davon gesehen und genügend darüber gelesen hatte, um das Werk sogleich zu erkennen. Das Sujet entstammte mehreren Quellen, deren bekannteste Ovids Metamorphosen waren. Mit einigen Freunden auf der Jagd, verirrt sich Aktaion im Wald, und auf seinem Streifzug überrascht er die Göttin Diana, die sich eben ihrer Kleider entledigt hat, um in einem Teich zu baden. Zornig verwandelt sie Aktaion in einen Hirsch, der von seinen eigenen Hunden zerfleischt wird. Ohne einen offensichtlichen Grund zählt Ovid die Namen aller Hunde von Aktaions Meute auf und nennt sogar einige von deren Erzeugern, ihre Herkunft und ihre Eigenschaften. Diese Häufung von Details macht die Metzelei noch beängstigender, in der sich zwar sämtliche Beteiligten kennen, aber nicht wiedererkennen noch sich mitteilen können. Ovid erzählt, ihren Hirsch gewordenen Herrn hätten als erste zwei Hunde erreicht, die zurückgeblieben waren, dann aber eine Abkürzung genommen hatten. Dieses traurige Geschehen, so der Dichter, dürfe niemandem angelastet werden, schließlich sei es kein Verbrechen, den Weg verfehlt zu haben. Laut anderen Versionen wollte Aktaion die Göttin verführen, mit Worten oder mit Gewalt. Dritte verniedlichen das Ganze: Niemand dürfe eine Gottheit sehen, weder mit noch ohne Kleider, und dann heil davonkommen. Tizians Darstellung der Szene ist voller Widersprüche: Diana trägt noch ihre Kleider, und statt Aktaion zu verfluchen, scheint sie einen Pfeil auf ihn abschießen zu wollen oder bereits abgeschossen zu haben; die Verwandlung des unglückseligen Jägers hat eben erst begonnen – er steckt noch in seinem Menschenkörper, aber bereits ist ihm ein unproportioniert kleiner Hirschkopf gewachsen, was die Hunde nicht daran hindert, ihn schon so wild wie irgendeine Beute anzufallen, obwohl sie strenggenommen den Geruch ihres Herrn hätten erkennen müssen. Auf den ersten Blick könnten diese Fehler der Eile oder der Unlust des Künstlers gegenüber einem Auftragswerk zugeschrieben werden. Doch Tizian malte es am Ende seines Lebens und verwandte über zehn Jahre darauf. Bei seinem Tod befand sich das Bild noch in seinem Besitz. Dann ging es durch mehrere Hände und Länder, bis es in einer englischen Privatsammlung landete. Die Kopie, die Anthony jetzt betrachtete, war etwas kleiner als das Original und war, wie er folgern konnte, Ende des 19. Jahrhunderts von einem kompetenten Kopisten hergestellt worden. Während er darüber nachgrübelte, wie sie in die Halle dieses kleinen Madrider Palais gelangt sein mochte, sprach ihn in seinem Rücken eine Stimme an. «Entschuldigen Sie, sind Sie der neue Englischlehrer?»
Als er sich umwandte, sah er vor sich ein Mädchen mit langen Zöpfen und in Schuluniform. «Ich fürchte, nein. Woher weißt du, dass ich Engländer bin?»
«Weil Sie so aussehen.»
«So sehr sieht man es mir also an?»
Das Mädchen trat etwas näher auf ihn zu, als wollte sie ihren Schluss oder die Aufrichtigkeit des Besuchers bestätigt sehen. Von nahem sah sie älter aus, als ihre Kleidung und ihr kindliches Benehmen annehmen ließen. Sie war schlank, hatte kleine Gesichtszüge und große, forschende Augen. «Mein Vater will, dass ich Englisch lerne, für den Fall, dass wir Madrid verlassen müssen. Ich gehe seit über einem Monat nicht mehr in die Schule. Aber Sprachen lernen mag ich nicht. Die Engländer sind Protestanten, nicht wahr?»
«Die meisten.»
«Pater Rodrigo sagt, die Protestanten werden alle zur Hölle fahren. Die Neger, auch wenn sie Heiden sind, kommen in die Vorhölle, wenn sie gut sind. Die Protestanten dagegen, auch wenn sie gut sind, in die Hölle, weil sie in ihrem Irrtum verharren, wo sie doch katholisch sein könnten.»
«Nun, ich werde Pater Rodrigo gewiss nicht widersprechen. Wie heißt du denn?»
«Alba María, aber alle sagen Lilí zu mir.»
«Lilí, zu dienen», sagte eine kräftige Stimme hinter ihm.
Ein großer, trübsinniger Mann mit hoher Stirn und weißem Haar war eingetreten. In einem einzigen Blick nahm er die Szene auf, ging mit einem angedeuteten Streicheln an dem Mädchen vorbei und reichte dem Engländer mit unveränderter Miene die Hand. «Verzeihen Sie, dass ich Sie habe warten lassen. Ich bin Álvaro del Valle y Salamero, Herzog von Igualada. Sie sind Pedro Teachers Abgesandter. Ich hoffe, das Erdbeben da hat Sie mit seiner Dreistigkeit nicht belästigt.»
Lilí hatte sich hinter ihren Vater gestellt. Auf den Zehenspitzen flüsterte sie ihm etwas ins Ohr und sauste aus der Halle.
«Nicht im Geringsten», sagte der Engländer, «Ihre Tochter hat sich als vollendete Gastgeberin benommen und mir auf charmante Art die ewige Verdammnis prophezeit.»
«Hören Sie nicht auf sie», antwortete der Herzog, «und glauben Sie nicht, Ihr Seelenheil würde ihr große Sorgen bereiten. Eben hat sie mir gesagt, Sie glichen Leslie Howard. Aber wir wollen nicht hier bleiben. Seien Sie so freundlich und kommen Sie in mein Arbeitszimmer.»
Ohne jemandem zu begegnen, gingen sie durch zwei Zimmer und betraten ein sehr wohnliches Arbeitszimmer. Anstelle der robusten kastilischen Möbel war die Bibliothek in englischem Stil gehalten, mit Regalen aus hellem Holz, die von alten, in Leder gebundenen Bänden mit Goldrücken überquollen. An einer Wand hing ein Seestück von Sorolla und an einer weiteren mehrere Zeichnungen, deren Urheberschaft der Engländer nicht zu bestimmen vermochte. Neben den Bildern hingen persönliche Fotografien in diskreten Silberrahmen. Nur in einer Ecke stand die unvermeidliche kleine Kommode, wahrscheinlich ein Familienerbstück. Alles in diesem Raum strahlte Zurückgezogenheit aus. Ein großes dreiflügeliges Fenster führte auf einen Teil des Gartens hinaus, in dem schlanke Zypressen und gestutzte Hecken einen auserlesenen Winkel mit Statuen, Springbrunnen und Marmorbank rahmten. Als er hinausschaute, um dieses reizvolle Panorama zu betrachten, sah Anthony neben dem Springbrunnen ein Paar stehen. Wegen der Distanz und des Schattens der Bäume erkannte er einzig einen hochgewachsenen Mann in langem, marineblauem Mantel und eine blonde, grüngekleidete Frau. Obwohl sie allein waren und nur vom Palais aus gesehen werden konnten, da der Garten durch eine Mauer von der Straße getrennt war, glaubte er im Benehmen der beiden etwas Heimliches wahrzunehmen. Als ihm bewusst wurde, dass er Menschen beobachtete, die nicht gesehen werden wollten, wandte er den Blick vom Fenster ab und richtete ihn auf seinen Gastgeber, dessen Gesicht sich umwölkt hatte, sei es wegen der Szene im Garten, sei es, weil ein Fremder es beobachtet hatte. Aber keiner der beiden verlor ein Wort darüber. Die Züge des Herzogs glätteten sich wieder, und er deutete auf eine lederne Sitzgruppe. Anthony machte es sich auf dem Sofa bequem, während der Herzog in einem Sessel Platz nahm. Er griff nach einer silbernen Dose auf einem Tischchen, öffnete sie, bot dem Gast eine Zigarette an und steckte sich, da dieser ablehnte, selbst eine an, schlug die Beine übereinander und rauchte eine Weile, als wollte er zu verstehen geben, dass die Angelegenheit, die sie zusammengeführt hatte, nicht in Eile abgehakt werden könnte.
«Es ist nicht leicht», sagte er schließlich, «ein so heikles Thema mit jemandem zu besprechen, den man nur durch Dritte kennt. Pedro Teacher hat mir in lobenden Worten von Ihnen berichtet, sowohl hinsichtlich Ihrer Fachkenntnisse als auch Ihrer persönlichen Eigenschaften. Ich kenne Pedro Teacher seit vielen Jahren, und obwohl wir eine eher wirtschaftliche als eine Freundschaftsbeziehung pflegen, lässt mich nichts an der Redlichkeit seines Urteils und seiner Absichten zweifeln. Dass ich mein Vertrauen nur in Unbekannte setzen kann, ist ein Beweis dafür, wie heikel die Situation ist. Sie sind ein Gentleman – beurteilen Sie selbst, wie schmachvoll es für einen Mann wie mich ist, auf die Hilfe Fremder angewiesen zu sein.»
Bei diesen Worten zitterte seine Stimme leicht, doch er kontrollierte die Erregung und fuhr scheinbar natürlich fort: «Ich spreche nicht so zu Ihnen, um mir Ihre Sympathie einzuhandeln, oder gar, um an Ihre Solidarität zu appellieren, ganz im Gegenteil: Alles, was heute in Spanien geschieht, hat den Charakter des Anormalen und unleugbar auch der Gefahr. Folglich wäre es mir absolut verständlich, wenn Sie irgendwann beschließen, die Hände von dieser Geschichte zu lassen und in Ihr Land zurückzukehren. Mit anderen Worten: Handeln Sie nach professionellen Gesichtspunkten, stellen Sie Ihre eigenen Interessen jeder anderen Erwägung voran, und lassen Sie nicht die Gefühle Ihre Entscheidung beeinflussen. Ich mag keine weitere Last auf meinem Gewissen spüren.» Mit einer heftigen Bewegung drückte er die Zigarette im Aschenbecher aus, stand auf und trat ans Fenster. Der Blick in den Garten schien ihn zu beruhigen – er setzte sich wieder hin, zündete eine weitere Zigarette an und fügte hinzu: «Wenn ich nicht irre, hat Sie unser gemeinsamer Freund ins Bild gesetzt …»
Anthony nickte. Da sein Gesprächspartner stumm blieb, fügte er hinzu: «Ihre entzückende Tochter hat mich, vielleicht ganz unbeabsichtigt, darüber informiert, dass Sie vielleicht ins Ausland ziehen. Ich nehme an, unsere Angelegenheit hat mit diesen Plänen zu tun.»
Der Herzog seufzte und sagte mit tiefer Stimme: «Meine Tochter ist sehr aufgeweckt. Ich habe ihr nichts davon gesagt, aber natürlich hat sie meine Absichten erraten. Man braucht nur hinauszugehen, um zu sehen, wie unhaltbar die Lage ist. Vor über einem Monat habe ich Lilí aus Sicherheitsgründen von der Schule genommen. Im Moment kümmert sich ein Geistlicher um ihre Ausbildung, sowohl in moralischer als auch in akademischer Hinsicht.»
Er drückte die Zigarette aus, steckte sich mechanisch eine neue an und fuhr fort: «Dass die Revolution ausbricht, ist nur noch eine Frage der Zeit. Die Lunte brennt, und nichts kann sie mehr löschen. Ich will ganz aufrichtig zu Ihnen sein, Señor Whitelands, ich fürchte mich nicht vor der Revolution. Ich bin nicht so blind, dass ich die Ungerechtigkeit nicht sehe, die in Spanien jahrhundertelang geherrscht hat. Die Privilegien meiner Klasse haben mich nicht daran gehindert, des öfteren reformerische Maßnahmen zu unterstützen, deren erste die Landreform war. Die Verwaltung meiner Güter und der Umgang mit den Pächtern haben mich in diesem Sinn mehr gelehrt als alle Reden, Berichte und Debatten einiger Kaffeehaus-, Wandelhallen- und Ministerialpolitiker. Ich halte eine Modernisierung der Klassenbeziehungen und des Wirtschaftssystems, die für das Land im Allgemeinen und letztlich für alle Spanier vorteilhaft wäre, ob reich oder arm, für möglich. Wozu dient all der Reichtum, wenn das eigene Gesinde das Messer wetzt, um uns die Kehle aufzuschlitzen? Aber für eine Reform ist es zu spät. Aus Nachlässigkeit, Inkompetenz oder Egoismus hat es keine Verständigung gegeben, und inzwischen ist eine friedliche Lösung in weite Ferne gerückt. Vor etwas über einem Jahr ist in Asturien eine kommunistische Revolution ausgebrochen. Sie wurde erstickt, aber vorher hat es viele Ausschreitungen gegeben, insbesondere gegen den Klerus. Die Mumien der Nonnen wurden ausgebuddelt und geschändet, die Leiche eines der vielen ermordeten Priester wurde zum Gespött der Öffentlichkeit mit einem Schild an den Pranger gestellt, auf dem es hieß: Schweinefleisch zu verkaufen. Diese Taten sind nicht typisch für Kommunisten, und sie gehören keinerlei Ideologie an, Señor Whitelands. Das ist pure Rohheit und Blutrünstigkeit. Dann griffen die Armee und die Guardia Civil ein, und die Repression war grauenvoll. Wir sind wahnsinnig geworden, und jedes weitere Wort ist überflüssig. Unter diesen Umständen bleibt mir kein anderer Ausweg, als meine Familie aus dem Land zu schaffen. Ich habe eine Frau und vier Kinder, zwei Jungen und zwei Mädchen. Lilí ist die Kleinste. Ich bin achtundfünfzig. Noch bin ich kein Greis, aber ich habe viel erlebt und habe gut gelebt. Die Aussicht, umgebracht zu werden, begeistert mich zwar nicht gerade, aber erschrecken tut sie mich auch nicht. Ginge es nur um mich, so würde ich bleiben. Die Vorstellung zu fliehen läuft meinem Charakter zuwider, nicht nur, weil das ein Akt der Feigheit ist, sondern wegen etwas mehr. Spanien zu verlassen ist, wie einen geliebten Menschen in der letzten Phase einer unheilbaren Krankheit allein zu lassen. Tun kann ich nichts, doch ich gehöre ans Krankenbett. Aber meine Familie braucht mich. Pragmatisch gesehen, ist ein toter Held etwa so nützlich wie ein toter Feigling.»
Er stand brüsk auf, tat einige Schritte im Arbeitszimmer und streckte die Arme aus. «Ich habe viel geredet und bitte Sie um Entschuldigung. Meine Sorgen haben nichts mit Ihnen zu tun. Aber ich wollte Ihnen zeigen, dass ich kein Kunstspekulant bin. Und in letzter Zeit habe ich nicht oft Gelegenheit zum Reden. Die Meinen halte ich von diesen Dingen möglichst fern, und mit Außenstehenden ist es nicht mehr dasselbe. Sie haben Angst, ihre Meinung zu äußern – vom Preisgeben ihrer Pläne ganz zu schweigen. Es gibt keine Freunde mehr, nur noch Gesinnungsgenossen.»
Bei der Andeutung, jemand könnte die noblen Sicherheitsvorkehrungen seines Gastgebers falsch interpretieren, setzte der Engländer zu einem wirren Protest an. Anthony Whitelands gehörte natürlich nicht dazu. Doch bevor er diese Erklärung abgeben konnte, erfüllte das melodiöse Läuten eines Glockenspiels die bläuliche Luft des Zimmers. Der Herzog von Igualada stand auf, als gehörte er zum selben Uhrwerk, und rief mit heiterem Gesicht: «Gelobt sei das Heilige Sakrament – halb zwei, und wir hier mit unserer Plauderstunde! Die Zeit verfliegt, mein Freund, vor allem in Gesellschaft eines alten Causeurs und eines freundlich-verständnisvollen Zuhörers. Wie auch immer, es darf nicht sein, dass wir uns an die Arbeit machen, wenn rechtschaffene Christen essen. Das verschieben wir auf einen geeigneteren Zeitpunkt. Bis dahin wäre es mir eine Ehre und ein Vergnügen, wenn Sie den Imbiss mit mir und meiner Familie teilen würden. Natürlich nur, wenn Sie keine anderweitige Verpflichtung haben.»
«Überhaupt nicht, aber ich möchte mich keinesfalls in Ihr Familienleben hineindrängen.»
«Unsinn, mein Lieber! In diesem Haus ist alles erlaubt, außer sich zu zieren. Und lassen Sie sich durch diesen alten Kasten nicht beeindrucken – Sie werden sehen, dass wir einfache Leute sind.»
Ohne eine Antwort abzuwarten, zog er an einer von der Decke hängenden Kordel mit Troddel, und nach einer Weile stürzte der Butler ins Arbeitszimmer und fragte hastig, ob er etwas für den Herrn Herzog tun könne. Dieser erkundigte sich, ob Señorito Guillermo zurückgekommen sei. Der Butler hatte ihn nicht gesehen.
«Schon gut», sagte der Hausherr ungeduldig, «lassen Sie ein weiteres Gedeck auflegen. Und das Essen soll pünktlich um halb drei serviert werden. Wenn Señorito Guillermo noch nicht zurück ist, wird er aufgewärmt essen müssen, was noch da ist. Und sagen Sie der Frau Herzogin, dass wir den Aperitif im Musikzimmer nehmen. Guillermo», sagte er mit nicht sehr überzeugender Strenge, nachdem sich der Butler mit den Anweisungen entfernt hatte, «ist zwar mein Kleinster, aber der größte aller Leichtfüße. Er studiert in Madrid Jurisprudenz, verbringt indessen einen Teil des Jahres zwischen den Landgütern. Meine Absicht ist es, die Liegenschaften allmählich in seinen Händen zu lassen. Seit einigen Monaten rührt er sich nicht aus dem Haus weg. Seine Mutter würde nicht mehr leben, wenn sie wüsste, wie es auf dem Land aussieht, und das mit gutem Grund. So habe ich es vorgezogen, die Familie im Pferch zu haben. Aber die Jugend kann man nicht so kurz anbinden. Nachdem er achtundvierzig Stunden hier war, ist ihm die Decke auf den Kopf gefallen, und vorgestern ist er im Revier von Freunden auf die Jagd gegangen mit dem Versprechen, heute Vormittag zurück zu sein. Wir werden ja sehen. Mein anderer Sohn ist mit zwei Kommilitonen in Italien unterwegs. Florenz, Siena, Perugia – wie schön wäre das! Er hat das Jurastudium abgeschlossen, schwärmt aber für die Kunst, und das werfe ich ihm gewiss nicht vor. Kommen Sie, Señor Whitelands, ich will Sie meiner Frau vorstellen, und wir genehmigen uns ein Gläschen Sherry. Das Heizungssystem ist alt und das Ganze ein Mausoleum. Oh – in Gegenwart meiner Frau und meiner Kinder bitte kein Wort von dem, worüber wir gesprochen haben. Es gibt keinen Grund, Sie noch mehr zu beunruhigen, als sie es ohnehin schon sind.»