Kapitel 10 – Für welche Veränderung Sie sich auch entscheiden, eine Auswirkung wird es geben

Entscheidungen haben Auswirkungen – und damit manchmal einen Preis! Und die Auswirkungen sind es, die wir bei Entscheidungen befürchten, deswegen vermeiden wir es zuweilen, eine anstehende Entscheidung wirklich anzugehen. Millionen von Frauen, die einen verheirateten Mann lieben, wissen ein Lied von dieser Furcht zu singen. »Er sagt, er will darüber nachdenken, aber dann spricht er das Thema wochenlang nicht an!«, verzweifelt Thea. »Was gibt es da denn noch zu denken? Er beteuert doch immer wieder, dass ich die Frau bin, die er liebt, und jetzt denkt er nicht die Spur darüber nach.« Weil mir das Thema vertraut ist und ich ein neugieriger Mensch bin, habe ich meinen Freund Dirk Pfister dazu befragt. Dirk ist ein echter Männerkenner. Bei langen Spaziergängen kann ich Dirk all das fragen, worüber ich als Frau verzweifle. »Wieso reflektiert Theas Lover nicht?« »Wegen der Auswirkungen!«, bescheinigt mir nun auch Dirk. »Wenn er nachdenkt, dann muss er entscheiden. Männer entscheiden in Liebesdingen aber nicht gerne. Schon gar nicht, wenn so viel auf dem Spiel steht.«

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Gratis gibt es kaum etwas im Leben. So ist es bei Entscheidungen, wenn wir eine Wahl für und damit auch gegen etwas treffen, und genauso ist es bei Veränderungen. Hier haben wir erneut die Wahl und müssen mit einer Entscheidung für etwas oft etwas anderes bleiben lassen.

) Wenn Sie abnehmen, sind Sie nicht nur schlank, sondern werden damit auch gesehen, was gelegentlich lästig sein kann.

) Sollten Sie sich für eine neue Haarfarbe entscheiden, müssen Sie immer wieder fürs Nachfärben zum Friseur.

) Möchten Sie etwas lernen, wird durch den Aufwand Ihre freie Zeit weniger.

) Wenn Sie mit jemandem zusammenziehen, dann schaffen Sie sich zwar ein trauliches Miteinander, das manchmal aber auch anstrengend ist.

) Wenn Sie lernen, »Nein!« zu sagen, kann es sein, dass die Reaktion Unverständnis ist.

Die Auswirkung, die eine Entscheidung hat, ist manchmal absehbar und manchmal nicht. Unzählige Kartenlegerinnen und Astrologen leben von dieser Qual der Wahl und dem Ringen um die beste Entscheidung. Menschen wollen etwas wagen, aber am liebsten ohne Risiko. In meiner Arbeit erlebe ich das, wenn Klienten zu mir sagen »Ich möchte anders werden, aber mich nicht verändern.« Veränderungen bewirken jedoch, dass sich etwas verändert. Das ist das Ziel, das Wesen der Veränderung.

Es kann sein, dass die Veränderung, das Neue nicht nur positive Folgen nach sich zieht. Aber Hand aufs Herz, möchten Sie wegen des Risikos wirklich auf den Gewinn verzichten?

Solange es nicht um Leben und Tod geht, dürfen Sie ein Risiko durchaus als »Einladung zum Tanz« verstehen. Das Leben ist nicht absehbar. Ab und zu sind Sie Alice und staunen mit weit aufgerissenen Augen über die Kaninchen und Monster in dem Wunderland, das Sie selbst in sich tragen.

Ich bin so einmal grandios bei einem Casting gescheitert. Es ging um eine Moderatorentätigkeit beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Ich hatte durch meine wöchentlich ausgestrahlten Buchtipps schon eine gewisse Sicherheit vor der Kamera entwickelt und war davon überzeugt, dass reinstes Moderatorenblut durch meine Adern floss. Es galt nur noch, das Casting zu bestehen. Ich wollte mich verändern und eine größere Rolle in einer Sendung einnehmen, also habe ich mich beworben und ging mit Herzklopfen, aber mutig in das Casting.

Um es drastisch auszudrücken: Ich hab’s komplett versemmelt! Im Casting musste ich unter anderem ein Expertengespräch über Winterreifen führen, dann einen Beitrag zum Thema »Wie findet man den besten Haarschnitt für sich?« anmoderieren. Außerdem sollte ich das Backen eines Kuchens kommentieren, und dazwischen kam noch ein Musikbeitrag – ich glaube, es ging um traditionelles Volksliedgut aus dem schönen Schwarzwald.

Schon nach ein paar Minuten hatte ich den Faden der Sendung gänzlich verloren. Gequält sahen mir Maske, Regie und Kamera bei meinem Durchgewurstel zu. Nach 20 Minuten, die mir wie Stunden schienen, war der Spuk endlich vorbei. Das Team, das mich ja als Kollegin kannte (was die Sache noch etwas delikater machte), schaute, vermutlich mit einem Gefühl von Fremdschämen, zur Seite. Ich war gescheitert, und zwar grandios. Was für eine Blamage … und nur, weil ich mit meinem Buchjob nicht zufrieden gewesen war.

»Wär ich doch bescheidener gewesen«, schimpfte ich mich selbst, und dann gab’s noch das übliche »Alle können moderieren, bloß ich nicht!« als Sahnezulage obendrauf. Heute weiß ich: Gescheitert wäre ich dann, wenn ich es nicht probiert hätte.

Die Pleite beim Casting hatte aber noch ein Geschenk im Gepäck dabei, denn sie ermöglichte mir einen realen Blick auf diesen Traum zu werfen. Moderation hatte ich mir immer ganz aufregend vorgestellt. Was ich jetzt aber wusste, war, dass dieser Beruf nicht zu mir passt. Nicht, weil ich gescheitert war, sondern weil es mich nicht reizt, als Moderatorin einer Nachmittagssendung im Schweinsgalopp durch eine bunte Themenpalette von Winterreifen, Käsekuchen und Dauerwellen zu toben. Meine Aufgabe als Buchexpertin war da viel schöner, denn ich konnte selbst erzählen und brauchte nicht erzählen lassen. Mit dem Thema Moderation war ich fortan durch, und nie wieder spürte ich auch nur einen Hauch von Neid, wenn eine hübsch zurechtgemachte Dame mit freundlichem Lächeln auf dem Bildschirm erschien: »Schön, dass Sie da sind! Ich habe Ihnen heute ein paar wunderbare Gäste mitgebracht …!« Nein, denke ich mir seitdem oft, meinen Käsekuchen backe ich mir lieber selbst!

Das Risiko, etwas zu testen und dabei zu scheitern zeigte sich in meinem Fall als sinnvoller, als meinen Veränderungswunsch einfach zu ignorieren. Zu überlegen und zu akzeptieren, dass eine Veränderung etwas kostet, ist ein erwachsener Akt. In diesem Moment sind Sie aktiv dabei, wägen ab und sind damit handelnder Mensch und nicht mehr Opfer. Sie wissen, dass Sie sich entscheiden können …

… wie viel Veränderung es sein darf,

… was Sie bereit sind zu zahlen,

… wie viel davon Sie anderen zeigen möchten,

… und wie viel Risiko Sie eingehen möchten.

Ganz wichtig: Tragen Sie das Risiko allein, oder hat Ihre Entscheidung Auswirkung auf das Leben eines anderen Menschen, etwa Ihres Partners, Ihrer Partnerin, der Familie, der Kinder? Wenn dem so ist, dann sollten diese Menschen gehört werden, denn dann geht es nicht mehr nur um Ihre Veränderung, sondern auch um die Veränderung im Leben von anderen Menschen.

Dank dieses Durchdenkens geschieht neben der Risikoanalyse noch etwas anderes, was für eine wirkliche Veränderung unerlässlich ist: Sie wird zu Ihrer Sache! Nur wenn Sie sich selbst für eine Veränderung entscheiden, mit allen Risiken und Nebenwirkungen, dann verbinden Sie sich mit dem, was in der Zukunft kommen soll. Sie haben die Veränderung damit zu einem Großteil »beleuchtet«. Nichts liegt im Dunkeln oder wird wie Schmutz unter das Bett gekehrt. Sie kennen den Schatten und das Licht. Niemand kann Ihnen nun etwas vormachen, sondern Sie nur noch mit weiteren interessanten Details versorgen. So sind Sie mit Ihrer Veränderung auf einem selbstbewussten Weg, da Sie sich des Wunsches, der Auswirkungen und eines möglichen Risikos bewusst sind.

Dasselbe gilt übrigens auch, wenn Sie bleiben möchten, wie Sie sind. Denn auch das hat Auswirkungen, die Sie tragen und gutheißen sollten. Argumente helfen Ihnen auch hier, zu dieser Entscheidung zu stehen.

Es ist sinnvoll, wenn Sie sich an diesem Punkt noch mal die Mühe machen, die folgenden Gedanken zu formulieren:

Ich möchte folgende Veränderung in meinem Leben:

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Die Auswirkungen, die ich annehme:

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Möchte ich die Veränderung dennoch? Mit welchen guten Gründen?

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Wenn Sie Ihren Veränderungswunsch jetzt noch einmal betrachten, wie fühlt sich der Gedanke nun an? Sind die ambivalenten Gefühle noch immer vorhanden oder ist eine Richtung klarer zu erkennen, nachdem Sie sie durchdacht haben? Gibt es Zwischenschritte, die Sie ausprobieren können, um die Auswirkungen damit etwas besser kalkulieren zu können?

Erinnern Sie sich an dieser Stelle doch auch noch mal an die Zukunftsreise vom Anfang des Buches und machen diese Übung eventuell noch einmal. Welche bislang versteckten Sehnsüchte möchten Sie endlich leben? Welchen Weg wollen Sie ab jetzt gehen? Wie wird Ihre Zukunft sich gestalten, was ist Ihnen wichtig, welches Lebensgefühl möchten Sie in sich tragen? Für welche der vielen Möglichkeiten möchten Sie sich entscheiden? Ab in die Zukunft, ist die Empfehlung, die ich Ihnen gebe.

Alles ist im Wandel – wie sich unsere Veränderung auf andere Menschen auswirkt

Wenn wir uns verändern, dann wandeln sich auch unsere Beziehungen zu den Menschen um uns herum – auch dann, wenn wir dies gar nicht beabsichtigt hatten. Markus, ein Kollege von mir, verbrachte vor wenigen Jahren nach einer Operation mehrere Wochen in einer Rehaklinik. Er hatte in dieser Zeit ein paar Kilos abgespeckt und das Radfahren für sich entdeckt. Keine große Sache eigentlich. Eher etwas, worüber sich seine Frau Margret sehr freute.

Doch Markus hatte bei seinen Radtouren noch etwas entdeckt: das Wörtchen »ich«. Bislang war er ein knuffiger, liebevoller Ehemann gewesen, der seine Frau beim Stadtbummel begleitete oder mit ihr ins Café ging. Nun jedoch entschied er sich an den Wochenenden lieber fürs Radfahren. Statt den überwiegenden Teil seiner Freizeit mit Margret zu verbringen, radelte er allein durch die nähere Umgebung.

Margret, die gewohnt war, dass Markus sie in sein Leben einbezog, war irritiert – ja, mehr noch: Sie reagierte eifersüchtig, fühlte sich ausgegrenzt und alleingelassen. Viele Streitereien und Tränenausbrüche waren die Folge. Markus, nun kein weicher Brummbär mehr, blieb bei seinem Entschluss. Er erklärte Margret: »Ich werde dir jede Frage beantworten, ich werde dir gern alles erzählen, was in mir und um mich herum vorgeht, aber ich werde weiterhin allein Fahrrad fahren.

Nach und nach gewöhnte sich Margret an die neue Situation. Sie begann, über ihr eigenes Leben nachzudenken und erkannte Chancen und Möglichkeiten, die sie bisher nicht in Betracht gezogen hatte. Auch sie entdeckte ihr Ich und genoss es sehr: Sie stellte fest, dass es viel schöner war, allein oder mit einer Freundin durch die Stadt zu bummeln, sie begann Volleyball zu spielen und gestaltete die Zeit, während der Markus mit seinem Fahrrad unterwegs war, aktiv für sich.

Und nun? Alles gut? Oh nein, so einfach ist es in den meisten Fällen nicht.

Auch diese Veränderung zog Veränderungen nach sich. Markus fühlte sich nämlich nun auf einmal überflüssig. »Als sich Margret anfänglich beschwerte, weil ich ihr bei den Shoppingtouren fehlte, da war das nicht nur ärgerlich, es war auch schmeichelhaft«, gestand Markus ein. »Jeder Streit hat mir unter anderem auch gezeigt, wie wertvoll ich für sie war. Als sie nun aber immer häufiger allein oder mit anderen unterwegs war und Gefallen daran fand, fühlte ich mich ausgegrenzt.« Markus bot Margret nun sogar an, die Fahrradtouren bleiben zu lassen, um sie wieder zu begleiten. Doch Margret lehnte ab, weil es ihr viel mehr Spaß machte, allein durch die Stadt zu bummeln oder mit den neuen Freunden Volleyball zu spielen.

Erst nach einer Weile fanden die beiden einen Weg, wie aus den zwei Ichs wieder ein Wir werden konnte: Die Samstage verbringen sie weitgehend mit ihren jeweiligen Hobbys. Die Sonntage jedoch gehören ihnen gemeinsam. Diese werden inzwischen jeweils im Wechsel von einem der beiden gestaltet: »Wir wollten nicht, dass unsere Kreativität im Ich verschwindet, sondern uns gegenseitig inspirieren. Deshalb bringen wir uns an den Sonntagen gegenseitig auf neue Ideen und erfahren neue Dinge.« Auf diese Weise hielten Vielfalt und Zufriedenheit Einzug in Margrets und Markus’ gemeinsames Häuschen. Die beiden sind auf neue Weise ins Gespräch gekommen und entdecken neben neuen Facetten ihres eigenen Ich auch bislang unbekannte Seiten ihres Wir.

Trauen Sie sich, unvertraut zu werden

Familien und Freundschaften basieren auf Vertrautheit und Gewohnheit. Deshalb irritiert es zunächst, wenn jemand auf einmal anders reagiert als sonst. Was bislang bekannt war, wird nun unkalkulierbar. Der Mensch, der bisher vertraut war, wirkt fremd. Solange wir sind, wie wir immer waren, kann es sich unser Gegenüber in einer beziehungsmäßigen Komfortzone gemütlich machen. Doch wenn Sie sich verändern, ist dies vorbei. Manche Veränderungen gehen langsam vonstatten, da fällt es zunächst kaum auf, wenn sich die Beziehungsstrukturen wandeln. Manche Änderungen hingegen kommen plötzlich und krempeln einiges um.

Dies ist ein ganz natürlicher Vorgang. Alle unsere Beziehungen unterliegen einem Wandel, denn wir alle verändern uns im Laufe unseres Lebens. Meist geschehen diese Veränderungen langsam und allmählich, sodass wir dies kaum registrieren. Nehmen wir unsere Entwicklung jedoch in die Hand und treiben sie aus eigenem Entschluss voran, fällt es unseren Freunden, den Kollegen und der Familie bewusst auf. Manche reagieren dann irritiert und verunsichert: »Was ist denn mit dir los? So kenn ich dich ja gar nicht.« Was bislang vorhersehbar und bequem war, wird nun unkomfortabel.

Lassen Sie sich von solchen Äußerungen nicht abschrecken – zum einen ist es doch ein schönes Kompliment, dass man sein Gegenüber auch nach Jahren noch überraschen kann. Und zum anderen hält Überraschung jung. Meine gute Freundin Helga bringt dies elegant auf den Punkt: »Es macht doch nichts, wenn andere sich an etwas Neues, Unbequemes gewöhnen müssen. Die spüren sich dann auch.«

Nur weil es für jemand anders gemütlich und vertraut ist, heißt das noch lange nicht, dass Sie immer die- oder derselbe bleiben müssen. Sie haben das Hoheitsrecht über Ihre Persönlichkeit, und wenn Sie sich verändern möchten, dann ist dies allein Ihre Entscheidung! Außerdem streben Sie ja eine Veränderung an, weil Sie glücklicher und zufriedener sein wollen und dieses Glück färbt auch auf andere ab.

Machen Sie sich für andere nicht kleiner, als Sie sind

Freundschaften können wir schließen und wieder lösen – bei Familienbanden verhält es sich etwas anders. Regina, Teilnehmerin eines meiner Seminare, schilderte ihren Zwiespalt folgendermaßen: »Ich habe studiert und arbeite in leitender Position in einem großen Chemieunternehmen. Meiner Familie ist das völlig fremd. Schon dass ich studiert habe, war irritierend, und dann noch Chemie, etwas so Abstraktes. Außerdem stört es meine Verwandten, dass ich nicht mehr wie sie auf dem Land wohne. Ich würde mich so ›städtisch‹ geben, sagen sie. Um solche Reibungspunkte zu vermeiden, passe ich mich lieber an, wenn ich zu Hause bin. Ich versuche so zu sein wie früher. Aber das fühlt sich falsch an – ich bin zwar noch ich, aber doch gleichzeitig eine andere. Manchmal weiß ich gar nicht mehr, wer ich bin.«

Während Regina von ihrer Familie erzählt, verändert sich ihre ganze Körperhaltung. War sie vorher eine ganz souveräne Managerin, verhält sie sich nun eher wie ein kleines Mädchen. Beide Füße hat sie hinter die Stuhlbeine verhakt, den Oberkörper seitlich nach vorn gebogen, den Kopf hat sie schief gelegt, ihre Lippen sind zu einem hilflosen Lächeln verzogen, und die Stimme ist leise und hoch geworden. Kein Wunder, dass sie sich in ihrem Heimatort zerrissen und unwohl fühlt: Sie versucht dort, ihre Veränderung, die Entwicklung, die sie im Laufe der Jahre durchlaufen hat, zu verbergen. Statt zu zeigen, wer sie ist, versucht sie, das Mädchen zu sein, das sie früher einmal war.

Regina steckt in einem Dilemma: Zeigt sie ihrer Familie ihren Wandel, ihr neues Selbst, dann würde sie für ihre Familie zunächst einmal fremd und unvertraut werden. Verschweigt sie den Wandel jedoch weiterhin, indem sie sich an ihre Familie und ihre alte Rolle anpasst, dann ist sie sich selbst fremd und unvertraut.

Als Regina dies bewusst wurde, entschied sie sich, von nun an zu zeigen, dass sie sich verändert hatte. Sie wollte zu Hause nicht mehr die Rolle des kleinen Mädchens annehmen, sondern zeigen, dass sie längst eine eigenständige Frau mit einem eigenen Werdegang war. Ganz bewusst nahm Regina in Kauf, dass dies zu Irritationen und vermutlich spitzen Bemerkungen führen würde. Doch sie kam zu dem Schluss, dass ihr dies lieber war, als die innere Zerrissenheit.

Wenn Sie sich für Wachstum und Erneuerung entscheiden, dann kann es sein, dass Teile Ihrer Familie davon irritiert sind. Manche verstehen diesen Schritt vielleicht nicht und sehen darin eine Zurückweisung von Werten, die ihnen viel bedeuten. Manche sind vielleicht enttäuscht, weil sie anderes erwartet haben. Aber egal, wie Sie sich wenden und drehen: Einer wird immer enttäuscht sein: Entweder derjenige, der von Ihnen anderes erwartet hat – oder Sie, weil Sie Ihren Traum den Erwartungen anderer opfern.

Auch Abschiede, Trennungen und kleine Distanzen können liebevoll gestaltet werden und überhaupt, man weiß doch nie, ob und wann man sich wieder begegnet. Ein paar Freundschaften von mir ruhten deshalb schon eine Zeit lang und zumindest zwei davon blühten nach der Pause sogar schöner als zuvor.

Abstand bedeutet nichts anderes, als dass sich der Raum zwischen zwei Menschen vergrößert und man nur bestimmte Situationen oder Erfahrungen miteinander teilt. Dank des größeren Raums und der Distanz hat Ihr Gegenüber die Möglichkeit, sich an Ihr Anderssein zu gewöhnen: Skeptische Familienmitglieder oder auch Freunde können beobachten, wie Sie nun handeln und sich geben, und auf diese Weise langsam damit vertraut werden. Wenn Sie Ihre Andersartigkeit verbergen, hat Ihr Gegenüber überhaupt keine Chance, dies zu tun.

Wenn Sie befürchten, dass andere Menschen sich dann abwenden oder Sie nicht mehr lieben, dann sprechen Sie darüber. Sehr oft stimmt unsere Fantasie mit der Wirklichkeit nicht überein. Das heißt, wir »dichten« dann etwas in andere Köpfe hinein und lassen uns von eigenen Fantasien und Interpretationen blockieren.

ente.tifSprechen Sie mit Ihrer Umgebung, wenn sie von Entscheidungen betroffen ist. Sie können auf diese Weise zusammen miteinander klären, wie das neue »andere« Leben gemeinsam zu leben ist. Außerdem ist es auch manchmal so, dass man viel mehr Bedenken darüber hat, wie sich das Umfeld zu der Veränderung äußern wird, als es tatsächlich der Fall ist. Die Klärung hilft also nicht nur anderen, an Ihrer Entwicklung teilzuhaben, sondern Sie tun auch etwas für sich.

»Ich will schreiben«, sagte ich vor 15 Jahren, wohl wissend, dass ich dann nicht mehr als Redakteurin arbeiten konnte. Es brannte mir auf der Seele, und für Außenstehende war es schwer, meinen inneren Drang zu verstehen. Eine eigene große Interviewsendung im Radio aufgeben, nur weil man ein »bisschen schreiben« will? Es musste sein, ich wollte es, und ich war mir darüber klar, dass ein großes Risiko damit verbunden war: emotional, finanziell, karrieremäßig und auch, was das Ansehen meiner Familie betraf, denn schließlich würde man mich nicht mehr »im Radio hören« können, und damit fiele schließlich bei den Nachbarn auch das kleine »Starglitzern« unserer Familie weg!

Wie sieht es bei Ihnen aus? Haben Sie eine Idee, mit welchem Risiko oder Preis Ihre Veränderung verbunden sein könnte?

Folgende Fragen bringen Klarheit:

) Was müssen Sie lassen, um das Neue zu beginnen?

) Sind reelle Kosten damit verbunden?

) Müssen Sie jemanden einweihen, auf Ihre Seite ziehen?

) Brauchen Sie jemanden, der »mitzieht«, Sie begleitet oder unterstützt?

) Ist Ihr Vorhaben aus eigener Kraft zu schaffen, oder braucht es etwas, damit Ihr Plan gelingt?

) Gibt es ein Opfer, bleibt etwas auf der Strecke?

Eine letzte Frage: Sind Sie bereit, den Preis zu zahlen, das Opfer zu entrichten, das Risiko einzugehen? Wenn dem so ist, dann sagen Sie laut und vernehmlich JA zu Ihrer Veränderung und gehen Sie los! Denken Sie an den kleinen Marcel: »Ja! Hier oben!« – das wird Sie in Ihrer Energie unterstützen.

Wenn der Preis zu hoch, das Risiko nicht überschaubar, das Opfer unangemessen ist, dann überprüfen Sie noch einmal, inwieweit Ihr Veränderungswunsch überhaupt umsetzbar und realistisch ist. Ihr Unterbewusstsein wird nur die Veränderungen mittragen, für die es bereit ist, etwas anderes zu »lassen«. Ist dem nicht so, stellt es sich quer, und in der Folge werden Sie Ihr Ziel nicht erreichen. Sehr gerne wird dann der innere Schweinehund bemüht, oder man wirft sich vor, nicht konsequent genug zu sein. In Wirklichkeit ist da aber ein Preis, der zu hoch scheint, ein Opfer, das man nicht wirklich bringen möchte oder ein Risiko, das man nicht bereit ist einzugehen.

Leider ist nicht möglich, das Risiko komplett auszuschalten. Aber lassen Sie sich von dem Wort Risiko nicht zu sehr beeindrucken. Auch mit diesem Wort gehen Interpretationen, Fantasien und Annahmen einher. Manch einer sieht sich da sofort unangeseilt in einer Bergwand hängen, dabei findet die Klettertour in einem gesicherten Klettergarten statt. Risiken sind unterschiedlich groß. Manche scheinen verschwindend klein, manche blasen sich auf und machen sich wichtig und manche sind wirklich so groß, dass wir uns beraten und absichern sollten, bevor wir es wagen, sie einzugehen.

Sie wollen kein Risiko eingehen?

Dann haben Sie Ihren Plan wenigstens durchdacht und werden von Ihren Überlegungen an anderer Stelle profitieren. Sie haben sich dann für die Sicherheit entschieden und gegen das Risiko. Das ist okay. Hauptsache Sie reflektieren und entscheiden dann. Jede Entscheidung ist gut, auch wenn sie erst einmal wie ein Rückschritt erscheint.

Das Leben öffnet uns immer wieder neue Fenster und Sie wissen doch: verpasste Chancen, die gibt es nicht. Wo sich eine Tür schließt, geht nämlich meist ein Fenster auf. Auch das ist ein Glaubenssatz, aber ein guter!

Wie man in eine Veränderungsidee verliebt bleibt

Ich habe eine sehr gute Freundin, Claudia. Wir kennen uns bereits seit vielen Jahren und ich konnte in all der Zeit beobachten, dass Claudia nicht an ihren Zielen scheitert, sondern dass ihr leicht die Luft bei der Umsetzung ausgeht. Sie probiert etwas, hält eine Weile daran fest und dann gibt sie auf, vergisst die Idee und lässt alle Planungen einfach fallen. »Ach … lieber doch nicht!«, sagte Claudia dann und wedelt alles weg. Oder sie erkennt nach einer Zeit »Weißt du, das dauert mir einfach zu lang.« Oder sie verliert mit der Zeit den roten Faden. Ein Abbruch dieser Art ist nicht weiter schlimm, aber wenn Sie oft Ihre Ziele aufgrund von Lustlosigkeit abbrechen, dann verlieren Sie mit der Zeit das Interesse, sich neue Ziele zu setzen – und das wäre doch sehr schade!

Unerfüllte Ziele und Vorhaben werden mit der Zeit so unattraktiv wie eingestaubte Beziehungen. Man schätzt sich, mag sich, kann sich aufeinander verlassen, aber es pulsiert nichts mehr. Fünf Diäten weiter, haben Sie dann noch immer kein Gramm abgenommen. Oder Sie haben wie ich die größte private Sammlung von »Lernen Sie Italienisch«-Büchern und CDs und sind bei den ersten Sätzen stehen geblieben.

Salve a tutti, mi chiamo Christina, e sono tedesca.

Es ist wunderbar, immer neue Bücher und CDs zu kaufen, nur das Üben und Lernen fällt mir so schwer. Ich liebe die Idee, Italienisch zu können, aber ich mag nicht den Weg, der dahin führt. »Liebe ist Arbeit«, hört man häufig, und das mag ich eigentlich nicht gern. Denn wenn schon die Liebe unter die Kategorie Arbeit fällt, ach, dann kann man doch auch gleich den Kopf auf die Tischplatte legen und eine Runde heulen. Wer will sich denn schon permanent mit Arbeit beschäftigen? Allerdings ist es nicht nur auf dem Weg zu kleinen Zielen, sondern auch im Allgemeinen so, dass sich nur dann etwas bewegt, wenn man selbst in die Gänge kommt. Und das tut man umso lieber und leichter, je mehr Freude und Liebe im Spiel ist.

Kurz und gut, will man etwas verändern und dabei bleiben, muss man sich verlieben. Und wenn man nicht verliebt in das Thema ist, dann muss man etwas finden, was einen verliebt macht. Viele Wege führen zur Anziehung. Und die muss geschehen, damit Sie Ihrem Ziel – auf lange Sicht – treu bleiben. Von mir aus auch 50 Jahre lang.

Max Kruse, einer meiner liebsten Autoren, ist 90 Jahre alt und schreibt noch immer. Er muss diese Beschäftigung lieben, etwas an ihr finden, sonst würde er das nicht schon seit 70 Jahren tun.

Liebe kommt von alleine, aber sie bleibt nicht von alleine bestehen. Ich erinnere mich gut an den Moment, in dem ich sehr glücklich und verliebt das Anmeldeformular für meinen ersten Italienischkurs ausfüllte. Lang, lang ist’s her. Aber ich kann es noch spüren, dass da »etwas« war. Und wenn einmal etwas war, dann kann es auch wieder sein. Sich daran zu erinnern, kann Ihnen helfen, wieder den alten Schwung zu spüren. Tauchen Sie noch mal richtig in dieses Gefühl ein. Meldet sich da etwas, das noch pulsiert und gelebt sein will? Wenn ja, dann ist es noch nicht zu spät und Sie können das scheinbar erloschene Feuer neu entfachen.

Bitte schreiben Sie in das Herz Stichworte, die Sie später, in Zeiten der Dürre, daran erinnern, dass Sie sehr verliebt gewesen sind, als Sie die Veränderung wollten.

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Und was wollen Sie tun, um in guten wie in schlechten Tagen Ihrer Veränderung treu zu bleiben? Etwa, wie ich, sich einen Urlaubsort suchen, der mich bei meinen Veränderungen inspiriert – Wien und Weimar sind für mich diese beiden Orte. Oder eine Musik finden, die es mir leicht macht, immer wieder die Bücher in die Hand zu nehmen.

Veränderung braucht Liebe, keine Nörgelei. Sie will gepflegt und beachtet werden und realistisch eingeschätzt. Und manchmal, da braucht man trotz allen guten Willens auch etwas Hilfe, ein paar Erinnerungen oder Tipps. In der Ideenkiste am Ende des Buches habe ich zusammengetragen, was für Sie hilfreich sein kann, wenn Ihr Plan ins Stocken gerät und auf welcher Schiene Ihr Selbstbewusstsein prima rollt. Veränderungen sind etwas Wunderbares, weil Wandel zum Leben gehört und das Leben bunt und fröhlich macht.

Es ist nicht gesagt, dass es besser wird, wenn es anders wird. Wenn es aber besser werden soll, muss es anders werden.

Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799),

Aphoristiker und Physiker