17. KAPITEL

Fiona stellte ihren Wagen am Straßenrand vor dem Tor zu Charlottes Haus ab und blieb darin sitzen. Sie war schrecklich nervös und hoffte, Owen hätte recht.

Doch selbst wenn es so wäre, hieß das noch lange nicht, dass sich alles zum Guten wenden würde. Vielleicht glaubte Philip ihr gar nicht, warum sie ihn vor zehn Jahren wirklich verlassen hatte und was sie für ihn empfand. Immerhin hatte er eine sehr schlechte Meinung von der Frau, die sie jetzt war.

Dennoch musste Fiona es versuchen. Es stimmte, was Owen gesagt hatte, eine bessere Chance würde sie nicht bekommen. Wenn sie nichts unternahm, würde alles noch komplizierter und verwirrender.

Sie nahm all ihren Mut zusammen und ließ den Motor wieder an. Dann fuhr sie durch das offene Tor. Es war genau zwölf Uhr. Plötzlich verkrampfte sich ihr der Magen.

Die Haustür stand weit offen, und die Leute vom Reinigungsservice legten gerade die Teppiche aus dem Wohnzimmer wieder ordentlich hin, nachdem sie Schmutz und Flecken entfernt hatten.

Sie ging durchs Haus und fand Charlotte und Philip schließlich auf der glücklicherweise schon aufgeräumten Terrasse. Niemand würde sie hier stören.

Als Philip Fiona erblickte, stand er auf. „Du bist früh dran“, flüsterte er überrascht und schob ihr einen Sessel hin.

Charlotte wirkte müde und lächelte Fiona an. „Ich bin froh, dass Sie da sind, Fiona“, sagte sie. „Ich wollte Ihnen noch danken für alles, was Sie für Philip gestern Abend getan haben.“

Fiona begegnete Philips Blick. Nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass er mich liebt, dachte sie unglücklich.

„Es hat uns allen unangenehme und peinliche Fragen und Erklärungen erspart“, fuhr Charlotte fort. „Ich kann noch nicht mit Corinnes Verhalten fertig werden. Mit Homosexuellen habe ich kein Problem, aber was sie getan hat, ist unverzeihlich. Sie behauptet einfach, sie liebe Philip, und bringt ihn mit irgendwelchen Tricks dazu, sie zu heiraten, nur damit sie ein eheliches Kind bekommen kann. Ich bin erstaunt, wie gelassen du damit umgehst, Philip.“

„Fiona hat mir klargemacht, dass ich noch Glück gehabt habe“, antwortete er spöttisch. „Es hätte ja leicht passieren können, dass ich es erst herausgefunden hätte, wenn es bereits zu spät gewesen wäre.“

„Daran wage ich gar nicht zu denken“, rief seine Mutter aus.

„Es gibt da etwas, das ich erklären möchte“, begann Fiona, ehe der Mut sie wieder verließ. „Ich muss Ihnen etwas gestehen, Charlotte. Philip weiß Bescheid, wir haben es vor Ihnen verheimlicht.“

„Fiona“, warnte er sie scharf.

„Nein, Philip, ich habe mich entschieden, dass deine Mutter es erfahren muss.“

„Um was geht es?“, fragte Charlotte verblüfft.

Fiona lächelte sie wie um Verzeihung bittend an. „Seien Sie mir bitte nicht böse, Charlotte. Ich wollte niemandem schaden. Aber ich habe eingesehen, dass es falsch war, Ihnen nicht von Anfang an die Wahrheit zu sagen. Es tut mir sehr leid.“

„Was für eine Wahrheit?“

„Über meine Identität.“ Fiona schluckte, dann fuhr sie fort: „Vor zehn Jahren kannte mich niemand als Fiona Kirby. Damals war ich Noni Stillman.“

Charlotte rang nach Luft, während Philip aufstöhnte.

„Du liebe Zeit, Fiona“, stieß er hervor. „Musstest du unbedingt so undiplomatisch damit herausplatzen?“

Sie blickte ihn fest an. „Es gab keine diplomatischere Möglichkeit. Die Wahrheit, Philip, ist nie leicht. Das beginne ich zu begreifen.“

Charlottes Gesichtsfarbe wurde langsam wieder normal, während sie Fiona ungläubig betrachtete. „Ich hätte Sie nie wieder erkannt. Aber dann können wir uns ja duzen.“

„Ja, gern.“

„Du hast dich sehr verändert.“

„Ja, das hat sie“, mischte Philip sich ein. Sogleich drehte Charlotte sich zu ihrem Sohn um und runzelte die Stirn.

„Aber du hast sie erkannt?“

„Natürlich“, antwortete er spöttisch.

„Ja“, sagte Charlotte leise und nickte. „Ja, natürlich. Ich verstehe.“

Sie blickte wieder Fiona an, die überrascht war über die Tränen in Charlottes Augen. Und noch etwas anderes sah sie darin, Sympathie und Verständnis.

„Ich verstehe wirklich“, sagte Charlotte sanft.

Emotionen stürzten auf Fiona ein. Charlotte wusste Bescheid. Sie, Fiona, brauchte ihr nichts zu erklären. Nur Philip verstand nichts. Er hatte keine Ahnung, warum sie so handelte. Er saß einfach nur da, und seine Miene wirkte angespannt und frustriert. Es gefiel ihm nicht, dass Fiona sich, ohne ihn zu fragen, entschieden hatte, Klarheit zu schaffen.

„Bist du jetzt glücklich?“, fuhr er sie an. „Vielleicht würdest du gern alles erzählen, wo du schon mal dabei bist. Du könntest ja meiner Mutter verraten, wo wir vergangene Nacht waren und was wir gemacht haben.“

Fiona war ziemlich betroffen, während Charlotte sich erstaunlich unbeeindruckt wieder zu ihrem Sohn umdrehte. „Oh Philip“, sagte sie vorwurfsvoll, „du weißt nicht, was du ihr antust.“

„Was tue ich ihr denn an?“ Er sprang auf. „Warum fragt keiner danach, was sie mir angetan hat? Was hat sie vor zehn Jahren getan? Und was tut sie mir an, seit sie wieder in mein Leben getreten ist? Ich kann dir sagen, es war die Hölle. Sie ist ein Teufel in Menschengestalt, sie spielt die Liebe und Nette, während sie in Wirklichkeit den Männern die Seele stiehlt und sie zerstört. Aber mich wird sie kein zweites Mal zerstören. Dieses Mal wird sie selbst zerstört. Hat es dir gefallen letzte Nacht, Fiona?“, spottete er. „Dann musst du in Zukunft von den Erinnerungen zehren. Ich will dich nicht mehr wieder sehen und dich nie wieder berühren.“

Charlotte sah ihn entsetzt an, und Fiona versuchte verzweifelt, sich an die vage Hoffnung zu klammern, dass der Hass, der ihr entgegenschlug, nur die dunkle Seite der Liebe sei.

Sie stand auf und blickte ihm in die Augen. „Aber ich liebe dich, Philip“, erklärte sie mutig. „Vor zehn Jahren habe ich dich auch geliebt.“

„Du bist eine verdammte Lügnerin! Vor zehn Jahren hast du mich nicht geliebt, das hast du selbst zugegeben und es mir dann auch bewiesen. Du hast mich verlassen, ohne mit der Wimper zu zucken. Nennt man so etwas Liebe?“

„Ja“, mischte Charlotte sich ein und stand auch auf.

Fiona und Philip blickten sie verblüfft an.

„Setzt euch, alle beide!“, forderte sie sie auf, und beide gehorchten ihr.

Schließlich nahm Charlotte auch wieder Platz. Dann tätschelte sie kurz Fionas Arm, ehe sie sich an ihren Sohn wandte.

„Ich habe mit dir nie darüber geredet, Philip, weil es für mich keinen Sinn machte. Außerdem wusste ich bis kurz vor deines Vaters Tod gar nichts davon. Doch jetzt hat sich die Situation verändert. Noni, oder besser gesagt Fiona ist in dein Leben zurückgekommen, und du musst endlich erfahren, was in jener Nacht vor zehn Jahren geschehen ist.“

Vor lauter Bestürzung schwieg Fiona, als Charlotte ihr einen reumütigen, aber herzlichen Blick zuwarf.

„Diese bezaubernde Frau wollte dich nicht verlassen. Sie hat dich sehr geliebt. Doch der Verlust des Babys hatte sie völlig aus dem Gleichgewicht gebracht. Sie war so aufgewühlt und deprimiert, dass sie sehr leicht zu manipulieren war. Als du kurz aus dem Haus gegangen warst und ich auch gerade nicht im Zimmer war, hat dein Vater absichtlich ihre seelische Verfassung, ihren Schmerz und Kummer ausgenutzt, sie dazu zu überreden, dich aufzugeben. Es sei für dich und für sie das Beste, hat er behauptet.

Nein, hör mir bitte zu“, fuhr Charlotte fort, als Philip sie unterbrechen wollte. „Er hat erklärt, du seist zu unreif, um schon zu wissen, was du wolltest, und du hättest dir schon viel zu oft eingebildet, verliebt zu sein. Es sei ganz normal für junge Männer, Sex mit Liebe zu verwechseln. Er hat ihr eingeredet, du würdest eines Tages aufwachen und einsehen, dass du sie nicht wirklich liebst. Und dann würdest du sie hassen und ihr vorwerfen, dich in die Falle gelockt und indirekt gezwungen zu haben, sie zu heiraten, obwohl sie gar nicht zu dir passte. Ihre Verletzlichkeit und Unsicherheit hat er ausgenutzt und ihr suggeriert, sie sei nicht gut genug für dich, würde dich hinunterziehen und dich unglücklich machen. Daran bin ich leider zum großen Teil selbst schuld. Ich war damals viel zu unfreundlich zu dir und habe dich zu sehr kritisiert, Fiona. Nachdem du schon lange weg warst, wurde mir bewusst, wie gemein und snobistisch ich mich verhalten hatte. Ich habe mir immer wieder gewünscht, dir sagen können, wie leid mir das alles tut.“

„Ist schon gut, Charlotte“, sagte Fiona leise.

„Nein, das ist es nicht. Was ich getan habe, war genauso falsch wie das, was dein Vater getan hat, Philip. Und er hat es gewusst. Es hat bis zum Ende sein Gewissen belastet. Deshalb hat er mir auch anvertraut, welche unglückliche Rolle er in der ganzen Sache gespielt hat.“

„Aber er hat nicht lange gebraucht, sie zu überzeugen, stimmt’s?“, antwortete Philip scharf. „Ich war nur eine halbe Stunde weg.“

„Du weißt genau, was für ein geschickter Redner er war. Er konnte mit Worten Schwarz in Weiß verwandeln. Und er hatte eine starke Waffe: Fionas Liebe zu dir. Er hat sie überzeugt, sie tue das Richtige, wenn sie dich aufgeben würde.“

„Warum?“, rief Philip gequält aus. „Warum hat er so etwas getan? Er wusste doch, wie sehr ich sie liebte.“

„Oh Philip, er war dein Vater und hat so viel von dir erwartet. Viel zu viel. Er glaubte, er müsse dich zu deinem Glück zwingen. Und er war wirklich überzeugt, es sei richtig, was er tat.“

„Richtig“, stöhnte Philip auf. „Du liebe Zeit, wenn er doch nur gewusst hätte, wie sehr ich gelitten habe.“

„Er hat Fiona genauso leiden lassen wie dich, mein Sohn“, erinnerte Charlotte ihn sanft.

Schockiert blickte Philip Fiona an. „Ist das wirklich alles wahr?“, fragte er. „Ist es so gewesen?“

Fiona war auch entsetzt. Sie hatte nicht geahnt, wie hinterhältig Philips Vater gehandelt hatte. Sie hatte ihn für freundlich und nett gehalten, während er in Wirklichkeit …

Tränen traten ihr in die Augen, als sie endlich begriff, wie perfide dieser Mann gewesen war.

„Ja“, stieß sie schließlich hervor.

Philip rang um Fassung. „Warum hast du nicht wenigstens nach unserem Wiedersehen mit mir darüber geredet?“

„Wie denn? Du warst doch im Begriff, Corinne zu heiraten.“

„Ja, neun Jahre, nachdem du wieder geheiratet hattest“, stellte er vorwurfsvoll fest.

Fiona wischte sich die Tränen weg und bemühte sich, sich zu beherrschen. „Ich hätte Kevin nicht heiraten dürfen, das gebe ich zu. Ich habe ihn nie geliebt. Aber ich war einsam und allein, und er war lieb und nett zu mir. Damals brauchte ich jemanden. Natürlich war es falsch, ihn zu heiraten. Sobald mir das klar wurde, habe ich mich scheiden lassen. Dann habe ich damit angefangen, mich auf mich selbst zu verlassen. Ich wollte niemanden verletzen. Und ich wollte auch selbst nicht mehr verletzt werden. Deshalb wurde ich hart, das sehe ich jetzt ein. Ich habe Menschen verletzt, Männer, die mich mochten. Vielleicht haben mich einige davon sogar geliebt. Ich bin nicht stolz darauf. Als wir uns wieder sahen, habe ich fest daran geglaubt, meine Gefühle zu dir überwunden zu haben, weil ich nicht mehr die Noni von damals war. Jedenfalls habe ich mir das eingeredet. Ich war überzeugt, mich nie mehr hoffnungslos und hilflos zu verlieben, bestimmt nicht in denselben Mann.“

Sie richtete sich auf, ehe sie eingestand: „Aber ich habe mich wieder in dich verliebt, Philip. Dagegen kann ich nichts tun. Du kannst mich haben, wenn du willst.“

Er war sprachlos, doch sein Blick sagte alles. In seinen Augen leuchtete es warm und liebevoll auf, und seine Züge wirkten sehr weich.

Charlotte räusperte sich und stand auf. „Ich kümmere mich mal um die Leute vom Reinigungsservice.“

„Mir ist nie in den Sinn gekommen, dass du mich vielleicht aus lauter Liebe aufgegeben haben könntest“, sagte Philip rau.

„Glaub mir, das habe ich später sehr bereut.“

„Ich habe dich nie vergessen.“ Er reichte ihr die Hände.

Fiona legte ihre hinein, und ihrer beider Finger verschränkten sich. Ein grenzenloses Glücksgefühl breitete sich in ihr aus. „Ich dich auch nicht.“

„In jedes Fischrestaurant bin ich gegangen, weil ich dachte, du würdest vielleicht hinter der Theke stehen.“

„Und ich habe bei dir angerufen, nur um deine Stimme zu hören.“

„Die Vorstellung, du würdest das Kind eines anderen bekommen, hat mir beinah den Verstand geraubt.“

„Nie hätte ich mit einem anderen Mann ein Kind bekommen. Ich wollte nur deins, Philip“, erwiderte sie und drückte seine Hände noch fester.

„Wollen wir noch einmal versuchen, ein Kind zu bekommen, Fiona?“

„Wenn du es gern möchtest.“

„Und ob ich es möchte. Weißt du überhaupt, wie sehr ich dich liebe?“

Sie lächelte sanft und liebevoll. „Das kannst du mir ja sagen, wenn du willst.“

Philip verzog die Lippen. „Momentan fallen mir nur Klischees ein. Ich könnte beispielsweise sagen, meine Liebe ist so unendlich und tief wie der Ozean.“

Jetzt lächelte sie noch inniger. „Das genügt für den Anfang. Später kannst du mir auf ganz andere Art zeigen, wie sehr du mich liebst.“

„Du bist ein ganz unmoralisches Wesen.“

„Wenn ich es bin, bist du dafür verantwortlich. Bis ich dir begegnete, mochte ich Sex gar nicht. Ich fand ihn irgendwie abstoßend und die Reaktionen darauf übertrieben.“

„Offenbar hast du deine Abneigung überwunden“, antwortete er lächelnd.

„Philip“, sagte sie.

Sogleich blickte er sie besorgt an. „Was?“

„Ich möchte dich etwas fragen.“

„Du kannst mich alles fragen.“

„Versprichst du mir, mich nicht zu bitten, dich zu heiraten?“

„Warum das denn? Ich dachte, du liebst mich.“

„Ja, das tue ich auch. Aber bis jetzt hatten wir kein Glück mit unseren Ehen und den Hochzeitstagen. Was meinst du, können wir die Hochzeit verschieben, bis wir zwei Kinder haben?“

„Du willst erst Kinder haben?“

„Ja. Hast du was dagegen?“

„Überhaupt nicht. Wann fangen wir an?“

Sie blickten sich lächelnd an.

„Bedeutet dieses wunderbare Lächeln das, was ich mir wünsche?“, fragte Charlotte, als sie sich wieder zu ihnen gesellte. „Können wir bald wieder eine Hochzeit planen?“

„Ich glaube nicht. Fiona will dich zur Großmutter machen, ehe du ihre Schwiegermutter wirst.“

Charlotte war überrascht. „Wirklich?“

„Ja. Ich bin etwas abergläubisch“, erklärte Fiona. „Wir beide waren schon zweimal verheiratet, und jedes Mal war es eine Katastrophe. Deshalb habe ich Angst vor dreifachem Unglück.“

„Ich kann dich verstehen“, erwiderte Charlotte. „Ein Trauschein ist auch unwichtig, wenn man sich von ganzem Herzen liebt.“

„Das tun wir, wir lieben uns aufrichtig.“ Philip stand auf. „Du entschuldigst uns doch, oder? Ich will der zukünftigen Mutter meiner Kinder mein Haus zeigen. Du hast gesagt, du würdest gern in Balmoral leben, Fiona, oder?“

„Ganz bestimmt!“ Sie sprang auf und konnte das Glück, das sie empfand, kaum fassen.

„Bis später, Charlotte.“

„Ja, bis später, Fiona, meine Liebe. Tschüs, Philip. Fahr vorsichtig.“

„Heißt das, du willst mit mir zusammenleben?“, fragte Fiona ihn, als er sie nach draußen zum Auto führte.

„Natürlich! Willst du es etwa nicht?“

Fiona küsste ihn auf die Wange. „Mehr als alles in der Welt.“

„Wunderbar. Morgen fangen wir an, deine Sachen zu mir zu bringen. Gehört das Apartment dir, oder hast du es gemietet?“

„Es gehört mir.“

„Dann verkauf es.“

„Nein, ich vermiete es lieber.“ Als er sie finster anblickte, fügte sie hinzu: „Es ist eine gute Investition. Und ein Platz, wo ich leben kann, wenn du mich leid wirst.“

„Das wird nie geschehen.“

„Warten wir es ab. Du kennst mich als Fiona noch nicht so gut.“

„Ich liebe dich als Fiona.“

„Wirklich? Dann möchte ich dich darauf hinweisen, dass ich mit dem eigenen Wagen hergekommen bin und damit auch zurückfahre.“

Wieder blickte er sie finster an.

„Philip, ich bin nicht mehr Noni. Ich habe einen Beruf und eine eigene Meinung“, erklärte sie besorgt. „Weder das eine noch das andere werde ich jemals wieder aufgeben.“

„Glaubst du, das wollte ich?“

„Ich weiß es nicht. Vielleicht.“

„Fiona, ich will dich so, wie du jetzt bist.“

„Bist du sicher, dass du nicht nur die Frau willst, die ich vergangene Nacht war?“

Er lächelte reumütig. „Ja, die auch“, gab er zu und nahm sie in die Arme. Dann küsste er sie leidenschaftlich und zärtlich und liebevoll zugleich.

„Ich liebe dich, Fiona Kirby“, erklärte er später und drückte sie fest an sich. „Ich liebe deine Unabhängigkeit und deine Charakterstärke, deinen Ehrgeiz und dein Streben nach Perfektion. Und ich liebe deine Schönheit und deinen Körper. Doch Sex ist nur ein Teil dessen, was ich für dich empfinde. Das musst du mir glauben.“

„Ja, Philip.“ Das Herz floss ihr über vor lauter Liebe. Sie hob den Kopf und küsste Philip auf die Lippen.

„Wenn du Ja sagst, habe ich das Gefühl, mich innerlich aufzulösen vor lauter Glück.“

Auch in den nächsten Jahren sagte Fiona immer wieder Ja. Und fünf Jahre später noch einmal, als Philip ihr dieselbe Frage stellte wie schon so oft nach der Geburt ihres ersten Kindes.

Der vierjährige Zachary und die zweijährige Rebecca nahmen an der schlichten Trauung ihrer Eltern in Balmoral Beach teil. Sie freuten sich genauso wie ihre Großmutter. Steve und seine hübsche Frau Linda waren Trauzeugen.

Owen war natürlich auch dabei. Aber dieses Mal hatte Five-Star Weddings die Forsythe-Hochzeit nicht organisiert.

„Sie sieht wunderschön aus in Weiß“, sagte Owen leise zu Charlotte. „Ich möchte gern wissen, woher sie das fantastische Kleid hat. Wissen Sie, ich habe Fiona bis jetzt noch nie in Weiß gesehen.“

„Ich habe es für sie ausgesucht“, antwortete Charlotte und lächelte geheimnisvoll.

„Wirklich? Dann haben Sie ein Händchen für Brautkleider. Sie suchen nicht zufällig einen Job, Mrs Forsythe?“

Charlotte lachte. „Ich habe genug damit zu tun, zwei Tage in der Woche meine beiden Enkelkinder zu betreuen.“

„Ja, sie sind sehr lebhaft. Aber bei so Eltern wie Fiona und Philip ist das auch kein Wunder. Die beiden sind ein großartiges Paar, nicht wahr?“

„Stimmt, Owen.“

Wenig später war der große Augenblick gekommen. Der Pfarrer räusperte sich. „Willst du, Philip, Fiona zu deiner angetrauten Ehefrau nehmen, sie lieben und ehren in guten wie in schlechten Zeiten, in Krankheit und Gesundheit, solange ihr beide lebt?“

„Ja, ich will“, antwortete Philip fest und bestimmt und lächelte Fiona liebevoll an.

Fiona versuchte, sein Lächeln zu erwidern, was ihr jedoch nicht gelang. Diesen Moment hatte sie jahrelang hinausgezögert, aber nicht, weil sie Philip nicht heiraten wollte, sondern weil sie Angst hatte. Angst vor Hochzeitstagen und weißen Kleidern.

„Und du, Fiona“, fuhr der Pfarrer fort, „willst du Philip zu deinem angetrauten Ehemann nehmen, ihn lieben und ehren in guten wie in schlechten Zeiten, in Krankheit und Gesundheit, solange ihr beide lebt?“

Sie zögerte und ließ die Worte auf sich wirken. Plötzlich wurde ihr bewusst, wie feige sie gewesen war. All die Jahre hatte sie Philips Heiratsanträge abgelehnt und hatte Angst davor gehabt, sich hinzustellen und vor allen Leuten zu bekennen, wie sehr sie diesen Mann liebte und dass sie ihn bis ans Ende ihres Lebens lieben würde.

Wovor hatte sie überhaupt Angst? Mit ihren dreiunddreißig Jahren war sie nicht mehr abergläubisch. Sie glaubte daran, dass jeder für sein Leben selbst verantwortlich war. Man musste aktiv an seinem Schicksal arbeiten, statt die Dinge einfach geschehen zu lassen. Und man musste sich selbst treu bleiben.

Mehr als alles andere auf der Welt wünschte sie sich, Philips Frau zu sein. Worauf wartete sie noch?

„Ja, ich will“, erklärte sie und strahlte vor Glück.

Sie begegnete Philips Blick, und sie lächelten sich an, während der Pfarrer die abschließenden Worte sprach: „Hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau.“

– ENDE –