Zwei

Wie wichtig das geplante Bündnis für Alfred war, wurde mir erst so recht bewusst, als ich nach Buccingahamm zurückkehrte und sechzehn Mönche dabei vorfand, wie sie mein Essen verschlangen und mein Ale tranken. Die Jüngsten unter ihnen waren noch bartlose Knäblein, und der Älteste, ihr Anführer, war ein korpulenter Mann in meinem Alter. Er hieß Bruder John und war so fett, dass es ihm Schwierigkeiten bereitete, sich vor mir zu verbeugen. «Er stammt aus dem Frankenreich», sagte Willibald stolz.

«Und was hat er hier verloren?»

«Er ist der Gesangsmeister des Königs! Er leitet den Chor.»

«Einen Chor?», fragte ich.

«Wir singen», sagte Bruder John mit einer Stimme, die wie Donnergrollen irgendwoher aus seinem umfangreichen Bauch aufzusteigen schien. Er winkte gebieterisch zu seinen Mönchen hinüber und rief: «Das Soli Deo Gloria. Steht auf! Tief einatmen! Auf mein Wort! Eins! Zwei!» Sie begannen einen feierlichen Gesang. «Münder auf!», brüllte Bruder John. «Den Mund aufsperren! Den Mund aufsperren wie die kleinen Vögelein im Nest! Aus dem Bauch singen! Ich höre euch nicht!»

«Genug!», rief ich, noch bevor sie mit dem ersten Satz fertig waren. Ich warf Oswi, meinem Diener, meinen Schwertgurt zu, dann ging ich zum Feuer in der Mitte, um mich aufzuwärmen. «Warum», fragte ich Willibald, «muss ich singende Mönche durchfüttern?»

«Es ist wichtig, dass wir mit unserem Erscheinen beeindrucken», antwortete er und beäugte misstrauisch mein schlammverspritztes Kettenhemd. «Wir sind dort die Stellvertreter von Wessex, Herr, und wir müssen den Glanz von Alfreds Hof veranschaulichen.»

Alfred hatte mit den Mönchen auch Banner geschickt. Eines zeigte den Drachen von Wessex, während andere mit Heiligenbildern oder christlichen Symbolen bestickt waren. «Nehmen wir diese Lumpen auch mit?», fragte ich.

«Gewiss», sagte Willibald.

«Kann ich dann vielleicht ein Banner mitnehmen, das Thor zeigt? Oder Wotan?»

Willibald seufzte. «Ich bitte Euch, Herr, nein.»

«Und warum können wir kein Banner haben, auf dem eine von den weiblichen Heiligen ist?», fragte ich.

«Das können wir ganz bestimmt», sagte Willibald, erfreut über meinen Vorschlag, «wenn Euch das gefallen würde.»

«Eine von diesen Frauen, die nackt ausgezogen worden sind, bevor sie umgebracht wurden», fügte ich hinzu, und Pater Willibald seufzte erneut.

Sigunn brachte mir ein Horn angewärmtes Ale, und ich gab ihr einen Kuss. «Alles in Ordnung hier?», fragte ich sie.

Sie sah zu den Mönchen hinüber und zuckte mit den Achseln. Ich bemerkte Willibalds Neugierde, was sie anging, ganz besonders, als ich den Arm um sie legte und sie an mich zog. «Das ist meine Frau», erklärte ich.

«Aber …», setzte er an und unterbrach sich augenblicklich. Er dachte an Æthelflæd, hatte aber nicht den Mut, ihren Namen auszusprechen.

Ich lächelte ihn an. «Habt Ihr eine Frage, Pater?»

«Nein, nein», antwortete er hastig.

Ich betrachtete das größte Banner, ein reichverziertes Leinenquadrat, mit einer gestickten Kreuzigungsszene geschmückt. Es war so riesig, dass man zwei Männer brauchen würde, um damit zu paradieren, und noch mehr, falls die Windstärke eine sanfte Brise überstieg. «Weiß Eohric, dass wir mit einer ganzen Armee anrücken?», fragte ich Willibald.

«Es wurde ihm mitgeteilt, dass er bis zu hundert Personen zu erwarten hat.»

«Und erwartet er auch Sigurd und Cnut?», hakte ich in ätzendem Ton nach, und Willibald starrte mich einfach nur ausdruckslos an. «Die Dänen wissen über diesen Bündnisplan Bescheid», erklärte ich ihm, «und sie werden versuchen, den Vertragsabschluss zu verhindern.»

«Verhindern? Und wie?»

«Was glaubt Ihr wohl?», fragte ich zurück.

Willibald wurde blasser denn je. «König Eohric schickt Männer als Begleitschutz», sagte er.

«Schickt er sie hierher?» Ich war wütend, weil ich dachte, es würde von mir erwartet, noch mehr Männer abzufüttern.

«Nach Huntandon», sagte Willibald, «und von dort aus bringen sie uns nach Eleg.»

«Warum gehen wir überhaupt nach Ostanglien?», fragte ich.

«Um den Vertrag auszuhandeln natürlich», sagte Willibald, verwirrt von meiner Frage.

«Und warum schickt Eohric seine Männer dann nicht nach Wessex?», wollte ich wissen.

«Eohric hat doch Männer geschickt, Herr! Er hat Ceolberht und Ceolnoth geschickt. Das Bündnis war König Eohrics Vorschlag.»

«Aber warum wird es dann nicht in Wessex unterzeichnet und besiegelt?», beharrte ich.

Willibald breitete die Hände aus. «Spielt das eine Rolle, Herr?», fragte er eine Spur ungeduldig. «Und wir sollen uns in drei Tagen in Huntandon treffen», fuhr er fort. «Und falls das Wetter schlecht wird …» Er beendete den Satz nicht.

Ich hatte schon von Huntandon gehört, war allerdings niemals dort gewesen, und alles, was ich wusste, war, dass es irgendwo jenseits der unklaren Grenze zwischen Mercien und Ostanglien lag. Ich gab den Zwillingen, Ceolberht und Ceolnoth, ein Zeichen, und sie kamen eilig von dem Tisch herangelaufen, an dem sie mit den beiden Priestern aus Wessex gesessen hatten. «Wenn wir von hier aus auf dem kürzesten Weg nach Eleg reiten wollten», sagte ich zu den Zwillingen, «welchen Weg müssten wir dann nehmen?»

Sie berieten sich kurz mit gesenkten Stimmen, dann meinte der eine, am schnellsten käme man über Grantaceaster hin. «Von dort aus», nahm der andere den Faden auf, «gibt es eine Römerstraße, die geradewegs zu der Insel führt.»

«Insel?»

«Eleg ist eine Insel», sagte ein Zwilling.

«In einem Sumpf», fügte der andere hinzu.

«Mit einem Kloster!»

«Das von den Heiden niedergebrannt wurde.»

«Aber inzwischen ist die Kirche wieder aufgebaut.»

«Dank sei dem Herrn.»

«Die heilige Æthelreda hat das Kloster errichtet.»

«Und sie war mit einem Northumbrier verheiratet», sagte Ceolnoth oder Ceolberht, um mir zu gefallen, denn ich bin selbst Northumbrier. Ich bin der Herr von Bebbanburg, wenn auch in jenen Tagen mein verderbter Onkel in der großen Festung am Meer wohnte. Er hatte sie mir gestohlen, und ich hatte vor, sie mir zurückzuholen.

«Und Huntandon liegt an der Straße nach Grantaceaster?», erkundigte ich mich.

Die Zwillinge wirkten erstaunt über meine Unwissenheit. «O nein, Herr», sagte einer von ihnen. «Huntandon liegt weiter nördlich.»

«Warum gehen wir dann dorthin?»

«König Eohric», begann der eine Zwilling, dann erstarb seine Stimme. Es war offenkundig, dass weder er noch sein Bruder über diese Frage nachgedacht hatten.

«Dieser Weg ist so gut wie jeder andere», sagte sein Bruder beherzt.

«Besser als der über Grantaceaster?», fragte ich nach.

«Beinahe ebenso gut, Herr», sagte einer der Zwillinge.

Es gibt Momente, in denen sich ein Mann fühlt wie ein wilder Keiler, der in einem Wald in die Enge getrieben wird. Er hört die Jäger, lauscht auf das Gebell der Jagdhunde, spürt, wie sein Herz immer schneller schlägt, überlegt, in welche Richtung er fliehen soll, und weiß es nicht, weil die Geräusche der Verfolger von überall und nirgends kommen. Nichts davon passte zusammen. Nichts. Ich ließ Sihtric rufen, der früher mein Diener, nun aber ein Krieger in meiner Haustruppe war. «Such jemanden», erklärte ich ihm, «irgendwen, der Huntandon kennt. Bring ihn her. Ich will ihn spätestens morgen hierhaben.»

«Und wo soll ich ihn suchen?», fragte Sihtric.

«Woher soll ich das wissen? Geh in die Stadt. Rede mit den Leuten in den Schänken.»

Sihtric, mager und mit scharfen Gesichtszügen, sah mich gereizt an. «Ich soll also jemanden in einer Schänke finden», sagte er, als sei das eine unerfüllbare Aufgabe.

«Einen Händler», schrie ich ihn an. «Such mir jemanden, der im Land umherzieht! Und betrink dich nicht. Such jemanden, und dann bringst du ihn zu mir.» Sihtric war immer noch mürrisch, vielleicht wollte er nicht wieder hinaus in die Kälte. Einen Augenblick lang sah er aus wie sein Vater, Kjartan der Grausame, der eine sächsische Sklavin mit Sihtric geschwängert hatte, dann aber gelang es ihm, seinen Ärger zu beherrschen, und er drehte sich um und ging weg. Finan, der Sihtrics Aufsässigkeit bemerkt hatte, entspannte sich. «Such mir jemanden, der weiß, wie man nach Huntandon und Grantaceaster und Eleg kommt», rief ich Sihtric nach, doch er antwortete nicht und verließ wortlos den Palas.

Ich kannte Wessex recht gut, und ich lernte Teile von Mercien kennen. Ich kannte das Gebiet um Bebbanburg und um Lundene, aber vieles vom übrigen Britannien war mir ein Rätsel. Ich brauchte jemanden, dem Ostanglien so vertraut war wie mir Wessex. «Wir kennen all diese Orte, Herr», sagte einer der Zwillinge.

Ich ging nicht auf diese Bemerkung ein, weil die Zwillinge meine Bedenken niemals verstanden hätten. Ceolberht und Ceolnoth hatten ihr Leben der Bekehrung der Dänen gewidmet, und sie sahen den Bündnisplan mit Eohric als Beweis dafür an, dass ihr Gott den Kampf gegen die heidnischen Götzen gewann, und zudem wären sie wohl höchst unzuverlässige Verbündete bei dem Vorhaben gewesen, das mir gerade in den Sinn kam. «Und Eohric», sagte ich zu den Zwillingen, «schickt also Männer, mit denen wir uns bei Huntandon treffen sollen.»

«Eine Begleitmannschaft, Herr, ganz recht. Sie wird vermutlich von Jarl Oscytel angeführt.»

Von Oscytel hatte ich schon gehört. Er war der Befehlshaber über Eohrics Hauskerle und damit der oberste Heerführer Ostangliens. «Und wie viele Männer wird er mitbringen?», fragte ich.

Die Zwillinge zuckten mit den Schultern. «Vielleicht einhundert?», sagte einer.

«Oder zweihundert?», sagte der andere.

«Und dann werden wir alle zusammen nach Eleg gehen», sagte der erste Zwilling heiter.

«Mit frohen Gesängen», warf Bruder John ein, «wie die kleinen Vögelein.»

Also wurde von mir erwartet, dass ich mit einem halben Dutzend Prunkbannern und einem Trupp singender Mönche nach Ostanglien marschierte? Das würde Sigurd gefallen, dachte ich. Es lag unbedingt in seinem Interesse, den Vertragsschluss zu verhindern, und es gab für ihn kaum eine bessere Art, um sein Ziel zu erreichen, als mich in einen Hinterhalt zu locken, noch bevor wir überhaupt in Huntandon ankamen. Ich war nicht sicher, ob er das tatsächlich plante, es war nur eine Vermutung. Nach allem, was ich wusste, war Sigurd wirklich dabei, das Julfest zu begehen, und hatte nicht die Absicht, einen schnellen winterlichen Feldzug zu unternehmen, um das Bündnis zwischen Wessex, Mercien und Ostanglien zu verhindern. Doch niemand, der annimmt, seine Feinde würden schlafen, bleibt lange am Leben. Ich gab Sigunn einen Klaps aufs Hinterteil. «Würdest du das Julfest gern in Eleg verbringen?», fragte ich sie.

«Weihnachten», konnte sich einer der Zwillinge die Richtigstellung nicht verkneifen, doch dann erbleichte er unter dem Blick, den ich ihm zuwarf.

«Ich würde zu Jul lieber hier sein», sagte Sigunn.

«Wir gehen nach Eleg», erklärte ich ihr, «und du trägst die Goldketten, die ich dir gegeben habe. Es ist wichtig, dass wir mit unserem Erscheinen beeindrucken», fügte ich hinzu. Dann sah ich Willibald an. «So ist es doch, Pater, nicht wahr?»

«Ihr könnt sie nicht mitnehmen!», zischte Willibald.

«Ich kann es nicht?»

Er ließ seine Hände flattern. Er wollte sagen, dass die Pracht von Alfreds Hof von der Anwesenheit einer dänischen Schönheit verseucht werden würde, aber er wagte es nicht, diese Worte laut auszusprechen. Er starrte einfach nur Sigunn an, die Witwe eines dänischen Kriegers, den wir bei Beamfleot getötet hatten. Sie war etwa siebzehn Jahre alt, ein schlankes Mädchen mit heller Haut, blauen Augen und Haar wie schimmerndes Gold. Sie trug ein prächtiges Gewand, ihr Kleid aus hellgelbem Leinen schmückte eine verzwickte blaue Randstickerei aus Drachenleibern, die sich um den Saum, den Halsausschnitt und die Ärmelkanten wanden. Gold hing um ihren Hals und blitzte an ihren Handgelenken, ein Zeichen dafür, dass sie eine bevorzugte Stellung genoss, der Besitz eines Herrn war. Sie gehörte mir, aber den größten Teil ihres Lebens hatte sie nur die Gesellschaft von Haestens Männern gekannt, und Haesten war auf der anderen Seite Britanniens, in Ceaster.

Und das war der Grund, aus dem ich Sigunn Richtung Eleg mitnehmen würde.

Es war die Zeit des Julfestes 898, und irgendwer versuchte mich zu töten.

Doch stattdessen würde ich ihn töten.


Sihtric hatte meine Befehle zwar merkwürdig widerstrebend erfüllt, aber der Mann, den er mir brachte, war eine gute Wahl. Er war noch jung, kaum älter als zwanzig, und er behauptete, Magier zu sein, was hieß, dass er ein Galgenstrick war, der von Stadt zu Stadt zog, um Talismane und Zaubermittel zu verkaufen. Er nannte sich Ludda, allerdings bezweifelte ich, dass das sein echter Name war, und er wurde von einem kleinen, dunkelhaarigen Mädchen namens Teg begleitet, das unter dichten schwarzen Augenbrauen und einem vogelnestartigen Wust von wirrem Haar finster zu mir emporblickte. Sie schien vor sich hinzumurmeln, während sie mich ansah. «Belegt sie da jemanden mit Zaubersprüchen?», fragte ich.

«Das kann sie, Herr», gab Ludda zurück.

«Und tut sie es?»

«Oh, nein, Herr», versicherte mir Ludda eilig. Ebenso wie das Mädchen kniete er vor mir. Er hatte ein täuschend offenes Gesicht mit großen blauen Augen, einen breiten Mund, und er lächelte viel. Außerdem hatte er sich einen Sack auf den Rücken gehängt, und es erwies sich, dass er darin seine Zaubermittel aufbewahrte, meistens Elfensteine und schimmernde Kiesel, dazu ein Bündel kleiner Ledertäschchen, von denen jedes ein oder zwei rostige Eisenstückchen enthielt.

«Was ist das?», fragte ich und schubste die Täschchen mit dem Fuß an.

«Ah», sagte er und grinste verlegen.

«Wer die Menschen, die auf meinem Land leben, betrügt, der wird bestraft», sagte ich.

«Betrügt, Herr?» Unschuldig sah er zu mir auf.

«Ich ertränke diejenigen», sagte ich, «oder ich knüpfe sie auf. Hast du die beiden Toten draußen bemerkt?» Die Leichen der beiden Männer, die versucht hatten, mich zu töten, hingen immer noch an der Ulme.

«Sie sind schwer zu übersehen, Herr», sagte Ludda.

Ich nahm eines der kleinen Ledertäschchen und schüttelte zwei verrostete Nägel auf meine Handfläche. «Du erzählst den Leuten, wenn sie mit diesem Beutel unterm Kopfkissen schlafen und ein Gebet aufsagen, verwandelt sich das Eisen in Silber.»

Die großen blauen Augen wurden noch größer. «Aber warum sollte ich so etwas erzählen, Herr?»

«Damit du reich wirst, indem du Eisenstückchen für den hundertfachen Preis ihres tatsächlichen Wertes verkaufst.»

«Aber wenn sie nur inbrünstig genug beten, Herr, dann könnte der Allmächtige ihre Gebete doch erhören, oder nicht? Und es wäre unchristlich von mir, einfachen Leuten die Gelegenheit für ein Wunder zu verweigern, Herr.»

«Ich sollte dich hängen», sagte ich.

«Hängt lieber sie stattdessen, Herr», sagte Ludda hastig und nickte in Richtung seines Mädchens. «Sie ist Waliserin.»

Ich musste lachen. Das Mädchen sah böse vor sich hin, und ich versetzte Ludda einen gutmütigen Klaps hinter die Ohren. Ich hatte Jahre zuvor eines von diesen Wundertäschchen gekauft, weil ich irgendwie geglaubt hatte, dass Gebete rostiges Metall in Gold verwandeln würden, und ich hatte es von genau so einem Gauner wie Ludda gekauft. Ich hieß ihn aufstehen und ließ die Diener für ihn und das Mädchen etwas zu essen und Ale bringen. «Wenn wir von hier aus nach Huntandon reisen», sagte ich zu ihm, «welche Strecke würden wir da nehmen?»

Er dachte ein paar Augenblicke nach, um festzustellen, ob sich hinter dieser Frage ein Falle verbarg, dann sagte er achselzuckend: «Das ist keine schwierige Reise, Herr. Ihr geht ostwärts nach Bedanford, und von dort aus gibt es eine gute Straße an einen Ort namens Eanulfsbirig. Dort überquert Ihr den Fluss, Herr, und haltet Euch nordostwärts bis Huntandon.»

«Welcher Fluss?»

«Die Ouse, Herr.» Er zögerte. «Von den Heiden weiß man, dass sie ihre Schiffe die Ouse hinaufgerudert haben, Herr, und zwar weit, bis nach Eanulfsbirig. Dort gibt es eine Brücke. Außerdem noch eine bei Huntandon, die überquert Ihr, um in die Siedlung zu kommen.»

«Also überquere ich den Fluss zweimal?»

«Dreimal, Herr. In Bedanford auch noch, allerdings ist dort nur eine Furt.»

«Also muss ich hin und her über den Fluss wechseln?», fragte ich.

«Ihr könnt auch dem Nordufer folgen, wenn Ihr es wünscht, Herr, dann müsst Ihr die anderen Brücken nicht benutzen, aber die Reise dauert viel länger, und es gibt auf dieser Uferseite keine gute Straße.»

«Gibt es noch eine andere Stelle, an der man durch den Fluss waten kann?»

«Nicht flussabwärts von Bedanford, Herr, jedenfalls wäre es nicht leicht, nicht nach all diesem Regen. Er ist bestimmt über die Ufer getreten.»

Ich nickte. Ich spielte mit ein paar Silbermünzen, und weder Ludda noch Teg konnten ihren Blick von dem Geld abwenden. «Erklär mir», sagte ich, «wenn du die Leute von Eleg hereinlegen wolltest, wie würdest du dann dorthin reisen?»

«Oh, durch Grantaceaster», sagte er ohne zu überlegen. «Das ist bei weitem die schnellste Strecke, und es gibt überaus leichtgläubiges Volk in Grantaceaster, Herr.» Er grinste.

«Und wie weit ist Eanulfsbirig von Huntandon?»

«Einen Vormittagsspaziergang, Herr. Das ist gar keine Entfernung.»

Ich ließ die Münzen auf meine Handfläche fallen. «Und die Brücken?», fragte ich. «Sind sie aus Holz oder aus Stein?»

«Beides Holzbrücken, Herr», sagte er. «Früher waren sie aus Stein, aber die römischen Bögen sind eingestürzt.» Er erzählte mir von den anderen Siedlungen am Ufer der Ouse, und dass das Tal immer noch eher sächsisch als dänisch war, selbst wenn alle Bauern dort Abgaben an die dänischen Herren entrichteten. Ich ließ ihn reden, doch ich dachte über den Fluss nach, den wir überqueren mussten. Wenn Sigurd einen Hinterhalt plante, dann würde er sich Eanulfsbirig aussuchen, weil er wusste, dass wir dort über die Brücke mussten. Ganz bestimmt würde er nicht Huntandon nehmen, wo uns die ostanglische Begleitmannschaft auf dem höhergelegenen Nordufer des Flusses erwartete.

Aber vielleicht plante er auch überhaupt nichts.

Vielleicht sah ich Gefahren, wo es keine gab.

«Warst du schon einmal in Cytringan?», fragte ich Ludda.

Er sah mich überrascht an, vielleicht, weil Cytringan weit von den anderen Orten entfernt war, nach denen ich ihn gefragt hatte. «Ja, Herr», sagte er.

«Was gibt es dort?»

«Jarl Sigurd hat in Cytringan eine Festhalle. Er benutzt sie, wenn er dort in den Wäldern auf Jagd geht.»

«Hat sie eine Palisade?»

«Nein, Herr. Es ist ein großer Palas, aber er steht meistens leer.»

«Ich habe gehört, dass Sigurd dort das Julfest verbringt.»

«Das könnte sein, Herr.»

Ich nickte, dann steckte ich die Münzen wieder in meinen Beutel und sah die Enttäuschung in Luddas Blick. «Ich bezahle dich», versprach ich, «wenn wir zurück sind.»

«Wir?», fragte er beklommen.

«Du kommst mit mir, Ludda», sagte ich. «Jeder Krieger würde sich glücklich schätzen, von einem Magier begleitet zu werden, und ein Magier sollte sich sogar äußerst glücklich schätzen, wenn er ein paar Krieger als Begleitschutz hat.»

«Ja, Herr», sagte er, bemüht, freudig zu klingen.

Am nächsten Morgen brachen wir auf. Die Mönche gingen alle zu Fuß, sodass wir recht langsam vorankamen, aber ich hatte keine besondere Eile. Ich nahm beinahe alle meine Männer mit und ließ nur eine Handvoll zur Bewachung des Palas zurück. Wir waren über einhundert, darunter jedoch nur fünfzig Kämpfer, die übrigen waren Geistliche und Diener, und Sigunn war die einzige Frau. Meine Männer trugen ihre besten Rüstungen. Zwanzig von ihnen ritten voran, und alle anderen bildeten die Nachhut, während die Mönche, Priester und Diener in der Mitte gingen oder ritten. Sechs von meinen Männern bewachten die Flanken und ritten als Späher voraus. Ich erwartete keine Schwierigkeiten zwischen Buccingahamm und Bedanford, und es gab auch keine. Ich war zuvor noch nie in Bedanford gewesen und lernte eine trübselige, halb aufgegebene Stadt kennen, die zu einem Dorf geschrumpft war, in dem jetzt die Angst herrschte. Früher hatte dort nördlich des Flusses eine große Kirche gestanden, und König Offa, der Tyrann von Mercien, war angeblich darin begraben worden. Dann aber hatten die Dänen die Kirche niedergebrannt und das Königsgrab aufgebrochen, um nach den Schätzen zu suchen, die mit der Leiche vergraben worden sein mochten. Wir verbrachten eine kalte, unbequeme Nacht in einer Scheune, wenn ich auch einen Teil der Zeit bei den Wachen verbrachte, die unter ihren Pelzumhängen zitterten. Mit der Dämmerung zog Nebel über das feuchte, eintönige, flache Land, durch das sich der Fluss in großen, trägen Schleifen wand.

Wir überquerten den Fluss im Dunst des Morgens. Zuerst schickte ich Finan und zwanzig meiner Männer vor, und er kundschaftete die Straße aus und kam mit der Nachricht zurück, dass kein Feind in Sicht war. «Feind?», fragte mich Willibald. «Warum rechnet Ihr mit Feinden?»

«Wir sind Krieger», erklärte ich ihm, «und wir rechnen immer mit Feinden.»

Er schüttelte den Kopf. «Das hier ist Eohrics Land. Er ist uns freundlich gesinnt.»

Das Wasser in der Furt war hoch und eiskalt, und ich ließ die Mönche ein Floß benutzen, das offenkundig zu genau diesem Zweck am südlichen Ufer vertäut lag. Einmal über den Fluss, folgten wir den Überresten einer Römerstraße durch weite Auen, auf denen das Wasser stand. Der Nebel löste sich auf, und mit der Sonne zog ein kalter, klarer Tag herauf. Ich war angespannt. Manchmal, wenn sich ein Wolfsrudel bedrohlich in der Nähe herumtreibt und immer wieder entwischt, stellen wir den Tieren eine Falle. Ein paar Schafe werden auf einer Lichtung eingepfercht, und wir geben Wolfshunden Befehl, sich auf der windabwärts gelegenen Seite hinter die Büsche zu legen. Und dann warten wir und hoffen, dass die Wölfe kommen. Und wenn sie kommen, werden Reiter und Jagdhunde losgelassen, und das Wolfsrudel wird über Land gehetzt, bis nichts mehr von ihm übrig ist außer blutigen Fellen und zerfetztem Fleisch. Aber jetzt waren wir die Schafe. Wir zogen nordwärts, hielten die Banner empor, taten unsere Anwesenheit kund, und die Wölfe beobachteten uns. Davon war ich überzeugt.

Ich nahm Finan, Sigunn, Ludda, Sihtric und vier andere Männer und verließ die Straße, während Osferth den Befehl erhielt, mit den übrigen bis nach Eanulfsbirig weiterzugehen, dort aber nicht den Fluss zu überqueren.

Inzwischen kundschafteten wir die Gegend aus. Das ist eine Kunst. Üblicherweise hätte ich zwei Reiterpaare auf jeder Seite der Straße eingesetzt. In solchen Fällen ritt ein Paar voraus, um Hügel oder Wälder zu erkunden, während es von dem anderen im Blick behalten wurde, und erst, wenn die beiden sicher waren, dass kein Feind in Sicht war, gaben sie ihren Gefährten ein Zeichen, damit diese ihrerseits begannen, den nächsten Gebietsabschnitt auszuforschen. Doch jetzt hatte ich keine Zeit für solche Vorsichtsmaßnahmen. Ich hatte Ludda ein Kettenhemd gegeben, einen Helm und ein Schwert, während Sigunn, die so gut ritt wie nur irgendein Mann, einen dicken Umhang aus Otternfell trug.

Am späten Vormittag kamen wir an Eanulfsbirig vorbei. Wir waren noch ein gutes Stück westlich von der kleinen Siedlung, und ich hielt zwischen winterlich dunklen Bäumen an, um aufmerksam zu dem schimmernden Fluss hinüberzuschauen, zu der Brücke und den winzigen, strohgedeckten Hütten, von deren Dächern Rauchfäden in den klaren Himmel hinaufzogen. «Dort ist keiner», sagte Finan nach einer Weile. Ich vertraute mehr auf seine Augen als auf meine. «Jedenfalls niemand, über den wir uns Gedanken machen müssten.»

«Es sei denn, sie sind in den Häusern», überlegte ich laut.

«Sie hätten bestimmt ihre Pferde nicht mit in die Häuser genommen», sagte Finan, «aber willst du, dass ich es überprüfe?» Ich schüttelte den Kopf. Im Grunde glaubte ich nicht, dass die Dänen dort waren. Und vielleicht waren sie überhaupt nirgends. Allerdings vermutete ich, dass sie Eanulfsbirig beobachteten, möglicherweise vom jenseitigen Flussufer aus. Dort standen Bäume auf den Uferwiesen und eine ganze Armee hätte sich im Unterholz verbergen können. Ich glaubte, Sigurd würde mit seinem Angriff abwarten, bis wir über den Fluss waren, sodass wir mit dem Rücken zum Wasser stünden, und zugleich müsste er die Brücke sichern, damit wir keinen Fluchtweg hätten. Oder Sigurd saß mit einem Becher Honigwein in seiner Festhalle, und ich bildete mir die Gefahr nur ein. «Reiten wir noch weiter nordwärts», sagte ich, und wir trieben die Pferde über die gepflügten Furchen eines Feldes, auf dem Winterweizen gesät worden war.

«Was erwartet Ihr, Herr?», fragte Ludda.

«Was dich angeht, dass du den Mund hältst, falls wir irgendeinem Dänen begegnen», sagte ich.

«Das werde ich ganz bestimmt tun», sagte er inbrünstig.

«Und bete, dass wir an den Bastarden nicht schon vorbei sind», setzte ich hinzu. Ich war unruhig, weil Osferth möglicherweise gerade in eine Falle lief, doch mein Gefühl sagte mir, dass wir den Feind noch nicht erreicht hatten. Wenn es hier überhaupt einen Feind gab. Auf mich wirkte es, als sei die Brücke bei Eanulfsbirig die beste Stelle für Sigurd, um uns in den Hinterhalt zu locken, doch soweit ich sehen konnte, waren auf dieser Seite der Ouse keine Männer, und er hätte sie gewiss auf beiden Ufern aufgestellt.

Wir ritten nun mit größerer Vorsicht weiter und hielten uns auf unserer Erkundung Richtung Norden zwischen den Bäumen. Unsere Gruppe war jenseits der Straße, auf der uns Sigurd erwarten musste, und wenn er Männer aufgestellt hatte, um uns den Fluchtweg abzuschneiden, hoffte ich sie zu entdecken. Doch die Winterlandschaft war kalt und still und verlassen. Ich begann gerade zu glauben, dass meine Befürchtungen unbegründet waren und uns in Wahrheit keine Gefahr drohte, als da, ganz unvermittelt, etwas Seltsames war.

Wir hatten Eanulfsbirig mittlerweile etwa drei Meilen hinter uns gelassen und befanden uns eine halbe Meile vom Fluss entfernt zwischen wassergetränkten Feldern und Niederwaldstreifen. Rauch stieg von einem Gehölz auf der anderen Uferseite auf, und ich verschwendete keinen weiteren Gedanken daran, weil ich an eine Hütte dachte, die von den Bäumen verborgen wurde, doch Finan sah noch etwas anderes. «Dort», sagte er, und ich zügelte mein Pferd und sah in die Richtung, in die er deutete. Der Fluss beschrieb an dieser Stelle eine weite Kehre ostwärts, und am äußersten Punkt der Flussschleife, zwischen kahlen Weidenzweigen, ragten die unverkennbaren Umrisse zweier Schiffsrümpfe hervor. Geschnitzte Tierköpfe. Ich hatte sie nicht entdeckt, bis Finan mich auf sie hingewiesen hatte, und der Ire hatte die schärfsten Augen von allen Menschen, die mir jemals begegnet sind. «Zwei Schiffe», sagte er.

Die beiden Schiffe hatten keine Masten, wahrscheinlich, weil sie unter der Brücke bei Huntandon hindurchgerudert worden waren. Waren sie ostanglisch? Ich sah aufmerksam zu ihnen hinüber. Ich konnte keine Besatzung entdecken, allerdings lagen die Schiffsrümpfe zwischen dem dichten Bewuchs der Uferböschung gut versteckt. Zwei Schiffe an einer Stelle, an der ich keine erwartet hatte. Hinter mir wiederholte Ludda, dass dänische Plünderer einmal bis nach Eanulfsbirig hinaufgerudert waren. «Sei still», sagte ich zu ihm.

«Ja, Herr.»

«Vielleicht haben sie die Schiffe über den Winter hierhergebracht», sagte Finan.

Ich schüttelte den Kopf. «Zum Überwintern werden sie aus dem Wasser gezogen. Und warum haben sie die Tierköpfe am Bug?» Wir setzen die geschnitzten Drachen- oder Wolfsköpfe nur in feindlichen Gewässern auf den Bug, und das bedeutete wohl, dass diese beiden Schiffe nicht ostanglisch waren. Ich drehte mich im Sattel nach Ludda um. «Denk dran, dass du den Mund halten sollst.»

«Ja, Herr», sagte er, doch seine Augen leuchteten. Unser Magier genoss es, ein Krieger zu sein.

«Und ihr übrigen», sagte ich, «sorgt dafür, dass eure Kreuze nicht zu sehen sind.» Die meisten meiner Männer waren Christen und trugen Kreuze um den Hals, so wie ich meinen Thorshammer. Ich betrachtete sie, als sie ihre Talismane unter die Kleidung schoben. Meinen Hammer dagegen verbarg ich nicht.

Wir trieben die Pferde aus dem Wald und über die Uferwiese. Wir hatten sie noch nicht einmal zur Hälfte überquert, als sich einer der Tierköpfe bewegte. Die beiden Schiffe waren am gegenüberliegenden Ufer vertäut, doch nun kam eines von ihnen über den Fluss, und drei Männer drängten sich in seinem Bug. Sie trugen Rüstung. Ich hob meine Hände hoch, um ihnen zu zeigen, dass ich keine Waffe führte, und ließ mein erschöpftes Pferd langsam auf sie zugehen. «Wer seid ihr?», rief mich einer von ihnen an. Er sprach Dänisch, hatte aber zu meinem Erstaunen ein Kreuz über seinem Kettenhemd hängen. Es war ein Holzkreuz mit einer kleinen silbernen Christusgestalt, die am Querbalken festgemacht war. Hatte er das von einem Raubzug? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass auch nur einer von Sigurds Männern Christ war, doch die Schiffe waren eindeutig dänisch. Hinter dem Mann sah ich jetzt weitere, vielleicht waren insgesamt vierzig Männer auf den beiden Schiffen.

Ich hielt an, damit mich der Mann ansehen konnte. Er sah einen Herrn in kostspieliger Kriegsausrüstung, mit Silberschnallen am Harnisch, im Sonnenlicht glitzernden Armringen und einem Thorshammer, der auffällig um meinen Hals hing. «Wer seid Ihr, Herr?», fragte er respektvoll.

«Ich bin Haakon Haakonson», diesen Namen hatte ich erfunden, «und ich stehe in Jarl Haestens Diensten.» Das sollte meine Geschichte sein; dass ich einer von Haestens Männern war. Ich verließ mich darauf, dass keiner von Sigurds Gefolgsleuten Haestens Truppen kannte und sie mich daher nicht zu eingehend befragen würden, und wenn doch, könnte Sigunn, die einmal zu Haestens Gefolgschaft gehört hatte, für die Antworten sorgen. Das war der Grund, aus dem ich sie mitgenommen hatte.

«Ivann Ivarrson», stellte sich der Mann nun selbst vor. Er war beruhigt, weil ich Dänisch gesprochen hatte, aber auf der Hut war er trotzdem noch. «Und in welcher Sache seid Ihr unterwegs?», fragte er, wenn auch weiterhin respektvoll.

«Wir suchen Jarl Jorven», sagte ich und benutzte den Namen des Mannes, an dessen Gehöft wir mit Beortsig vorbeigeritten waren.

«Jorven?»

«Er steht im Dienst von Jarl Sigurd», sagte ich.

«Und ist er bei ihm?», fragte Ivann und wirkte nicht im mindesten überrascht davon, dass ich einen von Sigurds Männern so weit von Sigurds Herrschaftsgebiet entfernt suchte, und das war meine erste Bestätigung dafür, dass Sigurd tatsächlich in der Nähe war. Er hatte seine Besitzungen verlassen und war auf Eohrics Gebiet, wo er nichts zu tun hatte, außer die Unterzeichnung des Vertrages zu verhindern.

«Das hat man mir jedenfalls gesagt», erklärte ich leichthin.

«Dann ist er auf der anderen Seite des Flusses», sagte Ivann und zögerte. «Herr?» In seiner Stimme lag nun größte Vorsicht. «Darf ich Euch eine Frage stellen?»

«Ihr dürft», sagte ich großartig.

«Wollt Ihr Jorven etwas Böses, Herr?»

Darüber lachte ich bloß. «Ich tue ihm einen Gefallen», sagte ich, drehte mich im Sattel um und zog Sigunn die Kapuze ihres Umhangs vom Kopf. «Sie ist ihm weggelaufen», erklärte ich, «und Jarl Haesten glaubt, er hätte sie gern zurück.»

Ivann riss die Augen auf. Sigunn war eine Schönheit, blass und zart, und sie war so klug, eine verängstigte Miene aufzusetzen, als sie von Ivann und seinen Männern gemustert wurde. «Jeder Mann würde sie wiederhaben wollen», sagte Ivann.

«Jorven wird das durchtriebene Stück zweifellos bestrafen», sagte ich unbekümmert, «aber vielleicht überlässt er sie vorher Euch, damit Ihr Euch mit ihr vergnügen könnt.» Ich zog Sigunn die Kapuze wieder über den Kopf, sodass ihr Gesicht im Schatten lag. «Ihr seid in Jarl Sigurds Diensten?», fragte ich Ivann.

«Wir stehen bei König Eohric im Dienst», sagte er.

Es gibt da so eine Geschichte in der Heiligen Schrift der Christen, wenn ich auch vergessen habe, um wen es geht, und bestimmt keinen der Priester meiner Frau rufen werde, um es mir zu erklären, weil der Priester es als seine Pflicht ansehen würde mir beizubringen, dass ich in die Hölle fahren werde, wenn ich nicht vor seinem angenagelten Gott katzbuckle, aber in der Geschichte geht es um einen Mann, der irgendwo auf Reisen war, als ihn mit einem Mal ein unglaublich helles Licht blendete und ihm blitzartig alles klar wurde. Und so fühlte ich mich in diesem Moment.

Eohric hatte Anlass, mich zu hassen. Ich hatte Dumnoc niedergebrannt, eine Stadt an der Küste Ostangliens, und auch wenn ich Grund genug gehabt hatte, diesen prächtigen Hafen in eine verkohlte Ruinenstätte zu verwandeln, hatte Eohric den Brand wohl kaum vergessen. Ich hatte gedacht, er hätte mir diese Kränkung in seinem dringenden Verlangen nach einem Bündnis mit Mercien und Wessex verziehen, doch nun erkannte ich seine Heimtücke. Er wollte meinen Tod. Und Sigurd ebenso, auch wenn Sigurd eher sachliche Gründe dafür hatte. Er wollte die Dänen zum Angriff auf Mercien und Wessex nach Süden führen, und er wusste, wer an der Spitze der Armee stünde, die sich ihm entgegenstellen würde. Uhtred von Bebbanburg. Das ist keine Unbescheidenheit. Ich hatte einen Ruf. Man fürchtete mich. Wenn ich tot gewesen wäre, hätte es Sigurd mit der Eroberung von Mercien und Wessex leichter gehabt.

Und in diesem Moment, auf dieser feuchten Uferwiese, erkannte ich, wie die Falle gestellt worden war. Eohric hatte den guten Christen gespielt und vorgeschlagen, dass ich die Vertragsverhandlungen für Alfred übernahm, um mich an eine Stelle zu locken, an der mir Sigurd auflauern konnte. Sigurd, daran hatte ich keinen Zweifel, würde das Töten übernehmen, und auf diese Art würde Eohric von aller Schuld freigesprochen.

«Herr?», fragte Ivann, den mein Schweigen befremdete, und mir wurde bewusst, dass ich ihn die ganze Zeit angestarrt hatte.

«Ist Sigurd in Eohrics Gebiet einmarschiert?», fragte ich, als wäre ich dumm.

«Das ist kein Einmarsch, Herr», sagte Ivann, und sah mich über den Fluss blicken, doch auf dem gegenüberliegenden Ufer war nichts weiter zu sehen als noch mehr Felder und Bäume. «Der Jarl Sigurd ist auf die Jagd gegangen», sagte Ivann, wenn auch misstrauisch.

«Habt Ihr deshalb Eure Drachenköpfe auf den Schiffen gelassen?», fragte ich. Die Tierschnitzereien werden auf den Bug unserer Schiffe gesetzt, um feindliche Geister abzuschrecken, und wir nehmen sie üblicherweise ab, wenn die Schiffe durch die Gewässer befreundeter Herrscher fahren.

«Das sind keine Drachen», sagte Ivann. «Das sind christliche Löwen. König Eohric besteht darauf, dass wir sie auf dem Bug lassen.»

«Was sind Löwen?»

Er zuckte mit den Schultern. «Der König sagt, es sind Löwen, Herr», sagte er bloß, weil er offenkundig die Antwort auf meine Frage nicht wusste.

«Nun, es ist ein guter Tag zum Jagen», sagte ich. «Warum beteiligt Ihr Euch nicht daran?»

«Wir sind hier, um die Jäger über den Fluss zu bringen», sagte er, «für den Fall, dass die Beute aufs andere Ufer wechselt.»

Ich tat, als wäre ich erfreut. «Also könnt Ihr uns auch hinüberbringen?»

«Können die Pferde schwimmen?»

«Das werden sie müssen», sagte ich. Es war einfacher, Pferde zum Schwimmen zu bringen, als sie dazu zu bringen, ein Schiff zu betreten. «Wir holen die anderen», sagte ich und ließ mein Pferd umdrehen.

«Die anderen?» Augenblicklich war Ivann wieder argwöhnisch.

«Ihre Dienerinnen», sagte ich und zeigte mit dem Daumen auf Sigunn, «außerdem zwei von meinen Bediensteten und einige Packpferde. Wir haben sie bei einem Gehöft warten lassen.» Ich wedelte mit der Hand vage Richtung Westen und gab meinen Gefährten ein Zeichen, mir zu folgen.

«Ihr könntet das Mädchen hierlassen!», schlug Ivann hoffnungsvoll vor, aber ich überhörte ihn absichtlich und ritt zwischen die Bäume zurück.

«Die Bastarde», sagte ich zu Finan, als wir wieder außer Sicht waren.

«Bastarde?»

«Eohric hat uns hierhergelockt, damit uns Sigurd abschlachten kann», erklärte ich. «Aber Sigurd weiß nicht, auf welcher Uferseite wir unterwegs sind, und deshalb liegen die Schiffe hier, um seine Männer herüberzubringen, falls wir auf dieser Seite bleiben.» Ich dachte angestrengt nach. Möglicherweise war die Falle gar nicht bei Eanulfsbirig, sondern weiter östlich, bei Huntandon. Sigurd würde mich den Fluss überqueren lassen und nicht angreifen, bis ich bei der nächsten Brücke war, wo Eohrics Truppen den Amboss für seinen Hammer spielen würden. «Du», ich zeigte auf Sihtric, der mit einem säuerlichen Nicken reagierte. «Nimm Ludda mit», sagte ich, «und reite zu Osferth. Sag ihm, er soll mit jedem Krieger hierherkommen, den er hat. Die Mönche und Priester sollen auf der Straße abwarten. Sie sollen keinen einzigen Schritt weitergehen, verstanden? Und wenn du zurückkommst, musst du todsicher sein, dass die Männer auf den Schiffen dich nicht sehen. Und jetzt geh!»

«Was sage ich Pater Willibald?», fragte Sihtric.

«Dass er ein verdammter Narr ist und ich ihm sein unnützes Leben rette. Jetzt geh! Beeil dich!»

Finan und ich waren abgestiegen und gaben Sigunn die Zügel unserer Pferde. «Bring sie auf die andere Seite des Waldes», sagte ich. «Und dort wartest du.» Finan und ich schlichen zum Waldrand zurück und legten uns zur Beobachtung auf den Boden. Ivann war eindeutig besorgt, was uns anging, denn er starrte minutenlang in die Richtung unseres Verstecks, bevor er sich endlich umdrehte und zu dem vertäuten Schiff zurückging.

«Und was machen wir jetzt?», fragte Finan.

«Die Schiffe zerstören», sagte ich. Und am liebsten hätte ich viel mehr getan. Am liebsten hätte ich König Eohric Schlangenhauch in die fette Kehle gerammt, aber wir waren hier die Beute, und ich zweifelte nicht daran, dass Sigurd und Eohric mehr als genug Männer hatten, um uns mit Leichtigkeit niederzumachen. Inzwischen mussten sie ganz genau wissen, wie viele Männer ich hatte. Bestimmt hatte Sigurd in der Nähe von Bedanford Späher aufgestellt, und diese Männer hatten ihm genau mitgeteilt, wie viele Reiter auf seine Falle zuritten. Allerdings wollte er nicht, dass wir diese Späher entdeckten. Er wollte, dass wir die Brücke bei Eanulfsbirig überquerten, und dann wollte er hinter uns aufrücken, sodass wir zwischen seinen Truppen und König Eohrics Männern eingeschlossen wären. Dann hätte es an diesem Wintertag ein rohes Gemetzel gegeben. Und wenn wir durch Zufall die nördliche Uferseite des Flusses genommen hätten, dann hätten Sigurds Männer auf Ivanns Schiffe übergesetzt, um uns in den Rücken zu fallen, sobald wir vorbeigezogen waren. Er hatte keine Anstrengung unternommen, um die Schiffe zu verstecken. Warum sollte er auch? Er ging davon aus, dass ich nichts Bedrohliches an zwei ostanglischen Schiffen auf einem ostanglischen Fluss finden würde. Ich wäre auf beiden Ufern in seine Falle getappt, und in ein paar Tagen hätte die Nachricht von der Schlacht Wessex erreicht, aber Eohric hätte geschworen, nichts von dem Massaker gewusst zu haben. Er hätte alle Schuld auf den Heiden Sigurd geschoben.

Doch stattdessen würde ich Eohric da treffen, wo es weh tat, und mit Sigurd meinen Spott treiben, und anschließend würde ich das Julfest in Buccingahamm verbringen.

Bis meine Männer kamen, war der Nachmittag schon fortgeschritten. Die Sonne stand weit im Westen, von wo aus sie Ivanns Männer blenden würde. Ich sprach eine Weile mit Osferth und erklärte ihm, was er zu tun hatte, dann schickte ich ihn mit sechs Männern zu den Mönchen und Priestern zurück. Ich gab ihnen genügend Zeit, und dann, während die Sonne am Winterhimmel tiefer sank, stellte ich meine eigene Falle auf.

Ich nahm Finan, Sigunn und sieben Männer. Sigunn ritt, während wir übrigen unsere Pferde am Zügel führten. Ivann erwartete eine kleine Gruppe, also zeigte ich ihm eine. Er hatte sein Schiff über den Fluss zurückgebracht, doch nun legten sich seine Ruderer in die Riemen, um den langgezogenen Rumpf wieder auf unsere Seite zu bringen. «Er hatte zwanzig Männer auf dem Schiff», sagte ich zu Finan, und überlegte, wie viele wir wohl töten müssten.

«Zwanzig auf jedem Schiff», sagte er, «aber dort aus dem Niederwald steigt Rauch auf, also könnte er möglicherweise noch mehr haben, die sich gerade ein bisschen aufwärmen.»

«Sie werden nicht über den Fluss kommen, um sich umbringen zu lassen», sagte ich. Der Grund unter unseren Füßen war feucht und weich, bei jedem Schritt schmatzte der Morast. Es herrschte kein Wind. Jenseits des Flusses hingen immer noch blassgelbe Blätter an ein paar Ulmen. Wacholderdrosseln flogen von der Uferwiese zu den Bäumen. «Wenn wir mit dem Töten anfangen», erklärte ich Sigunn, «dann nimmst du unsere Pferde am Zügel und reitest zurück in den Wald.»

Sie nickte. Ich hatte sie mitgebracht, weil Ivann sie mit uns zusammen erwartete und weil sie schön war, und das bedeutete, dass er vor allem sie ansehen würde, statt auf den Wald zu achten, in dem meine Reiter warteten. Ich hoffte, dass sie sich gut versteckt hielten, aber ich wagte keinen Blick über die Schulter.

Ivann war die Uferböschung heraufgestiegen und vertäute den Schiffsbug am Stamm einer Pappel. Die Strömung schwenkte den Schiffsrumpf flussabwärts herum, was hieß, dass die Männer an Bord problemlos ans Ufer springen konnten. Sie waren zwanzig, und wir waren nur acht, und Ivann beobachtete uns, und ich hatte ihm erzählt, wir würden Dienerinnen mitbringe, und es waren keine da, aber Männer sehen, was sie sehen wollen, und er hatte nur Augen für Sigunn. Er wartete nichtsahnend ab, während wir herankamen. Ich lächelte ihn an. «Stehst du in Eohrics Diensten?», rief ich ihm zu.

«Ja, Herr, wie ich Euch schon gesagt habe.»

«Und will er Uhtred töten?», fragte ich.

Ein erster Zweifel flackerte über sein Gesicht, aber ich lächelte immer noch. «Ihr wisst von …», begann er eine Frage, die er nicht beendete, weil ich Schlangenhauch gezogen hatte, und das war das Zeichen für meine übrigen Männer, im Galopp aus dem Wald zu kommen. Eine Reihe Pferde, Hufe, die Wassertropfen und Erdklumpen emporschleuderten, Reiter, die Speere und Äxte und Schilde schwangen, der drohende Tod an einem Winternachmittag, und ich hob meine Klinge gegen Ivann, wollte ihn von der Festmacherleine wegtreiben, doch da stolperte er und stürzte zwischen das Schiff und das Ufer.

Und damit war es vorbei.

Unversehens wimmelte es auf dem Ufer von Reitern, ihr Atem weiß wie Rauch in dem kalten, grellen Licht, und Ivann flehte schreiend um Gnade, während seine Männer vor Überraschung nicht einmal den Versuch machten, die Waffen zu ziehen. Sie hatten gefroren, sich gelangweilt, und waren vollkommen unvorbereitet, und das Auftauchen meiner Männer mit ihren Helmen und Schilden und Klingen, die ebenso blitzten wie der Frost unter der Sonne, hatte sie in Angst und Schrecken versetzt.

Die Mannschaft des zweiten Schiffs sah, wie sich die erste ergab, und auch sie kämpfte nicht. Sie waren Eohrics Männer, die meisten davon Christen, einige Sachsen und andere Dänen, und sie waren nicht von dem gleichen Ehrgeiz getrieben wie Sigurds gierige Krieger. Diese dänischen Krieger, das wusste ich, warteten weiter östlich darauf, dass Mönche und Reiter über den Fluss kamen, aber die Männer auf den Schiffen hatten nur widerstrebend an der Ausführung dieses Planes teilgenommen. Ihre Aufgabe war es gewesen, sich für den Fall bereitzuhalten, dass sie gebraucht würden, und sie alle hätten lieber im Palas am Feuer gesessen. Als ich ihnen ihr Leben im Tausch dafür anbot, dass sie sich ergaben, waren sie mitleiderregend dankbar, und die Männer des anderen Schiffes ließen einen Sprecher herüberrufen, dass sie nicht kämpfen würden. Wir ruderten Ivanns Schiff hinüber, und so bekamen wir beide Schiffe in die Hand, ohne eine Menschenseele zu töten. Wir nahmen Eohrics Männern Rüstungen, Waffen und Helme ab, und ich brachte die Beute zurück über den Fluss. Die zitternden Männer ließen wir am anderen Ufer zurück, alle bis auf Ivann, den ich als Gefangenen nahm, und dann verbrannten wir die beiden Schiffe. Die Mannschaften hatten im Wald ein Lagerfeuer gemacht, um sich aufzuwärmen, und wir benutzten die flackernden Holzscheite, um Eohrics Schiffe zu vernichten. Ich wartete gerade lange genug, um zu sehen, dass sich das Feuer auf den Schiffen ausbreitete, sah zu, wie die Flammen über die Ruderbänke leckten und dichter Rauch in der windstillen Luft aufzuquellen begann, und dann ritten wir eilig nach Süden.

Der Rauch war ein Zeichen, ein unmissverständlicher Hinweis für Sigurd, dass seine so sorgfältig aufgestellte Falle nicht zugeschnappt war. Das würde er bald auch von Eohrics Schiffsmannschaften hören, aber inzwischen würden seine Späher die Mönche und Priester bei Eanulfsbirig entdeckt haben. Ich hatte Osferth befohlen, mit ihnen auf unserer Uferseite zu bleiben und dafür zu sorgen, dass sie Aufmerksamkeit auf sich zogen. Dabei bestand freilich die Gefahr, dass Sigurds Dänen die beinahe vollkommen schutzlosen Kirchenmänner angreifen würden, aber ich dachte, er würde warten, bis er sicher sein konnte, dass auch ich dort war. Und genau das tat er.

Als wir bei Eanulfsbirig ankamen, sang der Chor. Osferth hatte ihnen das Singen befohlen, und da standen sie, jämmerlich und singend, unter ihren großen Bannern. «Singt lauter, ihr Bastarde!», schrie ich, als wir in leichtem Galopp auf die Brücke zu ritten. «Singt laut, ihr kleinen Vögelein!»

«Herr Uhtred!» Pater Willibald hastete auf mich zu. «Was geht denn vor? Was geht bloß vor?»

«Ich habe beschlossen, einen Krieg anzufangen, Pater», sagte ich heiter, «das ist so viel kurzweiliger als der Frieden.»

Er starrte mich entsetzt an. Ich glitt aus dem Sattel und sah, dass Osferth meinen Befehl ausgeführt und auf dem hölzernen Balkengang der Brücke einen Haufen Brennbares zum Feuermachen vorbereit hatte. «Es ist Stroh», erklärte er mir, «und es ist feucht.»

«Solange es nur brennt», sagte ich. Das Stroh war über die gesamte Breite der Brücke aufgehäuft und verbarg Balken, die als niedrige Barrikade darunter lagen. Flussabwärts hatte sich der Rauch der brennenden Schiffe zu einer Säule verdichtet, die bis hoch in den Himmel ragte. Die Sonne stand nun sehr niedrig, warf lange Schatten nach Osten, wo Sigurd von den beiden Schiffsmannschaften erfahren haben musste, dass ich ganz in der Nähe war.

«Ihr habt einen Krieg angefangen?» Willibald holte zu mir auf.

«Schildwall!», rief ich. «Genau hier!» Ich würde auf der Brücke einen Schildwall aufstellen. Es spielte keine Rolle, mit wie vielen Männern Sigurd kam, weil nur wenige Platz hätten, um uns auf dem engen Raum zwischen den Brückengeländern aus schweren Holzbalken entgegenzutreten.

«Wir sind in Frieden gekommen!», beschwerte sich Willibald bei mir. Die Zwillinge, Ceolberht und Ceolnoth, kamen mit ähnlichen Einwänden, als Finan unsere Krieger aufstellte. Die Brücke bot sechs Männern mit überlappenden Kampfschilden nebeneinander Platz. Vier Reihen meiner Männer standen dort nun hintereinander, Männer mit Äxten und Schwertern und großen, runden Schilden.

«Wir sind gekommen», ich drehte mich zu Willibald um, «weil Eohric Euch hintergangen hat. Es ist ihm niemals um Frieden gegangen. Es ging darum, ihm den Krieg einfacher zu machen. Fragt ihn», ich deutete auf Ivann. «Los, redet mit ihm, und lasst mir meine Ruhe! Und sagt diesen Mönchen, sie sollen mit ihrem verdammten Katzengeschrei aufhören.»

Und da tauchten, aus dem Wald auf der anderen Seite des Flusses und über die feuchten Uferwiesen, die Dänen auf. Eine ganze Heerschar Dänen, vielleicht waren es zweihundert, und sie kamen auf Pferden, angeführt von Sigurd, der unter seinem Banner mit dem fliegenden Raben auf einem großen weißen Hengst saß. Er sah, dass ich ihn erwartete, und dass er seine Männer über die enge Brücke schicken musste, wenn er angreifen wollte, und deshalb ließ er sein Pferd in etwa fünfzig Schritt Entfernung anhalten, stieg ab und ging zu Fuß weiter auf uns zu. Ein junger Mann begleitete ihn, doch es war Sigurd, der die Aufmerksamkeit auf sich zog. Er war ein hochgewachsener Mann, breitschultrig und mit einem vernarbten Gesicht, das halb hinter einem Bart von solcher Länge versteckt war, dass er ihn zu zwei dicken Zöpfen geflochten trug und sich diese um den Hals gewunden hatte. Sein Helm spiegelte das langsam roter werdenden Sonnenlicht. Er machte sich nicht die Mühe, einen Schild zu tragen oder ein Schwert zu ziehen, und dennoch war er ein dänischer Herr in all seiner Kriegerpracht. Sein Helm war mit Gold besetzt, eine Goldkette funkelte zwischen seinen Bartzöpfen, er trug dicht an dicht goldene Armringe, und an der Mündung seiner Schwertscheide glitzerte, ebenso wie am Heft der Waffe, noch mehr Gold. Der jüngere Mann trug eine Silberkette, und ein Silberreif lief um seinen Helm. Er hatte einen überheblichen Gesichtsausdruck, wirkte launisch und feindselig.

Ich trat über das aufgehäufte Stroh hinweg und ging den beiden Männern entgegen. «Herr Uhtred», grüßte mich Sigurd spöttisch.

«Jarl Sigurd», gab ich im gleichen Tonfall zurück.

«Ich habe ihnen gesagt, dass Ihr kein Narr seid», sagte er. Die Sonne stand nun so niedrig am südwestlichen Horizont, dass er gezwungen war, die Augen halb zuzukneifen, um mich richtig sehen zu können. Er spuckte ins Gras. «Zehn von Euren Männern gegen acht von meinen», schlug er vor, «und zwar hier und jetzt.» Er stampfte auf das feuchte Gras. Er wollte meine Männer von der Brücke wegbringen, und er wusste, dass ich den Vorschlag nicht annehmen würde.

«Lass mich mit ihm kämpfen», sagte der junge Mann.

Ich warf dem Jüngling einen abschätzigen Blick zu. «Ich habe es gern, wenn meine Gegner alt genug sind, um sich zu rasieren, bevor ich sie umbringe», sagte ich und wandte mich wieder an Sigurd. «Ihr gegen mich», erklärte ich ihm, «hier und jetzt.» Ich stampfte auf den gefrorenen Schlamm der Straße.

Er lächelte schief und entblößte dabei gelbliche Zähne. «Ich würde Euch töten, Uhtred», sagte er milde, «und damit die Welt von einem nutzlosen Rattenschiss befreien, aber dieses Vergnügen muss warten.» Er zog seinen rechten Ärmel hoch, sodass eine Schiene an seinem Unterarm sichtbar wurde. Die Schiene bestand aus zwei schmalen, länglichen Holzstücken, die mit Leinenbändern umwickelt waren. Außerdem entdeckte ich eine merkwürdige Narbe auf seiner Handfläche, zwei Schnitte, die ein Kreuz bildeten. Sigurd war kein Feigling, aber er war auch nicht so töricht, gegen mich zu kämpfen, wenn gerade die gebrochenen Knochen seines Schwertarms zusammenheilten.

«Habt Ihr wieder gegen Frauen gekämpft?», fragte ich und nickte in Richtung der seltsamen Narbe.

Er starrte mich an. Ich dachte, meine Beleidigung hätte ihn tief getroffen, aber er dachte offenkundig nach.

«Lass mich mit ihm kämpfen!», wiederholte der junge Mann.

«Sei still», knurrte Sigurd.

Ich sah den Jüngling an. Er war etwa achtzehn oder neunzehn Jahre alt, würde bald seine volle Manneskraft erreichen und besaß das großtuerische Gehabe eines selbstbewussten jungen Mannes. Sein Kettenhemd war von guter Machart, vermutlich aus dem Frankenreich, und er trug mehrere Armringe, wie sie die Dänen so lieben, trotzdem hatte ich den Verdacht, dass ihm dieser Reichtum geschenkt worden war und er ihn nicht auf dem Schlachtfeld erworben hatte. «Mein Sohn», stellte ihn Sigurd vor. «Sigurd Sigurdson.» Ich nickte ihm zu, während Sigurd der Jüngere mich einfach nur feindselig anstarrte. Er wollte sich unbedingt beweisen, aber sein Vater ließ es nicht zu. «Mein einziger Sohn», sagte er.

«Er scheint sich den Tod zu wünschen», sagte ich, «und wenn er kämpfen will, werde ich ihm seinen Wunsch erfüllen.»

«Seine Zeit ist noch nicht gekommen», sagte Sigurd, «das weiß ich, weil ich mit Ælfadell gesprochen habe.»

«Ælfadell?»

«Sie kennt die Zukunft, Herr Uhtred», sagte er, und seine Stimme war ernst, ohne die geringste Spur von Spott, «sie sagt die Zukunft voraus.»

Ich hatte schon Gerüchte über Ælfadell gehört, Gerüchte, die so nebelhaft waren wie Rauch, Gerüchte, die durch Britannien zogen und in denen es hieß, es gäbe eine nordische Zauberin, die mit den Göttern sprechen könne. Schon bei der Erwähnung ihres Namens, der sich beinahe genauso anhörte wie unser Wort für Albtraum, bekreuzigten sich die Christen.

Ich zuckte mit den Schultern, als wäre mir Ælfadell gleichgültig. «Und was erzählt das alte Weib?»

Sigurd verzog das Gesicht. «Sie sagt, kein Sohn Alfreds wird jemals in Britannien regieren.»

«Ihr glaubt ihr?», fragte ich, obgleich ich sehen konnte, dass er es glaubte, denn er redete so selbstverständlich darüber, als ginge es um den Preis für einen Ochsen.

«Ihr würdet ihr ebenfalls glauben», sagte er, «nur dass Ihr nicht mehr lange genug lebt, um ihr zu begegnen.»

«Hat sie Euch das gesagt?»

«Wenn Ihr und ich uns treffen, sagt sie, dann wird Euer Anführer sterben.»

«Mein Anführer?» Ich gab vor, belustigt zu sein.

«Ihr», kam es grimmig von Sigurd.

Ich spie ins Gras. «Ich vermute, Eohric bezahlt Euch gut für diese Zeitverschwendung.»

«Er wird zahlen», sagte Sigurd schroff, dann drehte er sich um, nahm seinen Sohn am Ellbogen und ging weg.

Ich hatte mich herausfordernd gegeben, doch in Wahrheit krümmte sich meine Seele vor Angst. Und wenn Ælfadell, die Magierin, nun die Wahrheit gesagt hatte? Die Götter sprechen zu uns, allerdings kaum einmal mit klaren Worten. War ich dazu verdammt, hier zu sterben, an diesem Flussufer? Sigurd glaubte es, und er rief seine Männer zu einem Angriff, den er, wenn sein Ausgang nicht vorausgesagt worden wäre, niemals gewagt hätte. Es gab keine Krieger, ganz gleich, wie schlachtenerprobt sie waren, die hoffen konnten, einen solch starken Schildwall aufzubrechen, wie ich ihn zwischen den kräftigen Brückengeländern aufgestellt hatte. Doch Männer, die von Prophezeiungen beflügelt werden, wagen jede Narrheit in dem Wissen, dass die Nornen ihren Sieg bestimmt haben. Ich berührte das Heft von Schlangenhauch, dann den Thorshammer und ging zurück zur Brücke. «Leg das Feuer», befahl ich Osferth.

Es war an der Zeit, die Brücke zu verbrennen und sich zurückzuziehen, und Sigurd, wenn er klug gewesen wäre, hätte uns gehen lassen. Er hatte seine Gelegenheit vertan, uns in den Hinterhalt zu locken, und unsere Stellung auf der Brücke war abschreckend vorteilhaft, doch durch seinen Kopf hallte die Prophezeiung irgendeiner seltsamen Frau, und deshalb begann er, seinen Männern eine Rede zu halten. Ich hörte, wie sie ihm mit Rufen antworteten, hörte die Klingen auf die Schilde schlagen, und sah zu, wie die Dänen aus den Sätteln stiegen und eine Kampflinie bildeten. Osferth brachte eine brennende Fackel und rammte sie tief in das aufgeschichtete Stroh, und augenblicklich quoll dicker Rauch empor. Die Dänen johlten, als ich mich mit den Ellbogen zur Mitte unseres Schildwalls durcharbeitete.

«Er muss sich deinen Tod wirklich dringend herbeiwünschen», sagte Finan heiter.

«Er ist ein Narr», sagte ich. Ich erzählte Finan nicht, dass die Zauberin meinen Tod vorausgesagt hatte. Finan mochte Christ sein, doch er glaubte trotzdem an jeden Geist und jeden Spuk, er glaubte, dass Elfen durchs Unterholz trippeln und dass sich Geister zwischen den Nachtwolken hindurchschlängeln, und wenn ich ihm von Ælfadell der Zauberin erzählt hätte, wäre er von derselben Furcht ergriffen worden, die mein Herz gepackt hielt. Wenn Sigurd angriff, musste ich kämpfen, denn ich musste die Brücke halten, bis die Balken Feuer gefangen hatten, und Osferth hatte recht, was das Stroh betraf. Es war Schilf, kein Weizenstroh, und es war feucht, und das Feuer brannte nur unwillig. Es rauchte, doch es entwickelte sich kein züngelndes Flammenmeer, das sich in die dicken Balken fressen konnte, die Osferth mit splitternden Hieben seiner Kriegsaxt geschwächt hatte.

Sigurds Männer dagegen waren alles andere als unwillig. Sie schlugen Schwerter und Äxte gegen ihre schweren Schilde und rangelten um das Vorrecht, den Angriff anzuführen. Sie würden unter der blendenden Sonne halb blind kämpfen, und der Feuerrauch würde ihnen den Atem nehmen, und doch waren sie gierig auf die Schlacht. Das Ansehen ist alles, und es ist das Einzige, was unsere Reise nach Walhall überlebt, und der Mann, der mich niedermachte, würde Ansehen gewinnen. Und deshalb wappneten sie sich im späten Tageslicht für den Angriff.

«Pater Willibald!», rief ich.

«Herr?», kam eine ängstliche Stimme vom Ufer des Flusses.

«Bringt dieses große Banner! Zwei von Euren Mönchen sollen es über uns halten!»

«Ja, Herr», sagte er, und klang dabei zugleich überrascht und erfreut. Zwei Mönche brachten das enorme Leinenbanner mit dem aufgestickten Christus am Kreuz. Ich befahl ihnen, dicht hinter meiner letzten Reihe Krieger zu bleiben, und stellte ihnen zwei meiner Männer zur Seite. Wenn es auch nur den geringsten Windhauch gegeben hätte, wäre das große Leinenviereck nicht mehr zu halten gewesen, doch für den Moment schwebte es wie ein Wappen über uns, ganz Grün und Gold und Braun und Blau, mit einem dunkelroten Streifen dort, wo sich die Lanze des Soldaten in den Körper Christi gebohrt hatte. Willibald dachte, ich würde die magischen Kräfte seiner Religion benutzen, um die Schwerter und Äxte meiner Männer zu unterstützen, und ich ließ ihm seinen Glauben.

«Das wirft einen Schatten auf ihre Gesichter», gab Finan zu bedenken und meinte damit, dass wir den Vorteil der Blendung durch den niedrigen Sonnenstand verloren, wenn die Dänen erst einmal in den großen Schatten vordrangen, den das Banner warf.

«Aber nicht lange», sagte ich. «Steht gerade!», rief ich den beiden Mönchen an den dicken Stangen zu, zwischen denen das große Leinenviereck aufgespannt war. Und genau in diesem Moment, vielleicht angetrieben von dem prunkhaften Banner, griffen die Dänen brüllend an.

Und als sie näher kamen, fiel mir mein erster Schildwall ein. Ich war so jung damals, so ängstlich, als ich mit Tatwine und seinen Merciern auf einer Brücke gestanden hatte, die nicht breiter gewesen war als diese, und wir von einer Gruppe walisischer Viehdiebe angegriffen worden waren. Zuerst hatten sie einen Pfeilhagel auf uns niedergehen lassen, dann hatten sie angegriffen, und auf dieser fernen Brücke hatte ich die brodelnd aufsteigende Kampfeslust kennengelernt.

Und nun, auf einer anderen Brücke, zog ich Wespenstachel. Mein großes Schwert hieß Schlangenhauch, und seine kleine Schwester war Wespenstachel, eine kurze und schreckliche Klinge, die in der engen Umarmung des Schildwalls tödlich sein konnte. Wenn sich Männer aneinanderdrängen wie Liebende, wenn ihre Schilde gegeneinanderdrücken, wenn man ihren Atem riecht, ihre fauligen Zähne sieht und die Flöhe in ihren Bärten, und wenn kein Platz da ist, um mit einer Kriegsaxt oder einem Langschwert auszuholen, dann konnte Wespenstachel von unten nach oben zustechen. Ein Kurzschwert, das sich in die Gedärme bohrte, das Grauen.

Und es wurde auch an diesem Wintertag eine grauenvolle Schlachterei. Die Dänen hatten das Stroh gesehen und angenommen, dass auf der Brücke nichts weiter als feuchtes Schilfrohr vor sich hin rauchte, doch unter dem Schilfstroh hatte Osferth Dachbalken versteckt, und als die ersten Dänen versuchten, das Schilf mit Fußtritten von der Brücke zu befördern, trafen sie stattdessen auf die schweren Balken und strauchelten.

Einige hatten zuerst Speere geschleudert. Diese Speere fuhren in unsere Schilde, sodass ihre Handhabung schwierig wurde, doch das spielte kaum eine Rolle. Die ersten Dänen stolperten über die versteckten Balken, und die Männer dahinter schoben die Fallenden noch weiter. Ich trat einem ins Gesicht und spürte unter meinem eisenbeschlagenen Stiefel Knochen brechen. Dänen lagen vor unseren Füßen, während andere versuchten, an ihren gestürzten Gefährten vorbei bis zu unserer Linie zu kommen. Und wir töteten. Zwei Männern gelang es, uns trotz der qualmenden Barrikade zu erreichen, und einer von diesen beiden fiel unter Wespenstachel, als ich das Schwert unter dem Rand seines Schildes aufwärts rammte. Der Mann hatte eine Axt geschwungen, die der Kämpfer hinter mir mit seinem Schild abfing, und der Däne hielt immer noch den Schaft der Axt umklammert, als ich sah, wie er die Augen aufriss, sah, wie sich sein zum Kampfgebrüll geöffneter Mund im Todeskrampf verzerrte, als ich die Klinge drehte, sie noch weiter nach oben riss, und als Cerdic neben mir seine eigene Axt niederfahren ließ. Der Mann mit dem eingetretenen Gesicht klammerte sich an meinen Fußknöchel, und ich stach auf ihn ein, als mir das Blut, das von Cerdics Axt wegspritzte, die Sicht raubte. Der wimmernde Mann zu meinen Füßen versuchte wegzukriechen, aber Finan stach ihm sein Schwert in den Oberschenkel, und dann stach er wieder zu. Ein Däne hatte seine Axt über der Oberkante meines Schildes eingehakt und zerrte es abwärts, damit er mir einen Speer in Brust jagen konnte, doch die Axt glitt an dem runden Schild ab, und der Speer wurde aufwärts abgelenkt, und ich rammte Wespenstachel erneut nach vorn, spürte, wie sich die Klinge in den Körper fraß, drehte sie, und Finan sang sein wahnsinniges irisches Totenlied, während er seine Klinge in dem Gemetzel wüten ließ.

Genau darin übten wir uns jeden Tag. Wenn der Schildwall bricht, hält der Tod Einzug, aber wenn der Schildwall hält, dann stirbt der Gegner, und diese ersten Dänen kamen in wildem Lauf auf uns zu, angefeuert von der Prophezeiung einer Zauberin, und ihr Angriff war durch die Barrikade zunichtegemacht worden, die sie hatte stolpern und so zur leichten Beuten unserer Klingen werden lassen. Sie hatten keinerlei Möglichkeit gehabt, unseren Schildwall aufzubrechen, sie waren zu ungeordnet vorgerückt, zu verwirrt, und jetzt lagen drei von ihnen tot zwischen dem verstreuten Schilfstroh, das immer noch schwelte, während die rauchenden Balken immer noch eine Stolperfalle bildeten. Die Überlebenden unter den ersten Angreifern blieben nicht, um sich töten zu lassen, sondern rannten zurück auf Sigurds Ufer, wo sich eine zweite Gruppe bereit machte, um unseren Schildwall aufzubrechen. Es waren wohl zwanzig von ihnen, großgewachsene Männer, Speer-Dänen, die zum Töten gekommen waren, und sie rückten nicht ungeordnet vor wie die erste Gruppe, sondern wohlüberlegt. Dies waren Männer, die im Schildwall getötet hatten, die ihr Handwerk verstanden, deren Schilde sich überlappten und deren Waffen im Licht der niedrig stehenden Sonne glitzerten. Sie würden nicht losstürmen und stolpern. Sie würden langsam anrücken und ihre langen Speere benutzen, um unseren Wall aufzubrechen und so ihren Schwertmännern und Axtmännern den Weg in unsere Reihen freizumachen.

«Gott, kämpfe für uns!», rief Willibald, als die Dänen die Brücke erreichten. Sie betraten sie vorsichtig, ohne Hast, und behielten uns genau im Blick. Einige brüllten Beleidigungen, doch ich hörte sie kaum. Ich beobachtete sie. Mein Gesicht war mit Blut verschmiert, Blut klebte zwischen den Gliedern meines Kettenhemdes. Mein Schild wurde von einem dänischen Schwert beschwert, und Wespenstachels Klinge war gerötet. «Schlachte sie ab, o Herr!», betete Willibald. «Metzle die Heiden nieder! Erschlage sie, Herr, in Deiner großen Gnade!» Die Mönche hatten wieder mit ihren Gesängen angefangen. Die Dänen zogen die toten oder sterbenden Männer zurück, um Platz für ihren Angriff zu schaffen. Sie waren inzwischen nahe, sehr nahe, aber noch nicht in Reichweite unserer Klingen. Ich beobachtete, wie sich ihre Schilde wieder übereinanderlegten, sah, wie sich ihre Speerspitzen aufrichteten, und hörte den Angriffsbefehl.

Und ich hörte Willibalds schrille Stimme über all dem Durcheinander. «Christus ist unser Anführer, ihr kämpft für Christus, wir können nicht scheitern.»

Und ich lachte, als die Dänen kamen. «Jetzt!», rief ich den beiden Männern zu, die bei den Mönchen standen. «Jetzt!»

Das große Banner fiel nach vorn. Es hatte die Frauen an Alfreds Hof Monate der Arbeit gekostet, Monate, in denen sie winzige Stiche mit kostspieliger gefärbter Wolle ausführten, Monate der Hingabe und des Gebets und der Liebe und der Kunstfertigkeit, und nun fiel die Christusgestalt nach vorn auf die Dänen. Die riesige Stoffbahn aus Leinen und Wolle fiel wie ein Fischernetz über ihre erste Reihe, sodass die Männer nichts mehr sahen, und als es sich ganz gesenkt hatte, gab ich den Befehl, und wir griffen an.

Es ist leicht, einer Speerklinge auszuweichen, wenn der Mann, der sie hält, seinen Gegner nicht sehen kann. Ich rief den Männern in unserem zweiten Rang zu, dass sie die Waffen packen und zur Seite ziehen sollten, während wir die Speerkämpfer töteten. Cerdics Axt fuhr durch Leinen, Wolle, Eisen, Knochen und Hirnmasse hinab. Wir brüllten, wüteten, und wir schufen eine neue Barrikade aus Dänenkörpern. Einige schlitzten das Banner auf, das sie einhüllte und blind werden ließ. Finan schmetterte seine scharfe Klinge auf die Handgelenke der Speerträger. Die Dänen versuchten verzweifelt, der behindernden Stoffbahn zu entkommen, und wir hackten, schnitten und hieben, während um uns herum der Rauch des zerstreuten Schilfs dichter wurde. Ich spürte Wärme an den Füßen. Endlich fingen die Balken Feuer. Sihtric, das Gesicht zur zähnefletschenden Grimasse verzerrt, ließ eine langstielige Axt wieder und wieder auf die unter dem Banner gefangenen Dänen herabfahren.

Ich schleuderte Wespenstachel auf unser Ufer und griff mir eine am Boden liegende Axt. Ich habe noch nie gern mit einer Axt gekämpft. Es ist eine schwerfällige Waffe. Wenn der erste Hieb fehlgeht, braucht man lange, um neu auszuholen, und ein Gegner kann diese Momente nutzen, um selbst zuzuschlagen, doch dieser Feind war schon besiegt. Das zerfetzte Banner war nun rot von echtem Blut, ganz durchtränkt damit, und ich schlug wieder und wieder mit der Axt zu, und der Rauch raubte mir die Atemluft, und ein Däne schrie, und meine Männer brüllten, und die Sonne war ein Feuerball im Westen, und das ganze flache, feuchte Land schimmerte rot.

Wir zogen uns von dem Gemetzel zurück. Ich sah, wie das überraschend heitere Gesicht Christi von den Flammen aufgezehrt wurde, als das Leinen Feuer fing. Leinen brennt leicht, und immer größer breitete sich die erste schwarz verkohlte Stelle über die Stofflagen aus. Osferth hatte noch mehr Schilf und Balken von der Hütte gebracht, die er eingerissen hatte, und wir warfen das Holz auf die niedrigen Flammen und sahen zu, wie das Feuer immer mehr Kraft gewann. Sigurds Männer hatten genug. Auch sie zogen sich zurück zum anderen Flussufer und sahen zu, wie sich das Feuer auf der Brücke ausbreitete. Wir zogen vier tote Gegner auf unsere Seite der Brücke und nahmen ihnen Silberketten, Armringe und emaillierte Gürtel ab. Sigurd war auf sein weißes Pferd gestiegen und starrte einfach nur zu mir herüber. Sein verdrießlicher Sohn, der aus dem Kampfgeschehen herausgehalten worden war, spuckte in unsere Richtung aus. Sigurd sagte nichts.

«Ælfadell hat sich geirrt», rief ich, aber sie hatte sich nicht geirrt. Unser Anführer war gestorben, vielleicht einen zweiten Tod, und das verkohlte Leinen zeigte, wo er gewesen war und wo ihn die Flammen verschlungen hatten.

Ich wartete. Es wurde dunkel, bis der Balkengang der Brücke endlich in den Fluss stürzte und dabei einen zischend heißen Dampfstrahl in die feuerhelle Luft schickte. Die Steinpfeiler der Römer waren schwarz vor Ruß und noch benutzbar, doch es würde Stunden dauern, um einen neuen Laufgang darüber zu bauen, und als die verkohlten Balken flussabwärts trieben, zogen wir ab.

Was für eine bitterkalte Nacht.

Wir gingen zu Fuß. Ich ließ die Mönche und Priester reiten, weil sie zitterten und erschöpft und schwach waren, und wir anderen führten die Pferde am Zügel. Alle wollten Rast machen, doch ich ließ sie weiter durch die Dunkelheit gehen, weil ich wusste, dass uns Sigurd folgen würde, sobald er eine Gelegenheit fand, seine Männer über den Fluss zu bringen. Wir gingen unter glitzernd kaltem Sternenlicht, gingen den ganzen Weg zurück, vorbei an Bedanford, und erst als ich einen bewaldeten Hügel entdeckte, der sich verteidigen ließ, erlaubte ich meinen Leuten anzuhalten. In dieser Nacht gab es keine Lagerfeuer. Ich spähte über das Land, wartete auf die Dänen, aber sie kamen nicht.

Und am nächsten Tag waren wir zu Hause.