2. Verbundenheit
Tag 10, 09:25
Heute Morgen hat mir Gabriel eine Nachricht geschrieben und sie auf dem Nachttischchen liegen lassen. Er möchte mit mir zu Abend essen und ich soll zu diesem Anlass, wie er es ausgedrückt hat, „elegant und sexy“ gekleidet erscheinen. Gabriel ist ein Gentleman, er selbst ist ebenfalls immer „elegant und sexy“ gekleidet, doch bei ihm ist das ganz natürlich. Es scheint, als würde er mühelos die Rolle jenes Mannes spielen, den alle Männer, die ich kenne, beneiden: James Bond. Er und Magda scheinen nicht zu wissen, wie gut sie aussehen und wie edel die Möbel in ihrer prachtvollen Bleibe sind. Beide verfügen über die Anmut von Menschen aus „gutem Hause“. Sie sind nicht eingebildet, keine Snobs, sie sind stets höflich und zuvorkommend, lesen mir jeden Wunsch von den Augen ab und sind großzügig. Ich fühle mich immer weniger wie eine Gefangene, und je mehr Tage vergehen, desto mehr bin ich der Meinung, dass ich wirklich Glück habe. Ich staune noch immer über jede Kleinigkeit und mein Herz schlägt schneller, wenn Gabriel mich mit seinen geheimnisvollen Blicken verschlingt.
Es freut mich, dass ich mich für heute Abend in Schale werfen darf, denn abgesehen von den Besuchen von Gabriel (bei denen ich meistens nackt sein soll) und den wenigen Kleidungsstücken, die Magda mir geliehen hat (und die mir etwas zu groß sind), habe ich nicht allzu viel anzuziehen. Manchmal fühle ich mich etwas unwohl, denn alles ist so schön hier, so exquisit … Ich habe das unangenehme Gefühl, unscheinbar auszusehen und nicht hierhin zu gehören.
Magda betritt das Zimmer, um mir zu sagen, dass im Foyer ein Paket auf mich wartet. Im Laufe der Zeit haben sich mit dieser zuvorkommenden Frau einige Gewohnheiten eingespielt, jeden Morgen bringt sie mir duftenden Tee und Gebäck, das so fein ist, dass es direkt aus dem Paradies zu kommen scheint.
Ein Paket?
Ich bin seit zehn Tagen hier, vielleicht hat jemand mein Versteck entdeckt … Die Neugier treibt mich aus dem Bett, ich hülle mich in einen Hausmantel aus japanischer Seide (den Magda mir geborgt hat), um ins Foyer zu eilen. Ich hatte noch nicht die Gelegenheit, Gabriels gesamtes Anwesen zu erforschen, der Hausarzt hat mir geraten, mich zu schonen, solange mein Knie noch nicht ganz geheilt ist. Magda leistet mir tagsüber Gesellschaft, Gabriel erscheint nachts, wenn ihm der Sinn danach steht. Er spricht mit mir, sieht mich an oder nimmt mich, ohne jemals zu zeigen, in welcher Stimmung er gerade ist. Wenn die beiden nicht da sind, will ich nur eines: schlafen, mich von ihm, von uns erholen, aber vor allem aufschreiben, was ich erlebe. Ich frage mich immer noch, ob alles hier real ist, und mein kleines vergoldetes Heft ermöglicht es mir, die Erinnerung daran aufzubewahren.
Gabriel … wenn ich meine Notizen lese, merke ich erst, wie allgegenwärtig er ist. Wenn er bei mir ist, werde ich krebsrot, ich bekomme feuchte Hände und fange an zu stottern. Ich sollte nicht so schüchtern sein – wir sind inzwischen ja schon sehr vertraut miteinander –, doch jedes Mal ist es wie das erste Mal. Ich weiß nicht, ob das „Liebe“ ist, aber ich bin mir sicher, dass ich das erlebe, was man Anziehung nennt. Er weckt in mir die Verführerin, diejenige, die vor nichts Angst hat und immer mehr will. Und wenn er tief in mir ist, fühle ich mich wohl. Doch unsere Beziehung ist nicht gleichberechtigt, Gabriel befiehlt, ich gehorche ihm. Ich habe nicht genug Erfahrung, um die Initiative zu ergreifen, und ich fühle mich unwohl, stets zu tun, was er sagt, ohne mich dagegen zu wehren.
In der letzten Nacht hat er mich zum Beispiel besonders schlecht behandelt, er war fordernd. Am Morgen hatte er ein kleines Päckchen auf mein Kissen gelegt. Darin befand sich, eingeschlagen in Seidenpapier, eine Satinmaske. Auf einer perlmuttfarbenen Karte, die an einem Bändchen hing, stand geschrieben: „Werde eins mit der Dunkelheit.“ Ich habe gelächelt, ein so höflicher Befehl passte zu ihm. Fügsam habe ich die Maske angelegt, bereit für das, was Gabriel mit mir vorhatte.
Der mir inzwischen schon bekannte kalte Lufthauch zeigte mir, dass Gabriel im Zimmer war, doch er sagte kein Wort. Ich rief nach ihm, um die Stille zu durchbrechen, es war dunkel um mich, ich konnte nichts sehen und wartete auf ein Zeichen. Ich fühlte, dass er da war, ich fühlte seine Blicke auf mir, doch außer der merklichen Kälte im Zimmer gab es kein Anzeichen dafür, dass er bei mir war. Ich legte mich hin, zog die Laken, die meinen nackten Körper bedeckten, zurück und wartete. Ich dachte, dass er käme, um mich zu nehmen, wenn ich mich ihm so darbieten würde. Nichts. Das ärgert mich am meisten an ihm, jedes Mal, wenn ich mich um etwas bemühe, das ICH will, ist es umsonst. Ich habe also meine Beine gespreizt, und mein Fuß stieß an etwas, das offenbar seine Hüfte war. Im Dunkeln malte ich mir die Szene aus: Er musste auf dem Bett sitzen und mich beobachten, bereit, mich zu nehmen, wenn ER es bestimmte.
Diese einfache Vorstellung löste in mir eine Welle der Lust aus, die mir den Hals zuschnürte. Sie wurde immer schneller, breitete sich in meinen Venen aus und schoss bis in meinen Unterleib. Es war schon schwierig genug für mich, die Leidenschaft zu entdecken, zu versuchen, sie zu zähmen, doch nun war ich einem Unbekannten ausgeliefert … Ich musste einen Weg finden, um ihn aus seinem Versteck zu locken, und spreizte meine Beine etwas mehr. Die Atmosphäre im Raum war geradezu elektrisch geladen und die Stille war geschwängert von Begierde.
Also bewegte ich mich und begann, mich zu streicheln. Mit einer Hand spreizte ich meine Schamlippen auseinander, mit der anderen befriedigte ich mich selbst. Ich leckte mir die Finger und ließ sie über meine vor Lust geschwollene Klitoris gleiten. Ich wand mich vor Lust und bog mich durch, um in mich einzudringen. Da ich nichts sehen konnte, erforschte ich meine Körpermitte, die ich kaum kannte, die kleinen Schamlippen, die von ihren großen, rundlichen und feucht glänzenden Schwestern geschützt werden. Ich wollte alles berühren, ich drückte, rieb und glitt darüber und fühlte, wie mein Puls anstieg. Dann hörte ich seinen Atem. Er war wirklich hier, und das Spektakel, das ich ihm darbot, erregte ihn, seinem Stöhnen nach zu urteilen, sehr.
Ermuntert durch diese stillschweigende Aufforderung drehte ich mich um und kniete mich hin … Mit meinen feuchten Fingern liebkoste ich mich weiter, ich öffnete mich ihm vollkommen. Mein rotes Lustzentrum, meine enge Rosette, mein rosa Po … Er konnte alles sehen, mich nehmen, und ich spürte, wie er mich betrachtete. Ich stellte mir vor, wie er zu mir kam, zuerst in mein Lustzentrum eindrang, und dann schließlich dort, wo bisher noch niemand eingedrungen war … Dieser letzte Gedanke potenzierte meine Erregung, ich nahm meine Klitoris zwischen meinen feuchten Fingern, um sie einem weiteren Höhenflug entgegenzutreiben, rieb sie fest und kam endlich, schweigend. Ich hatte mich bis dahin noch nie selbst befriedigt, und Scham mischte sich in meinen Orgasmus.
Ich war vollkommen außer Atem und war auf dem Bett mit verbundenen Augen gekommen, ohne dass jemand in mich eingedrungen war …
Warum hat er nicht mitgemacht, bin ich dieser Sache gewachsen? Zum ersten Mal hat er mich nicht berührt, und obwohl mich diese Fantasie des Voyeurismus erregt hat, hat er mir gefehlt. Seine Hände, sein Schwanz … Seine Kraft, die mich klein macht und nach mehr verlangen lässt. Hat es ihm wenigstens gefallen?
* * *
Das Paket liegt auf dem ovalen Tisch aus Nussholz. Es wird vom großen Kronleuchter aus Kristall beleuchtet und ich bin neugierig, was sich in ihm verbirgt. Magda folgt mir und sagt mir, dass sie mir das Kleid, das „Monsieur Gabriel“ für mich für heute Abend vorgesehen hat, auf das Bett gelegt hat.
„Sie werden sehen, es ist wunderschön, ich habe ihm beim Aussuchen geholfen.“
„Wird heute etwas gefeiert? Gabriel hat mir eine mysteriöse Nachricht hinterlassen.“
„Sie sind seit zehn Tagen hier! Das ist eine wunderbare Gelegenheit, den roten Salon einzuweihen.“
„Den roten Salon?“
„Monsieur Gabriel wollte einen Salon, um Gäste zum Abendessen einzuladen, doch ohne das allzu zeremonielle Aussehen eines Esszimmers. Er richtet ihn jedes Jahr neu ein. Dann überlassen wir die alten Möbel aus Solidarität einem guten Zweck, aber einen Dank hat uns das bisher nicht eingebracht.“
Ständig vergesse ich, wo ich mich befinde. Die Vampire sehen uns Menschen so ähnlich, außer durch die großen Augen und die Eckzähne sind sie von uns nicht zu unterscheiden. Wir haben noch nicht von Gabriel gesprochen, und ich will mehr erfahren. Meine Neugier frisst mich auf, ich habe keine Angst mehr vor einem tödlichen Biss, doch ich weiß überhaupt nichts über sie. Dieser Reichtum ist unvorstellbar – jedes Jahr ein neu möblierter Salon? Eine sehr extravagante Idee. Außerdem – warum sind sie so reich? Gabriel trägt jedes Mal, wenn ich ihn sehe, einen anderen Anzug. Welchen Beruf übt er aus? Magda wiederum steht Coco Chanel in nichts nach. Und ihr Alter? Gabriel sieht auf jedem Gemälde, egal, aus welcher Epoche es stammt, immer gleich aus, wie ein Mann von etwa 35 Jahren … Doch warum scheint Magda etwas älter als er, wenn doch auch sie unsterblich ist?
„Möchten Sie einen kleinen Snack in der Küche, während ich das Essen für heute Abend vorbereite?“
„Gerne, ich fühle mich etwas …“
„Einsam?“
„Ja.“
„Das ist ganz normal, meine Kleine, bringen Sie Ihre Sachen, die hierhergebracht wurden, in Ihr Zimmer und kommen Sie in einer halben Stunde zu mir, dann können wir uns unterhalten.“
„Danke, Magda.“
Liest sie meine Gedanken? Das Paket ist mir zu schwer, da trällert Magda plötzlich:
„Chaaaaarles? Chaaaaarles?“
Ein sehr schöner blonder, schlanker Mann, der mindestens zwei Meter groß ist, betritt den Raum. Charles ist unglaublich charmant, er ist eine jener Personen, die man nur einmal getroffen haben muss, um sie ein Leben lang wiedererkennen zu können.
„Charles, das ist die berühmte Héloïse, könntest du ihr bitte mit dem Paket helfen?“
Charles schenkt mir ein breites Lächeln und bittet mich, ihm zu folgen. Ich bemerke, dass ich für eine erste Begegnung reichlich wenig anhabe. Um Gottes willen, wie viele von ihnen gibt es noch in diesem Haus? Ich war sehr naiv, zu denken, dass wir hier nur zu dritt wären. Manchmal höre ich Schritte und Stimmen, doch ich sehe nie jemanden.
Charles stellt das Paket ab und verlässt lächelnd das Zimmer. Als ich wieder alleine bin, öffne ich das Paket und entdecke Dinge aus meinem Besitz. Wie konnte er an sie herankommen? Ich freue mich unheimlich, wieder meine Kleidung, mein Lieblingsbuch, mein Parfum zu haben. Ich atme den Duft der Vergangenheit ein und es versetzt mir einen Stich ins Herz. Ich bin nicht unglücklich, aber ich bin auch nicht frei. Ganz unten liegt ein Kuvert, auf dem mein Name steht:
„Liebe Héloïse,
im Moment können Sie nicht nach Hause zurück, also musste ich
einige Fäden ziehen, sodass ein wenig aus Ihrer Welt den Weg in
meine Welt findet. Das Spektakel, das Sie mich in der letzten Nacht
erleben ließen, verfolgt mich noch immer, und ich brenne danach,
Sie in dem Kleid zu sehen, das ich für Sie ausgewählt habe. Tragen
Sie Ihre Strümpfe, wir werden sie benötigen. Ich verzehre mich nach
Ihren Brüsten.
Bis heute Abend, G.“
Der Brief schlägt bei mir ein wie eine Bombe und entfacht erneut, was unter der Asche noch vor sich hin glühte. Gabriel findet immer die richtigen Worte und ist immer für mich da, um mir zu zeigen, dass es mir im Grunde niemals besser gehen wird als hier. „Ich verzehre mich nach Ihren Brüsten“, nur ein flüchtiger Gedanke, und die beiden fühlen sich angesprochen und stellen sich stolz unter meinem Nachthemd auf. Verträumt berühre ich sie.
Auf dem Bett bemerke ich einen großen Kleidersack mit den silbernen Initialen eines bekannten französischen Modehauses der Haute Couture. Das berühmte Kleid, das Gabriel für mich ausgesucht hat. Als ich den Reißverschluss des Kleidersacks öffne, denke ich an den Moment, in dem Gabriel mir das Kleid ausziehen wird, und ein Schauer läuft über meinen Rücken. Das Kleid ist wunderbar, auf den ersten Blick ist es schlicht (es ist schwarz und anständig geschnitten), doch es hat frivole Details. Der Rückenteil ist durchgeknöpft, das Kleid ist fließend geschnitten, der Stoff ist transparent, doch durch das Übereinanderliegen mehrerer Lagen ist diese Transparenz nur zu erahnen. Das passt zu Gabriels anspruchsvollem Geschmack: zeigen, ohne alles zu enthüllen, um der Fantasie Raum zu geben. Ich will es sofort anprobieren, sofort wieder ausziehen …
* * *
Magda poliert in ihrer strahlend sauberen Küche die Gläser. Wozu brauchen sie eigentlich eine Küche? Ich weiß wirklich wenig über ihre Sitten und Gebräuche, aber eine Sache weiß ich: Vampire ernähren sich von menschlichem Blut … Ist dies nicht ihr einziges Bedürfnis?
„Haben Sie Hunger?“
„Ja! Aber ich will ihn mir für heute Abend aufheben!“
„Kosten Sie, ein kleiner Vorgeschmack.“
Magda reicht mir einen Löffel mit einer samtigen perlgrauen Creme und einigen kleinen schwarzen Perlen.
„Das ist köstlich! Was ist das?“
„Trüffelschaum mit schwarzem Kaviar.“
„Oh. So etwas habe ich noch nie gegessen, das schmeckt toll, fein und intensiv gleichzeitig. Ich liebe es!“
„Inzwischen ist es einige Jahre her, da habe ich für eine Familie gearbeitet, die großen Wert auf delikate Köstlichkeiten legte. Dort hatte ich zum ersten Mal mit dem Kochen zu tun und habe viel gelernt. Ich bin sogar richtig süchtig nach eurem guten Essen geworden.“
„Ach, Sie essen also auch?“
„Natürlich!“
„Aber … ähm … Sie brauchen es doch nicht … oder doch?“
„Nein! Das ist ja das Gute daran! Ihr Menschen braucht zum Beispiel keinen Wein, um zu überleben, doch Ihr stellt Spitzenweine her und genießt sie. Warum? Einfach nur des Genusses wegen, und wenn es etwas gibt, das jeder besonders mag, dann ist es der Genuss. Wir sind doch alle nur Genussmenschen.“
„Meine Frage erscheint Ihnen wahrscheinlich … peinlich, aber seit wann sind Sie ein …“
„Schon immer, ich bin aus einer Union hervorgegangen, nicht gebissen worden. Darauf bin ich sehr stolz … Gabriel übrigens auch.“
„Das wollte ich gerade fragen.“
„Ich war bei seiner Geburt dabei! Und ich habe ihn aufwachsen sehen. Er hat sein endgültiges Alter vor … einiger Zeit erreicht.“
„Sein endgültiges Alter?“
„Ja, so wie ihr Menschen stellen auch wir uns Fragen zu unseren „Wurzeln“. Wir sind unterschiedliche Individuen, es gibt die „gebissenen“ und die „echten“ Vampire. Wenn man, wie ich, als Vampir geboren wird, wird man erwachsen, man altert und eines Tages erreicht man das sogenannte endgültige Alter. Ich habe es mit 40 erreicht, Gabriel war jünger.“
„Wie alt ist er?“
„Hm, da sind wir Vampire etwas eitel. Fragen Sie ihn doch, Sie sind einander doch recht nah.“
„Nun ja …“
„Ach, ich weiß, er ist ein guter Mann, aber etwas verschlossen und schweigsam, seitdem er seine Frau verloren hat.“
„Seine Frau?“
„Der Krieg des Blutes hat nicht nur aufseiten der Menschen Opfer gefordert. Sie ist verschwunden und man hat nichts mehr von ihr gehört … Ich glaube, Sie sind die erste Frau, die ich seitdem an seiner Seite sehe.“
Magda wird bewusst, dass sie zu viel gesagt hat, sie sieht auf die Uhr.
„Huch, die Zeit vergeht, in knapp zwei Stunden werden sie kommen!“
„Sie?“
„Gabriels Freunde natürlich, wegen des Dinners! Und jetzt beeilen Sie sich und machen Sie sich fertig, meine Kleine.“
Ich bin durch Magdas Enthüllungen vollkommen verwirrt, und als ich in mein Zimmer komme, muss ich mich setzen. Gabriel hatte eine Frau, sie lebten zusammen, ich kann ihn mir in dieser Rolle nicht vorstellen und suche in den Porträts um mich herum nach Hinweisen zu dieser mysteriösen verschwundenen Frau. Ich bin eifersüchtig auf sie, doch ich habe keine Zeit, darüber nachzudenken, denn ich habe Angst vor etwas anderem. Magda sagte: „Gabriels Freunde.“ Ich werde also in Gesellschaft einiger Personen sein, die ich nicht kenne, dabei wollte ich Gabriel heute Abend doch für mich alleine haben.
* * *
Es wäre gelogen, zu sagen, ich hätte mich nicht besonders bemüht, um Gabriel zu gefallen, doch ich fühle mich unwohl beim Gedanken daran, dass ich diese Leute kennenlernen soll, von denen ich annehme, dass sie „nicht wie ich“ sind. Ich mache mir die Haare, schminke mich und creme mich mit einer Lotion ein, die zart nach Karamell duftet. Ich muss körperlich bereit sein und Selbstbewusstsein ausstrahlen. Mit Gabriel fühle ich mich als Frau, ich sehe in den Spiegel und finde mich hübsch. Jemand klopft an die Tür und ich öffne selbstbewusst.
„Monsieur Gabriels Gäste sind im roten Salon eingetroffen und erwarten Sie.“
Mein Selbstbewusstsein ist beim Teufel, ich folge Charles mit gesenktem Kopf und hinter dem Rücken verschränkten Armen. Bevor er die Glastür zum Salon öffnet, dreht Charles sich um und sagt:
„Sie sehen umwerfend aus, Mademoiselle Héloïse. Ganz ehrlich.“
Ein Kompliment von einem gut aussehenden Mann wie Charles tut immer gut, und mit leicht geröteten Wangen betrete ich den Raum.
Dort befinden sich zwei Paare. Die Frau, die näher bei mir steht, ist blond und schlank, sie sieht aus wie eine Tänzerin aus dem Bolschoi-Theater. Ihr Kleid betont ihre schmale Silhouette und gibt den Blick auf den Porzellanteint ihres nackten Rückens frei. Sie heißt Sylvia. Ihr Mann, Benjamin, ist etwas kleiner und hat breite Schultern. Er ist frisch rasiert und hält seine Frau stolz und beschützend um die Taille. Das zweite Paar sieht ebenso strahlend aus, die junge Frau muss etwa in meinem Alter sein, eine hübsche, zierliche Asiatin mit dichtem schwarzem Haar, die einen sehr kurzen Rock und Overkneestiefel trägt. Ihr Partner ist ein umwerfend schöner Mestize, seine grünen Augen bilden einen wunderbaren Kontrast zu seiner braunen Haut. Neben dem Kamin steht Gabriel, mein Gabriel. Ich sehe, dass ihm mein Kleid an mir gefällt, ich sehe ein wohlbekanntes Funkeln in seinen großen Augen.
Alle verhalten sich mir gegenüber sehr nett und rücksichtsvoll, und je mehr Wein fließt, desto wohler fühle ich mich. Wir unterhalten uns locker, es werden Anekdoten erzählt und alle bemühen sich, nicht auf die Krise des Blutes zu sprechen zu kommen. Diese Leute führen ein vollkommen anderes Leben als ich: Reisen, große historische Begebenheiten … Ich schrecke kurz hoch, als er manchmal von den Zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts oder der Weltausstellung von 1900 spricht.
Mir wird heißer, als sich Gabriel zu mir auf die Couch setzt, um mir näherzukommen, als die junge Asiatin Élisa von ihren neuesten Abenteuern in Chile erzählt. Er spielt mit dem Halbschatten und gleitet mit seiner Hand über meinen Rücken. Ich spüre, wie seine Finger über den Stoff tanzen und Muster auf meinen Rücken zeichnen. Manchmal setzt er auch seine Nägel ein und ich bekomme einen vielversprechenden Vorgeschmack auf die kommende Nacht, ich erschauere und presse die Knie zusammen.
„Zeigen wir ihnen unsere letzte Pose?“, fragt Élisa.
„Oh ja, ich denke noch immer an unsere letzte Session, Élisa, du bist ja so gelenkig, ich denke, dass Jacques das zu schätzen weiß!“, grinst die hübsche Blondine lasziv.
Gabriel bemerkt meinen fragenden Blick und legt seine Hand auf meine.
„Wir spielen regelmäßig mit Baumwollseilen. Bei einer Reise durch Japan trafen wir Élisa und lernten so Bondage kennen.“
„Bondage ist eine Kunstform!“, fährt Élisa fröhlich fort.
„Seitdem treffen wir uns regelmäßig und verfeinern unsere Technik. Ich habe Zeichnungen mitgebracht.“
„Ich verstehe das nicht – Sie haben Spaß daran, sich gegenseitig zu fesseln?“
„Ja. So ungefähr. Sieh mal.“
Élisa reicht mir eine in Leder gebundene Mappe, ich öffne sie und entdecke ein Dutzend Kohlezeichnungen. Sie zeigen die blonde Sylvia, wie sie majestätisch mit zusammengebundenen Händen an einem Balken hängt. Gabriels Hand gleitet auf meinen Schenkel und hält ihn fest, ich erschauere. Eine Zeichnung von Élisa beunruhigt mich besonders. Die so redselige junge Frau sieht schwermütig aus, eine sinnliche Statue. Sie liegt auf einem Teppich, ihre Augen sind geschlossen und sie bietet sich dar.
„Wer hat das gezeichnet?“
„Gabriel. Toll, nicht wahr?“
„Es ist wunderschön. Ich wusste gar nicht, wie talentiert Sie sind.“
Ich weiß nicht, ob es der Wein ist oder die angenehme, erotische Atmosphäre des roten Salons, aber ich wünsche mir plötzlich insgeheim, diese Frau auf der Zeichnung zu sein.
„So etwas könnte ich niemals tun.“
„Oh doch.“
Gabriels Antwort ist ein Befehl, ich habe das Gefühl, mit ihm alleine zu sein und lächle ihn schüchtern an.
„Meine Freunde, ich glaube, es ist Zeit“, sagt Gabriel mit einem Blick auf seine beeindruckende Schweizer Armbanduhr.
Sofort brechen sie auf und ich bin schließlich wirklich mit Gabriel alleine im roten Salon.
Gabriel kommt mit einem mit Samt bezogenen Stuhl auf mich zu und bittet mich, darauf Platz zu nehmen, als wäre er ein stolzer Hengst. Ohne Scham und getrieben von einem plötzlichen Selbstbewusstsein befolge ich seine Anweisungen. Ich knöpfe mein Kleid auf, behalte jedoch meinen roten Slip und meine Strümpfe an.
Gabriel greift nach einem dicken, weichen Seil und beginnt damit, meine Beine an die Stuhlbeine zu binden. Man merkt, dass jeder Handgriff sitzt. Wie viele Frauen er wohl auf diese Weise gefesselt hat? Er sucht nach einem weiteren, längeren Seil, schlingt es mir, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen, zwei Mal um den Oberkörper, um meine Brüste zu verschnüren, und zurrt meine Hände mit den Enden an meinem Rücken fest. Ich kann meine Beine nicht mehr bewegen, warte, was weiter passiert, und werde feucht.
„Ich hätte Lust, dich jetzt zu lecken, doch das hast du nicht verdient.“
Aus Gabriels Blick funkelt inzwischen eine animalische Lust, ich sehe, wie seine Ausstrahlung umkippt. Wenn er mich begehrt, scheint er zu wachsen, er erscheint mir größer, imposanter. Seine grünen Augen werden dunkler und ich kann in ihnen schaudernd Hunderte Bestrafungen lesen, die er gerne an mir ausprobieren würde. Ich sitze rittlings auf dem Stuhl, meine Brüste sind verschnürt, mein Intimbereich wird nur von meinem roten Höschen bedeckt, meine Hände sind gefesselt … Ich warte darauf, den kalten Hauch zu spüren, der Besitz von mir ergreift.
„Haben dir die Zeichnungen gefallen?“
Gabriels kalte Hände streichen über meine harten Brustwarzen. Er kneift sie.
Er flüstert mir ins Ohr und lässt dabei seine Zunge über mein Ohrläppchen gleiten. Er küsst mich und in mir breitet sich eine süße Wärme aus, ich weiß nicht, wie Gabriel es schafft, immer genau das Richtige zu tun. Er steuert selbstsicher meine Leidenschaft, ohne sich dabei jemals zu irren.
Er schiebt mir seinen Zeigefinger in den Mund und befiehlt mir, ihn feucht zu machen. Während ich gierig an seinem Finger sauge, zieht er ihn plötzlich brutal aus meinem Mund, schiebt den roten Stoff zur Seite und dringt mit dem Finger in mich ein. Meine Lusthöhle ist bereit und nimmt ihn ohne Widerstand genießerisch in sich auf. Wie unter Strom winde ich mich, so gut ich es in meinem Zustand kann.
„Den ganzen Abend lang hast du mit den beiden Männern geflirtet. Ich denke, du verdienst, was jetzt gleich geschehen wird.“
„Nein, ich habe die anderen Männer nicht angemacht, ich habe ja kaum mit ihnen gesprochen, Gabriel.“
„Mach' dich nicht über mich lustig, Héloïse, als Benjamin mit dir sprach, hast du deine Beine etwas gespreizt und gezwinkert. Du gehörst mir.“
Mir wird bewusst, dass Gabriel es ernst meint, doch ich denke trotzdem, dass er mit mir spielen, mich in die Enge treiben will, um mich dann zu vögeln. Ich fühle, dass er es heute Abend gewaltsam tun wird, dass er brutal sein wird, und ich will seine dunkle Seite entdecken. Habe ich Benjamin vielleicht wirklich unbewusst angeflirtet? Ich glaube nicht, ich weiß nur, dass die Wahrheit Gabriel ganz egal ist. Er will nur eines, mich bestrafen.
„Vielleicht war ich etwas zu lasziv … Es tut mir wirklich aufrichtig leid, Gabriel. Der Abend war wunderbar, ich war angetrunken.“
Er nimmt den Stuhl und stellt ihn unter vollem Einsatz seiner muskulösen Arme vor das Sofa. Dann setzt er sich hin und kippt den Stuhl nach vorne. Mein Gesicht ist nun zwei Zentimeter von seinem steifen Penis entfernt. Ich bin im Gleichgewicht, doch mir wird schwindelig. Er schaukelt mich zwischen seinen Schenkeln vor und zurück.
„Ich will, dass du ihn mir bläst, dass du ihn tief in dich aufnimmst. Ich will, dass dir die Wangen wehtun und dass du erst aufhörst, wenn ich es dir befehle.“
Gabriels harte Worte lassen mich vor Begierde erbeben. Gabriel, dieser Zauberer, der aus mir eine Geliebte macht, die für ihn zu allem bereit ist. Ich öffne den Reißverschluss und versenke seinen Schwanz tief in mir, ich schnalze mit meiner Zunge, bewege mich rhythmisch und er wird in meinem Mund immer härter. Ich kann nicht mehr atmen und laufe rot an, ich bin trunken von diesem Penis, meine weit gespreizten Schenkel verlangen nach mehr. Als er es nicht mehr aushält, nimmt er ein Schweizer Messer und schneidet die Fessel an meinen Beinen mit drei Schnitten auf. Mein roter Slip fällt wie eine Flagge auf dem Schlachtfeld zu Boden. Meine Hände sind immer noch in meinem Rücken gefesselt, doch ich kann vom Stuhl aufstehen. Gabriel setzt sich wieder auf die Couch und zieht mich am Seil zu sich, wie man an der Leine eines unartigen Hundes zieht. Ich nähere mich ihm stolz und er setzt mich auf seinen glühenden Schwanz. Zum ersten Mal kann ich auf Gabriel hinuntersehen, doch sein dunkler Blick und meine gefesselten Arme erinnern mich daran, dass ich mich nur seinen Befehlen füge. Er packt mich und bewegt mich auf ihm wie eine Stoffpuppe, er ist tief in mir, ich fühle tief in meinem Lustzentrum, wie er in mich stößt, es ist eine köstliche Qual. Er beißt in meine Brüste, stößt brutal in mich, wird langsamer und gibt mir leichte Ohrfeigen, die mir auf den Wangen brennen.
„Du gehörst mir.“
Ich will ihn beißen, doch aus meinem Mund sprudeln nur weitere Entschuldigungen für mein ungehöriges Verhalten.
„Es tut mir leid. Ja, ich gehöre Ihnen. Mit Leib und Seele. In mir sind Sie daheim. Es tut mir leid, ich gehöre Ihnen.“
Er hebt mein Becken, zieht seinen Schwanz fast vollständig aus mir heraus und gibt mir zu verstehen, dass dies nun der letzte Stoß sein wird. Er atmet tief ein und dringt so hart, so tief in mich ein, dass ich während meines Schreis komme. Vollkommen außer Atem krallt Gabriel seine Nägel in meinen Rücken und stöhnt. Ich fühle, wie er seinen Samen in mein schmerzendes Lustzentrum entleert. Noch einige Minuten danach spüre ich die Wogen meines Orgasmus. Gabriel schweigt und streicht über mein Haar, es ist ein zärtlicher, vertrauter, ewiger Moment. Er nimmt meine Fesseln ab und ich strecke mich genüsslich lächelnd wie eine Katze, er zwinkert mir zu. Verträumt blickt er durch den Raum und versteinert plötzlich, als hätte er ein Gespenst gesehen.
„Ich muss gehen. Gute Nacht, Héloïse. Bis bald!“
„Bis bald.“
Warum zerstört Gabriel die zarten Bande, die zwischen uns entstehen, durch solch ein kaltes Auftreten, nachdem wir so viel Lust miteinander erlebt haben? Traurig hole ich mir eine große Decke und blicke in die Glut des Kamins. Dann sehe ich mich im Salon um, und ein Foto zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Es zeigt „SIE“, Gabriels Frau, sie posiert stolz und lachend für den Fotografen. Sie sieht umwerfend aus. Sie hat rotes, gelocktes Haar, riesige Augen … Wer könnte schon mit der Erinnerung an sie mithalten? Gabriel schenkt mir seinen Körper, und wenn er kommt, verliert er etwas von seiner Kälte. Mehr bekomme ich nicht. Das muss sich ändern.