8. Kapitel

Normalerweise war Hanna immer ein wenig nervös, wenn sie eine Vorlesung halten sollte, doch heute drehten sich ihre Gedanken einzig und allein um John, der vor zwei Nächten mit seinem Team nach Kalifornien geflogen war, um dort das erste Spiel der Saison zu absolvieren, das in San Diego stattfinden sollte. Im Gegensatz zu ihr, die ein nervliches Wrack war, hatte er große Ruhe und Zuversicht ausgestrahlt, als er mit seiner Reisetasche aufgebrochen war und ihr einen Abschiedskuss gegeben hatte. Gestern hatten sie nur kurz telefoniert und am heutigen Abend fand dann das erste Spiel für John als Trainer und nicht als Spieler statt.

Hanna wollte sich die Übertragung mit Andie ansehen, die ihr die Einzelheiten erklären konnte, damit Hanna nicht völlig auf dem Schlauch stand. Zwar kannte sie mittlerweile die verschiedenen Spielerpositionen und auch einige Spielzüge, die ihr John gezeigt hatte, aber in der Praxis war es doch schwieriger, dem Spiel zu folgen, als es auf dem Papier den Anschein hatte. Das hatte sie jedenfalls herausgefunden, als sie sich mit ihm eines Abends die Aufzeichnung eines früheren Superbowlfinales angesehen hatte, in dem John als Quarterback gewonnen hatte. Nach mehrfachem Betteln hatte sie sogar seine beiden Superbowlringe bewundern dürfen, die er in seiner Kommode verwahrte. Mit einem Lächeln dachte sie daran, dass sie ihn davon überzeugen konnte, nur mit beiden Ringen bekleidet zu ihr ins Bett zu schlüpfen.

Obwohl Hanna heute sehr früh in der Uni angekommen war, da sie nicht lange hatte schlafen können, war ihr die Zeit durch die Finger geronnen, als sie versucht hatte, ein wenig Ordnung in ihr Büro zu bekommen. Jetzt musste sie sich beeilen, nicht zu spät zu ihrer eigenen Vorlesung zu kommen. Zwar konnte sie sich nicht vorstellen, dass ihre Studenten es ihr übel nehmen würden, wenn sie ein paar Minuten später dran wäre, schließlich war es gerade einmal halb neun am Morgen, aber Hanna beeilte sich trotzdem und wäre mit ihren bunten Turnschuhen beinahe ausgerutscht. Leider hatte sie alle guten Schuhe mittlerweile bei John in der Wohnung geparkt, weshalb sie heute zu einem alten Paar roter Sneaker gegriffen hatte, die perfekt zu den verschlissenen Jeans passten, die sie bei sich in der letzten Schublade gefunden hatte, denn alle anständigen Hosen waren entweder in der Wäsche oder bei John. Dummerweise hatte sie auch bei ihrer Oberbekleidung Konzessionen an ihren leeren Schrank und den vollen Wäschekorb machen müssen, weshalb sie nun ein grün kariertes Hemd trug, das sie an die Arbeitskleidung eines Holzfällers erinnerte.

Abgehetzt betrat sie den kleinen Vorlesungssaal und schenkte einer Studentin in der vordersten Reihe einen entschuldigenden Blick.

„Entschuldigen Sie bitte meine Verspätung. Wir können sofort anfangen.“ Hanna wühlte in ihrer Mappe und fand ihr Manuskript, das sie auf das Rednerpult legte. Da es etwas dämmrig in dem schlecht beleuchteten Raum war, hob sie den Kopf und bat in Richtung Tür: „Könnte jemand bitte das Licht einschalten?“

Als sie das erste Mal den Blick auf ihr Publikum richtete, runzelte sie verstört die Stirn. Normalerweise blieb die letzte Reihe leer, heute war jedoch jeder Platz besetzt. Zusätzlich waren Stühle in den Raum gebracht worden, die ebenfalls alle benutzt wurden. An der rechten Seite standen sogar einige Studenten, die keinen Platz mehr bekommen hatten.

Scherzhaft legte sie den Kopf schief, während über ihr die Neonröhren aufflackerten. „Der Kalte Krieg scheint sich großer Beliebtheit zu erfreuen. Einen Stuhl kann ich Ihnen noch anbieten“, sie deutete auf den Stuhl hinter dem Pult, den sie nicht brauchte, da sie in den nächsten 90 Minuten stehen würde. Niemand von den Studenten rührte sich, weshalb sie den Stuhl ein wenig beiseite rückte, falls jemand seine Meinung ändern sollte. „Wir werden heute 90 Minuten lang über die sowjetischen Satellitenstaaten sprechen, deshalb sollten Sie sich überlegen, ob Sie sich nicht doch eine Sitzgelegenheit suchen wollen. Ich bin sicher, die beiden letzten Reihen können ein wenig zusammenrücken.“

Ein untersetzter Student, den sie aus ihrem Einführungskurs kannte, kämpfte sich nun nach vorne und nahm ihren Stuhl mit einem dankbaren Lächeln, das sie erwiderte, entgegen.

„Gut, dann wollen wir anfangen, damit nicht noch mehr Zeit verloren geht.“ Sie senkte ihre Augen auf ihr Manuskript und räusperte sich, bevor sie wieder in den Raum schaute. „Satellitenstaaten basieren auf zwei Grundlagen: Abhängigkeit und Dominanz. Wenn wir über Dominanz sprechen, müssen wir selbstverständlich einen weiteren Akteur berücksichtigen, nämlich den ...“

Sie unterbrach sich, weil jemand eine Hand hob.

„Miss Dubois?“

Ein dunkelhaariger Mann, den sie noch nie in einer ihrer Veranstaltungen gesehen hatte, erhob sich und hielt eine Zeitung in der Hand. „Was sagen Sie zu den Gerüchten um John und Christine Shaw?“

Ihr Magen krampfte sich zusammen, während ihr ein kalter Schauer über die Kopfhaut fuhr. Verwirrt sah sie ihn an und wich unweigerlich zurück. Sie versuchte das Zittern ihrer Stimme zu unterdrücken. „Hören Sie. Dies ist eine universitäre Veranstaltung. Hier haben nur eingeschriebene Studenten Zutritt, also verlassen Sie bitte den Raum.“

„Ich hätte auch eine Frage!“ Eine junge Frau sprang ebenfalls auf. „Stimmt es, dass sich John von Ihnen getrennt hat? Und wie kommen Sie damit klar?“

Hilflos blickte Hanna umher, während immer mehr vermeintliche Studentinnen und Studenten mit Fragen um sich warfen. Sie konnte nicht begreifen, wie es die Presse geschafft hatte, sich Zutritt zur Uni zu beschaffen. Doch es waren ganz eindeutig Pressevertreter, die sich hier in ihrem Vorlesungsraum tummelten und handgroße Aufnahmegeräte in ihre Richtung hielten. Panisch fühlte sich Hanna ihnen ausgeliefert und schüttelte nervös den Kopf.

„Ich gebe keine Kommentare ab. Bitte verlassen Sie umgehend den Raum!“

„Hanna! Haben Sie das Foto von John und Christine gesehen? Was sagen Sie zu dem Kuss?“ Die junge Reporterin wedelte triumphierend mit einer Zeitung, auf der ein unscharfes Foto abgedruckt war.

Hanna räusperte sich und verlangte nach Ruhe, was ebenso ignoriert wurde wie ihre Aufforderung, den Raum zu verlassen. Sie zuckte zusammen, als plötzlich einer der Journalisten eine Kamera zückte und das Blitzlicht auslöste.

„Hören Sie damit auf!“ Sie hielt sich die Mappe vor das Gesicht. „Ich rufe den Sicherheitsdienst, wenn Sie nicht verschwinden!“

Als es zu einem Getümmel kam, ließ sie die Mappe sinken und sah erschrocken, dass einer ihrer Studenten mit einem der Journalisten zu Boden ging und eine Prügelei begann.

Jemand aus der ersten Reihe sprang auf sie zu und hielt ihr die Zeitung unter die Nase, während ein anderer ein Foto mit seinem Handy schoss. Hanna fuhr verwirrt zurück und versuchte, dem Kameraobjektiv auszuweichen.

„John hat sich gestern mit Christine getroffen ...“

„Schauen Sie hierher, Hanna!“

„Hanna ...!“

„Ein Kommentar, Hanna!“

Benommen nahm sie aus den Augenwinkeln wahr, dass eine ihrer Studentinnen hektisch den Raum verließ und laut nach dem Sicherheitsdienst rief, während die Schlägerei immer größere Auswüchse annahm. Hanna schob den aufdringlichen Journalisten samt seiner Zeitung beiseite und beugte sich hinab, um ihrem Studenten zu Hilfe zu eilen.

Als zwei von Schokokeksen abhängige Sicherheitsmänner in den Raum gewatschelt kamen, war das Chaos perfekt. Grob wurde Hanna von einem der Journalisten, die urplötzlich fliehen wollten und übereinander fielen, umgestoßen und landete mit dem Jochbein an einer Stuhlkante.

„Wir können froh sein, wenn der Student nicht die Universität verklagt.“

Hanna biss sich auf die Innenseite ihrer Wange und verschob das Kühlkissen, das ihr die Sekretärin des Dekans gegeben hatte, an ihrem Auge. Sie war noch völlig benommen, hatte Schmerzen am Auge, das beängstigend anschwoll, und saß nun dem Dekan und selbst dem Universitätsrektor gegenüber, die beide eine sehr ernste Miene machten und seit einer halben Stunde aufgebracht über den Vorfall während Hannas Vorlesung debattierten. Glücklicherweise saß neben ihr Prof. Stewart, der sich die größte Mühe gab, die Wogen zu glätten, dabei jedoch kaum Erfolg hatte.

Vor lauter Anspannung schmerzte Hannas Magen und Übelkeit wallte in ihr auf. Sie wusste immer noch nicht, was eigentlich passiert war, denn die ganze Situation war rasend an ihr vorbeigezogen.

„Wie konnte so etwas überhaupt passieren?“

Prof. Stewart entgegnete ruhig: „Wir müssen die Ausweiskontrollen an den Eingängen besser kontrollieren.“

„Wie stellen Sie sich das überhaupt vor?“ Der Rektor schüttelte betrübt den Kopf. „Wir haben nicht die Möglichkeit, gezielte Personenkontrollen durchzuführen.“

„Wissen Sie, was eine Verstärkung der Kontrollen kosten wird?“ Auch der Dekan war in heller Aufregung.

Der Rektor ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Unsere Studenten müssen die Möglichkeit haben, in Sicherheit und Ruhe ihren Studien nachzugehen. Ein störungsfreier Lehrbetrieb muss gewährleistet sein. Das ist die oberste Prämisse.“

Der korpulente Dekan wischte sich mit einem Taschentuch über die verschwitzte Stirn. „Nicht auszudenken, wenn publik wird, dass in unserer Universität die Presse Vorlesungen stürmt, während unsere Studenten in Prügeleien verwickelt werden.“

Hanna schluckte und räusperte sich hart, während ihr Schädel pochte. „Es tut mir außerordentlich leid, dass mein Student auf die unsinnige Idee kam, mich verteidigen zu müssen ...“

„Hanna, Sie müssen sich nicht entschuldigen.“ Begütigend tätschelte Prof. Stewart ihr die Hand. „Sie trifft keine Schuld.“

Der Dekan schüttelte vehement den Kopf. „So einfach ist die ganze Angelegenheit nicht. Miss Dubois ist eine Person des öffentlichen Lebens geworden und steht im journalistischen Interesse. Nach dem heutigen Vorfall können wir nicht sicher sein, dass sich so etwas nicht wiederholt.“

Hanna erstarrte sichtlich und blickte den Dekan fassungslos an. „Soll das bedeuten, dass Sie mich entlassen?“

„Unsinn“, schnaubte Prof. Stewart. „Niemand entlässt Sie, Hanna.“

Der Rektor mischte sich ein. „Wir möchten Sie nicht entlassen, aber halten es für besser, wenn Sie die restlichen Lehrveranstaltungen ausfallen lassen. Das Semester ist sowieso bald vorbei.“

„Was?“ Sie schnappte nach Luft. „Aber meine Studenten ...!“

„Wir werden einen adäquaten Prüfungsersatz für Ihre Studenten finden“, versicherte der Rektor. „Unter den gegebenen Umständen erscheint uns diese Lösung jedoch sicherer. Niemanden ist geholfen, wenn Ihre Veranstaltungen ein Sicherheitsrisiko darstellen.“

Hanna war kurz davor in Tränen auszubrechen und atmete japsend ein. „Lehrveranstaltungen abzuhalten ist eine Bedingung meines Stipendiums. Ich ...“

„Darum machen Sie sich jetzt keine Sorgen“, tröstete Dr. Stewart und warf den beiden anderen Männern einen warnenden Blick zu. „Das Stipendium ist Ihnen sicher.“

„Richard“, der Dekan schüttelte den Kopf. „Das können Sie nicht allein entscheiden.“

„Hanna ist meine Doktorandin. Ich kann über das Stipendium verfügen und habe mich für sie entschieden. Sie bleibt Stipendiatin und wird bei mir promovieren. Es ist nicht Hannas Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass die Veranstaltungen störungsfrei abgehalten werden können. Dafür sind Sie verantwortlich“, verteidigte er sie.

Der Dekan versteifte sich. „Es ist noch gar nichts entschieden, aber wir müssen über die ganze Angelegenheit ausführlich beraten.“

„Das meine ich auch“, mischte sich der Rektor ein und erhob sich, um seine Tweedjacke glatt zu streichen. „Miss Dubois wird sich in der nächsten Woche erholen und zu Hause bleiben. Währenddessen suchen wir nach einer Lösung.“

Hanna legte das Kühlkissen beiseite und schloss die Augen. Mit anderen Worten hieß dies, dass sie vorerst beurlaubt war.

Obwohl Hanna am nächsten Tag in ihrer Wohnung blieb, war sie dennoch auf den Laufenden, was die Gerüchteküche um John und seine Ex-Freundin Christine Shaw betraf. Sobald sie den Fernseher, das Radio oder das Internet anschaltete, wurde über Johns Treffen mit ihr berichtet, weshalb Hanna es vorzog, alle Geräte auszuschalten. Da sie sowieso enorme Kopfschmerzen hatte und ein blaues Veilchen ihr rechtes Auge zierte, vermisste sie es nicht besonders, in den Fernseher zu starren. Um sich ein wenig abzulenken, putzte sie ihre Wohnung, sortierte ihre Bücher und wollte sich eigentlich an die Dissertation setzen, um sich dann deprimiert ins Bett zu legen. Sie war beurlaubt worden und sollte in den kommenden Wochen keine Lehrveranstaltungen abhalten. Das bedeutete, dass sie ganz kurz vor einem Rauswurf stand, der das Ende ihrer wissenschaftlichen Karriere bedeuten würde. Ihre Dissertation wäre damit gelaufen.

Hanna schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter und rollte sich auf die andere Seite ihres Bettes. Als ihr Handy das fünfte Mal innerhalb von drei Minuten klingelte, nahm sie es vom Nachttisch und sah im Display eine unbekannte Nummer. Wieder schien irgendein aufdringlicher Reporter ihre Nummer herausgefunden zu haben. Wütend schaltete sie das Handy aus und legte es zurück. Auch wenn Andie oder ihre Mom anrufen sollten, Hanna war nicht in der Stimmung, mit irgendjemanden zu sprechen.

Sie wusste nicht, was sie tun sollte, wenn man ihr das Stipendium wegnahm und von der Uni verwies.

Sie wusste auch nicht, wie sie auf die Zeitungsberichte reagieren sollte und hatte den Gedanken, dass John mit ihr Schluss machen könnte, in den letzten vierundzwanzig Stunden erfolgreich verjagt.

Die Fotos von ihm in einem intimen Restaurant, wie er die blondhaarige Christine umarmte und herzlich auf die Wange küsste, waren in allen Medien aufgetaucht und hatten Hanna fast wahnsinnig gemacht. Die beiden hatten sich anscheinend prächtig amüsiert, beieinander gesessen, gelacht, gegessen und sich mit Küssen voneinander verabschiedet. Beide hatten ein umwerfendes Paar abgegeben – beide blond, strahlend schön und hoch gewachsen. Eine Nachrichtenagentur hatte sie bereits zu Mr. und Mrs. America gekürt.

Tief im Inneren wusste Hanna, dass John ihr das nicht antun würde, aber sie war verwirrt, verletzt und verwundbar, schließlich hackten Reporter und Fans seit Monaten auf ihr herum, nannten sie fett, altbacken, uninteressant und eine Goldgräberin.

Erschöpft von den vielen Gedanken und Sorgen weinte sich Hanna in den Schlaf, nachdem sie wegen ihres dröhnenden Kopfes eine Tablette genommen hatte.

Einige Stunden später wurde sie wach und war anfangs absolut orientierungslos. Benommen fasste sie sich ins Gesicht und zuckte zusammen, als sie dort ihr geschwollenes Veilchen berührte. Erst das Geräusch einer sich öffnenden Haustür verriet ihr, was sie geweckt hatte. Mühsam kämpfte sie sich auf und blieb in ihre Decke gewickelt auf der Matratze sitzen.

„Hanna?“

Das Licht wurde im Wohnzimmer angeschaltet, während gedämpfte Schritte zu hören waren, die über den Teppich näher zu kommen schienen.

„Warum antwortest du nicht?“ John stand plötzlich im Türrahmen und klang aufgebracht. „Und warum ist dein Handy ausgeschaltet? Hatten wir nicht verabredet, dass wir uns bei mir treffen? Ich wollte dich gestern nach dem Spiel anrufen, aber du warst nicht zu erreichen. Du weißt, wie wichtig das Spiel für mich war!“

Hannas Bitterkeit hatte ihren Höhepunkt erreicht, als sie seine vorwurfsvolle Stimme hörte. Mit heiserer Stimme schnauzte sie zurück: „Du hättest ja mit Christine darüber sprechen können!“

Er fluchte wütend auf. „Sag mir bitte nicht, dass du tatsächlich diesen Mist glaubst, der in den Zeitungen steht!“

„Woher soll ich wissen, was ich glauben kann“, warf sie ihm vor. „Ich weiß nur, dass es Fotos davon gibt, auf denen du sie küsst!“

„Ein harmloser Wangenkuss“, tobte er.

„Ihr habt in einem Restaurant bei Kerzenlicht gesessen!“

Sie konnte ihn zornig schnauben hören. „Christine ist meine engste Freundin, Hanna! Da wird es ja wohl erlaubt sein, sie zu treffen.“

Ihre Stimme nahm ebenfalls an Lautstärke zu. „Du hast bisher nie ein Wort über deine angeblich engste Freundin erwähnt!“

„Es ergab sich einfach keine Gelegenheit. Außerdem ...“

„Hör doch auf, John!“ Sie schüttelte den Kopf. „Wenn es so harmlos wäre, wie du es hier darstellst, hättest du mir doch vorher erzählen können, dass du sie triffst!“

„Chrissy war zufällig auch in San Diego!“

Für sie klang das nach faulen Ausreden, also biss sie die Zähne zusammen und schwieg.

„Dass du mir nicht vertraust, tut verdammt weh, Hanna! Das habe ich nicht verdient.“

Sie war selbst verletzt und spürte, wie sich ihre Kehle zusammenzog. Außerdem konnte sie kaum klar denken, weil sie höllische Kopfschmerzen hatte und ihr Auge zu explodieren schien. Erschöpft beugte sie die Schultern nach vorne und vergrub den Kopf in ihren Händen. Obwohl sie kaum etwas gegessen hatte, war ich furchtbar übel.

„Wie oft habe ich dir gesagt, dass du die Medienberichte ignorieren sollst!“

„Ich habe doch Augen im Kopf“, antwortete sie dumpf.

„Verflucht, Hanna!“ Er brüllte regelrecht los. „Es enttäuscht mich, dass du nach allem so etwas von mir denkst!“

Plötzlich wollte sie einfach nur allein sein und zog die Decke über ihre Schultern. „Dann geh doch.“

„Weißt du was“, seine Stimme klang so hart wie nie zuvor. „Gute Idee!“

Endlich hob sie den Kopf in seine Richtung und sah nur seinen steifen Rücken, als er den Raum verließ. Blind vor Tränen hätte sie ihn am liebsten zurückgerufen, brachte jedoch kein Wort über die Lippen.

Mit einem Mal stand er wieder im Türrahmen. Wegen der Dunkelheit des Schlafzimmers und ihres verschwommenen Blickes konnte sie sein Gesicht kaum erkennen, doch seine Stimme klang wie ein Donnergrollen. „Du reagierst total irrational! Na schön, ich hätte dir früher von Christine erzählen sollen, aber da läuft nichts mehr zwischen uns! Seit unserer Trennung vor ein paar Jahren sind wir nur noch befreundet!“

Um nicht loszuschluchzen, schwieg sie und beobachtete, wie er sich unwirsch durch sein Haar fuhr. „Anstatt dich hier zu verbarrikadieren, hättest du mich einfach fragen sollen!“

Ihr Kinn bebte, während lautlose Tränen über ihre Wangen tropften. Sie wollte nicht schon wieder vor ihm weinen, konnte dagegen aber nichts tun.

„Ich finde es unmöglich, dass du so schlecht von mir denkst und mir Untreue vorwirfst, Hanna!“ Frustriert zog er an der Kapuze seines Sweatshirts. „Verdammt, könntest du wenigstens antworten?!“

John griff nach dem Lichtschalter, woraufhin es sofort hell wurde. „Wenn wir uns schon streiten, will ich dich wenigstens ansehen und ...“ Er stockte, als er ihr gigantisches Veilchen und die geschwollenen Augen sah.

„Was ist passiert?“

Sie schluchzte ungestüm los. „Ich werde ... werde entlassen!“

„Was?!“ Verwirrt runzelte er die Stirn und setzte sich zu ihr auf die Bettkante. Als er sich ihr Auge ansehen wollte, drehte sie den Kopf beiseite.

John seufzte ärgerlich auf. „Lass mich bitte nachsehen.“

„Ich sehe furchtbar aus“, heulte sie, ließ jedoch zu, dass er sich ihr Veilchen genauer ansah. Als er mit sanften Fingern über die blauen Verfärbungen fuhr, brach es aus ihr heraus: „Mike Tyson könnte mein Zwillingsbruder sein!“

Obwohl sie weinte, lächelte er und raunte amüsiert. „Dafür müssten wir dir erst einmal das Haar abrasieren und deine Schläfe tätowieren.“

Hannas ersticktes Lachen ging in ihrem Schluchzen unter, als er vorsichtig beide Arme um sie legte. Zitternd lehnte sie gegen ihn und versuchte, die Tränen wegzuwischen.

„Könntest du mir bitte erzählen, wie das mit deinem Veilchen passieren konnte? Und warum wirst du entlassen?“

Mit schmerzendem Kopf strich sie sich das Haar zurück und murmelte unglücklich: „Es gab einen Zwischenfall in der Uni.“

„Hat dich jemand etwa geschlagen?“

Auf seine aufgebrachte Frage hin schüttelte sie mutlos den Kopf und machte sich vorsichtig von ihm los. John ließ das zu, blieb jedoch dicht neben ihr sitzen und starrte auf ihren gesenkten Scheitel hinab. „Das Veilchen war ein Versehen. Ich wurde umgerissen und habe mir das Gesicht an einer Stuhlkante gestoßen.“

„Himmel“, fluchte er los. „Was ist bei euch denn losgewesen?“

Hanna schluckte und verschränkte die Finger ineinander. „Meine Vorlesung war ein heilloses Durcheinander. Irgendwelche Reporter haben sich Zugang verschafft und saßen in meinem Hörsaal.“

„Wie bitte?“ Er schnappte nach Luft. „Wie konnte das denn passieren?“

Müde hob sie die Schulter hoch. „Das wüsste ich auch gerne.“

Sie konnte hören, wie er geräuschvoll die Luft ausstieß. „Und dann?“

„Ich habe nicht einmal bemerkt, dass Reporter in meiner Vorlesung saßen, sondern habe mit meinem Vortrag begonnen. Plötzlich schwenkten einige meiner angeblichen Studenten mit Zeitungen und Fotos umher, verkündeten, dass ... dass du wieder mit deiner Ex-Freundin zusammen wärst, und wollten Kommentare von mir hören, während sie Fotos schossen.“ Sie seufzte tief.

„Oh Hanna ...“

„Ich wusste überhaupt nicht, was ich tun sollte. Einer meiner Studenten geriet mit einem Journalisten zusammen und begann eine Prügelei. Die Sicherheitsmänner kamen in den Raum, die Journalisten wollten schnell abhauen und dabei wurde ich umgerissen und fiel gegen den Stuhl.“

„Liebling ...“

„Mir geht’s gut“, murmelte sie.

John legte eine Hand auf ihr Knie, um es tröstlich zu streicheln. „Und weshalb kommst du auf die Idee, dass du entlassen werden könntest?“

„Der Rektor und der Dekan haben mich beurlaubt“, sie schniefte. „Um solche Zusammenstöße zu vermeiden, darf ich keine Veranstaltungen mehr abhalten ...“

„Was?!“ Er klang zutiefst empört und wurde stocksteif. „Nichts davon ist deine Schuld!“

„Das weiß ich“, sie griff nach einem Taschentuch und schnäuzte sich vorsichtig. „Aber die Universitätsleitung meint, dass ich ein ... ein Sicherheitsrisiko darstelle. Ohne eine Beteiligung am Lehrplan werden sie mir das Stipendium nehmen.“ Ihre Stimme brach.

John begann zu fluchen und schüttelte den Kopf. „Mach dir darum keine Sorgen. Ich kümmere mich um das Problem.“

„Nein, John.“ Hanna hob entschlossen den Kopf. „Das ist meine Angelegenheit.“

Sie konnte sehen, dass ihm das nicht gefiel, da er mit den Zähnen knirschte. „Hanna, ich kenne einige wichtige Leute, die ...“

„Nein!“ Sie schluckte die beißende Magensäure hinunter. „Ich will das allein regeln und mir nicht sagen lassen müssen, dass ich nur wegen Vitamin B meinen Job behalten durfte!“

„Jetzt mach mal einen Punkt! Der ganze Schlamassel wurde dadurch verursacht, dass die Sicherheitsvorkehrungen bei euch miserabel sind. Ich will mich nur mit dem richtigen Ansprechpartner darüber verständigen.“

„Und wenn es das nur schlimmer macht?“ Nervlich am Ende rieb sich Hanna über die Stirn. „Meine Vorgesetzten sind sowieso schlecht auf mich zu sprechen! Deine Einmischung wird es nur schlimmer machen.“

Er umfasste ihre Schultern und sah ihr ernst ins Gesicht. „Hanna, du hast mich mit dieser Geschichte zu Tode erschrocken! Ich will nicht, dass Journalisten dich belästigen und in Gefahr bringen! Geht das in deinen Schädel rein?“

Ihr Mund verzog sich und bebte. „Und was ist, wenn ich meinen Job verliere?“

„Das wirst du nicht. Ich verspreche es. Lass mich das bitte regeln, Hanna. Ich verstehe was von Öffentlichkeitsarbeit und Sicherheitsvorkehrungen.“

Sie seufzte auf und nickte widerstrebend. „Okay. Von mir aus.“

„Gut“, entgegnete er befriedigt, um dann mit ernster Stimme zu sagen: „Chrissy und ich waren vor sechs Jahren ein Paar, Hanna.“

„John“, ihre Stimme klang genauso müde, wie sie sich fühlte. „Ich kann jetzt nicht darüber reden.“

„Nein, lass mich das klären.“ Sein Gesicht nahm einen höchst entschlossenen Ausdruck an. „Wir waren ein Jahr lang zusammen, haben uns in dieser Zeit jedoch oft nicht sehen können. Sie arbeitet als Produzentin von Dokumentarfilmen und reist deshalb ständig in der Weltgeschichte umher. Ich habe damals in Texas gespielt und war ebenfalls immer unterwegs.“ John seufzte auf. „Wir waren schon vor unserer Beziehung befreundet, weil sie für einen Aufklärungsfilm über Diskriminierung in der NFL verantwortlich war, über den wir uns kennengelernt haben. Zwei Jahre später kamen wir zusammen und haben uns gut verstanden, aber es hat einfach nicht funktioniert, deshalb haben wir uns wieder getrennt, sind jedoch Freunde geblieben.“

Hanna schluckte. „Einfach so?“

Fragend runzelte er die Stirn. „Was meinst du damit?“

„Ihr habt euch einfach so getrennt?“

„Ja, einfach so“, wiederholte er ruhig. „Es gab kein Drama, keine Streitereien und keine dreckige Schlammschlacht. Es hat zwischen uns nicht funktioniert, was wir beide erkannt haben.“

Ungläubig rief sie aus: „Aber sie ist perfekt!“

Belustigt lachte er auf und strich ihr mehr unabsichtlich über den Rücken. „Ach ja? Und woher willst du das wissen?“

Errötend zuckte sie mit der Schulter. „Sie ist wunderschön, schlank, graziös ...“

„Sie wird sich sicher freuen, dass sie einen neuen Fan hat.“

„Hör auf, dich über mich lustig zu machen.“ Hanna sah ihn aus stürmischen Augen an, auch wenn eines davon sichtlich zugeschwollen war.

„Hanna, ich verstehe nicht, was du mir sagen willst. Worum geht es hier?“

Deprimiert sah sie der Wahrheit ins Auge und gestand rau: „Du bist John Brennan. Superstar und Footballlegende. Der netteste Mensch, den ich je kennengelernt habe. Männer wie du sind nicht mit Frauen wie mir zusammen, sondern nehmen sich wunderschöne Supermodels oder berühmte Schauspielerinnen zur Freundin. Chrissy ist so eine Frau. Und ich bin das nicht.“

Als er nicht antwortete, schnürte sich ihre Brust zusammen. Sie hatte gewusst, dass sie Recht hatte. Irgendeine wahnwitzige Laune hatte ihn dazu gebracht, sich mit ihr zu verabreden und mit ihr zusammen zu sein, doch nach einer Weile musste er erkannt haben, dass er etwas Besseres als sie haben könnte.

„Wie kann jemand, der so klug ist wie du, gleichzeitig so dumm sein.“ Er stieß ein tiefes Seufzen aus. „Damit wir das nicht jedes Mal durchkauen müssen, wenn die Presse mir irgendwelche Affären nachsagt, lass uns das ein für alle Mal klären, Hanna.“ Wieder streichelte er ihr Knie. „Du bist witzig, lieb und klug. Ich bin verrückt danach, wie du über deinen Job sprichst, weil deine Augen jedes Mal aufleuchten und mich daran erinnern, wie du aussiehst, wenn ich tief in dir bin. Du bringst mich zum Lachen, wenn du mir irgendwelche unsinnigen Footballfragen stellst, und bringst mich zum Lächeln, wenn ich dich berühren darf.“ Seine Stimme wurde weicher, während seine Streicheleinheiten zärtlicher wurden. „Du machst mich glücklich und gleichzeitig scharf, weil du mir dreckige französische Wörter zuflüstern kannst, während wir Sex haben. Manchmal kann ich mich nicht auf meine Arbeit konzentrieren, weil ich daran denken muss, wie du nackt aussiehst, und ich dann stundenlang von einer Erektion gequält werde. Und ich befürchte, dass ich dich irgendwann einmal langweilen könnte, weil ich nur ein Footballtrainer und kein hochintelligenter Akademiker bin.“

Sie schluckte und starrte auf seine Hand, die ihren Oberschenkel liebkoste. „Aber ...“

„Außerdem bist du wunderschön“, seine Hand ließ ihren Oberschenkel los und strich ihr behutsam das Haar aus dem ramponierten Gesicht, bevor er sich zu ihr beugte und ihr einen federleichten Kuss auf den Mundwinkel drückte.

Wieder war der Schwindel da, doch wurde er dieses Mal von den aufgeregten Schmetterlingen in ihrem Inneren verursacht. Hanna kämpfte dagegen an, verlor jedoch und schmiegte sich an ihn.

„Wie kannst du bloß denken, dass ich dich nicht liebe“, flüsterte er und ließ seiner ersten Lippenberührung eine zweite folgen. „Du siehst doch, wie verrückt ich nach dir bin.“

Mit einem kleinen Lächeln legte sie den Kopf schief und sah ihn neckend an. „Vielleicht hättest du mir das einmal sagen sollen.“

„Hey“, protestierte er spielerisch und ließ seine Hand wieder auf ihren Schenkel sinken. „Ich weiß genau, dass ich dir gesagt habe, dass ich dich liebe.“

Daran würde ich mich sicher erinnern, John.“

„Hanna“, erläuterte er ungeduldig. „Ich habe es gesagt.“

„Nenn mir Datum und Zeit“, schlug sie ernst vor und legte ihrerseits eine Hand auf sein Knie.

„Am Samstag vor fünf Wochen, als wir zum Geburtstag meines Vaters gefahren sind. Ungefähr um halb sechs abends. Eine halbe Stunde, bevor wir mit meiner Familie gegessen haben. Wir lagen zusammen im Gästebett, als ich dir sagte, dass ich dich liebe, obwohl du keine Ahnung von Football oder vom Fischen hast.“

Überrascht wich sie zurück und stotterte: „Das war doch nur so daher gesagt!“

„Nein, war es nicht.“ Über ihren erstaunten Gesichtsausdruck hätte er beinahe gelacht, blieb jedoch ernst. „Ich habe es ernst gemeint, Hanna. Ich liebe dich.“

„Oh.“ Sie schluckte gegen ihre trockene Kehle an und starrte ihm gebannt in die blauen Augen.

„Mhh“, John vergrub seine Nase an ihrem Haar. „Können wir jetzt bitte diese bescheuerten Zeitungsartikel vergessen? Ich würde nämlich gerne meiner Freundin vom gestrigen Spiel erzählen.“

Noch ein wenig benommen holte Hanna Luft und wandte ihm das Gesicht zu, während ihre Hand über sein Knie rieb. „Darf sich deine Freundin vorher noch für ihr bescheuertes Verhalten entschuldigen?“ Sie flüsterte heiser. „Sie war nämlich eifersüchtig und konnte nicht klar denken, schließlich hatte sie große Angst, dich zu verlieren.“

John grinste erfreut. „Wirklich?“

Mhh. Sie ist schrecklich verliebt in dich, weißt du?“

„Dann wird sie sicher nichts dagegen haben, wenn wir sie jetzt von dieser zerknitterten Kleidung befreien und zusammen ein Bad nehmen, oder?“

Hanna schenkte ihm ein zufriedenes Lächeln. „Bestimmt nicht.“