Im Bann der Dämonen
von Joss Whedon
A ProSieben Edition
Broschiert - 216 Seiten -VGS
Erscheinungsdatum: 1999 ISBN: 3-8025-2711-9
Um ihr Taschegeld aufzubessern, nimmt Willow einen Babysitter-Job an. Doch statt des erwarteten geruhsamen Abends gerät Buffys Freundin unversehens in einen Alptraum.
Das Baby verschwindet, und an seine Stelle tritt ein kleines Monster, das Willow in tödliche Gefahr bringt...
Buffy und ihre Freundin finden schnell heraus, dass es eine Verbindung zwischen Willows Quälgeist und einigen seltsamen Fundstücken gibt, die Giles bei einer archäologischen Ausgrabung entdeckt hat. Allem Anschein nach wurden dabei böse Kräfte freigesetzt, die seit Ewigkeiten unter der Erde gebannt waren. Und diese Kräfte haben es nun auf Willow abgesehen.
1
Ein kurzer dumpfer Schlag hallte in dem großen viktorianischen Haus der Campbells wider. Willow Rosenberg sah von dem mittelalterlichen Text auf, der auf ihren Knien lag, und ließ den Blick durch das Wohnzimmer schweifen. Fremde Häuser und ihre komischen Geräusche... In der nächsten Ausgabe von »Lifestyle des Merkwürdigen und Unheimlichen«.
Natürlich meinte sie das nicht wirklich so. Die Campbells waren sehr nette Leute und es war schließlich nicht ihre Schuld, wenn ihr Haus seltsame Geräusche von sich gab, die sie beim Babysitten erschreckten. Und es war auch nicht ihre Schuld, wenn es in Willows Leben eine dunkle Seite gab, die jeden Schatten bedrohlich erscheinen ließ.
Automatisch griff sie nach der Tasche zu ihren Füßen und nicht etwa zu dem schnurlosen Telefon, das neben ihr auf dem Sofa lag. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass die Holzpfähle in ihrer Tasche sie besser gegen Dinge beschützten, die in der Nacht seltsame Geräusche machen, als ein Notruf. Sunnydale lag direkt über dem Tor zur Hölle und in dieser Stadt, in der jeder nur erdenkliche Schrecken Gestalt annehmen konnte, war die Polizei oft nicht in der Lage zu helfen - oder wollte es auch nicht.
Die großen Panoramafenster auf der anderen Seite des Raumes gaben die Sicht auf die Blumenbeete der Campbells und ihr Gewächshaus frei. Der Garten glich in dieser Nacht einem Dschungel. Große blassgelbe und weiße Blüten schimmerten im Mondlicht.
Hatte sich da draußen etwas bewegt? Willow starrte durch das Fenster, auf das die Lampe neben der Couch schemenhaft ihr eigenes Spiegelbild warf. Und wenn da etwas war, würde sie es sehen? Und würde dieses Etwas sie sehen? Die Blumen und Bäume raschelten leise im sanften Wind. Alles schien ruhig und friedlich. Willow seufzte erleichtert und ließ den Holzpfahl sinken. Nimm dich zusammen!, ermahnte sie sich. Du bist einfach nur müde und schon eine ganze Weile allein in diesem Haus.
Du machst dich nur verrückt, weil deine beste Freundin einen ziemlich merkwürdigen Job hat. Das große Wohnzimmer der Campbells war mit überladenen, schweren Möbeln aus den vierziger Jahren eingerichtet.
Es war ihr vertraut von den vielen Malen, die sie früher schon bei den Campbells als Babysitter gewesen war.
Sogar die Stereoanlage und der in eine Kommode eingelassene Fernseher waren in dem üppigen Stil der damaligen Zeit gehalten. Im Discovery Channel lief ein Dokumentarfilm über den Regenwald im Amazonasgebiet. Zwar hatte sie diesen Film schon einmal gesehen, aber damit sie sich nicht so allein fühlte, ließ sie den Fernseher trotzdem eingeschaltet.
Um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war, ging sie ins obere Stockwerk und schaute nach dem Baby. Die Nachttischlampe in Form eines freundlichen Clowngesichts warf ein sanftes Licht auf Tad Campbell.
Er war acht Monate alt, hatte lockiges blondes Haar und große grüne Augen, die man jetzt allerdings nicht sah. Er schlief tief und fest und hielt dabei seine winzige Faust an den Mund gepresst.
Na, wenn das kein schöner Schnappschuss wäre!
Willow kehrte in das Wohnzimmer zurück und vertiefte sich wieder in ihr Buch. Auf der aufgeschlagenen Seite waren mittelalterliche Folterinstrumente abgebildet, deren Anwendung der begleitende Text außerordentlich ausführlich und anschaulich beschrieb. Nicht gerade eine leichte Bettlektüre, dachte sie, während sie nach ihrer Light-Limonade griff, die auf einem Tablett am anderen Ende des Tisches stand, und einen tiefen Schluck nahm. Als sie den kurzen dumpfen Schlag zum zweiten Mal hörte, hätte sie sich fast verschluckt.
Diesmal schien das Geräusch eindeutig aus dem oberen Stockwerk und nicht von draußen zu kommen.
Jetzt ganz ruhig bleiben, sagte sie sich selbst. Das kann eine Katze gewesen sein oder ein Ast oder sonst irgendetwas. Ihr Gehirn schien vor allem von der letzten Möglichkeit nahezu unwiderstehlich angezogen zu werden. Je länger sie darüber nachdachte, desto größer und beunruhigender wurde dieses Irgendetwas. Böse Wesen wachsen meist sehr schnell... vor allem wenn sie einen unerschöpflichen Nachschub an Opfern haben.
Willow ließ das Buch wieder sinken und lauschte angestrengt. Sie schaltete das VideoÜberwachungssystem an und rief das Babyzimmer auf.
Die Anlage war so eingestellt, dass das Zimmer automatisch auf dem Monitor erschien, sobald das Baby ein Geräusch machte. Bisher hatte Tad tief und fest geschlafen. Auch jetzt war nichts zu hören.
Sie schaltete die Anlage wieder aus und spürte, dass sie zu unruhig war, um die Stille im Wohnzimmer zu ertragen. Sie sehnte sich danach, eine menschliche Stimme zu hören. Um sich abzulenken, ging sie wieder in das Kinderzimmer hinauf und sah noch einmal nach dem Baby. Es schlief immer noch. Nachdem sie ins Wohnzimmer zurückgekehrt war, griff sie nach dem
Telefon und wählte Buffys Nummer. Komm schon, komm schon, du musst einfach zu Hause sein! Jeder kleine Vampir schläft doch um diese Zeit schon längst brav in seinem Sarg. Während sie wartete, wanderte ihr Blick unruhig durch den Raum.
»Hallo?«
»Oh, hallo.«
Willow schnappte überrascht nach Luft, als sie die Stimme von Buffys Mutter erkannte. »Mrs. Summers, hier ist Willow. Ich wollte mit Buffy sprechen.«
»Das tut mir Leid. Buffy ist nicht zu Hause.«
Nein! Das darf doch nicht wahr sein. Sie muss einfach zu Hause sein. Okay, tief Luft holen. Ganz ruhig bleiben. »Wann wollte sie wieder da sein?«
»Das hat sie nicht gesagt.« Die Art, wie Buffys Mutter dies sagte, gab ihr zu verstehen, dass Buffy auf der Jagd war und Dinge tat, die Mrs. Summers wohl erahnte, aber am liebsten nicht wahrhaben wollte. Und wenn die Jägerin eines Tages dem einen Vampir begegnet, der zu schnell für sie ist, und gar nicht mehr nach Hause kommt? Zumindest nicht ohne eine ausgesprochen schlechte Haut, lange Zähne und ein ganz neues Lieblingsgetränk? Willow machte sich Vorwürfe, dass sie Buffy an diesem Abend nicht begleitet hatte, aber sie wusste, dass Buffy immer noch viele Schläge gegen die Vampire alleine unternahm.
»Willow, ist alles in Ordnung mit dir?«
»Mir geht es gut. Danke.« Sie wollte auf jeden Fall vermeiden, dass sich Buffys Mutter Sorgen machte und Buffy erzählte, dass es ihr vielleicht nicht gut ginge.
Nach einer anstrengenden Nacht mit ihren Langzähnen hatte Buffy sicherlich Besseres zu tun, als sich auf den Weg zu den Campbells zu machen, nur um herauszufinden, dass ihre Freundin Gespenster sah. »Ich habe nur angerufen, um... äh... zu fragen, wann sie Zeit für... die Nachhilfestunde hat, um die sie mich gebeten hat.« Das erschien glaubwürdig. Buffy hatte aufgrund ihrer außerschulischen Aktivitäten manchmal mit ihren Noten zu kämpfen.
»Ich richte ihr aus, dass du angerufen hast.«
»Vielen Dank, aber das ist nicht nötig. Ich sprech einfach morgen selbst mit ihr.«
Als wenn es morgen nicht vielleicht schon zu spät sein könnte. Willow wünschte Mrs. Summers einen schönen Abend und legte auf. Sie war immer noch so nervös, dass sie kaum in der Lage war, ruhig sitzen zu bleiben.
Meine Sensoren vibrieren, würde Xander jetzt sagen.
Sie warf einen Blick auf die Zeitanzeige des Videogerätes: 21.28 Uhr. Die Campbells würden
frühestens in anderthalb Stunden nach Hause zurückkehren. Sie bereute jetzt jeden dieser schlechten Teenie-Babysitter-Splatterfilme, die sie gesehen hatte, weil Xander sie dazu überredet hatte. Sie konnte sich nur zu gut an jede einzelne Szene erinnern.
Sie beschloss, Oz anzurufen. Seine Art wirkte immer beruhigend auf sie. Er hatte einfach diese Ausstrahlung, die auch dadurch nicht beeinträchtigt wurde, dass er eigentlich ein Werwolf war. Sie wusste, dass er an diesem Abend mit seiner Band probte, aber sie wusste auch, dass er sich Zeit für sie nehmen würde.
Während sie die Nummer wählte, hörte sie wieder diesen dumpfen Schlag.
2
Buffy Summers glitt sicher durch die undurchdringliche Dunkelheit. Dabei beobachtete sie unablässig den Wald, der sie umgab. Die Instinkte der Jägerin waren zwar geschärfter als die eines normalen Menschen, aber Unaufmerksamkeit war eine andere Sache. Und das konnte bei ihrer Aufgabe tödlich sein. Sie bewegte sich so lautlos wie ein Schatten, der durch eine Grabkammer huscht.
Ihr Begleiter war nicht annähernd so leise. Rupert Giles war Bibliothekar und ihr Wächter. Obwohl er alle Fähigkeiten besaß, um sie zu trainieren, fehlten ihm doch die besonderen körperlichen Eigenschaften, über die die Jägerin verfügte. Er trat nun schon zum zweiten Mal auf einen Ast, der mit einem Geräusch zerbrach, das Tote hätte aufwecken können. Oder Untote in diesem Fall, dachte Buffy, während sie einen Blick über ihre Schulter warf, um sich zu vergewissern, dass es wirklich nur ein Ast und nicht etwa ein Angriff gewesen war. »Tut mir Leid«, flüsterte er. »Aber in dieser Dunkelheit herumzulaufen ist einfach tödlich.«
»Ja, und wenn Sie nicht ein bisschen vorsichtiger sind, werden Sie noch schnell merken, wie tödlich es sein kann, Pfadfinder.«
»Oh.« Giles fühlte sich trotz der aktuellen Mission geschmeichelt. »Wie ich sehe, hast du dich mit amerikanischer Literaturgeschichte beschäftigt. Allerdings wusste ich nicht, dass ihr auch James Fenimore Coopers Geschichten von Natty Bumppo durchnehmt.«
»Sondereinsatz, Giles«, seufzte Buffy und dachte: Ich muss mich daran gewöhnen, dass mein ganzes Leben ein einziger Sondereinsatz ist. »Ich habe den Literaturtest versägt.« Sie hatte sich für die Nacht vorbereitet und trug schwarze Leggings, Stiefel und ein trendy Häkelhemd über einem schwarzen, ärmellosen Rollkragentopp. In ihrem Rucksack befand sich die Ausrüstung, die sie für ihre nächtliche Streife zusammengestellt hatte.
»Ich dachte, du hast dich auf den Test vorbereitet.«
»Hab ich auch«, antwortete Buffy. »Aber genau in der Woche sind diese Rockabilly-Vampire aus Tennessee in Sunnydale aufgetaucht, um nach Elvis-Devotionalien zu suchen.« Das war definitiv keine erholsame Woche gewesen.
»Richtig. Ich erinnere mich.« Im Dickicht der umstehenden Bäume waren von Giles nur sein blaues Nadelstreifenhemd und die goldgerahmte Brille zu erkennen.
»Sie haben drei Menschen getötet, bevor ich sie endlich aufspüren konnte.« Buffy duckte sich unter dem tief hängenden Ast einer Eiche und folgte dem schmalen Wildpfad, den sie entdeckt hatte. »Es ist nicht immer einfach, dem Jagen und dem Lernen die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken.«
»Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dich für deine Noten zur Rechenschaft ziehen zu wollen.«
Buffy bemerkte, dass auch Giles müde war. »Wissen Sie, dass ist kein Problem. Das Referat hilft mir, die schlechte Note vom Test wieder auszugleichen.« Wenn auch nur mühsam.
»Lass es mich wissen, wenn du Hilfe brauchst. James Fenimore Cooper hat ein paar ziemlich spannende Geschichten geschrieben.«
Spannend?, dachte Buffy und ein Grinsen machte sich auf ihrem Gesicht breit, während sie dem Wildpfad weiter folgte. Abseits der Bäume verlief der Weg jetzt im Mondlicht und war auch für normale Augen gut zu erkennen. »Danke, Giles, aber im Augenblick ist das eine Sache zwischen Cliff und mir.«
Giles stolperte über einen losen Ast. »Cliff?«
»Keine Sorge, Giles«, antwortete Buffy. »Cliff wie Cliff Begleithefte. Ich lese das Buch, ich lese das Begleitheft, dann schreibe ich ein Referat. Sondereinsatz.«
»Ich verstehe. Du bist ziemlich beschäftigt in letzter Zeit.«
»Ich bin immer ziemlich beschäftigt, Giles. Nur sieht es so aus, als ob es in letzter Zeit mehr Arbeit wäre.« Er bemerkt es nur nicht, dachte sie, weil er diese WächterSache schon viel länger macht, als ich jage. Eine Bewegung zu ihrer Linken erregte ihre Aufmerksamkeit, aber sie blieb nicht stehen. In der Nacht gab es zahllose Jäger.
Sie war nur eine von ihnen. Doch nur die Besten überlebten.
»Hast du herausfinden können, warum die Vampire so an diesem Park interessiert sind?«, fragte Giles. Er hatte ihr seine Begleitung angeboten, um ihr zu helfen, die Ursache für das gegenwärtige Problem herauszufinden.
»Leider nicht und ich weiß auch immer noch nicht, wie ich mich in Cordys und Willows Streit um die MegaFrühlingsparty nächstes Wochenende verhalten soll.« Vampire zu pfählen war dagegen ein Kinderspiel und wahrscheinlich sogar weniger gefahrlich.
Wieder nahm sie zu ihrer Linken eine Bewegung wahr, irgendetwas dicht am Boden, das definitiv größer als ein Tier war. Buffy ließ das Etwas nicht aus den Augen, folgte aber weiter dem Pfad. Um erfolgreich zu jagen, muss ein Jäger manchmal den Gejagten spielen. Wer hatte ihr das beigebracht? Giles? Oder war es Angel gewesen?
»Ich wusste nicht, dass es außer der Anwesenheit von Vampiren noch ein anderes Problem gibt.«
»Wachen Sie auf, Gilles! Wie ist es nur möglich, dass Sie alles, was so vor sich geht, nicht bemerken? Cordy organisiert die Frühjahrsparty und Willow protestiert gegen den Verkauf des Parkes an die Bauinvestoren. Großer Interessenkonflikt! Gigantisch sogar. Ist Ihnen die Spannung zwischen den beiden nicht aufgefallen?«
»Nein«, antwortete Giles ehrlich.
»Beide wollen meine Unterstützung, aber ich weiß nicht, wem ich helfen soll.«
»Was willst du denn tun?«
»Ich hätte Lust, auf die Party zu gehen«, erklärte Buffy, »aber wenn Willow sich durchsetzen kann, wird sie wohl nicht stattfinden. Wie auch immer, es stand auch nicht auf meinem Wunschzettel, während meiner Osterferien Vampire im Weatherly Park zu pfählen.«
»Wohl kaum.«
Buffy konzentrierte sich auf die Bewegungen links von ihr. Da musste mehr als nur einer unter den Bäumen sein.
Das wurde ja langsam richtig interessant. Obwohl die Angst ihr kalte Schauer durch den Körper jagte, fühlte sie gleichzeitig eine innere Erregung in sich aufsteigen. Sie griff mit einer Hand in den Rucksack und zog vorsichtig die Armbrust hervor. Kommt schon, Jungs! Buffy ging weiter, doch ihre Schritte wurden immer langsamer. Sie konnte jetzt ihre Blicke auf sich spüren. Sogar ohne die wachen Instinkte einer Jägerin hätte sie die Augen im
Dunkeln wahrnehmen können. Sie starrten sie genauso intensiv an wie Sechstklässler, die gerade erst bemerkt haben, dass Mädchen irgendwie anders sind. Blutrote Augen glitzerten in der Dunkelheit, während sie langsam näher kamen. Mit einer Hand packte sie Giles Blazer und zerrte ihn in dem Augenblick zur Seite, in dem der Anführer der Vampire auf sie zuschoss. Sie warf sich zu Boden, rollte sich ab und entging nur knapp dem Angriff des zweiten Vampirs. Sein stinkender Atem streifte ihre Wangen und seine Krallen fuhren durch ihr Haar. Sie kam wieder auf die Beine, hob die Armbrust an ihre Schulter und schoss.
Der Pfeil flog gute drei Meter und bohrte sich tief in das tote Herz des Vampirs. Die Kreatur warf den Kopf in den Nacken und schrie wutentbrannt auf. Doch aller Widerstand war zwecklos. Innerhalb von Sekunden zerfiel der Vampir zu einem wirbelnden Ascheregen.
Es blieb Buffy allerdings keine Zeit, sich über ihren Sieg zu freuen. Die anderen Vampire kamen unter den Bäumen hervor und bewegten sich immer schneller auf sie zu. Buffy packte Giles am Arm und stieß ihn vor sich her.
»Laufen Sie!«, befahl sie.
Die Vampirmeute war ihnen dicht auf den Fersen.
3
»Hi. Ich wollte mit Oz sprechen. Ist er da?« Willow umklammerte den Hörer und lauschte angestrengt nach oben, ob sich der dumpfe Schlag wiederholte.
Am anderen Ende der Leitung vernahm sie Stimmengewirr, das Rat-a-tat-tat eines Schlagzeuges und Musik im Hintergrund; jemand schlug ein paar Akkorde auf einer Gitarre an. Sie wusste von Oz, dass die Band die Proben meist sehr locker anging.
Willow überprüfte noch einmal das Babyzimmer auf dem Monitor. Es war immer noch alles still. Wenigstens bekam Tad von all dem nichts mit.
»Hallo.« Oz war am Telefon.
»Und, wie laufen die Proben?«, fragte Willow. Mann, nur ein Wort, eine einzige Silbe von Oz und schon sah sie die ganze Sache mit anderen Augen. Jetzt, da sie mit Oz sprechen konnte, fühlte sie sich sofort besser. Es kam ihr plötzlich sogar fast albern vor, ihn wegen ein paar komischer Geräusche anzurufen.
»Gut«, erwiderte Oz knapp wie immer. »Also, was ist los?«
Er wusste immer, wann es Zeit war, einfach nur zuzuhören. Willow ließ ihren Blick unaufhörlich durch das Wohnzimmer wandern. Warum ist das Geräusch nicht jetzt zu hören? Dann könnte ich einfach sagen: Hör mal, dieses Geräusch macht mich total fertig. »Ich glaube, ich bin etwas nervös.«
»Weil du babysitten musst? Ich dachte, du hast schon früher bei den Campbells auf die Kinder aufgepasst?«
»Ja klar. Vor ein paar Jahren, als Bobby noch klein war.« Der ältere der Campbell-Söhne übernachtete heute bei einem Freund.
»Ist Tad denn so viel schwieriger?«
Willow musste lächeln. Oz hatte wirklich ein gutes Gedächtnis. Sie wusste nur zu gut, dass die meisten Jungs sofort wieder vergaßen, was ein Mädchen ihnen erzählte.
Selbst Xander, der sich an fast alles erinnerte, was man ihm erzählte, hörte nicht so aufmerksam zu wie Oz. »Eigentlich nicht. Ich musste ihm heute Abend erst einmal die Windeln wechseln. Er hat bisher die ganze Zeit geschlafen.«
»Hast du mit Mr. Campbell sprechen können?«
»Nein.« Eigentlich hatte sie sich gefreut, als die Campbells sie gebeten hatten, für ihren Babysitter einzuspringen, der krank geworden war. Sie wollte auf jeden Fall die Gelegenheit nutzen, Mr. Campbell um seine Unterstützung gegen die geplante Baugenehmigung zu bitten, die es Gallivan Industries ermöglichen würde, den Weatherly Park zu zerstören. Wenn Cordy die Gelegenheit dazu hätte, würde sie das Gleiche tun. »Er hatte es heute Abend sehr eilig.«
»Gib nicht auf«, ermutigte Oz sie.
»Auf keinen Fall. Ich habe schöne Erinnerungen, die mit dem Weatherly Park verbunden sind, und vielen anderen Kids geht es genauso. Ich will nicht, dass der Park zerstört wird. Noch nicht einmal für die Errichtung eines Freizeitparks. Freizeitparks gibt es überall, doch den Weatherly Park gibt es nur einmal.«
Irgendjemand im Hintergrund rief nach Oz. »Ich komme sofort«, rief er zurück.
»Wollt ihr noch weggehen?«, fragte Willow und hoffte inständig, dass Oz nein sagen würde.
»Wir hatten vor, uns eine Pizza zu holen und dann wieder hierher zu kommen und noch ein paar Stunden zu arbeiten«, erklärte Oz. »Es sei denn, du brauchst mich?«
»Nein.« Das dumpfe Geräusch hatte sich nicht wiederholt. Willow wollte ihn nicht bitten zu kommen, solange sie keine Gewissheit hatte, dass wirklich etwas nicht stimmte. Ihr Blick fiel wieder auf den Monitor und sie spürte genau, dass irgendetwas daran sie beunruhigte, aber sie wusste nicht, was es war. »Ich glaube... ich wollte einfach nur deine Stimme hören.« Was nicht gelogen war.
»Ich freue mich auch immer, deine Stimme zu hören«, antwortete Oz.
Willow lächelte wieder und es schien ihr, als wenn die Angst, die sie gepackt hatte, plötzlich Lichtjahre entfernt war. Oz hatte einfach diese wundersame Wirkung auf sie. »Ich schlage vor, ihr geht jetzt eure Pizza holen und wir sprechen uns dann später.«
»Und du bist dir sicher, dass ich nicht vorbeikommen soll?«
»Ganz sicher.« Willow verabschiedete sich und schaltete das Telefon aus. Sie stand am Fenster und blickte hinaus in den Garten, der von dem fahlen Mondlicht nur schwach erhellt wurde. Buffy ist irgendwo da draußen und zieht ihre Jägerinnen-Nummer durch, dachte sie. Das Mindeste, was ich tun kann, ist, meinen Babysitterjob gut zu machen und mich um das Parkprojekt zu kümmern. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und fühlte, wie trotz des kuscheligen Pullovers, den sie an diesem kühlen Abend trug, ein kalter Schauer durch ihren Körper lief.
Sie kehrte auf die Couch zurück und versuchte sich wieder in ihr Buch zu vertiefen.
Es war sinnlos. Ihre berühmte Konzentrationsgabe ließ sie im Stich. Angst - eine der Hauptursachen für Analphabetismus.
Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Sicherheitsanlage zu. Irgendetwas machte sie nervös. Sie rief wieder das Babyzimmer auf. Nichts zu hören.
Also schaltete sie die Anlage wieder aus und versuchte sich zu entspannen. Sie nahm gerade einen weiteren Schluck von ihrer mittlerweile ziemlich abgestandenen Light-Limonade, als sie schlagartig begriff, was sie so beunruhigte. Sie schaltete den Monitor wieder ein. Sie hörte nichts. Und es war definitiv ein schlechtes Zeichen, nichts zu hören. Keinen einzigen Laut, noch nicht einmal die Schlafgeräusche des Babys. Im Babyzimmer herrschte absolute Stille. Angst legte sich wie eine eisige Klammer um ihr Herz. Sie griff nach dem Telefon und rannte auf die Treppe zu, die in das obere Stockwerk führte. Vor ihrem inneren Auge sah sie das mit Holzläden verschlossene Fenster neben dem Babybettchen. Und wenn das Fenster plötzlich offen ist und die Geräusche von den losen Fensterläden kommen? Sie gab Oz' Nummer ein. Es begann in dem Moment zu klingeln, als sie die Treppe erreichte. Als sie auf halber Höhe angekommen war, gingen plötzlich überall im Haus die Lichter aus und tiefe Dunkelheit sank auf Willow herab.
4
Buffy lud die Armbrust nach, ohne in ihrem Lauf innezuhalten. Sie warf einen Blick über die Schulter und sah, dass mindestens sechs Vampire sie verfolgten und immer mehr aufholten...
»In welche Richtung?«, fragte Giles atemlos.
Buffy rannte noch etwas schneller und versuchte auszumachen, was vor ihnen lag.
Auf dem Gelände, das sich vor ihnen erstreckte, befanden sich riesige, gelbe Monstermaschinen. Sie erkannte Planierraupen, Schaufelbagger und andere Kettenfahrzeuge, die dazu bestimmt waren, den Boden auszuheben und das Gelände auszugraben.
»Die Maschinen!«, rief sie Giles zu. »Sie sind größer als die Bäume und werden uns Deckung geben.«
Der Wächter rannte auf die nächst beste Planierraupe zu.
Ich hätte es niemals erlauben dürfen, dass er mich begleitet, warf sich Buffy vor. Ich wusste doch, dass der Wald voll von diesen Typen sein würde. Am Abend zuvor war sie mit Xander in Willys Bar gewesen und hatte erst dort von dem Vampirtreffen im Wald erfahren. Giles duckte sich Schutz suchend unter den Bulldozer. Er kauerte sich auf den Boden und sah zu ihr hoch. »Komm schon, Buffy!«
»Tun Sie mir einen Gefallen, Giles«, rief Buffy. »Bleiben Sie einfach genau da, wo Sie sind, und kommen Sie mir ja nicht in die Quere.« Sie meinte es nicht böse, aber sie wussten schließlich beide, dass sie für diese Aufgabe besser geeignet war als Giles. Aus genau diesem Grund war er schließlich der Wächter und sie die Jägerin. Wächter passen auf, Jägerinnen kämpfen.
Aus dem Lauf heraus setzte Buffy zu einem gewaltigen Sprung an. Sie vollführte einen Überschlag in der Luft und landete mit beiden Füßen auf der Motorhaube des Bulldozers, wobei sie in genau der Richtung zu stehen kam, aus der sie eben gekommen war.
Der Anführer der Meute war in seinem früheren Leben eine alte Frau gewesen, bevor sie starb und als Vampir zurückgekehrt war. Ihre langen grauen Haare wehten hinter ihr her und waren der beste Beweis dafür, dass auch Frisurprobleme aus dem Jenseits zurückkehren können. Ihre gelblichen Fangzähne schimmerten im Mondlicht und ein kleiner Speicheltropfen glitzerte erwartungsvoll auf ihren Lippen.
Buffy legte die Armbrust an und schoss einen Pfeil mitten durch ihr Herz. Für einen Moment blieb die Gestalt stehen und explodierte dann in einem Ascheregen, durch den die anderen Vampire ohne zu zögern hindurchrannten.
Buffy ließ die Armbrust fallen, griff nach ihrem Rucksack und zog zwei Holzpflöcke hervor. Sie ließ sie einmal schnell in ihren Händen wirbeln und ging dann in Angriffsstellung, während die beiden jungen männlichen Vampire mit einem großen Satz auf den Bulldozer sprangen. Einer der beiden kam direkt vor ihr zum Stehen, während der andere auf dem Verdeck über dem Fahrersitz landete. »Pfähle?«, fragte der Vampir vor ihr.
»Na ja, die Mitten-ins-Herz-Getroffen-Nummer hatten wir schon«, antwortete Buffy, »Also dachte ich mir, ich versuchs mal mit etwas Persönlicherem. Dann können wir uns ein bisschen näher kommen.« Sie täuschte einen Angriff vor und warf sich dann zur Seite, um den jungen Vampir aus seiner Position zu locken.
Er schlug mit seinen Krallen nach ihr und wollte ihr das Gesicht zerfetzen. Buffy wich seiner Attacke aus und während sie versuchte, hinter ihn zu gelangen, sagten ihr ihre Jägerinnen-Instinkte, dass der andere Vampir sich hinter ihrem Rücken zum Sprung bereitmachte.
Sie packte den Vampir neben ihr und schleuderte ihn über die Schulter dem anderen Vampir entgegen. Als die beiden mit voller Wucht aufeinander prallten, klang es, als wenn zwei Football-Spieler ineinander gerannt wären.
Bevor sie sich voneinander befreien konnten, pfählte die Jägerin den Vampir, den sie zu Boden geworfen hatte.
Er zerfiel vor ihren Füßen zu Asche. »Oh, Mann«, stieß der andere Vampir zurückweichend hervor. Er versuchte, mit einem Satz wieder auf das Schutzdach zu gelangen.
Buffy warf sich auf ihn und packte ihn mit ihrer freien Hand am Hemdkragen. Sie rollten über das Dach und stürzten auf der anderen Seite in die Tiefe. Der Aufprall raubte ihr für einen Moment die Sinne, aber ihre Benommenheit war nur von kurzer Dauer. Sie sprang auf die Beine und wollte ihren Widersacher gerade pfählen, als sie bemerkte, dass einer der anderen Vampire versuchte, Giles unter dem Bulldozer hervorzuzerren.
Der Bibliothekar wehrte sich tapfer, aber seine Tritte und Schläge hatten keine Wirkung auf die Kreatur, die ihn gepackt hatte. Der Vampir grinste breit und entblößte dabei seine langen Eckzähne.
»Giles!«, rief Buffy. Er fuhr herum und sie warf ihm geschickt ihren Holzpflock zu.
Giles fing den Pfahl auf und stieß in mit dem spitzen Ende gegen die Brust des Vampirs. Das Wesen wich fauchend zurück. »Danke!«, rief der Wächter über die Schulter.
»Ich bin gleich wieder bei dir.« Mit diesen Worten packte er abermals den Pfahl und setzte seinem Gegner weiter zu Buffy wandte sich wieder dem Vampir vor ihr zu.
»Jetzt hast du deinen Zahnstocher verloren«, spottete er und kam auf sie zu.
Mit ausgestrecktem Arm stieß sie ihn so kraftvoll vor die Stirn, dass sein Kopf zurückflog. Dann warf sie sich herum und rammte ihm aus der Drehung heraus ihre Faust gegen den Mund. Seine Zähne zersprangen mit einem krachenden Geräusch.
»Das kommt davon, wenn man zwischen zwei Opfer-Mahlzeiten keine Zahnseide benutzt«, bemerkte sie.
Der Vampir schlug die Hand vor den Mund und heulte ungläubig auf. »Du hasst mir die Zähne eingeschlagen! Du hasst mir die Zähne eingeschlagen!« Er sank vollkommen verstört zu Boden.
Auf Buffys rechter Seite glitt ein Schatten über den Boden auf sie zu. Ohne zu zögern, machte die Jägerin einen gewaltigen Satz und landete nach einem Salto mit den Absätzen ihrer Stiefel auf dem Rücken des neuen Vampirs. Die Kreatur ging unter ihr zu Boden.
In seinem vorherigen Leben war dieser Vampir ein Mädchen in Buffys Alter gewesen.
Sie heulte wütend auf, warf sich zur Seite und fuhr dabei eine Handvoll scharfer Krallen aus. Buffy setzte wieder zum Sprung an, wobei sie genau wusste, in welche Richtung sie sich wenden musste. Ein halbes Dutzend schmaler Holzplanken lag neben dem Bulldozer verstreut auf dem Boden. Sie kam neben ihnen auf und ergriff eine der Latten, während das Vampirgirl auf sie zustürzte.
Buffy hielt die Planke an einem Ende hoch und rammte ihren Absatz in die Mitte des Holzstücks, das laut krachend zerbrach. Zufrieden mit der Waffe, die sie improvisiert hatte, packte sie die eine Hälfte und stieß ihrem Gegner das zersplitterte Ende in die Brust.
Dort, wo der Vampir gestanden hatte, ging ein Ascheregen nieder.
Buffy spannte ihre Muskeln an und schleuderte die andere Hälfte der Latte mit aller Kraft gegen den Vampir, dessen Zähne sie zerschlagen hatte. Als das spitze und zersplitterte Ende sein Herz durchbohrte, explodierte er im Bruchteil einer Sekunde.
Mit einem Blick vergewisserte sich Buffy, dass es Giles mittlerweile gelungen war, die Kreatur zu pfählen, die ihn angegriffen hatte. Sie lächelte ihm kurz zu und lief dann zu ihrem Rucksack, während die beiden letzten, noch lebenden Vampire sich nicht sicher zu sein schienen, was sie als Nächstes tun sollten. Buffy brachte zwei weitere Pfähle zum Vorschein. Eine Jägerin war schließlich nur so gut wie ihre gesamte Ausrüstung.
Die Vampire wichen zurück und rannten auf den Wald zu.
»Nun«, bemerkte Giles atemlos, »das war aufregend.«
Buffy warf ihm einen der Pfähle zu. »Wir sind noch lange nicht fertig!«
Mit diesen Worten nahm sie die Verfolgung auf.
5
Willow stolperte, als sie im Dunkeln die Treppe hinaufstieg. Sie griff Halt suchend nach dem Geländer, während das Freizeichen in der Leitung endlos weitertönte. Panik stieg in ihr auf und raubte ihr den Atem. Sie versuchte ruhig zu bleiben. Ihr wurde allmählich klar, dass Oz und die Bandmitglieder den Proberaum offensichtlich schon verlassen haben mussten, um ihre Pizza abzuholen. Sie schaltete das Telefon aus.
Oz ist nicht erreichbar. Buffy ist nicht zu Hause. Xander! Xander muss einfach da sein!
Sie gab seine Nummer auf dem erleuchteten Tastenfeld ein. Das Telefon an ihr Ohr gepresst, ging sie weiter die Treppe hoch. Tad ist da oben! Hoffentlich!
Es brach ihr fast das Herz, das Baby ganz alleine und schutzlos in seinem Bettchen zu wissen. Als sie das Ende der Treppe erreicht hatte, tastete sie mit ihrer freien Hand nach der Taschenlampe, die immer dort an der Wand hing.
Am anderen Ende der Leitung knackte es. »Hi, dies ist Xanders Anrufbeantworter«, hörte sie Xanders Stimme. »Hinterlasst euren Namen und eure Nummer nach dem Signalton.«
Willow wünschte den Signalton zum Teufel und schaltete die Taschenlampe ein. Ein gelblicher Lichtkegel huschte über die Decke. Sie verstellte die Lampe und richtete den Strahl auf das Kinderzimmer. Die Tür war immer noch verschlossen.
Okay, okay, ganz ruhig, Will, gaaanz ruhig...
Am Ende des Flurs befand sich ein Fenster, von dem aus man auf die sanft ansteigende, dicht besiedelte Wohngegend blicken konnte. Die Fenster der anderen Häuser waren hell erleuchtet.
Kein gutes Zeichen, dachte sie bei sich. Es ist nicht gut, in dem einzigen Haus zu sein, das kein Licht hat. Sie sah sich suchend nach einer Waffe um und bemerkte dann, dass sie dafür gar keine Hand mehr frei hatte. Telefon, Taschenlampe, das musste fürs Erste reichen. Sie schlich über den glatten Parkettboden und war dankbar, dass er unter ihren Schritten nicht knarrte.
Sie kuschte angestrengt an der Tür, hörte aber nichts.
Dass dies ein schlechtes Zeichen war, hatte sie bereits erkannt. Dann fiel ihr plötzlich ein, dass Xander vielleicht auch bei Cordelia sein konnte, und sie gab deren Nummer ein.
»Hallo?«, meldete sich Cordelia. »Ich kenne weder diesen Namen noch diese Nummer auf dem Identifikationsdisplay und wenn dies ein Witz sein soll, dann warne ich dich schon jetzt. Ich finde heraus wer du bist, und -«
»Cordelia«, flüsterte Willow. »Ich bin es.« Sie empfand es als erniedrigend, ausgerechnet Cordelia um Hilfe bitten zu müssen.
»Ich verstehe«, sagte Cordelia, die ganz offensichtlich überhaupt nichts verstand. »Ich Smith oder Ich Jones? Ich verwechsle euch beide manchmal.«
Willow tastete mit zitternder Hand nach dem Türgriff und versuchte gegen die Schreckensvisionen anzukämpfen, die ihr Gehirn produzierte. Xander Harris, du wirst für jeden dieser Horrorfilme büßen, in die du mich geschleppt hast. »Cordelia, hier ist Willow.«
»Willow? Du klingst erkältet.«
»Ich flüstere, weil ich nicht gehört werden will.«
Willow drückte die Türklinke herunter. Sie ließ sich ohne Widerstand bewegen. Das war ein gutes Zeichen.
Oder vielleicht doch ein schlechtes?
»Wenn du nicht willst, dass dich jemand hört, warum rufst du mich dann an?«
»Irgendetwas ist hier in dem Haus.« Willow stieß die Tür vorsichtig einen Spalt auf und spähte durch die Öffnung. Das Babybett war kaum zu erkennen. Das Fenster auf der anderen Seite des Zimmers war verschlossen. Jedenfalls hatte es den Anschein.
Willow fühlte sich ein wenig erleichtert.
»Irgendetwas Grauenhaftes mit langen Zähnen?«
»Ich weiß nicht. Ich bin bei den Campbells babysitten.« »Babysitten?« Aus Cordelias Mund klang das wie eine Zumutung.
»Ich wollte ihnen einen Gefallen tun.«
»Sitzt da nicht ein Campbell in dem Ausschuss, der über die Parkplanung entscheidet?« Cordelias Stimme wurde argwöhnisch.
Es überraschte Willow, dass Cordelia davon wusste. Normalerweise interessierte sie sich hauptsächlich für Modefragen und Haartrends. Und natürlich noch dafür, wer in dem Organisationskomitee für die Frühjahrsparty den Vorsitz übernahm.
»Ja, aber... «
Cordelias Stimmung schlug um in Wut. »Du bist zu den Campbells gegangen, um mit ihnen über Gallivan Industries und den Freizeitpark zu sprechen?«
»Nein. Sie haben mich gebeten, auf Tad aufzupassen. Ich wollte Mr. Campbell später darauf ansprechen.«
»Willow, das ist dermaßen unter deiner Würde! Ich kann es einfach nicht fassen.«
»Cordelia! Halt endlich den Mund und hör mir zu.«
Willows Nerven waren zum Zerreißen gespannt, während sie ganz langsam das Kinderzimmer betrat. Nichts bewegte sich. Hoffentlich schlief Tad immer noch. Mit zitternden Knien schlich sie auf die Wiege zu.
»Ich bin bei den Campbells und irgendetwas stimmt hier nicht. Ich habe seltsame Geräusche gehört, die so klangen, als ob jemand auf dem Dach herumläuft.«
»Wahrscheinlich eine Katze«, meinte Cordelia. »Haben die Campbells eine Katze?«
»Nein. Außerdem funktioniert das Licht nicht mehr.«
»Ein Stromausfall. Das ist doch nichts Ungewöhnliches.«
Vergiss es, dachte Willow. Cordy ist keine Hilfe.
Sie holte tief Luft. »Ich wollte wissen, ob Xander bei dir ist.«
»Nein. Er ist mit seinem neuen besten Freund Hutch in diesem Comicladen im Einkaufscenter. Ich habe keine Ahnung, was sie dort machen. Malen nach Zahlen wahrscheinlich.« Cordelia klang genervt. »Übrigens finde ich die Art, wie du dich verhältst, einfach unmöglich. Du und deine peinlichen Greenpeace-Wannabee-Freunde, ihr könntet die Frühjahrsparty ernsthaft gefährden. Wenn ihr Gallivan verärgert, lässt er uns die Party nicht mehr im Park veranstalten. Und darf ich dich daran erinnern, dass ich fast die ganze Schülerschaft hinter mir habe und wir das alle extrem uncool fänden?«
»Es ist kein Stromausfall«, beharrte Willow. »Nur in diesem Haus ist alles dunkel. In der Nachbarschaft brennt überall noch Licht.«
»Dann ist eben eine Sicherung rausgesprungen oder ein Stromkabel durchgebrannt. Was macht das für einen Unterschied? Du tappst im Dunkeln. Ich finde das ziemlich symbolisch.«
»Ich frage mich, was außer mir noch im Dunkeln ist.« Willow blieb neben dem Kinderbett stehen.
»Deine Einbildungskraft«, antwortete Cordelia. »Sie lauert überall. Du bist abgespannt. Du brauchst eine Party. Du solltest mit deinen Demonstrationen gegen Gallivan Industries warten, bis die Party vorbei ist.«
»Das ist am Freitag, nicht wahr?«, sagte Willow automatisch. »Die Entscheidung über den Bebauungsplan fällt am Donnerstag. Am Freitag wird alles zu spät sein.«
»Wie du meinst. Hör zu, ich muss jetzt los. Ich habe viel zu tun und noch mehr zu telefonieren. Von dieser Frühjahrsparty wird man noch in zehn Jahren sprechen.«
»Leg ja nicht auf«, befahl ihr Willow. Sie richtete den Strahl der Taschenlampe auf das Baby.
»Was?«, fragte Cordelia ungläubig.
Das Licht der Taschenlampe fiel auf das Babybett und spiegelte sich auf dem weißen Lackanstrich. Tad wirkte unter seinen Decken sehr klein. Er war erst acht Monate alt und schlief immer noch auf dem Bauch, seinen winzigen Hintern in die Luft gereckt. Seine zierliche Faust ruhte an seinem Mund.
»Was hast du gerade gesagt?«, fauchte Cordelia.
Willow atmete erleichtert auf und bemerkte erst jetzt, dass sie die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. Sie konnte es kaum fassen, dass sie Cordelia gegenüber diesen Ton angeschlagen hatte: »Hör mal«, flüsterte sie ins Telefon. »Es tut mir wirklich Leid. Ich glaube, ich habe einfach die Nerven verloren wegen all dieser komischen Geräusche und der grässlichen Filme, zu denen mich Xander immer überredet hat. Ich glaube, ich bin ein bisschen neben mir.«
»Ein bisschen neben dir?«, schnappte Cordelia zurück. »Das war total daneben.«
Willow spürte leisen Ärger in sich aufsteigen, was nach der ganzen Panik fast wohltuend war. Sie war erleichtert, dass dem Baby nichts geschehen war, aber sie kannte immer noch nicht den Grund für den Stromausfall. »Hey, ich habe mich entschuldigt. Ich...«
Eine Gänsehaut kroch ihr über den ganzen Körper, als sie die kalte, raue Stimme vernahm, die in der Stille des Raums widerhallte.
»Deine Entschuldigung kann ich nicht akzeptieren«, hörte sie Cordelia sagen. »Nur weil ich manchmal mit Buffy und euch rumhänge und euch zusehe, wie ihr Vampire, Monster oder was sonst gerade so anliegt, bekämpft, heißt das noch lange nicht, dass wir auch nur annähernd auf dem gleichen gesellschaftlichen Niveau verkehren. Du... «
Willow wandte sich wieder der Wiege zu. Der Lichtstrahl fiel auf Tad.
Er saß aufrecht im Bett und sein kleiner runder Kopf schien auf einmal viel zu groß für seinen Körper. Weich und formlos wie alle Babys, sah er ein bisschen wie eine Knetgummifigur in einem Mickymaus-Schlafanzug aus.
Aber seine Augen glühten feurig grün wie geschmolzene Jade. Das Böse schlechthin schien aus ihnen zu leuchten. »Willow«, sagte Tad wieder, während ihm milchiger Babysabber über das Kinn lief.
»Wir müssen uns unterhalten.«
6
Uuups. Sieht ganz so aus, als wäre ich hier in eine typische Buffy-Sache hineingeraten, dachte die Jägerin.
Sie bemerkte den Hinterhalt erst, als es schon zu spät war. Die beiden Vampire, die sie verfolgt hatte, sprangen sie von zwei Seiten mit wütendem Knurren an.
Sie machte einen weiteren Satz und versuchte dann eine Vollbremsung. Die Absätze ihrer Stiefel gruben sich in die weiche Erde und brachten sie für einen Moment ins Schleudern, bevor sie zum Stehen kam.
Die Vampire konnten in ihrem Sprung nicht mehr innehalten und stießen mit den Köpfen krachend zusammen. In einem Gewirr von Armen und Beinen fielen sie zu Boden: Zwei junge Männer, kaum älter als Buffy, in Schuluniformen, woraus Buffy schloss, dass derjenige, der sie gebissen hatte, in der Umgebung der Privatschule auf die Jagd gegangen war.
Sie stieß ihren Holzpfahl durch die Brust des ersten Vampirs, der in Windeseile zu Staub zerfiel, während sein wütender Aufschrei in der Stille verhallte.
Der andere Vampir war dünn und blass und sein vampirtypisch deformiertes Gesicht war ein schwerer Fall von Akne. Er versuchte sich wieder aufzurichten.
Buffy kam auf ihn zu, trat ihm aus der Drehung mit ihrem ausgestreckten Bein kraftvoll gegen die Brust und schickte ihn wieder zu Boden. Giles tauchte außer Atem hinter ihm auf. Der Wächter hob den Pfahl.
»Warte!«, rief der Vampir bittend. »Bring mich nicht um. Ich habe noch nicht einmal jemanden gebissen. Das ist meine erste Nacht.«
Giles hielt heftig keuchend inne.
Buffy ging auf den Vampir zu, der abermals versuchte, sich aufzurichten. Sie trat mit ihrem Stiefel leicht gegen seinen Kopf, der zurück in den Nacken fiel. »Bleib, wo du bist. Ich will wissen, was ihr hier treibt.« Der Vampir zögerte.
»Komm schon, komm schon«, sagte Buffy gereizt. »Es ist gar nicht so schwer. Hast du schon mal Dragnet gesehen?«
Der Vampir starrte sie mit blutunterlaufenen Augen an. »Ist das eine von diesen Las-Vegas-Shows? Das war nämlich nie so meine Sache.«
»Dragnet ist eine Art frühes NYPD Blue«, wiederholte Buffy. »Alles dreht sich um Fragen und Antworten. Du darfst mitspielen. Ich frage, du antwortest.«
»Oder du schlägst mir den Schädel ein, richtig?«
»Oder ich spieße dich wie einen Schmetterling im Biologieunterricht auf«, versprach sie. Der Kleiner-
Verlorener-Junge-Blick funktionierte nicht, wenn man ein Gesicht hatte, das nur eine Vampirmutter lieben konnte.
Der Vampir zuckte nervös mit den Schultern. »Okay.«
Buffy beobachtete unablässig die Dunkelheit um sie herum. Sie gab sich auch nicht einen Moment der Illusion hin, dass sie wirklich alle Vampire in der unmittelbaren Umgebung erledigt hatte. »Was habt ihr hier gemacht?«
»Ich war mit Branden unterwegs. Der Typ, den du gerade gepfählt hast. Er hat mir gesagt, dass hier draußen etwas Großes geschehen soll.«
»Inwiefern groß?«
»Ich weiß es nicht. Ich bin gerade erst aus dem Grab gestiegen. Diese ganze Sache ist noch ziemlich neu und ungewohnt für mich.« Der Vampir sah erst Buffy, dann Giles Mitleid heischend an. »Ich habe natürlich die ganzen Filme gesehen und all den Kram, aber...«, er unterbrach sich, schüttelte den Kopf und fuhr dann fort: »Aber das ist nichts im Vergleich dazu, wie es in Wirklichkeit ist.«
»Was meintest du vorhin mit groß?«, brachte ihn Buffy auf den Punkt.
»Eine Gruppe sollte sich hier treffen. Ich hatte den Eindruck, sie suchen nach etwas. So wie Branden davon gesprochen hat, schien es eine ziemlich große Sache zu sein.«
Buffy versuchte es mit einer anderen Frage. »Hat er irgendetwas über Gallivan Industries gesagt?«
»Nein. Was sind das für Leute?«
Also gut, die nächste Frage. »Von der Frühjahrsparty der Sunnydale High School?«
Der Vampir grinste. »Das klingt cool. Wann findet die statt?«
Buffy warf ihm einen missbilligenden Blick zu. Das Grinsen auf seinem Gesicht erstarrte. »Ich nehme an, Party-Crasher sind nicht willkommen, hm?«
Buffy schenkte ihm ein hämisches Lächeln. »Ein Vampir als Party-Crasher? Sicher doch. Wenn man dann noch einen Holzpfahl zur Hand hat, gibt es mehr Spaß als auf einer Fiesta.«
»Ich streiche es aus meinem Terminkalender.«
»Fantastisch. Wonach haben die anderen Vampire gesucht?«
»Ich sagte bereits, ich weiß es nicht«, beteuerte der Vampir.
»Nach einer Person oder nach etwas unter der Erde?«, mischte sich Giles nun in das Gespräch ein.
Der Vampir wirkte verunsichert. »Ich schätze, da muss ich raten.«
»Ich setze 200 auf Raten«, sagte Buffy.
Der Vampir nickte. »Einige von ihnen hatten Schaufeln dabei.«
Buffy sah Giles fragend an. »Eine Schatzsuche?«
»Nun, jedenfalls habe ich gehört, dass es in diesem Wald eine archäologische Grabung geben soll.«
»Darüber hätten die Nachrichten doch eigentlich berichten müssen«, wunderte sich Buffy.
»Der Freizeitpark, den Gallivan Industries plant, hat natürlich Vorrang. Es handelt sich bei den Grabungen um eine indianische Fischersiedlung aus frühgeschichtlicher Zeit«, erklärte Giles. »Einige Professoren und Studenten der hiesigen Universität haben an dem Projekt mitgearbeitet.«
Buffy wandte sich wieder dem Vampir zu. »Haben die Vampire nach irgendetwas gegraben?«
»Ich habe nichts dergleichen gesehen. Aber wir waren auch gerade erst hier angekommen. Vielleicht haben wir sie verfehlt.«
»Die Grabungsstätte soll sich etwas weiter dahinten im Wald befinden«, warf Giles ein.
»Und woher wissen Sie das?«, fragte Buffy.
»Vielleicht bin ich ja doch ein Pfadfinder«, schlug Giles vor.
Buffy verdrehte die Augen. Giles räusperte sich: »In den Zeitungsberichten war ein Lageplan des Parks abgedruckt. Ich bin sicher, dass die Grabungsstätte darauf eingezeichnet oder zumindest darauf zu erkennen ist. Die Universität hat eine einstweilige Verfügung bei Gericht erreicht, die es Gallivan verbietet, mit den Arbeiten anzufangen, bevor die Ausgrabung abgeschlossen ist.«
»Dann sollten wir uns diese Grabung einmal ansehen«, entschied Buffy.
»Cool«, sagte der Vampir und erhob sich. »Wenn jetzt alle zufrieden sind, kann ich ja wohl gehen.« Buffy flog so schnell und unerwartet herum, dass der Vampir nicht mehr reagieren konnte. Sie rammte ihm den Pfahl in die Brust und trieb ihn mitten durch sein Herz. Er öffnete den Mund, als wollte er schreien, doch bevor er auch nur einen Laut von sich geben konnte, war er schon zu Asche zerfallen.
»Weg ist er«, murmelte Buffy. Ein leiser Anflug von schlechtem Gewissen regte sich in ihr. Immerhin war dieser Vampir vor nicht allzu langer Zeit ein Mensch gewesen.
Vielleicht ist er in seinem Leben ein guter Mensch gewesen, vielleicht auch nicht.
Wie auch immer, jetzt war er jedenfalls kein Mensch mehr. »Im Gegensatz zu uns! Also, wo ist diese Grabung?«
7
Willow versuchte zu sprechen, aber sie brachte kein Wort hervor.
Der kleine Tad starrte sie mit seinen unwirklich glühenden Jadeaugen an. »Willow, warum gibst du dir nicht mehr Mühe, den Wald zu beschützen?«, fragte er mit seiner heiseren, rauen Stimme.
Nicht gerade die beste Wahl für Babys erste Worte. Willow, deren Beine ihr endlich wieder gehorchten, begann vorsichtig, ein paar Schritte rückwärts zu machen.
Tads Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse, während er sich am Bettrand festhielt.
Er sprang auf und streckte seine kleine Faust nach ihr aus. »Halt! So leicht kommst du mir nicht davon«, röchelte die Kreatur heiser. Plötzlich, mit einem lauten Schlag, fiel hinter ihr die Tür ins Schloss. Wie Kanonendonner hallte das Geräusch im Zimmer wider.
Ihre Hände begannen so stark zu zittern, dass sie fast die Taschenlampe fallen gelassen hätte. Ihre Gedanken arbeiteten fieberhaft. Nur mit äußerster Anstrengung gelang es ihr zu sprechen. »Wo ist das Baby?«
»Willow«, kam es röchelnd aus der Wiege »Glaubst du an unsere Sache?«
»Welche Sache?«, fragte Willow. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
Sie hielt die Taschenlampe geradewegs auf das Wesen in der Wiege gerichtet. Wie auch immer man es bezeichnen mochte - als Kreatur, als Monster -, ein Baby war es jedenfalls nicht.
»Du hast gegen den Eindringling Hector Gallivan gekämpft«, sagte das Wesen. Unter der rauhen Heiserkeit seiner Stimme schwang ein wehleidiger Ton mit. »Du musst für den Wald kämpfen. Er darf nicht durch die grausamen Klingen fallen, durch die Rauch speienden Ungeheuer, die auf Pfaden laufen, die immer noch unentdeckt unseren Wald durchziehen. Du musst uns helfen, den Erdstein zu finden, damit wir das Land, das uns gehört, wieder in Besitz nehmen können.«
»Gallivan? Erdstein?«, wiederholte Willow.
»Gallivan?« Cordelias Stimme schien plötzlich aus dem Nichts zu kommen. »Hast du Gallivan gesagt?«
Willow hatte das Telefon in ihrer Hand vollkommen vergessen. Sie hielt es an ihr Ohr. »Cordelia?«
»Was ist los da drüben?«, wollte Cordelia wissen.
»Das Baby«, flüsterte Willow. »Das heißt, es kann eigentlich nicht das Baby sein, aber es sieht so aus, hat sein Gesicht, seine Gestalt. Was immer es auch ist, Cordelia, ich brauche Hilfe. Schick Xander zu mir. Buffy ist nicht zu Hause und Oz kann ich auch nicht erreichen.«
»Wir dachten, du glaubst an die Sache, Willow«, krächzte das Wesen in dem Kinderbett. »Du hast besondere Kräfte. Sie verbinden dich mehr mit dem Reich der Natur als die meisten anderen Menschen.«
Willow versuchte weiterhin, rückwärts den Raum zu verlassen, wobei sie ganz kleine Schritte machte, damit das kleine Ungeheuer nicht darauf aufmerksam wurde.
Einen kleinen Schritt rückwärts... er hat nichts gemerkt... noch einen kleinen Schritt rückwärts, er merkt nichts... einen kleinen Schritt...
»Willow«, sagte Cordelia warnend. »Ich hoffe für dich, dass das nicht irgendein blöder Witz ist.«
»Ich mache keine Witze. Meistens bin ich selbst der Witz. Schon vergessen?« Willow hielt die Taschenlampe beständig auf die flammenden Jadeaugen gerichtet, in der Hoffnung, dass das Licht sie blendete. »Hier spricht Willow. Ich schwöre, ich sage die Wahrheit und nichts als die reine Wahrheit. Und die Wahrheit ist nun mal, dass ein Monster von Tads Körper Besitz ergriffen hat.«
»Riesenseufzer!«, sagte Cordelia in theatralischem Tonfall. »Ich brauche die Adresse.«
Verzweiflung! Das war der einzige Grund, weshalb Willow nicht einfach auflegte.
Sie musste die Adresse dreimal wiederholen, bevor Cordelia alles richtig verstanden hatte.
»Geh nicht fort«, bat das Wesen sie. »Viele Menschen werden in Gefahr geraten, wenn du dich weigerst, etwas zu tun. Der Erdstein muss in unseren Besitz gelangenl«
»Wer wird in Gefahr geraten?« So ganz nebenbei vielleicht ich, dachte Willow. Sie wünschte sich verzweifelt, einen dritten Arm zu besitzen, mit dem sie die Tür öffnen konnte. Taschenlampe, Telefon. Was brauchte sie dringender?
»Jeder, der gegen uns ist«, rief das Wesen aus und schwang sich behände auf die andere Seite des Bettrandes. »Wir Schattenwesen werden leiden, wenn dem Eindringling Gallivan nicht Einhalt geboten wird.«
»Was soll das heißen?«
Das Wesen streckte ihr wieder seine kleine Faust entgegen. Wie aus heiterem Himmel spuckte das Telefon einen Schwarm sprühender Funken aus. Das Baby verloren, das Telefon zerstört. Dieser Abend gehörte nicht gerade zu den Sternstunden ihres Lebens.
Willow ließ das mittlerweile nutzlos gewordene Telefon fallen und griff nach der Klinke. Sie ließ sich nicht bewegen.
»Du musst uns helfen, Willow«, wiederholte die Kreatur. »Deine Bemühungen, den Park und den Wald zu retten, sind nicht unbemerkt geblieben, weder von uns Schattenwesen noch von anderen unserer Art.«
»Welche Bemühungen?«, fragte Willow, während sie krampfhaft versuchte, die Verbindungen zwischen all diesen Dingen herzustellen. »Du meinst die Demonstrationen, die wir im Weatherly Park veranstaltet haben?« Es hatten genau genommen bisher nur zwei stattgefunden und beide peinlicherweise auch noch ziemlich spät. Aber sie hatten die Aufmerksamkeit der lokalen Medien erregt, die einen Bericht über die nächste Aktion am kommenden Mittwoch geplant hatten.
»Du kämpfst den Kampf der Schattenwesen«, sagte das Wesen. »Wir werden deine Anstrengungen belohnen.«
»Indem ihr von dem Baby Besitz ergreift, auf das ich aufpassen soll?«, gab Willow zurück. »Glaub mir, das war keine gute Idee. Eine Postkarte hätte genügt.«
»Wir dachten, wir könnten dir vielleicht helfen.«
Willow holte tief Luft. Bei dem Gedanken an das Baby wurde sie mutiger. Sie machte sich mehr Sorgen um Tad als um sich selbst.
»Was habt ihr mit Tad gemacht?«
Das Ding starrte sie an. »Das, was wir tun mussten.«
Das klang überhaupt nicht gut. »Woher wusstest du, dass ich hier sein würde?«
»Ich wusste es nicht. Es war ein glücklicher Zufall, für dich und für uns. Du hast die Macht einer Hexe. Wir können dir helfen, diese Macht zu benutzen.«
»Zurück auf den Boden der Tatsachen. Ich will, dass du Tad freigibst«, forderte Willow.
Eine Spur von Traurigkeit überschattete das Gesicht des Wesens. »Das kann ich nicht. Campbell muss einsehen, dass es ein Fehler von ihm war, den Eindringling Gallivan zu unterstützen. Der Wald darf nicht zerstört werden.«
Willow dachte fieberhaft nach. Es wäre alles viel einfacher, wenn sie Buffy an ihrer Seite hätte. Buffy fand immer eine Lösung.
Auf der anderen Seite des Bettes führte eine zweite Tür in ein kleines Badezimmer.
Sie hatte früher am Abend darin Tads Windeln gewechselt. Zumindest hoffte sie, dass es Tad gewesen war! Vorsichtig begann sie sich auf diese Tür zuzubewegen.
»Du musst dich mit uns verbünden, Willow. Wir können dir die Macht geben, die du brauchst, um die verfluchten mechanischen Ungeheuer davon abzuhalten, den Wald niederzumähen.« Das kleine Monster drehte seinen Babykopf in ihre Richtung. »Wo willst du hin?«
Willow erreichte mit einem langen Hechtsprung die Tür, obwohl das Wesen wieder seine Hand nach ihr ausstreckte. Der Duft, der im Badezimmer hing, bestätigte ihre Vermutung: das Sträußchen in dem kleinen Strohkorb über dem Waschbecken enthielt getrocknete Lorbeerblätter.
»Willow!« Mit fliegenden Händen griff Willow nach dem Körbchen und leerte seinen Inhalt aus. Das Mondlicht, das durch das Fenster fiel, war zu schwach,
um irgendetwas genau zu erkennen, aber dennoch versuchte sie die Kräuter zu sortieren.
Seit sie angefangen hatte, sich mit Hexenkunst zu beschäftigen, hatte sie sehr viel gelernt, viel mehr, als ihr die Lehrer der naturwissenschaftlichen Fächer jemals hätten beibringen können.
»Willow!« Hinter ihr wurde wütend an dem Geländer des Babybettes gerappelt. »Was machst du da, Willow?« Nachdem sie die Lorbeerblätter aussortiert hatte, fasste sie sie zu einem Strauß zusammen, den sie zwischen Daumen und Zeigefinger halten konnte. Hoffentlich würde das reichen. Sie wandte sich um und begann auf das Wesen in Tads Körper zuzugehen. Sie spürte, wie ihr Herz heftig schlug. »Ich... ich musste etwas holen«, sagte sie.
Die Kreatur kräuselte ihre Nase und nieste. Es war ein richtiges kleines Babyniesen, kaum lauter als das einer Katze. »Was denn zum Teufel?« fragte es verdrießlich. Es hielt sich mit beiden Fäusten an dem Geländer des Bettes fest. Ahnungslosigkeit sprach aus seinen Augen.
Willow zerrieb die Lorbeerblätter zwischen den Fingern und ließ sie dann auf das Wesen rieseln.
»Lorbeerblätter«, sagte sie. »Und wenn du wirklich so viel von magischen Kräften verstehst, wie du behauptest, dann wirst du wissen, dass Hexen Lorbeerblätter zur Bekämpfung von dämonischer Besessenheit verwendet haben.«
Die Lorbeerblätter rieselten sachte auf das Wesen herab. Bei der Berührung mit ihnen jaulte es vor Schmerz auf und spuckte wütend. »Ich bin kein Dämon!«, schrie es. »Ich stehle keine Körper und verdrehe niemandem den Kopf. Ich bin ein Schattenwesen und komme aus dem
Wald!« Dort, wo die Lorbeerblätter die weiche Babyhaut berührt hatten, bildeten sich dicke Blasen.
Willow wich zurück, als das Wesen nach ihr ausschlug.
»Ekelhafte Menschenhexe!«, kreischte es. »Wir hätten gleich wissen müssen, dass wir dir nicht trauen können!«
Willow starrte wie gebannt auf die Lorbeerblätter, die auf der zarten Haut des Babys zischten und verbrannten und an seinem Körper herunterrieselten. Es warf seinen Kopf in den Nacken und stieß einen langgezogenen Schrei aus. Die Farbe seiner Haut wechselte von Babyrosa zu einem bräunlichen Olivton. Plötzlich explodierten zwei große Blasen auf seinem Rücken und daraus wuchsen ein Paar hauchzarte Flügel empor, die im Mondlicht transparent wie Glas schimmerten. Das Gesicht des Wesens verzerrte sich vor Schmerz und Wut zu einer grotesken Grimasse. Seine Hände und Füße verformten sich, wurden länger und schmaler und an ihrem Ende wuchsen rasiermesserscharfe gebogene Krallen, die die Bettlaken zerfetzten. Mit einem unglaublichen Wutgeheul langte das Wesen unter sich ins Bett und zog eine kleine, messerscharf funkelnde Axt hervor. Dann erhob es sich in die Luft, breitete seine durchsichtigen Flügel aus und schoss geradewegs auf Willow zu. Das, dachte Willow, sieht gar nicht gut aus.
8
Buffy hockte sich in den Schatten auf der Spitze des Hügels, von dem aus man die archäologische Grabungsstätte überblicken konnte, die von roten Wimpeln mit dem Wappen der Universität eingerahmt war. Um die Ausgrabungen herum waren riesige Erdhügel aufgehäuft. Sogar die Luft roch nach Erde.
Großartig! In einem überdimensionalen Ameisenhaufen herumzuwühlen war wirklich die Krönung dieses Abends.
»Sieht so aus, als wenn hier viel gearbeitet worden wäre«, stellte Giles fest.
Buffy nickte. Sie ließ ihre Blicke prüfend über den Wald und die ausgehobene Erde gleiten, um festzustellen, ob einige der anderen Vampire in der Nähe lauerten. Sie warf die abgebrochenen Äste, die sie auf dem Weg in ihrer Tasche gesammelt hatte, auf den Boden und begann sie mit ihrem scharfen Klappmesser zurechtzuschneiden, sodass sie lange Spitzen bildeten.
Der Konflikt zwischen Willow und Cordy spukte ihr immer noch im Kopf herum. »Sie haben Recht mit der Party, Giles.«
»Aha?«
»Ja. Die Stimmung zwischen Willow und Cordelia ist ziemlich gespannt wegen dieser Party.« Buffy fuhr fort, die Äste von Splittern zu befreien und zurechtzuschneiden. Sie war bereits mit dem Dritten fertig und griff nach dem Nächsten. »Alle freuen sich auf die Party, nur Willow macht sich wirklich Sorgen, dass wir den Park verlieren. Sie ist hier aufgewachsen, also bedeutet ihr der Park sehr viel, ganz abgesehen von den Umweltargumenten.«
»Seitdem sie zu einer Hexe geworden ist, hat sie eine extrem beschützende Haltung eingenommen.«
»Damit gefährdet sie die Party!«
»Das ist also auch deine Meinung?«
Nicht ganz, dachte Buffy, aber sie geht auf jeden Fall in diese Richtung. Für einen Moment hatte sie ein schlechtes Gewissen. »Wenn Gallivan Industries den Freizeitpark errichtet, werden dadurch 400 Arbeitsplätze geschaffen, unter anderem viele Ferienjobs für junge Leute in meinem Alter.« Wenn das nichts Positives war!
»Ich glaube, das ist eines der Argumente, auf die Gallivan Industries in den Interviews immer wieder hingewiesen hat«, sage Giles.
»Die vielen Besucher, die der Park anlocken wird, werden sich auch auf den Einzelhandel hier in der Gegend positiv auswirken«, fügte Buffy hinzu.
»Auch eines von Gallivans Argumenten.« Giles betrachtete sie mit diesem wächtertypischen, merkwürdigen Blick, den Buffy manchmal nur schwer ertragen konnte. »Also, wirst du deine Freundin unterstützen oder wirst du - äh feiern?«
»So einfach ist das nicht«, wandte Buffy ein. Aber es schien ziemlich genau auf ein Entweder-Oder hinauszulaufen. »Cordy hat immerhin den Vorsitz in dem Komitee, das die Party organisiert.«
»Richtig«, stimmte Giles zu. »Aber ich denke, wir sind uns darüber einig, dass deine Beziehung zu Cordelia Chase nicht die Beste ist.«
Buffy griff nach einem neuen Ast. Der Kampf mit den Vampiren war anstrengend gewesen und hatte sie erschöpft. Glücklicherweise würde die besondere Konstitution der Jägerin dafür sorgen, dass am nächsten Morgen die Spuren des Kampfes nicht mehr zu sehen sein würden. Giles war nicht in dieser glücklichen Lage, er würde noch tagelang unter Schmerzen zu leiden haben. »Nein«, sagte Buffy leise. »Wenn ich zwischen den beiden wählen muss, werde ich mich für Willow entscheiden.«
»Nur dass du das bisher nicht getan hast.« »Das müssen Sie schon mir überlassen. Und dann ist da auch noch Xander.«
»Ach ja, Xander. Wo kommt der ins Spiel?«
»Xander ist schon seit langer Zeit mit Willow befreundet«, antwortete Buffy, »aber seit kurzem ist er auch Cordelias Freund.«
»Da wird er wohl in Zukunft das ein oder andere Problem bekommen.«
»Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit wird er zu Cordelia halten.«
»Und die arme Willow im Stich lassen.«
Die arme Willow! Jetzt versucht er mir Schuldgefühle zu machen, dachte Buffy.
»Ja, und das dämpft meine Vorfreude auf die Party ganz enorm.«
»Ich verstehe. Aber das sagt mir immer noch nichts darüber, wie du dich wirklich fühlst.«
»Ziemlich verwirrt«, gab Buffy zu. »Da ist Jagen viel einfacher. Vampire aufstöbern, pfählen und weiter gehts.«
»Mit dem Unterschied, dass es auch noch andere Dinge gibt.«
»Nicht für mich. Ich versuche hier draußen die Gegend für die Party zu sichern. Wenn sie überhaupt stattfindet. Wie ich schon erwähnt habe, habe ich die Beerdingungsinstitute kontrolliert und was finde ich da: den Arbeiter, der hier einen tödlichen Unfall hatte und gerade aus seinem Sarg steigt.« Aus diesem Grund hatte sie Giles an diesem Abend angerufen.
»Ich erinnere mich, davon in der Zeitung gelesen zu haben. Ich dachte, der Arbeiter wäre an einem Stromschlag gestorben.«
»Das haben sie in der Zeitung geschrieben«, erwiderte Buffy. »Und vielleicht sah es auch so aus. Aber der Arzt, der den Totenschein ausgestellt hat, hat den großen Blutverlust nicht bemerkt. Wir wissen ja bereits, wie das hier in der Gegend gemacht wird, also ist das nicht weiter verwunderlich. Jedenfalls richtete sich der Typ in seinem Sarg auf und wir haben ein bisschen geplaudert.«
»Nur im Frühstadium sind sie manchmal ein wenig unkommunikativ«, erinnerte sich Giles. »Und genauso erfreut wie die Damen im Cafe, wenn plötzlich der Hygienebeauftragte vom Aufsichtsamt kommt.«
Buffy sammelte ihre geschnitzten Pfähle ein. »Er wusste nicht viel, aber ich habe herausgefunden, dass es Schwierigkeiten gab. Ich fange an mich zu fragen, wie tief Gallivan darin verwickelt ist.«
»Hast du irgendeinen Verdacht in Bezug auf ihn?«
»Gallivan ist von der Stadtverwaltung aufgehalten worden, und es war einer seiner Arbeiter, der abends alleine da draußen war. Nach Feierabend. Und von der Grabung wusste ich auch nichts.«
»Nun ja, die beiden Sachen haben wahrscheinlich nichts miteinander zu tun.«
»Oder doch«, gab Buffy zur Antwort und deutete auf drei Schatten, die aus dem Waldrand heraustraten und auf die Grabungsstätte zugingen. Ihre Haut schimmerte fuhrweiß im Mondlicht und die Beulen in ihren Gesichtern wiesen sie als Vampire aus. Zwei von ihnen trugen Schaufeln, während der dritte mit einem Eispickel ausgestattet war.
»Interessant«, murmelte Giles gedämpft.
»Gefährlich«, entgegnete Buffy. »Wenn die Vampire in der Nacht, in der die Party stattfindet, sich immer noch hier herumtreiben, wird es viele Opfer geben. Ich kann das nicht zulassen.« Im Schutz der Bäume begann sie den Abhang hinunter zu kriechen.
Giles folgte ihr leise.
»Mit Vampiren kann ich umgehen«, sagte Buffy. »Das Problem für mich sind Willow und Cordelia. Moderator bei >Ich verzeihe dir< zu sein ist dagegen ein Kinderspiel.« Sie fuhr fort, den Hügel hinunter zu steigen, und wurde immer mehr zur Jägerin, indem sie begann, ihre Beute einzukreisen.
9
Cordelia Chase drückte das Gaspedal bis zum Anschlag durch und fegte in dem Augenblick über die Kreuzung, als die Ampel auf Rot schaltete. Gleichzeitig überprüfte sie ihr Aussehen im Rückspiegel. Cordelia war groß und hatte eine Figur, um die sie jeder beneidete. Das hatte sie ihren fantastischen Genen zu verdanken, aber auch ihrer Bereitwilligkeit, alles für ihr Äußeres zu opfern.
Für den Fall, dass Willows Anruf wirklich ein Gemetzel verhieß, hatte sie vorsichtshalber ihr dunkles Haar schon einmal zusammengebunden. Dazu trug sie einen kirschroten Rollkragenpullover, einen auf der Hüfte sitzenden schwarzen Minirock und lange schwarze Stiefel. Powerfarben. Auf dem Weg nach draußen war es ihr sogar noch gelungen, drei Paar Ohrringe einzustecken. Es war nicht ganz leicht, das passende Paar zu erwischen und zu befestigen, während sie fuhr, als ob die karierte Zielflagge beim Formel-Eins-Rennen auf sie wartete. Aber unmöglich war es auch nicht. Nichts war unmöglich für Cordelia, wenn es darum ging, gut auszusehen.
Heute und auch in Zukunft nicht.
Cordelia riss das Lenkrad herum und wählte eine Nummer auf ihrem Handy. Dabei verfehlte sie knapp einen Sportwagen mit einer Pizza-Taxi-Aufschrift. Sie warf einen prüfenden Blick in den Rückspiegel, um sich zu vergewissern, dass sie keine Halluzinationen hatte. Wie dekadent, dachte sie. Oder das Trinkgeld ist extrem gut.
Nee. So gut kann das gar nicht sein.
Bei den Campbells ging immer noch niemand ans Telefon. Sie versuchte es mit einer anderen Nummer.
»Out of this World Comics«, sagte eine launige Stimme. »Wenn Sie das Sonnensystem verlassen wollen, überlassen Sie uns das Packen.«
»Ist Xander Harris da?«, fragte Cordelia.
»Xander? War vor einer Sekunde noch hier. Ah, da ist er. Einen Augenblick.« In der Leitung rumorte es und die Verbindung wurde schlechter.
Cordelia bog mit quietschenden Reifen rechts ab.
Warum konnte Buffy nicht einfach zu Hause sein? Nie war sie da, wenn man sie brauchte. Sie röhrte um eine weitere Ecke und wartete immer noch darauf, dass Xander sich meldete, als sie ein nur allzu vertrautes, widerwärtiges Geräusch vernahm. Angstvoll blickte sie auf die Hand, mit der sie das Lenkrad hielt, und streckte ihre Finger aus. Als sie den abgebrochenen Nagel entdeckte, hätte sie vor Wut schreien mögen.
»Hi«, hörte sie Xanders Stimme durchs Telefon.
»Was um alles in der Welt machst du in diesem Laden?«, wollte Cordelia wissen.
»Ich hänge mit Hutch rum«, antwortete Xander etwas mürrisch. »Du hattest doch heute Abend mit dem Partykomitee zu tun, oder etwa nicht?« Hutch arbeitete in dem Out of this - Comicladen im Einkaufscenter. Xander hatte sich mit ihm angefreundet, weil sie eine Menge gemeinsamer Interessen hatten. Interessen, die Cordelia niemals teilen würde.
Hutch war Cordelia fast unheimlich. Sie hatte noch nie jemanden so viel essen und dabei kein Gramm zunehmen sehen. Darüber hinaus hatte er einen noch morbideren und kränkeren Humor als Xander und es war ihm höchst gleichgültig, ob er mit seinen Bemerkungen jemanden verletzte.
»Ich erinnere mich, dass du keinerlei Interesse gezeigt hast, uns zu helfen.« Cordelia betrachtete kummervoll ihren abgebrochenen Nagel. Sollte Willow nicht wirklich in Schwierigkeiten stecken, und zwar in solchen von der blutigen Sorte, würde sie ein Reha-Programm brauchen, um wieder laufen zu können.
»Natürlich wollte ich dir helfen«, antwortete Xander.
»Und zwar bis zu dem Moment, als deine Kommentare zu meinen Vorschlägen von »Meinst du wirklich?« zu »Das ist einfach Schwachsinn« übergingen. Wenn mich meine Erinnerung nicht im Stich lässt, bin ich ungefähr zu diesem Zeitpunkt ausgestiegen und du hast nicht eine Träne deswegen vergossen.«
»Nun ja, wärst du etwas länger dabei geblieben, hättest du jetzt an meiner Stelle »Notruf« spielen können«, bemerkte Cordelia leichthin.
»Wer braucht deine Hilfe?«, fragte Xander. Sein leicht spöttischer Tonfall war absoluter Ernsthaftigkeit gewichen. Die meisten Menschen nahmen Xanders Fähigkeit, sich zwischen Sorglosigkeit und
Verantwortungsgefühl zu bewegen, nicht wahr. Und für Cordelia war es selbstverständlich nur insofern irritierend, als dass sie diese Stimmungsschwankungen nicht kontrollieren konnte. »Buffy?«, hakte er nach.
»Willow«, antwortete sie. »Sie ist bei den Campbells, um auf das Baby aufzupassen, und hat mich angerufen, um mir mitzuteilen, dass sich der Kleine in irgendein Monster verwandelt hat.«
»Hat sie gesagt, in was für eine Art Monster?«
»Dazu blieb ihr keine Zeit. Die Leitung wurde unterbrochen.«
»Geht es Willow gut?« Cordelia hörte die Besorgnis in Xanders Stimme, was ihr hochgradig missfiel. Sicher, Xander und Willow waren seit ihrer Kindheit miteinander befreundet, aber irgendwann einmal musste er die Vergangenheit hinter sich lassen. Oder sich zumindest in ihrer Gegenwart etwas mehr zusammenreißen. Wäre doch schön, wenn man auch mal auf ihre Gefühle Rücksicht nähme. »Ich weiß es nicht. Ich bin gerade auf dem Weg zu den Campbells«, antwortete sie so eisig wie möglich. »Jedenfalls dachte ich, ich sollte dich verständigen.«
»Ich bin schon unterwegs«, versprach Xander. Mit lauter Stimme rief er nach hinten in den Laden: »Hey, Hutch, kannst du mich schnell mal irgendwohin fahren? Ich bezahle dir auch das Benzin!« Er wandte sich wieder dem Telefon zu. »Ich mache mich sofort auf den Weg, Cordy.« Und fügte mahnend hinzu: »Sei vorsichtig, bis ich da bin.«
»Wenn ich vorsichtig sein wollte, wäre ich zu Hause geblieben. Ich habe mir einen Nagel abgebrochen!«
Cordelia schaltete das Telefon aus und warf es wütend auf den Beifahrersitz.
10
Willow duckte sich und versuchte ihren Kopf vor dem drohenden Angriff zu schützen. Sie schleuderte die Taschenlampe in die Richtung des fliegenden Wesens, das trotz aller Veränderungen immer noch wie ein Baby aussah. Aber sie verfehlte es.
Glücklicherweise verfehlte es sie auch. Sie sprang aus ihrer geduckten Haltung auf und sprintete zur Tür. Als sie die Klinke packte, entdeckte sie, dass sie sich zwar nur mühsam herunterdrücken, aber doch bewegen ließ.
Sie floh durch die Tür, gerade rechtzeitig, bevor das tiefe Summen der durchsichtigen Flügel sie eingeholt hatte.
»Willow!«, hörte sie hinter sich einen wütenden Aufschrei. Die Tür erzitterte unter einem gewaltigen Schlag, und als sie gehetzt über die Schulter blickte, sah sie, wie sich die Axt, die nicht größer als die Innenfläche ihrer Hand war, splitternd durch die Tür bohrte.
Es ist ihm wirklich ernst!, dachte sie. Sie wirbelte herum und rannte auf die Treppe zu, griff nach dem Geländer, um in der Kurve nicht auszurutschen, und lief mit lautem Poltern die Stufen hinunter.
Hinter ihr hörte sie, wie die Tür nachgab und laut krachend gegen die Wand schlug.
Auf halber Höhe der Treppe wandte sie ihren Kopf nach oben und sah, dass das fliegende Wesen sie verfolgte.
Willow rannte die Stufen hinunter, wobei sie sich kaum
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ging in heftigen Stößen, obwohl sie sich bemühte, nicht in Panik zu geraten. Ruhig bleiben? Das war gar nicht so einfach, wenn man gerade versuchte, einen neuen Weltrekord im Sprinten aufzustellen. Sie raste durch das Wohnzimmer, dann durch den Flur zur Haustür. Sie riss an der Tür, aber sie ließ sich nicht öffnen. In Windeseile suchte sie nach einer anderen Fluchtmöglichkeit und raste in die Küche. Die durchsichtigen Flügel flatterten mit einem lauten Summen dicht hinter ihr.
Willow schoss um die Ecke und rutschte fast auf dem frisch gebohnerten, glatten Fußboden aus. Sie konnte sich gerade noch mit einer Hand an der Wand abstützen und so ihr Gleichgewicht wiedererlangen. Im Zickzack rannte sie um die Kochinsel in der Mitte der Küche herum. Die Töpfe und Pfannen aus poliertem Edelstahl über der Arbeitsfläche reflektierten schimmernd das Licht, das von draußen hereinfiel, was sie selber wie kleine leuchtende Planeten aussehen ließ.
Sie riss den schweren Vorhang vor der Glastür, die in den Garten führte, zur Seite und ihre Finger krallten sich zitternd um den Türknauf. Die Tür zum Garten ließ sich nicht öffnen. In eine ausweglose Lage gedrängt, sah sich Willow gehetzt in der Küche um. Angst schnürte ihr den Atem ab. Ihr Blick blieb an den Töpfen und Pfannen haften, die über der gefliesten Arbeitsfläche hingen.
Langsam bewegte sich Willow rückwärts darauf zu.
Das Flügelwesen hing in einem Abstand von einigen Metern vor ihr in der Luft und summte wie eine riesige Biene. Das Vibrieren seiner Flügel erfüllte die gesamte Küche.
Obwohl sie sah, dass das Wesen plötzlich auf sie zugeschossen kam, machte Willow, getrieben von Adrenalin und Wut, einen riesigen Satz und griff dabei nach den Töpfen über der Arbeitsfläche. Sie langte nach einer großen Bratpfanne und umklammerte den langen Stil mit beiden Händen. Wohlwissend, dass jetzt alles von ihrer Schnelligkeit abhing, holte sie mit der Pfanne weit aus...
Das Wesen beschleunigte seinen Flügelschlag und stieg mit einer leichten Bewegung in die Höhe. Die Pfanne rauschte schwungvoll ins Leere, wobei sie ihr Ziel nur um ein paar Zentimeter verfehlte. Der Schwung war so gewaltig, dass er Willow mit herumriss und dazu ein paar der Kacheln an der Wand hinter ihr zersprangen. Splitter flogen krachend gegen die Wand. Mit fliegenden Haaren drehte sich Willow wieder herum.
»Du wirst mit uns kämpfen, Willow. Wenn die Zeit gekommen ist.« Das Wesen griff mit seiner gekrümmten Klaue in eine kleine Ledertasche, die an seiner Seite hing.
Flimmernde Lichtpartikel rieselten durch die Luft wie eine winzige radioaktive Staubwolke.
Staub zu Staub? Der Gedanke war wenig erheiternd und Willow bemühte sich, ihn zu verscheuchen, aber es gelang ihr nicht. Sie versuchte, den Atem anzuhalten, aber auch das war nicht möglich. Der Staub wirbelte um ihren Kopf, als sie schließlich nach Luft schnappte. Was zum Teufel war das? Für einen kurzen Moment hatte sie das Gefühl, als wenn der Küchenboden mit rasender Geschwindigkeit auf sie zukäme, und dann wurde auch schon alles um sie herum dunkel. Ihr letzter Gedanke galt Tad. Wo um alles in der Welt war das echte Baby?
11
Buffy kroch zum Rand der Aushebung und behielt die drei Vampire im Auge, die ihre Schaufeln in die weiche schwarze Erde stießen. Sie hatten sich auf dem Gelände verteilt und an verschiedenen Stellen angefangen zu graben.
»Weiß irgendjemand, wie dieses Ding aussehen soll?«, fragte einer der drei Vampire, der Tenniskleidung trug. In seinem echten Leben war er vermutlich Börsenmakler oder Versicherungsagent gewesen.
»Hey, Opa, Pa fragt, ob wir wissen, wonach wir suchen«, rief ein jüngerer Vampir in Skater-Ausrüstung.
»Wenn wir das wüssten«, antwortete der dritte Vampir und trat auf seine Schaufel, um sie tiefer in die Erde zu treiben, »dann würden vermutlich alle davon wissen. Dann hätte es schon längst jemand anderes gefunden.« Er war in seinem ehemaligen Leben ein alter Mann gewesen und trug Bermudashorts, lange schwarze Socken und einen zerknitterten Anglerhut.
»Ja«, knurrte der jüngere Vampir. »Aber wir könnten es ihnen ja einfach wieder wegnehmen.«
»Das ist wohl deine Lösung für alle Probleme. Einfach alles an sich reißen«, sagte der Vampirvater gereizt.
»Mensch, Pa, reg dich wieder ab. Wir sind jetzt tot und ich hatte nicht gerade den Eindruck, dass du die Einladung zum Essen ausschlägst, wenn Opa und ich irgendwelche Opfer gefunden haben. Und das, obwohl sie ihr Blut nicht gerade spenden wollten, wenn ich dich daran erinnern darf. Jedenfalls denke ich, dass das eine Erklärung dafür sein könnte, warum sie immer wie wild um sich schlagen.« Er kicherte irrwitzig, als seine
Schaufel mit einem lauten Schlag auf etwas Hartes in der Erde stieß. »Hey, ich habe ein Skelett gefunden.« Er befreite es aus der losen Erde und sah es sich genauer an.
Da er nichts Besonderes entdecken konnte, warf er es achtlos beiseite und begann wieder zu graben.
Der Vatervampir ignorierte die Kritik seines Sohnes.
»Denk doch mal nach. Wenn es wirklich so ist, dass wir an der richtigen Stelle graben, warum sind dann die anderen nicht auch alle hier?«
Der Großvater drehte sich zu ihm um. »Genau das ist das Problem mit eurer Generation. Alles, was ihr könnt, ist rumsitzen und die Hände in den Schoß legen und euch darüber beklagen, wie schlecht es euch geht. Schau dir deinen Sohn an, der ist wenigstens bereit, hier herauszukommen und sich für das, was er will, anzustrengen, anstatt nur faul herumzusitzen und sich therapieren zu lassen, um seine Bedürfnisse zu erkennen.«
Gestört im Leben, gestört im Tod. Und keine Familientherapie kann euch jetzt noch retten, dachte Buffy. Da sie dunkel ahnte, dass die Qualität dieser Unterhaltung sich nicht verbessern würde und von diesen Vampiren nicht mehr zu erfahren war, nahm sie in jede Hand einen Pfahl und stand auf. Alle drei Vampire fuhren zu ihr herum. »Ich muss diese Familienidylle leider stören«, sagte sie, »aber ich habe mit euch ein Hühnchen zu rupfen.«
Vater und Sohn wichen nervös zurück, während der alte Mann nur angewidert das Gesicht verzog. »Ist sie das?«
»Ja, Opa, das ist die Jägerin.«
Der alte Vampir schüttelte den Kopf. »Sie sieht gar nicht so gefährlich aus.«
»Das Geheimnis meiner Körperpflege«, parierte Buffy und während sie sorgfaltig auf jede ihrer Bewegungen achtete, trat sie über den Rand des zwei Meter tiefen Loches und sprang hinunter.
Der alte Vampir griff sie zuerst an. Er hob seine Hacke und ließ sie mit gefährlichem Schwung auf Buffys Schädel niedersausen. Doch als der Pickel auftraf, stand Buffy schon nicht mehr an derselben Stelle. Ohne seine Waffe aus den Augen zu lassen, vollführte Buffy einen doppelten Salto und jagte dem alten Vampir den Pfahl in den Rücken. Sie trieb ihn so tief in seinen Körper, bis er sein Herz durchbohrte.
»Rotznasen«, schimpfte der alte Vampir und richtete sich zu seiner vollen Größe auf.
»Ihr habt keinen Respekt mehr vor alten Leuten!« Er hob seine Hacke wieder an, aber bevor er zu einem weiteren Schlag ausholen konnte, zerfiel er in Millionen Staubteilchen.
»Nicht wenn sie sich über jede Kleinigkeit aufregen«, sagte Buffy. Sie wirbelte herum, um sich den beiden anderen Vampiren entgegenzustellen.
Der Tennisspieler attackierte sie mit einer Schaufel, deren scharfe Kante im Mondlicht aufblitzte. Buffy trat einen Schritt zur Seite und fing das Werkzeug mitten im Flug auf, um es dann blitzschnell gegen die Brust des Vampirs zu schleudern. Die Schaufel durchbohrte die Brustplatte und spaltete das dahinter liegende Herz.
Mit einem wütenden Aufschrei stürzte sich nun der Skateboarder in einem Wirbel von Zähnen und Klauen auf sie.
Mit einem Pflock in jeder Hand nutzte Buffy ihre Waffen wie Kamasstöcke, um seine Angriffe zu parieren.
Sie traf den Jungen an Füßen und Händen, schlug sie zur Seite und ließ einen Hagel von Schlägen auf seinen Kopf niederprasseln, bis er unter ihren Hieben zu wanken begann. Die Jägerin drehte sich schwungvoll einmal um sich selbst und trat ihm mit ausgestrecktem Bein gegen den Kopf, sodass er rückwärts gegen die Wand aus Erde taumelte. Bevor er wieder zu sich kommen konnte, rammte sie einen Pfahl in sein Herz.
»Äh... alles in Ordnung da unten?«, fragte Giles von oben.
»Ja«, bestätigte Buffy mit einem zufriedenen Blick auf die drei Staubhaufen und ließ ihre Augen dann durch die Grube gleiten. »Haben Sie jemals bei einer Grabung mitgearbeitet, Giles?«, fragte sie. Er kletterte zu ihr in die Aushebung hinunter. »Ein paar Mal. Während des Studiums und auch noch eine kurze Zeit danach. Ich habe mich freiwillig zur Verfügung gestellt, damit ich reisen und etwas von der Welt sehen konnte. Eigentlich fand ich es sehr lohnenswert...«
»Dann sagen Sie mir, ob Sie hier irgendetwas sehen, was für Vampire interessant sein könnte«, unterbrach ihn Buffy. Sie holte eine Lampe aus ihrer Hosentasche und schaltete sie ein. Das Licht der Halogenbirne verjagte die Schatten um sie herum. Hell glänzende Metallstücke hoben sich schimmernd von dem dunklen Hintergrund der Erde ab.
»Nun«, sagte Giles, während er sich niederkniete, »sie haben hier unten eine ordentliche Verwüstung angerichtet, so viel steht fest.«
»Ich glaube nicht, dass Archäologie viel mit Ordentlichkeit zu tun hat«, sagte Buffy gähnend. Sie war müde und ihre Augen brannten. Sie versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, dass an diesem Wochenende eine
Party stattfinden sollte. Vielleicht. Sie blieb hinter Giles stehen und ahnte bereits, dass er von dem Krimskrams um sich herum vollkommen gefesselt sein würde.
Für Buffy sahen die Gegenstände, die er durch seine Finger gleiten ließ, nach nichts anderem als nach ein paar Keramikscherben, Speerspitzen, Perlen und kunstvoll geschnitzten Instrumenten aus Knochen aus. Nichts daran erregte ihr Interesse und sie zweifelte auch daran, dass diese Gegenstände für die Vampire von Bedeutung waren.
Warum also dann diese besessene Buddelei? Sie hasste es, wenn ihr die Vampire Rätsel aufgaben. Vampirrätsel und Intrigen bedeuteten für gewöhnlich Schwierigkeiten.
»Dies ist eine sehr interessante Grabung«, sagte Giles versonnen. Seine geschickten Hände zogen vorsichtig immer mehr Gegenstände aus der Erde. Er befreite sie gerade so weit von Schmutz und Erde, dass man erkennen konnte, um was es sich handelte, und legte sie dann auf den Boden. »Aber ich glaube nicht, dass wir hier etwas Ungewöhnliches finden werden.«
»Ja, aber Tatsache ist doch, dass die Vampire hier unten die ganze Grabungsstätte durchwühlen. Die immer wieder beliebte Frage lautet also: Warum?«
»Die Vampire sind das Einzige, was diese Grabung von anderen unterscheidet.« Giles kletterte auf einen anderen Abschnitt und Buffy folgte ihm, um mit der Taschenlampe zu leuchten.
Plötzlich drang das knirschende Geräusch von Schritten an ihr Ohr. »Wir bekommen Gesellschaft!«, flüsterte sie und schaltete die Lampe aus.
Giles war noch immer in den Anblick eines Gegenstandes versunken, den er gerade gefunden hatte.
Er starrte ihn nachdenklich an. »Noch mehr Vampire?«, flüsterte er geistesabwesend.
Buffy federte sich vom Boden ab und zog sich mit beiden Händen am Rand der Grube hoch, um Ausschau zu halten. »Viel schlimmer.«
»Was?«
Buffy beobachtete die vier Männer in Uniform, die sich der Aushebung näherten. Sie hatten ihre Waffen gezogen und bewegten sich langsam auf sie zu. »Die Sicherheitsleute von Gallivan Industries. Sie warf Giles einen Blick zu. »Ich kann sie nicht töten und wir dürfen uns nicht von ihnen erwischen lassen.«
Giles gab keine Antwort, da er von dem Fund, den er in der Hand hielt, vollkommen gefesselt war.
»Giles«, zischte Buffy leise und ließ sich wieder in die Grube neben ihn fallen. »Korrigieren Sie mich bitte, wenn ich falsch liege, aber ist das nicht die Stelle, an der Sie immer sagen: Wir müssen hier weg?«
»Wie bitte?« Nur für einen Augenblick sah er verständnislos zu ihr hoch. Dann kam er zu sich. »Ja, wir müssen hier weg!«
»Irgendeine Idee?« Buffy hörte, wie die Männerstimmen immer näher kamen. Die Sicherheitsleute mussten schon fast über ihnen sein.
Giles erhob sich und wich dem Halogenlichtstrahl, der durch die Aushebung glitt, aus.
»Wenn sich die Möglichkeit ergibt, müssen wir rennen. So schnell wir können.«
Buffy starrte ihn ungläubig an. »Und dafür sind Sie in die Wächterschule gegangen?«
Giles trieb eine der Schaufeln mit einem Tritt in die Erde. »Wir könnten natürlich auch versuchen, einen
Tunnel zu graben«, schlug er mit einem kleinen Lächeln vor.
»Wenn Bugs Bunny bei uns wäre - dann sicher«, antwortete Buffy. Die knirschenden Schritte kamen immer näher und der Lichtschein, der in die Aushebung fiel, wurde langsam heller. Jede Sekunde können sie über uns am Rand auftauchen, machte sich die Jägerin bewusst. Und mein Wächter denkt über Sandkastenspiele nach.
»Ich glaube eher nicht, dass der alte Bugs unser Problem lösen könnte.«
Buffy starrte ihn an. »Was?«
»Nun«, bemerkte Giles ruhig, »er hat doch immer die falsche Abbiegung in Albuquerque genommen.«
12
Ein Angstschauder durchfuhr Cordelia, als sie langsam auf das Haus der Campbells zusteuerte. Glücklicherweise hatte sie es mit Willows Wegbeschreibung mühelos gefunden. Für den Fall, dass sie überstürzt aufbrechen musste, ließ sie das Auto mit laufendem Motor vor dem Gartenzaun stehen.
Sie holte tief Luft. Also gut. Wenn Willow damit fertig wurde, konnte sie es auch.
Nur dass Willow eben nicht damit fertig wurde. Sonst hätte sie ja nicht angerufen.
Cordelia versuchte die Haustür zu öffnen, musste aber feststellen, dass sie verschlossen war.
Ein Zaun versperrte den Zugang zum Garten an der Seite des Hauses. Während sie ein paar unschöne Worte über Vampire im Allgemeinen und über Willow im Besonderen murmelte, machte sich Cordelia daran, über den Zaun zu klettern.
Das Passieren des abgesicherten Wohnparks war dagegen ein Kinderspiel gewesen.
Dem Pförtner gegenüber hatte sie behauptet, sie sei zu einer Party eingeladen, habe jedoch die Adresse vergessen. Sie hatte versichert, dass sie das Haus an dem Auto des Besitzers wieder erkennen würde, der ein richtiger Partyhecht sei. Der Pförtner hatte sich tatsächlich die Mühe gemacht, ihr zu helfen, indem er eine Liste mit allen Anwohnern, die häufig Gäste hatten, durchtelefonierte. Er hatte einen Typ angerufen und ihn mit Blick auf ihren Führerschein gefragt, ob er eine Cordelia Chase kannte.
»Cordelia wer?«, fragte der Typ am anderen Ende der Leitung verständnislos nach.
Offensichtlich jemand, der neu in der Gegend war.
Also hatte Cordelia den Kopf aus dem Fenster gesteckt und mit ihrer verführerischsten Stimme, die Xander so gern am Telefon hörte, gesagt, dass sie sich im Bronze kennen gelernt hätten und ob er sie denn nicht wieder sehen wolle. Das Tor hatte sich im Handumdrehen geöffnet. Aber was für eine Geschichte sollte sie erfinden, wenn man sie mit einem Holzpflock in der Hand über einen Privatzaun klettern sah? Vielleicht dass sie...
»Hey, was geht denn hier vor sich?«
Rittlings auf dem Zaun sitzend, blickte Cordelia hinunter und entdeckte, dass Xander dort unten stand und zu ihr hoch sah. Er war dunkel und schlank. Seine rebellische und spöttische Ausstrahlung war auch dann spürbar, wenn er keinen seiner sarkastischen Kommentare von sich gab, die ihm so leicht über die Lippen kamen.
Hinter ihm stand Hutch. Cordelia versuchte sich an seinen Nachnamen zu erinnern, aber er wollte ihr nicht einfallen. Sie glaubte, dass er mit W anfing. Er war größer und kräftiger als Xander und hatte breitere Schultern. Sein rotes Haar stand stachelig vom Kopf ab und sein Ohrring und zwei Piercings über seiner linken Augenbraue glänzten silbern im Mondlicht. Er trug Khakis und einen grünen Pullover mit Kragen. »Ich komme zu spät zum Oklahoma Land Run«, antwortete Cordelia. »Tom Cruise sollte dort eigentlich auf mich warten.«
»Dann sind wir wohl zum falschen Zeitpunkt gekommen. Wo ist Willow?«
»Sie müsste eigentlich im Haus sein. Die Haustür ist abgeschlossen.«
Xander nickte. Er hob den Riegel des Gartentores und öffnete es. »Ganz im Gegensatz zum Gartentor.«
Cordelia wusste, dass er sie ausgelacht hätte, wenn er nicht so in Sorge um Willow gewesen wäre. Nicht allzu heftig natürlich, weil er nur zu gut wusste, dass sie sich das nicht gefallen ließ. »Hilf mir runter.«
Er streckte die Arme nach ihr aus und half ihr auf der anderen Seite in den Garten der Campbells herunter.
»Also was steht hier an?«, fragte Hutch mit einer weichen Stimme. Die Stimme eines geborenen Sängers, dachte Cordelia.
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete sie und bahnte sich einen Weg durch das Dickicht von Blumen und Büschen. »Ich bin gerade erst hier eingetroffen. Wie hast du es so schnell geschafft?«
»Nicht ich. Hutch. Er hat mich vom Einkaufscenter hierher gefahren, erinnerst du dich?« Xander wies mit einem Daumen nach hinten auf seinen Freund. »Er stammt von einer Schmugglerfamilie ab. Immer auf der Flucht. Tempo hat auf ihn den gleichen Effekt wie Einkaufen auf dich.«
»Nicht zu vergessen«, fügte Hutch hinzu, »dass die Strecke vom Einkaufscenter bis hierher kürzer ist als die Strecke, die du genommen hast.«
»Wenn ich gewusst hätte, dass ihr so schnell hier sein würdet, wäre ich zu Hause geblieben und ihr hättet mir am Telefon berichten können, wie alles ausgegangen ist.«
Xander ignorierte sie.
Sie wusste, dass er sich darüber im Klaren war, dass die harte Seite, die sie nach außen zeigte, zum Teil nur ein Schutzpanzer war. Ein Mädchen musste schließlich hart sein, um ganz oben mitmischen zu können. Und Cordelia hatte schon fast den Gipfel erreicht...
»Irgendjemand scheint hier ein Pflanzenfetischist zu sein«, murmelte Xander, als sie durch das Dickicht aus Ranken, Sträuchern und Blumen krochen.
»Gegen Pflanzen ist doch nichts einzuwenden«, wandte Hutch ein.
»Nicht, wenn sie in Maßen auftreten«, hielt Xander dagegen. Er blieb am Rand der Veranda stehen, dann schwang er sich über das Geländer und kam fast lautlos auf der anderen Seite auf.
»Kann mich jemand mal darüber aufklären, warum wir alle so flüstern?«, fragte Hutch. Er verschränkte seine Hände ineinander, um Cordelia eine Räuberleiter zu halten.
Cordelia setzte ihren Fuß in seine Hände und fühlte sich kraftvoll hoch gehoben.
»Willow glaubt, einen Einbrecher gehört zu haben.«
»Gibt es einen vernünftigen Grund dafür, dass sie nicht den Sicherheitsdienst angerufen hat?«, fragte Hutch zurück.
Cordelia sah zu Xander herüber, der es fertig brachte, mit den Schultern zu zucken, während er sich möglichst flach an die Hauswand neben der Glastür drückte.
»Eine Strafgebühr an die Bibliothek?«, mutmaßte Cordelia. Hutch war damit beschäftigt, über das Geländer auf die Veranda zu klettern, und versuchte möglichst jeden Lärm zu vermeiden.
»Genau!«, bestätigte Xander und warf ihr einen gequälten Blick zu. »Strafgebühren bei der Bibliothek noch nicht bezahlt, Rückgabetermin nicht eingehalten, Missbrauch von streng bewachtem Bibliothekseigentum und unerlaubtes Eindringen ins Archiv.«
»Alles klar«, sagte Hutch und sah auf den Pfahl in Cordelias Hand. Cordelia folgte seinem Blick. Uh-oh. »Den habe ich gefunden.«
»Und da hast du dir gedacht, dass er ein hübsches Familienerbstück abgeben könnte?«
»Ich war alleine unterwegs und hätte einem Herumtreiber in die Arme laufen können. Laserkanonen findet man hier eher selten.«
Dagegen lässt sich nicht viel einwenden, dachte sie. Sie blickte zu Xander herüber, der vorsichtig durch die Verandatür in das Innere des Hauses sah.
»Willow!«, rief er. »Sie liegt da drin auf dem Boden!« Xander warf alle Vorsicht über Bord und griff nach dem Türknauf. Er rüttelte daran, aber die Tür ließ sich nicht öffnen.
»Lass mich mal«, schob ihn Hutch beiseite.
Xander gab die Tür frei und Hutch packte den Türknauf. Unter Anspannung seiner Armmuskeln drehte er den Knauf so lange hin und her, bis das Schloss schließlich aufbrach.
»Wow!«, stieß Cordelia beeindruckt hervor. »Erinnere mich daran, dass ich dir nie zur Begrüßung die Hand schüttele. Unter gar keinen Umständen.«
Hutch warf den Türgriff und das Schloss achtlos zur Seite. »Ich habe immer schon Kraft gehabt.«
Xander öffnete die Schiebetür mit einem kräftigen Ruck. Cordelia deckte ihm den Rücken, als sie ihm in die Küche folgte. Er kniete sich an Willows Seite auf den Boden und nahm sie behutsam in seine Arme.
Während sie die Szene beobachtete, spürte Cordelia einen kurzen, aber heftigen Stich durchs Herz. An manchen Tagen verstand sie noch nicht einmal, was sie an Xander so anziehend fand, und in Momenten wie diesem war sie eifersüchtig darauf, dass er und Willow so viel Zeit miteinander verbracht hatten und sich so nahe waren. Sie fragte sich, ob sie und Xander einander jemals so nahe kommen und über das übliche Dating hinauskommen würden. Nicht dass es schlecht war.
Natürlich nicht und sie genoss es auch, sonst hätte sie die Beziehung schon längst beendet. »Geht es ihr gut?«
Cordelia sah sich in der Küche um und hielt den Pfahl fest mit einer Hand umklammert. Sie konnte nichts Auffälliges entdecken. Warum auch? Meistens kommt es ja auch völlig unerwartet aus dem Dunkel. Der Gedanke jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
»Sie kommt wieder zu sich«, sagte Xander. Die Erleichterung in seiner Stimme weckte Cordelias Eifersucht, nahm ihr aber auch gleichzeitig einen Teil der Sorgen um Willow.
Blinzelnd und immer noch benommen sah Willow zu ihnen auf. »Das Baby«, sagte sie mit schwacher Stimme. »Ich muss das Baby wieder finden.« Der Gedanke schien sie mit großer Unruhe zu erfüllen, denn sie versuchte auf die Beine zu kommen, was ihr aber nicht gelang.
»Bleib liegen«, befahl Xander. »Ich werde nach dem Baby sehen. Wo ist es?«
»Dieses Ding hat ihn mitgenommen, Xander. Ich sollte auf Tad aufpassen und habe es nicht verhindern können, dass er entführt wird. Es ist alles meine Schuld!«
13
»Halten Sie sich bereit zur Flucht«, wies Buffy Giles an.
Sie kratzte eine Handvoll Erde zusammen. »Wenn es losgeht, laufen Sie so schnell Sie können zum Auto. Ich treffe Sie dann dort.«
Giles nickte zögernd. »Also schön, gib mir ein Zeichen.«
Die Schritte näherten sich hörbar dem Rand der Aushebung. Erde und ein paar lose Steine rieselten herab.
»Jetzt!«, rief Buffy.
Giles sprang auf und spurtete auf die andere Seite der Aushebung zu. Buffy richtete sich blitzschnell auf und schleuderte die Handvoll Erde nach dem uniformierten Mann. Sie traf ihn mitten ins Gesicht, sodass er für einen Moment nichts sehen konnte. »Hilfe!«, schrie er und rieb sich die Augen. »Hier drüben!« Er feuerte zwei Schüsse aus seiner Pistole ab. Glücklicherweise wurden nur die umliegenden Bäume von den Kugeln getroffen.
Buffy war hoch gesprungen und zog sich an der Wand der Grube nach oben. Sie schwang sich über den Rand und trat dem Mann aus einer Halbdrehung heraus mit ausgestrecktem Bein vor die Knie. Als er zusammenbrach, riss sie ihm die Pistole aus der Hand, öffnete die Trommel und ließ die Patronen auf den Boden fallen. Danach schleuderte sie die Waffe mit aller Kraft ins Dunkle.
Einer aus dem Rennen, drei fehlen noch.
Die anderen Sicherheitskräfte kamen herbeigelaufen.
Das Licht ihrer Taschenlampen huschte unruhig über die Erdhaufen, zu unruhig, um sie zu erfassen. Schüsse hallten durch die Luft. »Stehen bleiben!«, rief einer von ihnen aus und feuerte einen weiteren Schuss ab. »Halt oder wir schießen!«
Schießen? Seit wann dürfen diese privaten Wachhunde überhaupt schießen? Und sollte die Warnung nicht eigentlich vor dieser Dirty-Harry-Nummer erfolgen?
Buffy zog den Kopf ein und begann zu laufen. Sie entkam nur knapp den Kugeln, die pfeifend hinter ihr in den Boden schlugen. Sie lief in die entgegengesetzte Richtung, in die Giles geflohen war, und hielt auf die Bäume zu.
Einer der Männer musste ein Sprintspezialist sein, denn während er sich an ihre Verfolgung machte, holte er ihren Vorsprung mit Leichtigkeit auf. Das Licht seiner Taschenlampe glitt über sie hinweg und bereits im nächsten Moment fiel eine schwere Hand auf ihre Schulter. Bevor er sie herumzerren konnte, packte Buffy seinen Daumen und riss ihn hart herum. Ein knackendes Geräusch war zu vernehmen, aber Buffy war sich sicher, ihn nicht gebrochen zu haben. Voller Schmerz schrie der Mann auf und ließ sie los, verfolgte sie aber weiter.
Buffy legte sich ins Zeug und lief in einem weiten Bogen zu der Stelle zurück, an der sie Giles Auto geparkt hatten. Sie verließ sich jetzt blind auf die besonderen Instinkte und Fähigkeiten, über die sie als Jägerin verfügte. Wenn mir jetzt keine Vampire mehr begegnen und Giles schon vor mir beim Auto eingetroffen ist, dachte sie, können wir eigentlich sofort los.
14
Willow blickte auf das verlassene Kinderbett hinab, in dem vor noch nicht allzu langer Zeit Tad gelegen hatte.
Zumindest hoffte sie, dass das Baby, das sie gefüttert hatte, Tad gewesen war.
Das Einzige, was von dem Baby übrig geblieben war, waren eklige Überreste seiner Haut, die an den Stellen abgeplatzt war, an denen sie mit den Lorbeerblättern in Berührung gekommen war. Xander ließ das Licht der Taschenlampe auf den kleinen schleimig-verkohlten Klumpen ruhen, die auf dem blütenweißen Laken zurückgeblieben waren. Er zog einen Stift aus seiner Jacke und versuchte damit ein Stück der fleischigen Überreste hochzuheben.
Das Fleisch des Wesens, oder was auch immer es war, troff in dicken Tropfen an dem Stift herunter und fiel mit einem schmatzenden Geräusch wieder auf das Bett zurück.
»Das ist ziemlich ekelhaft«, befand Xander.
»Das«, sagte Willow mit zitternder Stimme, »könnten Tads Überreste sein.« Tränen traten in ihre Augen.
»Hey, so etwas darfst du gar nicht erst denken«, versuchte Xander sie mit sanfter Stimme zu beruhigen.
»Ich fühle mich so hilflos«, schluchzte Willow und starrte auf das leere Bett. »Ich war schließlich hier, um auf ihn aufzupassen.«
»Das wird dich zwar nicht trösten«, meinte Xander, »aber ich glaube nicht, dass du als Babysitter auf so eine Situation vorbereitet sein musst. Die meisten wüssten nicht, was in so einem Moment zu tun ist. Ich glaube kaum, dass in irgendeinem Handbuch geschrieben steht, wie man sich verhalten soll, wenn sich das Baby in ein Monster mit Flügeln verwandelt.«
»Was soll ich bloß tun?«, fragte Willow. Sie fühlte immer mehr Tränen in sich aufsteigen und spürte genau, dass sie sie nicht mehr zurückhalten konnte.
Xander streckte seine Hand nach ihr aus und zog sie in seine Arme. »Wir werden sehen, was wir tun können«, flüsterte er in ihr Ohr. »Wir werden alles tun, was wir können, und kein bisschen weniger. Das verspreche ich dir.«
Buffy stürzte aus dem Wald und lief auf Giles kleines ausländisches Auto zu. Der Wächter saß bereits am Steuer und betrachtete eingehend einen Gegenstand, den er in den Händen hielt. Völlig außer Atem erreichte Buffy das Auto, riss die Tür auf und warf sich auf den Beifahrersitz. »Fahren Sie los«, keuchte sie. »Einer dieser Typen, die hinter mir her sind, trainiert offensichtlich für die olympischen Spiele.«
»Dann wollen wir mal.« Giles steckte den Gegenstand, den er in der Hand hielt, in seine Tasche und drehte den Zündschlüssel. Der Motor gab ein paar gequälte Geräusche von sich, versuchte aber tapfer anzuspringen.
Buffy drehte sich um und sah durch das Heckfenster. Der Mann, der sie so knapp verfolgt hatte, brach plötzlich aus dem Unterholz hervor. »Anhalten oder ich schieße!«
Er gab zwei Schüsse ab, von denen einer das Rücklicht an Giles Auto traf. »Nett von ihm, dass er uns vorher warnt«, sagte Giles ironisch und traktierte das Gaspedal.
Endlich sprang der Motor an. Allerdings versperrte ihnen der dichte Wald am Ende der Straße den Fluchtweg. Es blieb Giles keine andere Wahl, als zu wenden und auf dem Feldweg zurück an dem Wachmann vorbeizufahren. Er spähte unschlüssig durch das Fenster und zögerte. Der Mann rannte bereits auf sie zu. Buffy rammte ihren Fuß auf das Gaspedal. Ein Zittern lief durch das kleine Auto, aber der Motor gab tapfer sein Bestes. Kies spritzte auf, als der Wagen vorbeischoss.
»Fahren sie schon!«, rief Buffy. »Er ist wirklich schnell. Glauben sie mir!«
Unter Einsatz all seiner Geschicklichkeit versuchte Giles das Auto unter Kontrolle zu halten. Ein überraschter Ausdruck erschien auf dem Gesicht des Sicherheitsbeamten, dann warf er sich zur Seite um dem herannahenden Fahrzeug auszuweichen. Er verschwand in den dichten Büschen, während das Auto mit röhrendem Motor über dem unebenen Waldweg davonholperte.
15
»Buffy ist immer noch nicht zu Hause, aber ich habe ihre Mutter erreicht.« Willow sah Xander fragend an. »Hast du ihr gesagt, was passiert ist?«
Xander schüttelte den Kopf. »Ich sah keinen Grund dazu. Es gibt so schon genügend merkwürdige Dinge in Buffys Leben, dass man ihre Mutter nicht unnötig beunruhigen sollte.«
»Habt ihr versucht, die Campbells zu erreichen?« Cordelia betrat das Zimmer, dicht gefolgt von Hutch.
»Nein«, antwortete Willow leise und hilflos. Sie hatte plötzlich das Gefühl, als ob sie in einer Falle säße.
Eisiges Entsetzen breitete sich in ihrem Magen aus, was sich ungefähr so anfühlte, als hätte sie eine eiskalte Cola zu schnell heruntergestürzt. Für einen Augenblick hatte sie das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Sie warf einen Blick auf die Liste mit Telefonnummern, die die Campbells ihr hinterlassen hatten.
Sechs Nummern, unter denen sie vielleicht erreichbar sein würden, inklusive der Nummer ihres Autotelefons.
Aber sie hatte sie unter keiner erreichen können.
Xander setzte sich neben sie auf das Sofa und legte seinen Arm um ihre Schultern.
»Sie werden schon wieder auftauchen.«
»Wir konnten keine Spur von diesem fliegenden Etwas ausfindig machen«, wurden sie von Cordelia informiert.
»Aber die Türen sind doch alle verschlossen«, überlegte Willow. Sie bemerkte den eifersüchtigen Ausdruck in Cordelias Augen und löste sich vorsichtig aus Xanders Armen. »Es hat das Haus nicht verlassen können. Es muss irgendwo hier drin sein! Wir müssen es finden und zwingen, uns zu sagen, wo Tad ist.«
»Will, wir haben es überall gesucht. Jeder von uns dreien«, redete Xander sanft auf sie ein. Er ballte seine Hände zu Fäusten und sah ihr fest in die Augen. »Es ist einfach nicht da.« Die Stille, die seinen Worten folgte, lastete schwer auf ihnen.
Plötzlich erklang ein Klopfen und Hutch ging zur Tür, um die privaten Sicherheitskräfte einzulassen. Sie trugen Abzeichen, die sie als Angestellte der Wingspread Siedlung auswiesen. »Haben Sie wegen dem Baby angerufen, das vermisst wird?«, fragte der ältere der beiden Männer.
»Ja«, antwortete Xander. »Können Sie uns helfen?«
Der Mann nickte und nahm eine kurze Beschreibung Tads auf.
»Das ist doch schon einmal passiert«, murmelte der Jüngere der beiden und eine Mischung aus Angst und Ungläubigkeit zeigte sich auf seinem Gesicht. »Gallivan wird uns deswegen unsere Abzeichen entziehen.«
»Was ist schon einmal passiert?«, hakte Xander sofort nach.
»Gar nichts«, unterbrach ihn der ältere Mann brüsk.
Er legte dem Jüngeren die Hand auf die Schulter und schob ihn in Richtung Tür. »Ihr bleibt jetzt einfach hier und überlasst uns die Angelegenheit. Sobald wir etwas herausfinden, werden wir euch benachrichtigen.«
Xander blickte Willow vielsagend an. »Er hat schon einmal gesagt.«
Willow nickte, ohne jedoch zu verstehen, worauf Xander hinauswollte.
Als dann das Telefon völlig unvermittelt zu klingeln begann, erschrak sie derartig, dass sie wie von der Tarantel gestochen auffuhr.
16
»Das war großartig, Giles! Das sollten wir unbedingt einmal wiederholen«, sagte Buffy. Als ihr Wächter keine Antwort gab, warf sie ihm einen prüfenden Blick zu. Sie hatten den Park vor nicht allzu langer Zeit verlassen und standen nun vor Buffys Haus. »Vielleicht schenken Sie mir das nächste Mal dann wieder etwas mehr Aufmerksamkeit, damit Sie merken, dass es mich auch noch gibt.«
Giles Aufmerksamkeit war vollkommen von dem Gegenstand in seiner Hand in Anspruch genommen.
Wenn er auch ihre Worte nicht zu bemerken schien, so nahm er nach einer Weile doch die verheißungsvolle Stille wahr und sah zu Buffy herüber.
»Tut mir Leid. Ich habe mich wohl mehr ablenken lassen, als ich eigentlich sollte.«
»Ein Punkt für Sie!« Buffy betrachtete das Ding in seinen Händen. Sie erinnerte sich daran, dass er es auf der Grabungsstätte eingesteckt hatte. »Haben Sie das von der Ausgrabung mitgebracht?«
Giles schien die Frage peinlich zu sein. »Ja, wie ich zugeben muss.«
»Sie haben der Unversehrtheit der Grabungsstätte einen schweren Schaden zugefügt«, beschuldigte ihn Buffy.
Der Vorwurf war jedoch nur halb ernst gemeint. »Als Sie mir den Vortrag über archäologische Grabungsstätten gehalten haben, haben Sie gesagt, dass die Inter..., Intra... oder so der Grabung gewahrt werden sollte.«
»Integrität. Aber ich kann mildernde Umstände für mich in Anspruch nehmen.«
»Das klingt nach einer schlappen Ausrede«, sagte Buffy und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Buffy.« Eine Spur von Gereiztheit flackerte in seiner Stimme auf. »Die Objekte, die ich mitgenommen habe, sind definitiv nicht amerikanischen Ursprungs. Ich bin mir im Gegenteil sogar ziemlich sicher, dass sie aus Russland stammen.«
»Na wenn schon. Was macht das für einen Unterschied?«
Giles verzog das Gesicht, als ob er Zahnschmerzen hätte. »Die Russen waren zu der Zeit, als dieses Land von Weißen besiedelt wurde, sehr an dem Handel mit Pelzen in Nordamerika interessiert. Vielleicht sind deshalb solche Funde gar nicht so ungewöhnlich. Aber dieses Objekt hier ist schon bemerkenswert. Da auch die Vampire auf der Suche nach etwas zu sein schienen, war mein erster Impuls, es mitzunehmen, weil es ganz offensichtlich nicht zu den anderen Fundstücken passte.«
Er schaltete die Innenbeleuchtung seines Wagens an und zeigte ihr den Gegenstand.
Es handelte sich um einen schmalen Zylinder, der von schwärzlichen Spuren der Verwitterung überzogen war.
Auf beiden Seiten wurde er von Kappen verschlossen, die mit seltsam geschnitzten Figuren verziert waren. »Ich musste die Erde abkratzen, um die Buchstaben entziffern zu können, aber sie stammen aus dem Kyrillischen. Das ist das...«
»Russische Alphabet, ich weiß«, unterbrach ihn Buffy. »Wie viele russische Vampire gibt es in der Nähe der Grabung?«
»Soweit ich weiß, keine. Das heißt aber nicht, dass dieses Fundstück uninteressant ist. Es wäre auf jeden Fall aufschlussreich herauszufinden, wie es dort hingekommen ist. Dieses Röhrchen besteht aus Silber. Das kann man an der schwarzen Korrosion erkennen. Die Farbe rührt daher, dass das Silber lange Zeit dem Salzwasser ausgesetzt gewesen sein muss. Ich finde das außerordentlich... «
»Giles«, unterbrach Buffy seinen Redefluss. Sie zählte an ihren Fingern ab: »Test. Klamotten waschen. Frühlingsparty. Der Konflikt zwischen Cordelia und Willow. Schlafen. So ungefähr sieht meine To-Do-Liste aus. Ich mag Sie sehr gerne und ich freue mich für Sie, dass Sie etwas gefunden haben, das Ihnen vor Begeisterung fast den Verstand raubt, aber mein Ding ist das nicht. Historische Rätsel stehen nun wirklich nicht ganz oben auf meiner Favoriten-Liste.«
Giles ließ das silberne Gefäß mit einem bedauernden Gesichtsausdruck in seine Tasche gleiten. »Verstanden. Wir sehen uns morgen früh.«
Buffy stieg aus dem Auto und ging zum Hauseingang hinüber. Giles wartete, bis sie den Schlüssel ins Schloss gesteckt und die Tür aufgeschlossen hatte. Er ist so süß, dachte sie. Ein Anflug von schlechtem Gewissen regte sich in ihr, weil sie ihn so abrupt unterbrochen hatte. Sie hätte ihm ruhig ein wenig zuhören und ihn seine Sternstunde auskosten lassen können. Hätte, sollen, können. Giles würde es schon verstehen.
Getrieben von dem Bedürfnis nach irgendetwas Süßem, schlug sie den Weg zur Küche ein. Schokolade wäre jetzt genau das Richtige. Vielleicht war ja noch ein Stück von diesem Kuchen da, den ihre Ma heute mitgebracht hatte.
Das Licht in der Küche brannte. Verwundert ließ sie ihren Rucksack auf das Sofa fallen und betrat die Küche.
Ihre Mutter saß vor einer Tasse mit frisch aufgebrühtem Kaffee am Küchentisch.
»Ma? Wieso bist du noch auf?« Als wüsste Buffy nicht, was das bedeutete.
»Willow hat angerufen. Es scheint ein paar Schwierigkeiten zu geben.«
Buffy lief auf den Zaun vor dem Haus der Campbells zu und verlangsamte ihren Schritt. Ihr Magen krampfte sich vor Nervosität zusammen, wobei die Anstrengungen, die es sie gekostet hatte, an den Pförtnern der Wohnanlage vorbeizukommen, einen großen Anteil daran hatten. Auf der Veranda war bereits eine kleine Gruppe von Menschen versammelt, unter denen sie Willow, Cordelia, Oz und Xander erkannte.
»Vielen Dank, dass du gekommen bist«, rief Willow aus. Ihre Wangen glänzten und ihre Augen waren gerötet, als ob sie geweint hätte.
»Hey«, antwortete Buffy sanft. »Du wusstest doch, dass ich kommen würde. Ich wünschte nur, ich hätte früher da sein können. Meine Ma hat gesagt, du hast inzwischen die Eltern erreicht?« Sie setzte sich neben sie.
Willow war ihr im Laufe ihrer Freundschaft schon so oft eine Quelle stiller Kraft gewesen, dass es sie erschütterte, sie so niedergeschlagen zu sehen. »Wann wird die Polizei hier sein?«
»Das wissen wir nicht«, meldete sich Xander zu Wort. »Wir haben die Sicherheitsleute informiert und die haben uns gesagt, sie würden sich um alles kümmern.«
»Eine Entführung, noch dazu eine Kindesentführung ist nicht nur ein Fall für die Polizei«, warf Oz auf der anderen Seite von Willow ein. »Wahrscheinlich wird auch das FBI eingeschaltet werden. Kein Wunder, bei all den neuen Gesetzen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen. Die Sicherheitsleute haben übrigens irgendetwas davon erwähnt, dass es sich nicht um die erste Entführung in dieser Wohnanlage handelt.«
»Nicht die Erste?«, fragte Buffy entgeistert und ihre Angst nahm zu. »Ich habe nichts davon in den Nachrichten gehört.«
Oz nickte. »Niemand von uns hat etwas gehört. Ganz schön unheimlich, hm?«
»Aus irgendeinem Grund soll nichts davon an die Öffentlichkeit«, vermutete Xander.
»Normalerweise würden Eltern doch niemals verheimlichen, dass man ihnen ihre Kinder wegnimmt. Es sei denn, irgendjemand setzt sie ganz massiv unter Druck.«
Buffy stimmte ihm im Stillen zu und empfand großes Mitleid für Willow, die mitten in eine so undurchsichtige und üble Sache hineingeraten war. Wer hat ein Interesse daran, Babys zu entführen? Und warum? Und warum wurde das alles verschwiegen? Eine große schwarze Sedan-Limousine kam langsam die Auffahrt hochgefahren. Die Jägerin und ihr Gefolge waren sofort in Alarmbereitschaft versetzt. Der Mann, der aus der Fahrertür ausstieg, war groß und kräftig genug, um ein professioneller Football-Spieler zu sein. Er trug einen schwarzen Anzug und trotz der nächtlichen Stunde eine dunkle Sonnenbrille.
Auf der anderen Seite des Wagens stieg ein weiterer Mann aus. Auch er trug einen schwarzen Anzug und eine Sonnenbrille. Sie schlossen die Knöpfe ihrer Jacketts, an deren Ausbeulung Buffy zweifelsfrei erkannte, dass beide Männer Waffen trugen.
Geheimdienst? Mafia? Militär? Ihre Bewegungen waren wohl überlegt.
Der Fahrer ging zur hinteren Tür des Wagens und öffnete sie. Während er einem weiteren Mann und einer Frau beim Aussteigen half, warf er einen wachsamen Blick auf die Häuser der Nachbarschaft. Er deckte die kleine Gruppe, als sie auf das Haus zuging. »Ich will mein Baby wiederhaben, Bryce! Ich will mein Baby wiederhaben!«, rief die Frau aus und klammerte sich an den Mann an ihrer Seite. Obwohl sie ein paar überflüssige Pfunde mit sich herumtrug, hatte sie immer noch eine gute Figur und verstand es, sich vorteilhaft zu kleiden. Der Mann, der einen lichten Haaransatz hatte, trug einen dreiteiligen Nadelstreifenanzug und eine Brille mit feinem Drahtgestell. All dies wies ihn als höheren Angestellten aus.
Er ging auf Willow zu und stützte dabei seine Frau. Kummerfalten durchzogen sein Gesicht. »Es ist alles in Ordnung, Willow«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Du kannst gehen.« Er reichte ihr einen Briefumschlag.
Willow, Oz und Buffy waren alle aufgesprungen. »Ich kann gehen?«, fragte Willow ungläubig. »Wollen Sie nicht, dass ich hier bleibe und die Polizei meine Aussage aufnimmt?«
»Wir werden mit den zuständigen Behörden Kontakt aufnehmen«, antwortete der größere Bodyguard. »Ihr könnt jetzt nichts mehr tun, es sei denn, ihr wisst die Namen der Leute, die das Kind entführt haben.«
»Es waren keine Menschen, die das getan haben«, platzte Willow heraus.
Nun, das wird wohl ein paar interessante Fragen aufwerfen, dachte Buffy.
Mrs. Campbell riss sich plötzlich von ihrem Mann los und wankte unsicher auf Willow zu. »Hast du es gesehen?«, fragte sie. »Hast du das Ding gesehen, das mir mein Baby weggenommen hat?«
Bevor Willow eine Antwort geben konnte, hatte Mr. Campbell seine Frau wieder an seine Seite gezogen. Sie wehrte sich anfänglich dagegen, beruhigte sich dann aber, als ihr Mann ihr etwas ins Ohr flüsterte.
Mr. Campbell wandte sich an Willow. »Der Arzt hat ihr ein leichtes Beruhigungsmittel gegeben. Es hat jedoch eine stärkere Wirkung auf sie, als vorauszusehen war.« Mit diesen Worten führte er seine Frau ins Haus.
Die Bodyguards gingen auf der Veranda in Stellung.
»Zeit für euch zu gehen«, grunzte der Kräftigere von ihnen. Das war eindeutig ein Wink mit dem Zaunpfahl.
Vorsichtig führte Buffy Willow vom Haus fort und überließ sie dann Oz, der an ihre Seite kam.
»Ich bringe sie nach Hause«, erkläre er sich bereit. »Ich kümmere mich darum, dass sie etwas isst.«
Buffy nickte zustimmend. »Gut.« Sie warf einen ratlosen Blick zurück auf das Haus.
Xander holte Buffy ein. Er hatte einen Arm um Cordelia gelegt, die an seiner Seite ging. Hutch folgte als Letzter. »Lasst mich noch einmal alles zusammenfassen.
Willow wird als Babysitter angeheuert. Sie passt auf das Baby auf, das sich in irgendein Monster verwandelt.
Das Baby verschwindet. Ma und Pa brauchen extrem viel Zeit, um nach Hause zu kommen, viel mehr jedenfalls, als man bei besorgten Eltern, die gerade erfahren haben, dass ihr Sohn entführt worden ist, annehmen würde.
Sie kommen in Begleitung von zwei finster aussehenden Typen, die ihren Beschützer-Job vielleicht ein bisschen zu ernst nehmen. Sie rufen nicht die Polizei an. Sie rufen nicht das FBI an. War‘s das ungefähr?«
»Ja.«
»Ich kann dir eine Zusammenfassung mit nur einem Wort liefern«, sagte Cordelia mit einem Lächeln. »Merkwürdig! Aber glücklicherweise ist die ganze Sache nicht mehr unser Problem.«
Buffy nickte zögerlich, während die Gedanken in ihrem Kopf nur so rasten. Sie wusste, dass sie diese Angelegenheit nicht so einfach vergessen konnte. Selbst wenn es ihr gelingen würde, Willow würde es nie vergessen. Ein einziger Blick auf ihre Freundin bestätigte ihre Befürchtungen.
Cordelia sah Buffy vielsagend an. »Mit anderen Worten: es ist auch nicht mehr dein Problem. Um mal von etwas erfreulicheren Dingen zu sprechen, weißt du eigentlich schon, was du auf der Party am Freitag anziehen willst?«
Willow warf Cordelia einen verständnislosen Blick zu, war aber nicht in der Lage, ihrem Ärger Luft zu machen, da das nun einmal nicht ihre Art war.
Reg dich nicht auf, sagte sich Buffy. So war Cordelia eben. Sie lebte in einer ganz anderen Welt. »Eigentlich habe ich vorgehabt, das mit dir zu besprechen.«
Vielleicht konnte es nicht schaden, sie auf den Boden der Tatsachen herunterzuholen. Zumindest ein bisschen.
»Bitte versprich mir, dass du dich nicht auf die Seite unserer Baumfanatiker schlagen wirst«, sagte Cordelia. »Grün steht dir absolut nicht.«
»Hör mal, es gibt da noch ein anderes Problem«, wechselte Buffy das Thema. »Im Weatherly Park lungern Vampire herum, die offensichtlich nach irgendetwas suchen. Wenn wir die Party trotzdem stattfinden lassen, wird die Hauptattraktion für unsere Gäste aus Leichensäcken bestehen.«
Der kleine Tad lächelte Willow zu und strampelte mit seinen winzigen Beinchen, während sie seine Haut mit Babycreme einrieb. Der saubere, frische Duft des Babys war köstlich und sie erwiderte sein Lächeln. Er wirkte so zart und verletzlich.
Nachdem sie ihn wieder angezogen hatte, nahm sie ihn auf den Arm und sprach mit ihm in einem Singsang, von dem sie wusste, dass Babys ihn mochten. Er quiekte vor Freude und lachte so sehr, dass seine Augen tränten.
Plötzlich hob der Kleine seine winzige Faust und riss sich eine seiner rundlichen Babywangen auf, und das Wesen, das von ihm Besitz ergriffen hatte, kam zum Vorschein »Willow«, drohte es ihr. »Wir sind noch nicht mit dir fertig!«
Willow schrie auf...
Und erwachte in der Dunkelheit ihres eigenen Zimmers. Sie fühlte ihr Herz rasen und fror trotz der warmen Bettdecke.
Ganz langsam, als wenn irgendetwas im Dunkeln lauerte, um sie jeden Moment anzuspringen, hob sie ihren Kopf und sah sich vorsichtig in ihrem Zimmer um.
Der Radiowecker neben ihrem Bett zeigte die Uhrzeit an, es war 2:17 Uhr. Sie schloss die Augen und versuchte wieder einzuschlafen. Aber sie wusste, dass es zwecklos war.
Todmüde kletterte sie aus ihrem Bett und taumelte auf den Flur. Sie schlug den Weg ins Badezimmer ein, um sich ein Glas Wasser zu holen. Ihre Kehle war wie ausgedörrt. Ihr Herz schlug immer noch heftig, als sie das Licht anknipste und einen der kleinen Pappbecher mit Wasser füllte, die an der Wand in einem Spender hingen.
Während sie trank, fiel ihr Blick auf den Spiegel über dem Waschbecken.
Und was ihr entgegensah, war Tad, der aufrecht stand -etwas, wozu er im wirklichen Leben noch gar nicht imstande war. Das war eine Vision. Ein Hexending, mit dem einzigen Unterschied, dass es diesmal nicht auf einer Wasseroberfläche zu sehen war.
Nur mit größter Anstrengung gelang es Willow, nicht vollends die Nerven zu verlieren. Stattdessen versuchte sie die Erscheinung im Spiegel genauer zu betrachten.
Nebel verhüllte die Umgebung, in der sich Tad zeigte, aber sie glaubte deutlich zu erkennen, dass er von zahlreichen wuchernden Pflanzen umgeben war. Er steckte alle Finger seiner rechten Hand in den Mund und saugte an ihnen, dann drehte er sich um und verschwand im Nebel.
Nur langsam gelang es Willow, sich aus der Erstarrung zu lösen, in die sie verfallen war, während sie die Erscheinung im Spiegel betrachtet hatte. Sie kehrte in ihr Zimmer zurück, schaltete das Licht ein und tat das Einzige, was sie immer tat, wenn Furcht erregende Dinge geschahen. Sie rief Buffy an.
Am nächsten Morgen wankte Buffy wie ein Zombie durch den Schulflur der Sunnydale High. Die erste Pause lag bereits hinter ihr und sie war immer noch nicht richtig wach. Sie hatte in der vergangenen Nacht drei Stunden auf Willow einreden müssen, um sie zu beruhigen. Was man ja dann wohl als durchgemachte Nacht bezeichnen konnte. Nur mühsam ein Gähnen unterdrückend, betrat die Jägerin die Schulbibliothek, durchquerte den Raum und ließ sich auf einen der Stühle gegenüber der Buchausgabe fallen. Sie hielt ihre Bücher fest umklammert und versuchte den fröstelnden Schauer abzuschütteln, der über ihren Körper lief.
»Du siehst furchtbar aus«, bemerkte Giles.
»Danke«, antwortete Buffy. Sie betrachtete die dunklen Ringe unter seinen Augen und begann sich Sorgen zu machen. Zwar war es hauptsächlich sie, die sich Nacht für Nacht großen Gefahren aussetzte, aber sie wusste, dass auch Giles sich selten schonte.
»Haben Sie letzte Nacht nicht genügend geschlafen?«
»Nur sehr wenig. Die Recherchen, mit denen ich gestern Abend noch begonnen habe, erwiesen sich als sehr zeitaufwendig. Aber diese Nachtschicht war eine gute Investition, wenn nicht sogar ausgesprochen lohnenswert.«
»Haben Sie etwa herausgefunden, was die Vampire so an dem Park interessiert?« Buffys Lebensgeister kehrten langsam wieder.
»Nein. Aber ich habe herausfinden können, dass der silberne Zylinder, den ich dort entdeckt habe, mit Sicherheit russischen Ursprungs ist.« Giles griff hinter sich und zog seine Schreibtischschublade auf, aus der er eine kleine Tüte nahm, die den silbernen Zylinder enthielt. Er legte sie vor Buffy auf den Schreibtisch. »Es ist ziemlich interessant.«
»Also hat es überhaupt nichts mit den Vampiren zu tun?«
Der Wächter schenkte ihr ein schiefes Lächeln.
»Unglücklicherweise nein. Aber es regt die Fantasie an.«
»Nicht in unserem neuesten Fall von „Merkwürdige Vorfälle in Sunnydale“ - Da übertrifft die Realität die Fantasie.« Buffy fasste hastig die Ereignisse der letzten Nacht zusammen, die im Haus der Campbells stattgefunden hatten. Giles war so von ihrer Geschichte gefesselt, dass er den Silberzylinder auf dem Tisch völlig vergaß. Buffy beendete gerade ihren Bericht, als Willow und Oz den Raum betraten und sich zu ihnen gesellten.
»Und die Eltern haben euch gebeten, euch nicht an die entsprechenden Behörden zu wenden?«, fragte Giles, als sie fertig war. »Das ist nicht richtig. Dadurch setzen sie das Kind womöglich einer noch größeren Gefahr aus.« Er wandte seine Aufmerksamkeit Willow zu. »Kannst du dieses Wesen genau beschreiben?«
Und ob Willow das konnte. Ihre detaillierte Beschreibung ließ sie erneut frösteln, was Oz dazu veranlasste, seinen Arm um ihre Schultern zu legen.
»Und du bist dir ganz sicher, dass du so etwas noch nie in deinem Leben gesehen hast?«, fragte Giles. »Von all diesen Büchern, die ich hier aufbewahre, hast du fast genauso viele gelesen wie ich.«
Willow schüttelte den Kopf. »Glauben Sie mir, ich wüsste es, wenn ich dieses Ding vorher schon einmal gesehen hätte. Und ich weiß, dass ich es wieder sehen werde.«
»Wir sollten uns vornehmen, es nicht wiederzusehen«, meinte Oz.
»Du hast gesagt, dass es dich kannte?«, forschte Giles nach.
»Es sprach mich mit meinem Namen an. Es hat mir gesagt, dass ich etwas Gutes für den Park getan habe, aber dass es noch nicht genug sei.«
»Für den Park?«, wiederholte Giles und warf Buffy einen Blick zu. »Davon hast du mir ja noch gar nichts erzählt.«
»Weil ich selber nichts davon wusste«, protestierte Buffy. Im Laufe ihres Bündnisses mit dem Wächter hatte sie allmählich gelernt, ihm von jeder Kleinigkeit zu erzählen, auch wenn sie ihr noch so unbedeutend erschien.
»Ich glaube, ich habe es über all der Aufregung vergessen«, gab Willow zu.
»Eigentlich hat es auch gesagt, was ich für den Wald getan hätte und nicht für den Park.«
»Buffy sagte mir, dass es seine Gestalt verändert hat.«
Willow nickte. »Als ich die Lorbeerblätter auf das Wesen fallen ließ. Lorbeer ist ein Kraut, das Hexen benutzen, um... «
»Jemanden von der Besessenheit von einem anderen zu befreien«, vollendete Giles den Satz. »Ich weiß. Vielleicht kann uns der Zylinder, den ich gestern Nacht gefunden habe, doch auf die richtige Spur bringen. Sag mal, kennst du eigentlich die Legende vom Changeling?«
»Das ist einer der weit verbreitesten Mythen über Elfen«, antwortete Willow. Ihr Blick traf den des Wächters. »Glauben Sie, dass Tad ein Changeling ist?«
Elfen? Changelings? »Stopp, bitte!«, unterbrach Buffy. »Kurze Unterbrechung. Ich bitte um Aufklärung.« Ihr Blick wanderte zwischen Giles und Willow hin und her. »Ich komme nicht mehr mit. Vampire sind mir vertraut. Das gilt auch für Zombies, Mumien und eine ganze Reihe von anderen Supertypen, aber dieser Changeling-Nummer kann ich nicht folgen. Ist das so was wie damals, als Xander plötzlich mit den Hyänen heulte?«
»Nein«, antwortete Giles. »Das war ein Fall von dämonischer Besessenheit und kein Changeling. Das ist ein großer Unterschied! Was weißt du über Elfen?«
»Das sind so kleine Typen«, überlegte Buffy und versuchte sich an ihre Kindheit zu erinnern, als solche Dinge sie fasziniert hatten. »Mit Flügeln. Sie verstecken sich ständig und spielen einem Streiche. Tragen überwiegend Grün, kann das sein?« In dem Punkt war sie sich nicht so sicher. »Haben eine Vorliebe für Schuhe und bringen Glück?« Das wiederum basierte auf solidem Wissen.
Giles seufzte. »Hast du denn keine Märchen gelesen, als du klein warst?«
»Es gab damals sehr unterhaltsame Alternativen: Schlümpfe, Scooby-Doo, Duck-Tales. Und das Beste daran war, man musste nicht lesen können!«
»Das reicht. Nimm es mir einfach ab, wenn ich dir sage, dass es zahllose Arten von Feen gibt und dass die Literatur sich im Lauf der Jahrhunderte dieses Themas immer wieder angenommen hat.«
»Das wird doch wohl keine von diesen Reden zum Thema »Jedes Kind sollte einen Leihbücherei-Ausweis haben«, oder?«, fragte Buffy.
»Das werde ich mir jetzt einfach verkneifen. In allen Erzählungen über Feen existieren im Prinzip zwei verschiedene Grundtypen.«
»Gute und böse«, fiel Buffy ein. »Sehen Sie, ich lerne schnell.«
»Kein Wunder. Beim Jagen ist das schließlich so ziemlich das Einzige, worauf es ankommt«, sagte Xander, der gerade hereingekommen war und zu ihnen herüber schlenderte. »Worüber sprechen wir eigentlich?«
»Giles glaubt, dass ich letzte Nacht einen Elf gesehen habe«, antwortete Willow.
»Will, du nimmst das irgendwie zu leicht hin«, wandte Buffy ein. Oder konnte es sein, dass sie sich einfach zu unwohl bei der Sache fühlte?
Willow drehte sich zu ihr um. »Du treibst jeden Tag -oder eher jede Nacht - Holzpfähle durch Vampire, als wäre das nichts Ungewöhnliches, und du willst mir ausreden, an Feen zu glauben?«
»Du hast ja Recht«, lenkte Buffy ein und musste ihren Mangel an Aufgeschlossenheit diesem Thema gegenüber eingestehen. »Ich möchte nur nicht, dass die Dinge noch mehr außer Kontrolle geraten, als sie es ohnehin schon sind.«
»Das können sie gar nicht«, antwortete Willow mit leiser Stimme. »Tad ist schließlich verschwunden.«
Buffy nickte verständnisvoll. Sie wünschte, Willow würde einsehen, dass es nicht ihre Schuld war.
»Hey«, unterbrach Xander die allgemeine Stille, die sich ausgebreitet hatte, »ich fand die Geschichte von dem Cobbler und den Elfen immer klasse.«
Giles nutzte die Gelegenheit, die Konversation wieder in Gang zu bringen. »Elfen«, hob er an, »werden von einigen Experten als eine Unterart von Feen aufgefasst. Genauso wie Pixies. Seitdem die Menschen sich Geschichten erzählen, gibt es Mythen über dieses kleine Volk. Die Forscher glauben, dass die Feen in vorchristlichen Kulturen als Erklärung für Naturphänomene dienten. Die Kelten gehörten zu denjenigen, die glaubten, dass Feen eigentlich die Geister der Toten seien, die aus ihren Gräbern steigen. Die nordischen Mythen aus Island besagen, dass sich Maden in helle und dunkle Elfen verwandeln.«
»Gut und böse«, warf Buffy ein, damit auch jeder merkte, dass sie wusste, wovon sie sprach.
»Genau. Wie du aus eigener Erfahrung weißt, gibt es Kräfte, die Meister des Dunklen und des Lichts ständig gegenüberstellen. Das heißt aber nicht, dass die Vertreter der dunklen Mächte ohne Hoffnung auf Erlösung sind oder die der guten Mächte sich nicht zum Bösen verführen ließen. Eine der frühchristlichen Mythen besagt, dass Gott nach Eva rief, als sie gerade ihre Kinder wusch. Beschämt darüber, dass ihre Kinder ungewaschen Gott gegenübertreten sollten, versteckte sie diejenigen, die noch schmutzig waren, im Wald, damit Gott sie nicht sehen konnte. Als er sie fragte, ob sie ihm alle ihre Kinder gezeigt hätte, bejahte sie. Um sie für ihre Lügen zu bestrafen und dafür, dass sie ihre Kinder vor ihm versteckt hatte, beschloss Gott, dass die Kinder, die sie versteckt hatte, für die Augen der Menschen auf immer unsichtbar blieben.«
»Na, das ist ja die ideale Story für Kinder, die sich nicht waschen wollen«, sagte Xander beeindruckt. »Das schlägt die Nummer mit den Kartoffeln, die aus den Ohren wachsen, ja um Längen!«
Buffy deutete auf einen Stuhl neben sich. »Setz dich!«
Xander kam der Aufforderung nach. »Es gibt auch Geschichten, die besagen, dass Feen ungetaufte Kinder sind oder gefallene Engel oder Druiden, die sich weigerten, ihrem heidnischen Glauben abzuschwören«, fuhr Willow fort.
»Richtig«, stimmte Giles zu. »Und sogar die Geschichtswissenschaft hat ihre eigene Theorie aufgestellt, die besagt, dass die Kelten, als sie in einige der nördlichen Länder Europas vordrangen, gegen einen Volksstamm kämpfen mussten, der viel kleiner war als sie.«
»Picts?«, vermutete Oz. »Die sollen klein gewesen sein und waren ungefähr zu dieser Zeit unterwegs.«
»Das ist gut möglich.« Giles Miene hellte sich auf, als er bemerkte, dass sich auch noch jemand anderes als Willow auf diesem Gebiet auskannte. »Jedenfalls gibt es unter Historikern die Vermutung, dass nicht nur die
Sagen von den Feen, sondern auch die Legenden von Riesen aus diesen Begegnungen entstanden sind. Die Mythen besagen, dass nur Waffen aus Eisen das Feenvolk verletzen können. Zu dieser Zeit hatten die Kelten schon Waffen aus Eisen, die nördlichen Volker aber noch nicht.«
»Interessant«, meinte Buffy in einem Tonfall, der genau das Gegenteil vermuten ließ. »Und wie soll uns das jetzt weiterhelfen?«
»Flügel«, erinnerte sich Willow plötzlich. »Die meisten Elfen haben Hügel. Und dieses Ding letzte Nacht hatte auch Flügel. Es hat mir auch irgendeinen Staub in die Augen gestreut. Ich erinnere mich daran, wie es in seinen kleinen Lederbeutel griff und dieses Zeug nach mir warf.«
»Das ist ein weiteres, häufiges Motiv in den Feenlegenden«, bestätigte Giles. »Der Feenstaub, der die Sterblichen in einen tiefen Schlaf versetzt. Aber die eindeutigste Verbindung, die sich hier zeigt, ist der Mythos vom Changeling.«
»Das ist die Geschichte von dem Feenkind, das gegen ein menschliches Kind ausgetauscht wird, nicht wahr?«, fragte Oz.
»Ja«, antwortete Giles sichtbar erfreut. »Einer der bedeutendsten Tricks, die die Feen hatten, war menschliche Kinder mit Feenkindern zu vertauschen. Diese Changelings sahen, wenn man so will, genauso aus wie die Menschenkinder, deren Platz sie einnahmen. Nur dass sie angeblich einen unersättlichen Appetit hatten, einen launenhaften, boshaften Charakter und irgendeine kleine Deformierung. Hast du vielleicht eine Anomalität an dem Kind bemerkt, auf das du letzte Nacht aufgepasst hast, Willow?«
Willow schüttelte den Kopf. »Nein, er war einfach ein ganz normales Baby. Er roch gut und fühlte sich weich an. Und war auch ganz brav.« Ihre Stimme brach. »Es tut mir Leid. Aber ich kann einfach nicht... ich kann einfach nicht... «
»Wir verstehen dich, Will«, sagte Buffy mitfühlend.
»Da ist noch etwas«, sagte Willow zu Giles. »Buffy weiß es schon, weil ich sie gestern Nacht angerufen habe. Ich hatte eine Vision...«
»Oder vielleicht einen Traum«, unterbrach sie Buffy.
»Oder einen Traum«, räumte Willow ein. »Aber es war irgendwie anders.«
»Erzähl mir, was du gesehen hast«, forderte Giles sie ermutigend auf.
Willow erzählte ihm von Tad inmitten der Pflanzen. »Ich glaube, es war eine Vision«, erklärte sie. »Ich habe nicht viele Erfahrungen mit hellseherischen Fähigkeiten gemacht, aber ich weiß, was es ist.«
»Ich nicht«, bemerkte Xander.
»Die Hellseherei ist eine Fähigkeit, die Hexen zugeschrieben wird. Eine Hexe oder ein anderer in diese Kunst Eingeweihter kann in einer Wasserschale, einer Kristallkugel oder einer anderen reflektierenden Oberfläche Bilder von anderen Orten und sogar in die Zukunft oder die Vergangenheit sehen.«
»Du bist doch keine gelernte Hexe«, bemerkte Xander.
»Aber sie hat die nötigen Kräfte«, entgegnete Oz. »Das wissen wir doch alle nur zu gut.«
Das stimmt, dachte Buffy. Sie haben uns sogar schon mehr als einmal das Leben gerettet. Wir haben keine Ahnung, wie groß ihre Kräfte wirklich sind.
»Gehen wir einmal davon aus, dass es eine Vision war«, überlegte Giles. »Du musst versuchen herauszufinden, warum du sie hattest. Hast du sie vielleicht selbst heraufbeschworen?« Willow schüttelte den Kopf.
»Okay, belassen wir es erst mal dabei.« Giles beugte sich vor und nahm den Silberzylinder vom Tisch. »Buffy und ich wissen aus unseren Beobachtungen von gestern Nacht, dass einige der Vampire aus dieser Gegend fieberhaft nach irgendetwas im oder um den Weatherly Park herum suchen. Während unseres kleinen Ausflugs gestern Abend hatte ich das Glück, das hier zu finden.«
Er ließ den korrodierten Silberzylinder aus der Tüte auf die Tischplatte gleiten. »Das haben Sie auf der Grabung gefunden und einfach mitgenommen?«, fragte Xander.
»Es gehörte ohnehin nicht dorthin«, erwiderte Giles in einem Ton, als müsste er sich rechtfertigen.
»Ich wette, die Leute, die für den ausgebuddelten Kram verantwortlich sind, denken da etwas anders drüber.« Xander grinste vielsagend und warf ihm einen Blick zu, der so viel bedeuten sollte wie »Und wer steckt jetzt bis zum Hals in Schwierigkeiten?«
»Es scheint aber so, dass die Informationen über diesen Zylinder für uns sehr nützlich sein könnten«, ging Giles darüber hinweg. Er öffnete vorsichtig einen der Verschlüsse am Ende des Röhrchens und enthüllte, dass es innen hohl war. Er tippte ein paar Mal mit dem Finger leicht dagegen und aus dem Zylinder fielen fest zusammengerollte Streifen aus seltsamem Papier auf den Tisch.
»Was ist das?«, fragte Buffy und beugte sich über die Papierstreifen.
»Ein Tagebuch«, erwiderte der Wächter. »Es ist auf Vellum geschrieben, auf gegerbter Schafshaut, um genau zu sein.« Er breitete die Rollen auf dem Tisch aus und glättete sie vorsichtig mit der Hand. »Fast alles ist in Russisch geschrieben. Das kyrillische Alphabet ist gut zu erkennen.«
»Nichts leichter als das«, bluffte Buffy schamlos. »Können sie die russische Schrift lesen?«
»Nicht genug, um alles zu verstehen«, gab Giles zu. »Aber ich habe immerhin soviel entziffern können, um mir ein Bild davon zu machen, worum es in diesem Text geht. Ich habe Kontakt mit einigen Leuten aufgenommen, die den Text vielleicht vollständig übersetzen können. Heute Abend weiß ich mehr darüber.«
»Also, schießen Sie los«, forderte Xander gespannt.
»In erster Linie geht es in diesen Schriften um Warnungen. Darüber hinaus habe ich auch noch etwas mehr entziffern können. Die Warnung bezieht sich auf eine übernatürliche Katastrophe.«
Gähn, gähn, gähn, dachte Buffy. Das haben wir doch alles schon mal gehört.
»Hat diese Katastrophe auch einen Namen?«, fragte Oz.
»Nein. Ich hoffe, die Leute, mit denen ich mich in Verbindung gesetzt habe, können uns weiterhelfen. Ich bin sicher, was immer es auch ist, es wird im Text erklärt werden. Aber ich habe ein anderes Wort entziffern können: Domovoi.«
»Was heißt das?«, fragte Buffy.
Giles nahm einen Schluck Tee aus seiner Tasse. »Es ist der Name einer russischen Fee.«
Xander rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. »Achtung, Leute, die Gestapo ist im Anmarsch.«
Buffy drehte sich um und sah, wie Snyder, der Schuldirektor, zur Tür hereinkam. Genau die Art von Besuch, die sie jetzt wirklich nicht gebrauchen konnten.
»Mr. Giles und einige meiner liebsten Schüler«, säuselte Snyder salbungsvoll und zeigte sein falsches Lächeln. »Ich weiß nicht, ob Sie die Geschichte schon gehört haben, aber allem Anschein nach hat es gestern Nacht im Weatherly Park einen unangehnemen Vorfall gegeben.«
»Wann?«, platzte Buffy heraus. Das werden doch nicht diese Sicherheitstypen gewesen sein? Sie hoffte inständig, dass sie keine Schuld traf.
»Miss Summers, ich wusste gar nicht, dass sie sich so für aktuelle Ereignisse interessieren. Um ihre Frage zu beantworten, man hat mir zu verstehen gegeben, dass einige unserer Schüler in einen Fall von Vandalismus auf der Ausgrabung verwickelt waren, so etwa kurz nach Mitternacht.«
Dann hat es nichts mit uns zu tun, dachte Buffy und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Mr. Gallivan wird ab sofort die Nachtwachen verstärken«, fuhr Snyder fort. Prima, dachte Buffy genervt, das reinste Festmahl für Vampire.
»Deshalb«, ließ Snyder sie wissen, »sieht sich die Schule außerstande, die große Frühjahrsparty zu unterstützen, auf die sich viele von Ihnen sicherlich schon gefreut haben.« Er lächelte genüsslich. »Sie haben mein tief empfundenes Beileid. Ich werde die Entscheidung in fünf Minuten öffentlich bekannt geben.«
»Woher wussten die, dass es jemand von dieser Schule war?«, wollte Xander wissen.
»Mr. Harris«, hob Snyder wieder an. »Die Wachmanschaft von Gallivan Industries hat die Schüler aufgegriffen, die für die Beschädigung der Bulldozer verantwortlich waren, und sie haben ihre Personalien aufgenommen. Es besteht kein Zweifel daran, auf welcher Schule sie sind.« Sein Blick fiel auf Willow. »Ich glaube, es sind Bekannte von Ihnen, Miss Rosenberg. Wahrscheinlich sogar dieselben Leute, mit denen Sie für den Erhalt des Parks protestiert haben. Sollte ich herausfinden, dass Sie irgendetwas mit diesem Anschlag auf Gallivan Industries zu tun haben, werde ich dafür sorgen, dass man Sie zur Verantwortung zieht.«
Snyder machte auf dem Absatz kehrt und verließ die Bibliothek. Buffy atmete erleichtert auf. Immerhin brauchte sie sich jetzt keine Sorgen mehr darum zu machen, wie sie die Schüler auf der Party vor den Vampiren schützen konnte.
Xander sah Willow an. »»Nur eine friedliche Demonstration« hast du gesagt. »Irgendjemand muss sich darum kümmern, dass der Park erhalten bleibt« hast du gesagt.«
Willow öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber Oz unterbrach sie. »Hey, damit können wir uns später beschäftigen. Rettet den Park oder rettet ihn nicht - das ist doch alles unwichtig, wenn wir wirklich mitten in einen Vampir- und Feen-Krieg um das Territorium in diesem Wald geraten sein sollten. Richtig?«
»Er hat nicht Unrecht«, gab Buffy zu. Warum konnten die Probleme nicht eins nach dem anderen auftauchen?
»Krieg ums Territorium?«, wiederholte Xander. »Das klingt ja wie aus einem Coppola-Film. Der Elfen-Pate.
>Darf ich ihren Ring küssen, Elfen-Pate?<« Er fand seine Idee ausgesprochen witzig.
»Vielleicht sollten wir uns zunächst mit den Dingen beschäftigen, die wir mit Sicherheit wissen«, schlug Giles vor.
»Also, was sind Domovoi?«, fragte Buffy. »Sie sagten, das seien irgendwelche russischen Feen?«
»Für diejenigen, die daran glaubten, waren sie eine Art Schutzgeister für das Haus«, erklärte der Wächter. »Sie beschützten und bewachten das Haus gegen alle Gefahren. Angeblich lebten sie vorwiegend hinter dem Ofen, manchmal aber auch unter der Türschwelle. Die Frau eines Domovois lebte meistens im Keller.«
»Da habt ihr eure Gleichberechtigung«, bemerkte Xander.
»Sie sollen hauptsächlich nachts aktiv gewesen sein«, fuhr Giles fort und ging einfach über Xanders Kommentar hinweg. »Je behaarter ein Domovoi war, desto mehr Glück sollte er angeblich bringen. Und wenn die Familie umzog, musste sie einige Holzscheite aus dem alten Ofen mitnehmen, um den Ofen im neuen Haus damit anzuzünden.«
»Und so den Domovoi in das neue Haus mitzunehmen?«, fragte Oz.
»Richtig.«
»Und was hat das alles mit dem Verschwinden des Babys zu tun?«, fragte Willow.
Giles schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Aber wir können nicht über diese auffällige Gleichzeitigkeit der Ereignisse hinwegsehen, ebenso wenig wie über die Tatsache, dass die Vampire offensichtlich im Park nach irgendetwas suchen. Wenn es so aussieht, als könnten Dinge etwas miteinander zu tun haben, dann ist das häufig auch der Fall, auch wenn es einem noch so unwahrscheinlich vorkommt.«
»Wie geht es denn jetzt weiter?«, warf sich Xander ins Zeug. »Es sieht ja ganz so aus, als wenn ich Freitag einen freien Abend hätte.«
»Wir haben verschiedene Möglichkeiten, die uns offen stehen«, fasste Giles zusammen. »Ich werde mich bemühen, mehr über diese mysteriösen Schriften und ihre Bedeutung herauszufinden. Vielleicht könnten Buffy und Willow in Erfahrung bringen, ob wirklich noch andere Kinder von Leuten, die für Gallivan Industries arbeiten, entführt worden sind. Die Andeutung des Sicherheitsmannes scheint ja in diese Richtung zu weisen. Obwohl ich mich nicht daran erinnern kann, etwas darüber in der Zeitung gelesen zu haben.«
»Gallivan könnte das vertuscht haben«, überlegte Oz. »Die Art, wie diese Typen mit uns gesprochen haben, klang ganz so, als hätten sie von irgendjemandem strikte Befehle erhalten. Vermutlich von Gallivan. Immerhin haben wir bis jetzt noch nichts Neues über Tad erfahren und das, obwohl wir ständig Nachrichten gehört haben.«
»Wenn es wirklich so ist, dass Gallivan seine Hände im Spiel hat, könnte es schwierig werden, überhaupt etwas herauszufinden.«
»Gallivan vertuscht das Verschwinden von Babys.« Xander grinste und seine dunklen Augen blitzten auf. »Mann, Verschwörungen sind schon eine faszinierende Sache.«
»Nun ja, wenn es sich tatsächlich um eine Verschwörung handeln sollte, müssen wir davon ausgehen, dass sie Leute an die Schaltstellen gesetzt haben, deren Aufgabe es ist, dafür zu sorgen, dass gewisse Informationen nicht an die Öffentlichkeit geraten. Seid also vorsichtig!«, gab Giles zu Bedenken.
Diese Möglichkeit beunruhigte Buffy.
»Aber wenn unsere Vermutung zutrifft, aus welchem Grund soll die Entführung der Kinder mit allen Mitteln vertuscht werden?« Sie fühlte sich unwohl bei dem Gedanken, in welcher Gefahr die Kinder vielleicht schweben mochten.
»Genau das ist die Preisfrage«, stimmte Giles zu.
Keiner hatte eine Antwort.
»Habt ihr etwa Angst vor mysteriösem Fleisch aus der Schulküche?«
Buffy sah von dem Tisch in der Mensa auf, an dem sie und Willow saßen. Xander stand vor ihnen. »So ungefähr«, sagte sie. Eigentlich hatte sie gehofft, einmal allein mit Willow sprechen zu können. Ihrer besten Freundin ging das Verschwinden des kleinen Tad sehr zu Herzen. »Große Glückslotterie«, erklärte Willow. »Jeder bringt etwas mit und dann wird verlost.« Sie wies auf das frische Hühnchen-Sandwich, das sie mitgebracht hatte, und auf Buffys Schale mit Obst und Gemüse.
»Hey, so was Ähnliches habe ich mir schon gedacht. Ich bin also bestens ausgerüstet!«
Xander ließ sich auf einen Stuhl fallen und zog ein Snickers und eine Tüte Popcorn aus der Tasche. »Jetzt haben wir ja wohl ein erstklassiges Gourmet-Menu zusammen.«
»Popcorn?«, fragte Buffy zweifelnd.
Xander zuckte mit den Schultern. »Als Obst hatte ich eigentlich an Smarties gedacht, aber dann habe ich mich doch für Popcorn entschieden. So ist es ausgeglichener.«
»Ausgeglichener?«, wiederholte Willow. »Dieses Zeug hat noch nicht mal die Entfernteste Ähnlichkeit mit einer ausgeglichenen Mahlzeit.«
Xander hielt das Snickers hoch und las die Inhaltsstoffe vor. »Hier drin sind Erdnüsse, auch bekannt als Eiweiß, cremiges Karamel-Nougat aus der Gruppe der Milchprodukte. Und irgendwo sind, glaube ich, auch Kohlehydrate vertreten. Ja, und das Popcorn ist mein Gemüse.« »Lass mich mal die Packung sehen«, sagte Buffy skeptisch und Xander schob die Tüte zu ihr herüber.
Buffy unterzog die Packung einer gründlichen Untersuchung. »Das Einzige, was bei diesem Zeug an Gemüse erinnert, ist das Öl, in dem es gebacken wurde.«
»Auf der Packung steht Popcorn, also dachte ich, da ist Mais drin«, beharrte Xander. »Wer kann das schon ahnen? Ich sage ja immer, Werbung muss wieder ehrlich werden. Besinnung auf das Wesentliche, so was in der Art.« Er warf einen Blick auf das Sandwich und das Obst. »Okay, meine Sachen sind nicht ganz korrekt. Bin ich trotzdem noch im Rennen?«
Willow reichte ihm die Hälfte ihres Sandwiches. »Bist du!«
Buffy bot ihm die Dose mit dem klein geschnittenen und geschälten Obst an. »Bedien dich!«
»Klasse.« Xander riss erfreut die Tüte Popcorn auf. »Wer will die erste Handvoll?«
»Ich glaube niemand«, klärte ihn Buffy auf.
»Wie hat Cordelia es verkraftet, dass die Frühjahrsparty abgesagt wurde?«
»Hast du schon einmal erlebt, wie Gäste in einer Talkshow zum Thema >Deine beste Freundin hat dich mit deinem Freund betrogen< reagieren, wenn sie die Wahrheit erfahren?«
»Ja«, sagte Willow düster.
»Nun, es war noch schlimmer«, versicherte Xander ihr.
Buffy blickte auf den Flur und beobachtete ein paar Schüler, die eines der Plakate, die überall in der Schule die Frühlingsparty ankündigten, von der Wand rissen. Mr. Snyder, der Schuldirektor, beobachtete die Aktion mit einem zufriedenen Lächeln. »Immerhin scheint einer glücklich zu sein.« »Oh, ich glaube, ganz am Ende ist Cordelia noch nicht. Dass die Party jetzt abgesagt und sogar verboten wurde, macht es nur noch reizvoller. Sie hat sogar schon eine Band gefunden, die an dem Abend spielen will.«
»Ich dachte, Oz und seine Band sollten spielen?«
Dingoes Ate My Baby spielten regelmäßig im Bronze.
»Sie glaubt, Oz könnte dadurch in einen Interessenskonflikt geraten...« Xander blickte Willow fragend an. »Das ist einfach lächerlich«, fuhr Willow auf.
»Ich bin gegen Gallivans Pläne, den Park in einen Freizeitpark zu verwandeln, nicht aber gegen die Frühlingsparty.«
»Das musst du mir nicht erklären. Sag es Cordy«, verteidigte sich Xander.
»Was genauso eine gute Idee ist, wie sich den eigenen Fuß abzuhacken, um sich aus einer Fußangel zu befreien«, philosophierte Buffy.
»Ich glaube, dann sitze ich lieber in der Fußangel fest«, gab Willow zu. Buffy sah ihre Freundin mitfühlend an.
Bei Willow lief im Augenblick wirklich alles schief.
Doch wenn Buffy darüber nachdachte, war bei ihr auch nicht alles zum Besten bestellt.
Sämtliche Vampire im Park aufzustöbern war schließlich auch nicht gerade ein Kinderspiel.
17
»Cordelia wird noch weniger erfreut sein, wenn sie erfährt, dass wir für heute wieder eine Demonstration im Park geplant haben«, prophezeite Willow. »Und diesmal wollen angeblich auch die Medien darüber berichten, vor allem nach den Vorfällen der letzten Nacht.«
»Habt ihr mitbekommen, wen sie geschnappt haben?«, erkundigte sich Buffy.
»Lance Tolrrance und Kelly Carruthers«, antwortete Willow.
»Unsere beiden Topkandidaten für bewaffneten Guerillakampf?«, fragte Xander erstaunt. »Ich bin mir sicher, dass sie bei keinem der Proteste dabei gewesen sind, aber der Polizei gegenüber haben sie behauptet, an den Demonstrationen der letzten Woche teilgenommen zu haben.«
»So hatten sie einen guten Grund für das, was sie getan haben«, sagte Buffy, bei der langsam der Groschen fiel.
»Du meinst sicher einen guten Grund, um alles in die Luft zu jagen«, warf Xander ein. »Erinnert ihr euch, was sie letztes Jahr mit dem Chemielabor angestellt haben? Sie können von Glück reden, dass hier in der Gegend viele merkwürdige Dinge geschehen, sonst hätte man sie garantiert von der Schule verwiesen.«
»Buffy, ich würde heute noch gerne zu den Campbells gehen«, sagte Willow. »Vielleicht gibt es ja schon Neuigkeiten oder ich kann mich irgendwie nützlich machen. Ich hatte gehofft, du könntest mich begleiten.«
»Ich bin dabei«, versprach Buffy. Sie wollte auf keinen Fall, dass Willow den Eltern alleine gegenübertreten musste.
»Sie sind wieder da.«
Buffy und Willow gingen die Straße zum Wingspread-Wohnpark hinunter, dessen Eingang von Pförtnern bewacht wurde. Der Schultag war weniger aufregend verlaufen als befürchtet und die beiden Freundinnen hatten sich auf den Weg zu den Campbells gemacht.
»Was?«
»Die Visionen von dem Baby, von Tad«, sagte Willow mit leiser Stimme. »Ich hatte heute ein halbes Dutzend. In Fenstern. Im Spiegel des Waschraums. Auf Edelstahlflächen im Labor. Sogar eine in der Flamme des Bunsenbrenners.«
»Vielleicht ist es nur eine Art Erinnerung.«
Willow schüttelte den Kopf. »Erinnerungen sind anders. So wie wenn du nach langer Zeit wieder einmal ein Stück von deiner Lieblingsband hörst. Das hier ist eher wie die aktuelle Coverversion von einem 80er-Jahre-Stück. Dasselbe und doch ganz anders.«
»Und was sollen deine Visionen bedeuten?« Buffy bemerkte die Autoschlange vor dem Eingang zum Wohnpark. Die Pförtner überprüften sorgfältig jeden Einzelnen.
»Ich weiß es nicht. Vielleicht bin ich irgendwie mit dem Baby verbunden. Weil ich mir die Schuld an der ganzen Sache gebe. Was mir dabei am meisten Angst macht, ist die Frage, ob mir diese Visionen nicht von den Feen geschickt werden.«
»Weil du die Auserwählte bist, die ihnen helfen soll, die Erdbasis wieder zu erobern?«
»Den Erdstein«, sagte Willow. »Das könnte es sein.«
»Vielleicht.« Buffy warf ihrer Freundin einen raschen Blick zu. Die Zeichen tiefer Müdigkeit, die sich in ihrem Gesicht zeigten, entgingen ihr nicht. »Vielleicht. Aber mach dir keine Sorgen. Wir werden den Dingen schon auf den Grund gehen und herausfinden, was hinter all dem steckt.«
»Ich muss nur immer an Tad denken«, sagte Willow bekümmert. »Ich stelle mir vor, wie verängstigt er sein muss, und frage mich, ob sie sich gut um ihn kümmern und ihn füttern. Oder ob sie ihn irgendwo allein gelassen haben... oder ob er überhaupt noch... am Leben ist.«
»Das sind ziemlich viele Gedanken für einen einzigen Kopf. Versuch positiv zu denken. Stell dir vor, dass er irgendwo da draußen ist, und vertrau darauf, dass wir alles tun, um ihn dahin zurückzubringen, wo er hingehört. Vielleicht finden wir ja hier schon ein paar Antworten auf unsere Fragen. Vor allem wenn wir Mrs. Campbell alleine erwischen. Sie machte gestern Abend den Eindruck, als wenn sie reden würde.«
Willow ging voraus und blieb bei dem Pförtner stehen.
»Hi«, sagte er und sah sie hinter seiner verspiegelten Sonnenbrille an. »Zu wem wollen Sie, bitte?«
»Zu Mr. und Mrs. Bryce Campbell.« Willow suchte nervös nach ihrem Personalausweis. »Ich kann Ihnen meinen Führerschein zeigen.«
»Das wird nicht nötig sein. Es tut mir Leid, aber ich muss sie bitten, das Gelände zu verlassen.«
»Warum?«, fragte Buffy. »Gibt es irgendwelche Schwierigkeiten?«
»Eigentlich nicht. Soweit ich weiß, wohnen die Campbells nicht mehr hier.«
»Sie sind umgezogen?«, fragte Willow.
»Heute Morgen«, sagte der Pförtner. »Als ich meinen Dienst antrat, habe ich gerade noch den letzten Umzugswagen gesehen.«
»Wissen Sie, wo sie hingezogen sind?«, fragte Buffy. Warum waren sie weggezogen? Wohin könnten sie gegangen sein? Hatten sie ihr Baby wiedergefunden und niemandem etwas davon gesagt?
»Nein. Aber selbst wenn ich das wüsste, dürfte ich Ihnen diese Informationen nicht weitergeben«
»Wissen Sie, warum sie umgezogen sind?«
»Nein«, antwortete der Pförtner. »Alles, was ich weiß, ist, dass Gallivan Industries den Umzug übernommen hat.«
»Gallivan Industries!«
»Genau. Ich denke, dass es sich um eine Versetzung in eine andere Firmenfiliale handelt. Das ist schon die vierte Familie in diesem Monat, deren Umzug von Gallivan übernommen wurde.«
Buffy starrte Willow an. »Wie wär‘s mit einem kleinen Ausflug in die Schulbibliothek?«
»Ich bin dabei.«
»Anfang dieses Monats hat Gallivan Industries die Pläne für die Bebauung des Weatherly Parks bekannt gegeben.« Buffy saß in den Räumen der Schulbibliothek und sah Willow über die Schulter, während diese eine Datei nach der anderen aufrief. In weniger als einer Stunde hatten sie dank Willows Geschick bereits eine Menge an Informationen über Gallivan Industries zu Tage gefördert. Es war ungewöhnlich, dass sich Giles nicht wie üblich in der Bibliothek aufhielt, aber er war wohl seinen eigenen Geheimnissen auf der Spur.
»Wir können also davon ausgehen, dass die erste dieser Entführungen kurz nach der Bekanntgabe der Bebauungspläne stattfand«, überlegte Buffy.
»Wir nehmen das an, weil wir es annehmen wollen«, wandte Willow ein. »Aber es gibt bisher nichts, was diese Vermutung wirklich bestätigt.« In keinem der Dokumente, die sie durchgesehen hatten, war auch nur ein Wort über Kindesentführungen erwähnt, noch nicht einmal in denen, die nichts mit Gallivan Industries zu tun hatten. »Gallivan Industries hat sich vor fast einem Jahr hier niedergelassen«, sagte Willow mit einem Blick auf ihre Notizen. »Die Muttergesellschaft sitzt in Houston, Texas. Sie sind auf Immobilienhandel und kommerzielle Erschließung von Gewerbegebieten spezialisiert.«
Tiefe Stille erfüllte die Bibliothek. Nur das Summen des Computers, vor dem Buffy und Willow saßen, war zu vernehmen. »Handeln sie auch mit Privatgrundstücken?«, fragte Buffy.
Willow schüttelte den Kopf. »Die Homepages über ihre Aktivitäten sind wirklich trockener Lesestoff. Ich habe fast alle durch und trotzdem noch nichts darüber gefunden. Ich habe alle Dateien an meine eigene e-mail-Adresse geschickt. Heute Abend werde ich sie zu Hause noch einmal durchsehen.«
»Irgendjemand hat den Angestellten von Gallivan Industries Häuser in Wingspread verkauft«, grübelte Buffy. »Ich schwinge mich heute Abend ans Telefon. Ich werde so tun, als ob ich seit kurzem für Gallivan Industries arbeite und in der Gegend auf Haussuche bin.«
»Was bedeutet, dass du heute nicht zur Demonstration im Weatherly Park kommen kannst.«
Hoppla! »Ich kann nicht beides machen, Willow. Die meisten Immobilienbüros schließen um fünf oder sechs. Was ist jetzt wichtiger?«
»Ruf die Makler an«, entschied Willow. »Wenn es darum geht, den Park oder die Kinder zu retten, ist die Entscheidung wohl eindeutig! Sag mir sofort Bescheid, wenn du etwas herausgefunden hast!«
Buffy lief in der Küche auf und ab, während sie telefonierte. Sie und Willow hatten sich vor der
Bibliothek getrennt und während Willow sich auf den Weg in den Weatherly Park gemacht hatte, war sie nach Hause gegangen, um die Immobilienmakler anzurufen. Als Erstes hatte sie mit dem Verwaltungsbüro des Wingspread-Wohnparks telefoniert. Sie hatte sich als eine potentielle Käuferin ausgegeben und gefragt, über welche Maklerbüros der Verkauf der Grundstücke in Wingspread lief. Glücklicherweise gab es nur vier davon. Pierce Properties, das zweite Maklerbüro, bei dem sie anrief, erwies sich als ein Volltreffer.
»Ja, wir haben im Laufe des letzten Jahres acht Grundstücke in Wingspread an Angestellte von Gallivan Industries verkauft«, versicherte ihr eine auskunftsfreudige Dame am Telefon. »Alle unsere Kunden sind sehr zufrieden mit ihrem Kauf.« Buffy lief noch immer unruhig auf und ab. Die Rolle als Privatdetektiv wurde ihr dadurch erleichtert, dass die Frau, von der sie sich Informationen erhoffte, ein mögliches Geschäft witterte.
»Mein... Mann ist noch nicht lange in dem Unternehmen beschäftigt und wir kennen hier in der Gegend noch niemanden. Er ist so eingespannt in seinem neuen Job und hat so viel... Verantwortung zu tragen, dass er gar keine Zeit hat, mir die Gegend hier zu zeigen.« Das klang glaubwürdig, oder? So, jetzt erst mal ihren Eifer anfachen. »Sein Gehalt ist so hoch, dass er sich verpflichtet fühlt, ständig für seinen Arbeitgeber da zu sein, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Sie wissen ja, wie das ist.«
»Gallivan Industries scheint ein sehr großzügiger Arbeitgeber zu sein«, stimmte die Frau eifrig zu.
»Kurz und gut, mein Mann hat mich gebeten, ein Haus für uns auszusuchen«, sagte Buffy. Sie fuhr fort, die
Rolle des naiven Dummchens zu spielen. »Er kann es sich halt leisten, einfach zu sagen: Geh und kauf ein Haus. Außerdem meinte er, dass einige der Kollegen hier in Wingspread Häuser gekauft hätten.«
»Sie hätten gar keine bessere Wahl als den Wingspread-Wohnpark treffen können. Es handelt sich um eine überwachte Wohnanlage mit einem Rund-um-die-Uhr-Sicherheitssystem.«
»Gibt es denn viele Vorfälle in der Gegend?«
»Keine, soweit ich weiß. Es ist eine sehr sichere Wohngegend.«
»Das ist uns wichtig, wir haben nämlich zwei Kinder«, sagte Buffy.
Zwei? Buffy zuckte innerlich zusammen. Hätte eines nicht gereicht? Sie wusste nicht, welcher Eingebung sie das zu verdanken hatte.
»Wirklich? Und wie heißen ihre kleinen Lieblinge?«, fragte die Frau in entzücktem Tonfall.
Das kam unerwartet. Für einen Moment hatte es ihr die Sprache verschlagen. Buffys Augen glitten Hilfe suchend über das Küchenregal. »Ginger«, stieß sie schließlich mit Blick auf die Gewürzgläser hervor. »Ginger und der kleine... äh... Ajax.« Das kam aus der Putzecke.
»Sie klingen sehr stolz und glücklich, wenn Sie von ihnen sprechen«, sagte die Frau.
»Das bin ich auch. Sie sind irgendwie immer... da, wenn man sie braucht.«
»Ich kann ihnen gerne ein paar Grundstücke in Wingspread zeigen«, bot die Maklerin ihr an.
»Das wäre großartig, aber bevor Sie das tun, würde ich gerne mit ein paar anderen Frauen sprechen, die dort hingezogen sind. Nur um zu sehen, ob sie sich dort auch wohl fühlen. Haben Sie eine Liste mit zufriedenen Kunden oder so etwas?«
Während sie sich selbst sprechen hörte, hatte Buffy das Gefühl, dass sie nur noch ihre Haare um die Finger wickeln musste, um ihre Rolle zu perfektionieren.
»Ja, das haben wir. Und wir haben auch die Einwilligung unserer Kunden, ihre Telefonnummern herauszugeben. Das ist eine Vereinbarung, die Wingspread mit den Neuzugezogenen und den Maklern getroffen hat. Wenn Sie in den Wohnpark einziehen sollten, müssten Sie uns auch Ihre Einwilligung dazu geben.«
»Das ist kein Problem für uns«, sagte Buffy. »Könnten Sie mir die Namen sagen?«
Die Maklerin gab ihr die Namen und die Adressen durch.
»Ich wiederhole, die Idee von Lance und Kelly war richtig! Wir sollten Gallivan und sein Arbeitsteam in die Luft jagen, bevor sie überhaupt erst anfangen können. Das ist unser Park und er war es schon, lange bevor sie beschlossen haben, ihn zu zerstören!« Willow bahnte sich hastig einen Weg durch die Menge von Kids, die sich vor dem Karussell versammelt hatten, das sie als zentralen Treffpunkt im Weatherly Park ausgemacht hatte. Langsam und finster brach die Nacht über den Park herein. Einige Schüler hatten Taschenlampen mitgebracht, andere hatten kleine Laternen dabei. Fast alle waren um das Rednerpult versammelt. »Entschuldigung. Kann ich mal vorbei?«
Glücklicherweise fand der Aufruf des Redners nur wenig Unterstützung in der Menge.
Willow sprang auf das Karussell und gesellte sich zu Craig Jefferies.
Er war einer der größten und kräftigsten Typen der ganzen Schule, spielte im Footballteam und nervte ganz schön. Willow konnte sich nicht daran erinnern, dass er bei den anderen Aktionen zum Schutz des Parks dabei gewesen war. Er trug ein graues ROTC-T-Shirt, dazu Hosen im Tarnlook und hatte die Spitzen seines besonders kurz geschnittenen Haars saphirblau gefärbt. »Weißt du, was ihr braucht?«, fragte Craig sie. »Eine PA-Anlage. Das würde den Leuten da draußen die Schuhe ausziehen.«
»Bloß nicht«, sagte Willow. »Das wäre falsch.« Absolut falsch! Sie dämpfte ihre Stimme und wusste, dass sie jetzt einen Streit riskierte. »Weißt du, Craig, was ich eigentlich erreichen möchte, ist eine... positive Atmosphäre zu schaffen, die zu positiven Ergebnissen führt.« Das Konzept war doch nicht allzu schwer zu verstehen, oder? »Ich will nicht, dass alle plötzlich scharf darauf sind, Frankensteins Schloss zu stürmen.«
Craig grinste und deutete auf den Übertragungswagen des lokalen Fernsehsenders, der gerade auf den Eingang des Parks zufuhr. »Ein paar Mistgabeln, ein paar Fackeln schwenken und du hast die Massen im Nu hinter dir, Rosenberg. Dann glauben die Leute an dich.«
»Ich will nicht, dass jemand an mich glaubt, ich will, dass die Leute begreifen, dass der Park wichtig ist und dass er erhalten bleiben muss«, korrigierte Willow.
»Menschen glauben an Personen, nicht an Bewegungen. Genau wie Soldaten an ihre Offiziere glauben«, sagte Craig.
»Hey, Craig!« Oz sprang zu ihnen auf das Karussell und versuchte die Balance zu wahren, während es sich langsam drehte. »Das klingt ganz so, als hättest zu oft Small Soldiers gesehen, oder haben dir die Rekrutierungstypen so zugesetzt?«
»Eine Bewegung, die ein korruptes Unternehmen zum Gegner hat, kann keine Weicheier gebrauchen«, sagte Craig herausfordernd.
»Entschuldige, Craig, aber das hier ist eine Initiative zur Rettung des Parks und keine Aufforderung zum Kampf«, sagte Willow seufzend.
»Über dieses Stadium bin ich schon längst hinaus, nachdem letzte Nacht zwei unserer besten Krieger durch den Feind gefallen sind!«, erwiderte Craig.
»Das Fernsehen«, flüsterte Oz Willow ins Ohr. Willow blickte zur Straße hinüber und sah, wie das Fernsehteam aus dem Wagen stieg. An seinem Dauergewellten schwarzen Haar, dem Spitzbart und seinem strahlenden Lächeln erkannte sie G.T. Rocken, einen Reporter, der oft in den Nachrichten zu sehen war und von den unterschiedlichsten Schauplätzen berichtete. Er trug einen dunkelblauen Anzug und gab dem Kameramann und den Tontechnikern einige Anweisungen.
»Auf letzte Nacht kommen wir noch zu sprechen«, sagte Willow zu Craig. »Ich bin gleich wieder da.« Oz bahnte ihr einen Weg durch die Menge.
»Wieso habe ich immer das Gefühl, dass Craig wie ein Soldat aussieht?«, fragte Willow. »Wie einer von diesen Sondereinsatztypen mit einem Messer zwischen den Zähnen.«
Oz schüttelte den Kopf. »Das ist nicht irgend so ein Typ, das ist Craig. Er hätte mit Sicherheit kein Messer zwischen den Zähnen, sondern eine Stange Dynamit.«
Willow hatte das Bild sofort vor Augen. »Angezündet natürlich!«
»An beiden Enden.« Oz lächelte ihr aufmunternd zu.
»Sei bloß nicht zimperlich mit diesen Medienleuten, Rosenberg«, bellte Craig mit rauer Stimme hinter ihnen her. »Die brauchen nicht zu glauben, dass sie herkommen und brave Bürger daran hindern können, für ihre Rechte zu kämpfen. Nicht wenn wir in geschlossenen Reihen stehen!«
Einige bekräftigende Rufe und Pfiffe ertönten aus der Menge. Willow hoffte, dass sie der Ankunft des Nachrichtenteams und nicht Craigs Äußerungen galten.
Die Situation hatte plötzlich eine aggressive Wendung genommen und sie hatte keine Ahnung, was sie dagegen unternehmen konnte. Wenn man überhaupt noch etwas dagegen tun konnte. Willow ging auf den Reporter zu, der sich zu ihr umwandte, nachdem man ihn auf Willow aufmerksam gemacht hatte.
Eine Welle von Buh-Rufen ging plötzlich durch die Menge. Willow sah, wie vor dem Übertragungswagen eine große Limousine zum Stehen kam, aus der Hector Gallivan ausstieg. In dem Licht, das aus dem luxuriösen Wagen fiel, wirkte er groß und Furcht einflößend. Das sieht ganz und gar nicht gut aus, dachte sie.