13
Stillleben
In
diesem Kapitel
Passende Objekte für ein Stillleben wählen
Die Komposition ausleuchten
Die meisten Personen denken bei einem Stillleben an eine Schale mit Früchten oder eine Blumenvase. Doch das ist nur ein marginaler Ausschnitt der Möglichkeiten. Sie können für Ihr Stillleben symmetrische oder asymmetrische Objekte verwenden. Viele faszinierende Objekte sind symmetrisch, und sie korrekt auszuarbeiten, ist ganz wesentlich für das Meistern dieser Zeichendisziplin. In diesem Kapitel lernen Sie, die richtige Auswahl an Objekten zu treffen, symmetrische Motive korrekt zu zeichnen und das Ganze am Schluss ins richtige Licht zu rücken.
Die Auswahl der
Objekte
Während einer kleinen kreativen Entdeckungsreise durch Ihr Wohnzimmer können Sie einen nahezu unbegrenzten Vorrat an Objekten für ein Stillleben entdecken. Wählen Sie besonders faszinierende Objekte und nutzen Sie Ihre künstlerische Ader, um jeden beliebigen Gegenstand eindrucksvoll in Szene zu setzen. Sie werden unzählige potenzielle Kandidaten finden. Die Komposition von unterschiedlich geformten Objekten verschiedener Größe kann zu eindrucksvollen Resultaten führen. (Mehr über wirkungsvolle Kompositionen in Kapitel 10.)
Traditionell oder
zeitgenössisch
Traditionelle Stillleben enthalten klassische Motive wie Früchte, Schalen, Werkzeuge oder Blumen. (Mehr zu Blumen finden Sie in Kapitel 14.) Zeitgenössisch bezieht sich auf alles, was modern ist, wobei dieses Zeitgenössische in einigen Jahren natürlich ebenfalls zum Traditionellen gehört. Der aktuelle Trend zum Retro-Design trägt seinen Teil dazu bei, dass die Sache noch ein wenig komplizierter wird. Einfach gesagt, verwenden Sie einfach Dinge, die Ihnen gefallen – egal in welche Kategorie sie gehören.
Sie werden keine Mühe haben, bei Ihnen zu Hause eine Menge Motive zu finden. Früchte, Blumen oder Gemüse sehen immer noch so aus wie vor Jahrhunderten, als sie von den großen Meistern gemalt wurden.
Erkunden Sie Flohmärkte und Antiquitätenhändler, um einige »alte« Objekte für Stillleben zu finden. Alte, verwitterte und getragene Objekte besitzen jede Menge Persönlichkeit, die sich in Ihren Zeichnungen niederschlagen kann.
In Abbildung 13.1 sehen Sie zwei Arbeiten. Die verspielte Plastikfigur gab ein ausgezeichnetes Motiv ab. Den Pfirsich malte ich in einem Anfall von Traditionalismus. Beachten Sie die pelzig wirkende Oberfläche. (Wie so etwas gemacht wird, erfahren Sie in Kapitel 8.)
Abbildung
13.1: In Ihren eigenen
vier Wänden werden Sie eine Menge traditionelle und zeitgenössische
Motive für Stillleben finden.
Sogar Ihr Pausenbrot kann als Motiv zweckentfremdet werden. Nehmen Sie zum Beispiel einen schönen, glänzenden Apfel, stellen Sie ihn vor sich hin und zeichnen Sie ihn. Beißen Sie ein Stück ab und zeichnen Sie ihn noch einmal. Wiederholen Sie diesen Vorgang, bis Sie beim Kerngehäuse angekommen sind.
Gläser und Kristalle sind Klassiker unter den Motiven für Stillleben. Die glänzende Struktur verlangt jedoch nach starken Lichtern und Schatten, um einen realistischen Eindruck zu erzeugen (siehe Kapitel 8). Werfen Sie einen Blick auf Abbildung 13.2, um zu sehen, was ich meine.
Für die kurvenreiche Flasche wurden die Schattierungen vom Grad der Transparenz bestimmt:Die dunklen Tonwerte des Hintergrunds sind oberen Teil der Flasche zu sehen.Die helleren Tonwerte der Unterlage sind im unteren Teil sichtbar.Der Flaschenboden ist in den dunklen Tonwerten des Schattens unter der Flasche gehalten.
Der Kristallengel in Abbildung 13.2 ermöglicht eine komplexe Studie von detailreichen transparenten Objekten. Viele der mittleren Helligkeitswerte befinden sich eigentlich im Hintergrund, doch ich habe mich entschieden, ihn weiß zu lassen und damit die komplexe Oberfläche stärker hervorzuheben.
Abbildung
13.2: Objekte aus Glas
und Kristall eignen sich hervorragend für
Stillleben.
In der linken Zeichnung in Abbildung 13.3 sehen Sie einen alten, müden Holzeimer, den ich entdeckte, als ich auf einer abgeschiedenen Straße den Ozean entlang fuhr. Zum Glück trage ich meistens meine Kamera mit mir herum, damit ich für solche Schätze wie diesen hier gerüstet bin. Die alte Fischerhütte im Hintergrund und die wilden Blumen rund um den Eimer verstärken den Charme dieser Zeichnung.
Abbildung
13.3: Alte,
verwitterte Objekte strahlen Persönlichkeit
aus.
In der rechten Zeichnung in Abbildung 13.3 sehen Sie drei wunderschöne alte Holzobjekte, gefällig arrangiert und vereint durch dieselbe Oberflächenstruktur.
Sie können Ihre Stillleben vereinheitlichen, indem Sie Objekte arrangieren, die auf die eine oder andere Weise etwas miteinander gemein haben: Gartenwerkzeuge und Pflanzen, Küchenutensilien und Lebensmittel, Tischgedecke, Objekte gleicher Farbe oder eine Ansammlung von Spielzeug.
Leicht daneben und voll
verrückt
Ein unendlicher Vorrat an kreativen, surrealen Stillleben existiert in Ihrer Vorstellungskraft. Sie können entweder Ihre ureigenen Kreationen schaffen oder ein traditionelles Objekt (wie einen Apfel oder einen Eimer) in etwas total Bizarres verwandeln – so wie in den beiden Zeichnungen in Abbildung 13.4. Das Gesicht der rechten Zeichnung wurde von der herrlichen Holzmaserung inspiriert.
Abbildung
13.4: Verwandeln Sie
Alltägliches in groteske Objekte.
Die Form der SchlagschattenSuchen Sie sich mehrere unterschiedlich geformte Objekte, platzieren Sie eines nach dem anderen unter einer harten Lichtquelle und beobachten Sie, wie die Schatten ihre Form verändern. Platzieren Sie die Objekte auf einem zerknautschten Stück Stoff und sehen Sie, wie die Schattenform den Falten folgt.Die Form eines Objekts und die Oberfläche, auf dem es steht, bestimmen die Form des Schlagschattens. Wenn Sie zum Beispiel einen Apfel auf einen Tisch stellen, spiegelt die Form des Schattens diejenige des Apfels wider. Wenn Sie den Apfel hingegen auf ein zerknittertes Stück Stoff legen, folgt die Form der Schatten den Stofffalten. Die Richtung, aus der das Licht kommt, ist für die Form ebenfalls mitverantwortlich. (Mehr über Schatten in Kapitel 6.)
Symmetrische
Objekte
Sehen Sie sich für Ihr Stillleben immer auch nach symmetrischen Objekten um. In diesem Abschnitt helfen Ihnen einige simple Techniken, symmetrische Objekte schnell und effizient zu zeichnen. Als Beispiel dient eine Vase, aber die Technik funktioniert genauso mit jedem anderen symmetrischen Objekt.
Zusätzlich zu den regulären Zeichenwerkzeugen benötigen Sie ein Blatt Pauspapier.
1. Zeichnen Sie eine grobe Konturskizze einer Vase (oder was immer Sie gerade vor sich haben.)
2. Zeichnen Sie mit Hilfe eines Lineals eine vertikale Linie im Zentrum der Vase (siehe Abbildung 13.5).Abbildung 13.5: Eine einfache vertikale Linie hilft beim Zeichnen symmetrischer Objekte.
3. Hellen Sie diese Skizze auf einer Hälfte mit Ihrem Knetgummi auf.
4. Zeichnen Sie diese Seite der Vase mit klaren, sauberen Linien.
5. Löschen Sie die grobe Skizze der anderen Seite der Vase.
6. Ziehen Sie mit einem Lineal eine horizontale Linie, die im rechten Winkel auf die bestehende Linie trifft.
7. Kleben Sie Pauspapier über die ausgearbeitete Hälfte Ihrer Zeichnung.Achten Sie darauf, dass das Klebeband nicht die Zeichnung selbst berührt – es würde sie beim Ablösen beschädigen.
8. Ziehen Sie mit Hilfe eines Lineals und eines 2B- oder 4B-Bleistifts die sich überschneidenden Linien nach.
9. Zeichnen Sie die Kurven der Vase mit einem dunklen Bleistift nach.
10. Entfernen Sie das Pauspapier sorgfältig und wenden Sie es auf die andere Seite.Jetzt haben Sie die Vasenhälfte gespiegelt.Abbildung 13.6: Pauspapier hilft Ihnen dabei, die andere Seite zu zeichnen.
11. Richten Sie das Pauspapier auf die fehlende Hälfte aus, so dass sich die horizontalen und vertikalen Hälften überlappen, und befestigen Sie es wieder mit Klebstreifen.
12. Zeichen Sie den Umriss der zweiten Vasenhälfte nach.Die Zeichnung auf der Rückseite Ihres Pauspapiers wirkt wie Kohlepapier und überträgt die Zeichnung auf die Zeichenfläche.
13. Entfernen Sie das Pauspapier vorsichtig und löschen Sie die horizontale und vertikale Hilfslinie.
14. Zeichnen Sie die Kontur ein wenig nach, bis sie so kräftig ist wie ihr Gegenüber.
Die Beleuchtung eines
Stilllebens
In diesem Abschnitt zeige ich Ihnen vier Aufnahmen einer Vase, die in einer Schale steht – unter vier verschiedenen Lichtbedingungen. Die Position des Lichtes bestimmt, wie plastisch bzw. wie flach das Objekt wirkt.
Wenn Sie Ihre künstlerischen Gründe haben, um das Stillleben flach aussehen zu lassen, verwenden Sie frontales Licht oder solches, das von hinten kommt.
Suchen Sie sich ein Objekt und stellen Sie es auf eine weiße Oberfläche. Experimentieren Sie mit den folgenden vier Beleuchtungstypen und finden Sie heraus, welcher Ihnen am meisten zusagt.
Von oben und leicht rechts (Abbildung 13.7 links).Diese traditionelle Beleuchtungsform betont die Schatten, die Lichter und die dreidimensionale Form der Vase.
Von rechts und leicht unter dem Objekt (Abbildung 13.7 rechts). Diese Beleuchtung erzeugt eine Menge Kontraste und betont die dreidimensionalen Eigenschaften der Vase. Achten Sie auf das reflektierte Licht an den Kanten auf der schattigen Seite. (In Kapitel 6 finden Sie Details zu Lichtern, Schatten und Reflexionen.)Abbildung 13.7: Die Beleuchtung von oben, unten und von der Seite betont die Plastizität.
Hartes Licht von hinten (Abbildung 13.8 links). Im Gegenlicht verschluckt der silhouettenartige Charakter viele Details, weil man sich auf der Schattenseite der Vase befindet. Der größte Teil des Motivs muss dunkel schattiert werden.
Hartes frontales Licht (Abbildung 13.8 rechts). Das Fehlen von sichtbaren Schatten zeichnet das Objekt weich und flach. Frontales Licht ist typisch für Fotografien, die unter Blitzlicht gemacht wurden.Abbildung 13.8: Frontale Beleuchtung oder Hintergrundlicht lässt das Objekt flach wirken.
Verwenden Sie Fotos nur dann, wenn es nicht anders geht, und zeichnen Sie so häufig wie möglich echte Objekte. Die rechte Aufnahme in Abbildung 13.7 unterschlägt den leichten Lichtsaum, den ich in natura beobachten konnte, als ich die Schattenseite der Vase untersuchte.
Projekt 13: Ein Stillleben
zeichnen
Wählen Sie für dieses Projekt ein einfaches symmetrisches Objekt. Streifen Sie durch Ihre Wohnung, und nehmen Sie, was Ihr Interesse weckt. Vasen, Blumentöpfe und Weingläser geben ausgezeichnete Motive ab. Und so geht’s weiter:
1. Platzieren Sie das Objekt auf einer flachen Unterlage.Denken Sie daran, dass Objekte stärker von indirektem Licht beleuchtet werden, wenn sie auf einer hellen oder sogar weißen Unterlage stehen.
2. Arrangieren Sie die Beleuchtung so, wie Sie es für richtig halten.Ich verwende eine starke Halogenlampe als Lichtquelle, aber fühlen Sie sich frei, alles zu verwenden, was sich gerade anbietet.
3. Zeichnen Sie Ihr Motiv.Verwenden Sie Pauspapier, wie in diesem Kapitel beschrieben. In den Kapiteln 6 und 7 können Sie außerdem Schritt für Schritt nachlesen, wie Lichter und Schatten gezeichnet werden.